Inhalt

LG Regensburg, Endurteil v. 28.03.2023 – 1 HK O 1116/22
Titel:

Erlöschen des Widerrufsrechts, Ausübung des Widerrufsrechts, Erbringung von Dienstleistungen, Widerrufsbelehrung, Elektronisches Dokument, Verbraucherrecht, Rechtsschutzbedürfnis, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Klageantrag, Elektronischer Rechtsverkehr, Vorläufiger Rechtsschutz, Rechtsmißbrauch, Feststellungsantrag, Abmahnungskosten, Auskunftserteilung, Streitwert, Klagezustellung, Wert des Beschwerdegegenstandes, Rückabwicklung, Kostenentscheidung

Schlagworte:
Rechtsschutzbedürfnis, Abmahnung, Widerrufsrecht, Belehrungspflicht, Täuschung des Verbrauchers, Kulanzleistung, Wettbewerbsverstoß
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7538

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1. Übersicht
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Die Parteien streiten gegenseitig über die Zulässigkeit von (Widerrufs-)Belehrungen, die der jeweilige Gegner hinsichtlich bestimmter online angebotener Dienstleistungen im Zusammenhang mit digitalen Vignetten für österreichische Straßen erteilt.
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Beide Parteien bieten Verbrauchern an, für diese eine digitale Vignette für mautpflichtige Straßen in Österreich bei der für die Maut zuständigen … zu registrieren und die entsprechende elektronische Bestätigung samt QR-Code zu übermitteln. Die Klägerin bietet Verbrauchern dies auf der Webseite www.d. ... .at an. Die Beklagte bietet entsprechende Dienstleistungen auf der Webseite … an.
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Die Klägerin ist bislang der Auffassung gewesen, dass nach deutschen Verbraucherrecht bei vollständiger Erbringung dieser Dienstleistung ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht mehr besteht. Die Beklagte hat die Klägerin insofern mit Blick auf österreichische Rechtsprechung abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert.
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Die Beklagte hat Verbrauchern zwar ein Widerrufsrecht eingeräumt; die Klägerin wirft ihr aber vor, die Verbraucher bei der Ausübung des Widerrufsrechts durch irreführende und unklare Angaben zu täuschen.
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Die Klägerin nimmt die Beklagte daher auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Schadensatz und Ersatz von Abmahnkosten aufgrund wettbewerbsrechtlicher Verletzungshandlungen in Anspruch.
2. Widerrufsbelehrung der Klägerin
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Die Klägerin wies in den auf ihrer Webseite … abrufbaren AGB wie nachfolgend wiedergegeben auf das vorzeitige Erlöschen des Widerrufsrechts hin:
„Vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts:
Das Widerrufsrecht erlischt bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen auch dann, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem Sie als Verbraucher dazu Ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben haben und gleichzeitig Ihre Kenntnis davon bestätigt haben, dass Sie Ihr Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verlieren.“
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Die Beklagte mahnte die Klägerin mit Schreiben vom 29.03.2022 (Anlage MJ 1) nach österreichischem Recht ab und machte hierzu geltend, dass die Klägerin gegenüber Verbrauchern unrichtige Informationen über Verbraucherrechte im Falle der Ausübung des gesetzlich notwendigen Widerrufsrechts zur Verfügung gestellt habe.
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Hintergrund hierfür ist, dass der Österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) in Entscheidungen zum Vorläufigen Rechtsschutz für Dienstleistungen, wie sie die Parteien erbringen, kein Erlöschen des Widerrufsrechts anerkennt (vgl. § 356 Abs. 4, 5 BGB im deutschen Recht), da die Dienstleistung erst mit Ablauf der Vignettenlaufzeit beendet sei.
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Die Klägerin antwortete daraufhin mit Schreiben vom 26.04.2022 (Anlage MJ 2), dass sie die Abmahnung für unberechtigt erachte und sich selbst ihrerseits entsprechende Gegenansprüche vorbehalte.
