Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 23.01.2023 – Au 9 S 22.2417
Titel:

Erfolgreicher Eilantrag gegen Verpflichtung zur Beseitigung von Biberrutschen

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
WHG § 39 Abs. 1 Nr. 2, § 100
BayWG Art. 22, Art. 58 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Übergang der Unterhaltungslast auf den Anlagenunternehmer nach Art. 22 Abs. 3 BayWG ist davon abhängig, dass zwischen dem Betrieb der Anlage und dem Gewässerzustand ein adäquat-kausaler Wirkungszusammenhang besteht. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt vor, wenn durch die Anlage Unterhaltungslasten am Gewässer erhöht oder überhaupt erst erforderlich werden, wobei die geforderte Kausalität grundsätzlich auch dann gegeben ist, wenn die Anlage nicht die Ursache für bestimmte Gewässereigenschaften ist, sondern für das Gewässer insgesamt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wer Adressat einer auf § 100 Abs. 1 WHG bzw. § 42 Abs. 1 Nr. 1 WHG gestützten Anordnung sein kann, bestimmt sich, sofern das Wasserhaushaltsgesetz keine Sonderregelungen enthält, nach den allgemeinen Regelungen des Ordnungsrechts. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
4. Anknüpfend an die Regelung in Art. 22 Abs. 3 BayWG muss für die Auswahl des Adressaten maßgeblich darauf abgestellt werden, inwieweit der Anlagenbetrieb selbst eine Gewässerunterhaltsverpflichtung nach sich zieht. Es muss daher bei Auswahl des Verantwortlichen berücksichtigt werden, inwieweit der einzelne Anlagenbetreiber Vorteile aus dem Anlagenbetrieb zieht, und in welchem Umfang er das Gewässer für seine Zwecke, die außerhalb des Gewässers liegen, in Anspruch nimmt. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz, Sonderunterhaltungslast, Gemeinsamer Betrieb einer Stauanlage, Biberschäden, Störerauswahl, Ermessen, Gewässerunterhaltung, Zustandsverantwortlichkeit, Wirkungszusammenhang, Gewässerzustand, Kausalität, Gewässerunterhaltsverpflichtung, Adressat
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7367