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Unter anderem machte die Klägerin geltend, dass es rechtsmissbräuchlich sei, wenn die Beklagte sich auf eine angebliche Verletzung des Widerrufsrechts durch die Klägerin berufe, zugleich aber selbst Verbraucher von der Ausübung ihres Widerrufsrechts abzuhalten versuche (dazu 2.), obwohl sie die Auffassung vertritt, dieses Widerrufsrecht den Verbrauchern einräumen zu müssen.
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Mit Schreiben vom 24.05.2022 (Anlage MJ 3) forderte die Beklagte die Klägerin nochmals zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf und wies die von der Klägerin geltend gemachten Gegenansprüche zurück.
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Die Klägerin änderte in der Zwischenzeit aufgrund der Androhung eines klageweisen Vorgehens in Österreich ihren Bestell- und Widerrufsprozess.
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Die Klägerin trägt vor, entsprechend der gesetzlichen Regelung auf ein vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechts im Falle der vollständigen Erbringung der Dienstleistung hingewiesen zu haben.
3. Belehrung der Beklagten nach ausgeübtem Widerruf
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Die Klägerin führte eine Testbestellung bei der Beklagten durch. Diese informierte nach Bestellung einer österreichischen Vignette und nach der Ausübung des Widerrufs durch einen Verbraucher aus Deutschland diesen wie folgt:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Bestellung sowie für Ihre Nachricht!
Sie haben bei uns für das amtliche Kennzeichen … eine Registrierung für eine 10-Tages-Vignette, gültig ab 21.12.2021, vornehmen lassen. Ihr Kennzeichen ist damit bereits von uns auftragsgemäß registriert worden und die 10-Tages-Vignette kann ab dem genannten Datum genutzt werden. Dies ist leider für uns nicht mehr rückgängig zu machen, der digitale Registrierungsprozess ist bereits abgeschlossen. Bei der ASFINAG bekommen Sie diesen Vorteil der Nutzung ohne 18 Tage Wartefrist nicht.
Hinweis:
Unterhalb meiner Signatur finden Sie ihre Registrierungsbestätigung als PDF-Dokument im Fließtext dieser Nachricht eingefügt. Diese dient in jedem Fall als Nachweis der erfolgreichen Registrierung Ihres Kennzeichens.
Da die Gültigkeit Ihres Mautproduktes bereits begonnen hat, haben Sie zunächst auch noch folgende Möglichkeit - wir erstatten Ihnen kostenfrei die Hälfte unserer Dienstleistung in Hohe von 5,20 EUR, damit Sie den Vorteil unseres Services (keine Wartefrist) und Ihre Vignette auch zum angegebenen Zeltpunkt nutzen können. Da Ihre Registrierung für das Kennzeichen … von uns bereits erfolgt ist, würden wir zudem den Betrag in Höhe von 9,50 EUR, der regulär bei der … für eine 10-Tages-Vignette anfällt, einbehalten, sodass Ihnen insoweit keine Mehrkosten entstehen wurden.
Ist dieses Vorgehen für Sie in Ordnung?
Hinweis:
Ein Rücktritts-/Widerrufsrecht bleibt hiervon unberührt. Eine Rückabwicklung kann jedoch nur anteilig erfolgen, je nachdem, wie viele Tage die Vignette bereits gültig war.
Mit freundlichen Grüßen
...“
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Dies erwähnte die Klägerin im Schreiben vom 26.4.2022 (Anlage MJ 2) u.a., um der Beklagten vorzuwerfen, dass diese sich der gegenüber der Klägerin abgemahnten vermeintlich unlauteren Geschäftspraktiken selbst bediene.
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Die Beklagte wies diesen Vorwurf im Schreiben vom 24.5.2022 (Anlage MJ 3) zurück.
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Die Klägerin meint, die Beklagte habe damit ihrerseits Verbrauchern zwar ein Widerrufsrecht eingeräumt, täusche diese aber bei der Ausübung des Widerrufsrechts durch irreführende und unklare Angaben. Ein Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten ergebe sich aus den §§ 3 Abs. 1, Abs. 2, 3a, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 7, 5a Abs. 1, Abs. 2 UWG. Der Antwort der Beklagten könne ein Verbraucher nicht eindeutig entnehmen, dass das ihm von der Beklagten eingeräumte Widerrufsrecht noch tatsächlich bestehe. Zwar verweise die Beklagte am Ende der E-Mail auf das Fortbestehender gesetzlichen Rücktritts-/Widerrufsrechte hin. Zuvor erkläre die Beklagte indes in Fettschrift, dass der Registrierungsprozess abgeschlossen worden und nicht mehr rückgängig zu machen sei
4. Klagezustellung und Anträge
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Die Klage ist am 14.07.2022 zugestellt worden. Der Klageantrag 1 ist mit Schriftsatz vom 09.09.2022 genauer gefasst worden.
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Die Klägerin beantragt zuletzt:
1. festzustellen, dass die Klägerin nicht dazu verpflichtet ist, Verbrauchern nach ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung gemäß Anlage MJ 4 ein gesetzliches Widerrufsrecht noch einräumen zu müssen, wenn die Klägerin für diese Verbraucher mit deren ausdrücklicher Zustimmung eine digitale Vignette für die Nutzung mautpflichtiger Straßen in Österreich registriert und den Verbrauchern hierzu eine elektronische Bestätigung mit einem QR-Code vor Ablauf der Widerspruchsfrist versandt hat und die Bestätigung des Verbrauchers von seiner Kenntnis gemäß Anlage MJ 5 eingeholt hat, dass hierdurch sein Widerrufsrecht erlischt;
2. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Deutschland im Zusammenhang mit dem Angebot digitaler Mautprodukte für mautpflichtige Straßen in Österreich Verbraucher nach Ausübung eines zuvor eingeräumten Widerrufsrechts wie folgt zu informieren:
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Bestellung sowie für Ihre Nachricht!
Sie haben bei uns für das amtliche Kennzeichen … i eine Registrierung für eine 10-Tages-Vignette, gültig ab 21.12.2021, vornehmen lassen. Ihr Kennzeichen ist damit bereits von uns auftragsgemäß registriert worden und die 10-Tages-Vignette kann ab dem genannten Datum genutzt werden. Dies ist leider für uns nicht mehr rückgängig zu machen, der digitale Registrierungsprozess ist bereits abgeschlossen. Bei der … bekommen Sie diesen Vorteil der Nutzung ohne 18 Tage Wartefrist nicht.
Hinweis:
Unterhalb meiner Signatur finden Sie ihre Registrierungsbestätigung als PDF-Dokument im Fließtext dieser Nachricht eingefügt. Diese dient in jedem Fall als Nachweis der erfolgreichen Registrierung ihres Kennzeichens.
Da die Gültigkeit Ihres Mautproduktes bereits begonnen hat, haben Sie zunächst auch noch folgende Möglichkeit - wir erstatten Ihnen kostenfrei die Hälfte unserer Dienstleistung in Höhe von 5,20 EUR, damit Sie den Vorteil unseres Services (keine Wartefrist) und Ihre Vignette auch zum angegebenen Zeitpunkt nutzen können. Da Ihre Registrierung für das Kennzeichei … von uns bereits erfolgt ist, würden wir zudem den Betrag in Höhe von 9,50 EUR, der regulär bei der … für eine 10-Tages-Vignette anfällt, einbehalten, sodass ihnen insoweit keine Mehrkosten entstehen wurden.
Ist dieses Vorgehen für Sie in Ordnung?
Hinweis:
Ein Rücktritts-/Widerrufsrecht bleibt hiervon unberührt. Eine Rückabwicklung kann jedoch nur anteilig erfolgen, je nachdem, wie viele Tage die Vignette bereits gültig war.
Mit freundlichen Grüßen
3. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das unter Ziff. 2 genannte gerichtliche Verbot ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000, hilfsweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft (Ordnungshaft jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten) bis zu sechs Monaten anzudrohen;
4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen und Rechnung zu legen über den Umfang der gemäß Ziff. 2 bezeichneten Handlungen;
5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die unter Antrag Ziff. 2 bezeichneten Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird;
6. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die entstandenen Abmahnkosten in Höhe von EUR 1.501,19 mit Zinsen hieraus i.H.v. 9 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
5. Streitiger Beklagtenvortrag
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Die Beklagte meint, der Klageantrag 1. sei unschlüssig, denn die Klägerin habe nicht substantiiert vorgetragen, dass die Voraussetzungen für einen Entfall des Widerrufsrechts des Verbrauchers überhaupt erfüllt sind. Die Voraussetzungen der beiden in Frage kommenden Erlöschenstatbestäde, § 356 Abs. 4 Nr. 2 BGB und § 356 Abs. 5 Nr. 2 BGB, seien jeweils nicht vorgetragen und auch in der Antragsformulierung nicht hinreichend berücksichtigt.
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Die weiteren Anträge seien ebenfalls unbegründet. Es liege kein unlauteres Verhalten der Beklagten vor. Die Aussage, dass das Widerrufsrecht unberührt bleibt, sei zutreffend. Sie beziehe sich auf die vorherigen Ausführungen, in denen dem Verbraucher eine kulanzweise Lösung angeboten werde. Das Widerrufsrecht werde hierdurch nicht eingeschränkt. Es handele sich vielmehr um ein vertragliches Angebot im Sinne einer zweiseitigen Lösung.
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Der Antrag 4. scheitere außerdem schon daran, dass ein Anspruch auf Rechnungslegung innerhalb des gewöhnlichen wettbewerblichen Verkehrs nach § 242 BGB nicht anerkannt sei.
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6. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 30.11.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat weder hinsichtlich des Feststellungsantrags (Klageantrag 1), noch hinsichtlich der wettbewerbsrechtlichen Ansprüche der Klägerin (Anträge 2 bis 6) Erfolg.
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1. Die Klage ist hinsichtlich des Antrags 1 bereits unzulässig.
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Hinsichtlich des Feststellungsantrags besteht kein Rechtsschutzbedürfnis. Zwar ist die Beklagte nach wie vor (Anlage MJ 9 zum klägerischen Schriftsatz vom 20.02.2023) nicht bereit, die Abmahnung der Klägerin hinsichtlich ihrer Widerrufsbelehrung zu unterlassen. Dies begründet sie aber nicht mit der – im hiesigen Verfahren zu klärenden – Rechtslage nach deutschem Recht; vielmehr geht auch aus der in Anlage MJ 9 wiedergegebenen Nachricht der Beklagten hervor, dass diese entgegen der Entscheidung des Österreichischen OGH ebenso wie die Klägerin davon ausgeht, dass die streitgegenständlichen Leistungen beider Parteien nur die Vermittlung einer Vignette, also eine Dienstleistung, darstellen. Auch zuvor machte die Klägerin lediglich die österreichische Rechtsprechung als Grund für ihre Abmahnung geltend (Anlagen MJ 1, MJ 3).
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Da die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag mittlerweile aufgrund der Androhung eines klageweisen Vorgehens in Österreich ihren Bestell- und Widerrufsprozess aktuell geändert hat, sehen beide Parteien also aktuell das Problem darin, dass die österreichische Rechtsprechung entgegen ihrer übereinstimmenden Meinung von einem bis zum Ablauf der Gültigkeitsdauer der Vignette fortbestehenden Widerrufsrecht ausgeht.
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Streitig ist zwischen den Parteien also gar nicht, welche deutsche Rechtslage dem Widerrufsrecht bzw. seinem Erlöschen zugrunde liegt, und damit auch nicht, worüber danach zu belehren wäre und wie lange ein Widerrufsrecht besteht. Ebenso sind sich beide Parteien einig, dass sie entsprechend der in Österreich herrschenden Rechtsansicht aktuell von einem fortbestehenden Widerrufsrecht ausgehen, soweit österreichisches Recht im Verhältnis zum Kunden anwendbar ist.
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Es ist also nicht erkennbar, welches Interesse die Klägerin an der beantragten Feststellung hat. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klärung der Verpflichtung zur Einräumung eines Widerrufsrechts besteht damit nicht.
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Wie die Klägerin in ihren Schriftsätzen vom 20.02.2023 und 08.03.2023 deutlich werden lässt, liegt die eigentliche streitbegründende Problematik darin, dass die Beklagte an der Richtigkeit ihrer Abmahnungen festhält, obwohl sie mit der Nachricht vom 10.02.2023 (Anlage MJ 9) die rechtliche Problematik letztlich übereinstimmend mit der Klägerin sieht.
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Damit mögen ihre Abmahnungen unberechtigt sein, und die Feststellung dieser Nichtberechtigung (mit der entsprechenden Kostenfolge) mag auch das eigentliche Rechtsschutzziel der Klägerin sein. Der Klageantrag richtet sich aber unverändert und trotz des gerichtlichen Hinweises vom 06.02.2022 nicht auf die Feststellung der fehlenden Berechtigung der Beklagten zur Abmahnung, sondern auf die Frage, inwieweit ein Widerrufsrecht einzuräumen ist.
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2. Die Klage ist auch in den Anträgen 2.-6. unbegründet.
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Hinsichtlich der von der Beklagtenseite verwendeten Formulierungen, mit denen die Beklagte auf ein ausgeübtes Widerrufsrecht reagiert, sieht das Gericht keinen wettbewerbsrechtlichen Verstoß und damit auch keine Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche 2. bis 6..
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Hinsichtlich der streitigen Belehrungen der Beklagten handelt es sich primär nicht um die Frage, ob zutreffend über ein Widerrufsrecht belehrt wird, sondern und die Belehrung über die Folgen eines ausgeübten Widerrufs.
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a) Einen Verstoß gegen die Belehrungspflichten hinsichtlich des Widerrufs an sich macht die Klägerin nicht geltend.
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b) Soweit die Klägerin die Mitteilung der Beklagten nach ausgeübtem Widerruf als Täuschung des Verbrauchers durch irreführende und unklare Angaben ansieht, folgt dem das Gericht nicht. Die Beklagte räumt hier nämlich eine gesetzlich nicht geschuldete Teilerstattung ein, die ohnehin erst nach Ausübung eines Widerrufs mitgeteilt wird. Inwiefern hierdurch ein Wettbewerbsverstoß begründet sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht.
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(1) Nach der für Geschäfte der Parteien in Deutschland zu beurteilenden Rechtslage konnte die Beklagte nach § 356 Abs. 4 bzw. Abs. 5 BGB das Rücktrittsrecht durch die Erbringung ihrer Dienstleistung zum Erlöschen bringen.
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Zwar hat der Österreichische Obersten Gerichtshof (OGH) jedenfalls in Entscheidungen zum Vorläufigen Rechtsschutz Dienstleistungen, wie sie die Parteien erbringen, nicht als unter die Ausnahmebestimmung nach § 18 Abs. 1 Z 11 FAGG (entsprechend § 356 Abs. 5 BGB) fallend angesehen: Es handele sich, so der OGH, nicht um die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger gespeicherten digitalen Inhalten, die das Rücktrittsrecht schon dann erlöschen lässt, wenn mit der Leistung begonnen wurde und keine vollständige Leistung verlangt, weil es sich bei den Leistungen der … (Bereitstellung der vom Erwerber benutzbaren Straßen) und dem die Vignette vermittelnden Unternehmen (Vermittlung der Leistungen der … an ihre Kunden) nicht um unkörperliche Leistungen digitaler Inhalte handele. Angesichts der klaren Gesetzeslage sei die Leistung erst mit Ablauf der Laufzeit der Vignette vollständig erbracht (OGH Gz. 4OB96/19z v. 19.12.2019, Rechtliche Beurteilung 1.2.6 und 1.2.8; www.ris.bka.gv.at).
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Ebenso wie die beiden Parteien (s.o. 1.), so sieht auch das hier entscheidende Gericht aber als Gegenstand der Leistung beider Parteien gegenüber dem Verbraucher lediglich die Registrierung und sofortige Zurverfügungstellung einer Vignettenregistrierung. Wie die Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung erläutert haben, besteht der Zweck dieser Dienstleistung darin, dass der Kunde der Parteien auf diese Weise eine sofort nutzbare Vignette für die Autobahnen in Österreich erhält, während er bei Eigenregistrierung bei der … als Verbraucher eine solche Vignette wegen des von der … eingeräumten Widerrufsrechts nur mit 18 Tagen Vorlauf zum 1. Gültigkeitstag erwerben kann.
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Dienstleistung der beiden Parteien ist daher für den jeweiligen Kunden nicht der Zugang zu den österreichischen Autobahnen – insofern ist und bleibt Dienstleister die … –, sondern lediglich die Vermittlung einer sofort nutzbaren Vignette. Beendet ist die Dienstleistung mit der Übermittlung der entsprechenden elektronischen Bestätigung samt QR-Code. Dass, wie der OGH meint, diese Dienstleistung erst mit Ablauf der Laufzeit der Vignette vollständig erbracht ist, ist für das hier entscheidende Gericht nicht nachvollziehbar, zumal auch der Kunde mit Übermittlung der Bestätigung bei verständiger Betrachtung die Vermittlung der Vignette als abgeschlossen betrachten wird.
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Diese Dienstleistung der Beklagten richtet sich typischerweise an deutsche Verbraucher und findet damit innerhalb von Deutschland statt; damit ist sie nach Ansicht des Gerichts nach deutschem Recht, insbesondere auch hinsichtlich des Widerrufs, zu beurteilen. Das Gericht sieht, wie soeben erläutert, die von beiden Parteien erbrachte Leistung als reine Dienstleistung an, mit deren Durchführung das Widerrufsrecht nach § 356 Abs. 4 oder Abs. 5 BGB (welche Vorschrift anzuwenden ist, kann hier offen bleiben; Letzteres würde nach oben zitierter Entscheidung des OGH naheliegen) entfällt, wenn vor Beginn der Dienstleistung der Verbraucher eine entsprechende Zustimmung erteilt und Kenntnis vom Verlust des Widerrufsrechts bestätigt hat.
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(2) Die Beklagte bot mit der beanstandeten Formulierung eine nachträgliche Teilerstattung an, obwohl sie sich nach deutschem Recht durch Einholung der Erklärungen nach § 356 Abs. 4 bzw. Abs. 5 BGB vom Widerrufsrecht des Verbrauchers hätte befreien können, also letztlich, erkennbar mit Blick auf die österreichische Rechtsansicht, eine Kulanzleistung. Bei Kulanzangeboten jedoch ist sie in der Wahl ihres Angebots frei; freiwillige Erstattungen müssen sich nicht an den Vorschriften für den Widerruf messen lassen.
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Es wird dem Verbraucher aber auch kein wettbewerbsrechtlich unzulässige Information erteilt, da ihm konkrete, an sich durchaus verständliche, Angebote unterbreitet werden. Dass möglicherweise nach Beurteilung der Klägerin widersprüchliche Angaben zum Bestehen eines Widerrufsrechts bestehen, ist insofern unbehelflich, weil der Kunde nicht dadurch geschädigt oder getäuscht wird, dass ihm ein Recht, das bereits zum Erlöschen hätte gebracht werden können, teilweise dennoch gewährt wird.
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(3) Wettbewerbsverstöße sieht das Gericht hier zudem auch deshalb nicht, weil dieses Angebot auch nicht vor oder bei Bestellung einer Vignette gemacht wurde, sondern erst nach Ausübung eines Widerrufs. Ein potenzieller Kunde kann bei der Frage, ob er sich für die Dienstleistung der Beklagten entscheidet, also von der erst später nach Ausübung eines Widerrufs erteilten Mitteilung nicht beeinflusst sein.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1, 2 ZPO.