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. September 2022 (Az. Au 9 K 22.1789) wird in Bezug auf Ziffer I. des Bescheids vom 1. August 2022 (Az. ...) wiederhergestellt und in Bezug auf Ziffer III. angeordnet.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die ihr vom Antragsgegner auferlegte zwangsgeldbewehrte Verpflichtung zur Beseitigung von Ufereintiefungen („Biberrutschen“) und einer vorhandenen Betonplatte.
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Die Antragstellerin betreibt eine Wasserkraftnutzung am Stauwehr „...“ an der ... in .... Die Stauanlage wird mit zwei weiteren Triebwerksbetreibern gemeinsam zur Energieerzeugung genutzt.
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Am 28. März 2022 wurde dem Antragsgegner vom Biberberater (Bezirk Ost) mitgeteilt, dass sich entlang der ... auf Höhe des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung ... mehrere (ca. 10) sog. „Biberrutschen“ befinden. Der Biberberater wies dabei darauf hin, dass eine der Biberrutschen den Damm bereits ganz durchbrochen habe. Bereits bei einem kleinen Hochwasser würde hier das angrenzende Ackergrundstück überflutet. Auch die nördlich angrenzende Wohnbebauung würde betroffen sein. Nach Aussage des zuständigen Flussmeisters seien in diesem Bereich die jeweiligen Kraftwerksbetreiber zum Gewässerunterhalt verpflichtet.
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Bei einer Ortseinsicht der Technischen Gewässeraufsicht des Wasserwirtschaftsamts ... am 31. März 2022 wurden die Feststellungen des zuständigen Biberberaters bestätigt. Es handelt sich um ca. 10 von Bibern durch regelmäßiges Austreten der Böschung hervorgerufene rinnenförmige Eintiefungen im Bereich des orographisch linken Ufers der ... zwischen der gemeinschaftlich genutzten Stauanlage und der Brücke der ... Straße. Teilweise seien die vom Biber verursachten Rinnen bereits so tief, dass der Damm ganz durchstoßen worden sei. Eine der „Biberrutschen“ sei von einer nicht bekannten Person durch wasserseitiges Anbringen einer Betonplatte gegen weitere Eintiefungen gesichert worden.
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Das Landratsamt forderte die Antragstellerin mit Schreiben vom 14. April 2022 auf, sämtliche schadhaften Uferbereiche zu verfüllen, um auf diese Weise den ordnungsgemäßen Uferzustand wiederherzustellen und die angrenzenden Grundstücke vor vermeidbaren Überschwemmungen zu sichern. Ferner sei eine eingebrachte Betonplatte dauerhaft zu entfernen. Hierfür wurde der Antragstellerin eine Frist bis zum 30. Juni 2022 gesetzt. Für den Fall der Nichtbeachtung wurde die Antragstellerin zu einer entsprechenden Anordnung der Maßnahmen angehört. Die Mitbetreiber der Stauanlage erhielten jeweils einen Abdruck des vorbezeichneten Schreibens.
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Die Antragstellerin erklärte unter dem 27. April 2022, dass sie keine Verantwortung für die entstandenen „Biberrutschen“ trage. Die Durchführung der geforderten Maßnahmen wurde abgelehnt.
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Bei einer weiteren Ortseinsicht des Biberberaters am 23. Juli 2022 wurde festgestellt, dass bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Instandsetzungsarbeiten durchgeführt wurden.
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Mit Bescheid vom 1. August 2022 (Az. ...) wurde die Antragstellerin verpflichtet, bis zum 30. September 2022 die an dem orographisch linken Ufer der ... im Oberstrom der gemeinsamen Wehranlage der Triebwerke „...“, „...“ und „...“ befindlichen Ufereintiefungen („Biberrutschen“) durch Verfüllen so instand zu setzen, dass ein Austreten des ...-Wassers durch die besagten Rinnen unterbunden bzw. nachhaltig verhindert wird, sowie die im Bereich einer der Biberrutschen befindliche Betonplatte zu entfernen (Ziffer I. des Bescheids). In Ziffer II. wurde der dem Bescheid beigefügte Lageplan zum Bestandteil des Bescheides erklärt. Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde der Antragstellerin ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR zur Zahlung angedroht. Ziffer IV. des Bescheids ordnet die sofortige Vollziehung der Ziffer I. an.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landratsamt u.a. aus, dass die Anordnung sich auf § 100 Abs. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) i.V.m. Art. 58 Abs. 1 Bayerisches Wassergesetz (BayWG) stütze. Danach könne das Landratsamt in Wahrnehmung der Aufgaben der Gewässeraufsicht Anordnungen für den Einzelfall erlassen. Die Gewässeraufsicht habe dabei die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen aufgrund der Wassergesetze zu überwachen. Die Unterhaltung für den betreffenden Flussabschnitt sei mit bestandskräftigem Bescheid vom 18. September 1967 (Gz. ... – Az. ...; Einbau einer Francis-Turbine) in Abschnitt III Ziffer 6 Buchst. c auch mit Wirkung für die anderen betroffenen Triebwerke als sogenannte Sonder-Unterhaltungslast geregelt worden. Die Unterhaltung sei dabei wie folgt festgelegt worden:
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„Dem Unternehmer obliegt gem. Art. 46 BayWG (1962) die Unterhaltung für
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a) den Triebwerkskanal,
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b) von da ab bis zur Wiedereinleitung in die,
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c) die ... einschließlich gemeinsamer Wehranlage im Oberwasser bis zur Brücke der Kreisstraße ...-... und im Unterwasser bis 70 m unterhalb der Einmündung des Unterwasserkanals der Anlage ... (...) zusammen mit den drei anderen Anlagenunternehmern im Verhältnis der aufgeteilten Wassermenge nach Ziffer III/2.
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Ziffer I/2 (Beschreibung der Anlage) des Bescheides vom 18. September 1967 benennt die beteiligten Triebwerke und den zugrundeliegenden Wasseranteil. Die Antragstellerin sei die Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Triebwerks .... Die Gewässerunterhaltung umfasse nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 WHG auch die Erhaltung der Ufer. Der Begriff „Ufer“ bezeichne den Bereich zwischen der Uferlinie (Art. 12 Abs. 1 BayWG) und der Böschungskante. Dort befänden sich die im Streit stehenden Biberschäden. Sie seien folglich durch den Träger der wasserrechtlichen Unterhaltslast zu beheben. Der ordnungsgemäße Zustand der Ufer im Staubereich sei nicht nur für die Betreiber selbst von Bedeutung, um die anliegenden Triebwerke mit dem ihnen zustehenden Wasser zu versorgen. Ein schadhaftes Ufer führe bereits bei verhältnismäßig geringem Ansteigen des Wasserspiegels zu einem Austritt des ...-Wassers durch die besagten Biber-Rinnen und einer Überschwemmung der angrenzenden Flächen. Nachdem eine formlose Aufforderung ohne Wirkung geblieben sei, habe das Landratsamt unter Anwendung pflichtgemäßen Ermessens und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die getroffene Anordnung erlassen. Die Anordnung sei allein an die Antragstellerin gerichtet worden, da die Erfahrung aus der Vergangenheit befürchten lasse, dass eine Adressierung an die Betreibergemeinschaft in Folge der Verständigungsschwierigkeiten untereinander nicht erfolgversprechend sei und die angemessene Gefahrenabwehr vereiteln würde. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Das Landratsamt habe nach pflichtgemäßem Ermessen ein Zwangsgeld angedroht, da sich auf andere Weise kein rechtmäßiger Zustand erreichen lasse. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestützt, da ein besonderes öffentliches Interesse an der Unterbindung der Gefährdung für die Allgemeinheit durch eine Überflutung mit den damit verbundenen möglichen Folgen für Eigentum, Gesundheit und Leben bestehe. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids könne zur Folge haben, dass eine Überflutung mit erheblichen Gefahren für Dritte ausgelöst werde. Diese Gefahren duldeten keinen Aufschub der zu treffenden Maßnahmen durch einen möglicherweise lang andauernden Instanzenweg. Die inzwischen bereits eingetretenen Verzögerungen machten eine rasche Abhilfe noch dringlicher. Das verfassungsrechtlich verankerte Recht der Betroffenen, den Rechtsweg auszuschöpfen, müsse unter diesem Gesichtspunkt bei pflichtgemäßer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse zurückstehen.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids vom 1. August 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Der Bescheid wurde der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 3. August 2022 bekanntgegeben.
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Die Antragstellerin hat gegen den Bescheid mit Schriftsatz vom 5. September 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erhoben (Az. Au 9 K 22.1789), über die noch nicht entschieden worden ist.
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Aufgrund einer am 2./3. Oktober 2022 stattgefundenen Überflutung an der ... wurde die Antragstellerin – gemeinsam mit den beiden weiteren Triebwerksbetreibern – mit Bescheid vom 3. Oktober 2022 unter Anordnung des Sofortvollzugs verpflichtet, die beiden Stautafeln an der Wehranlage der Triebwerke, ... und ... ab sofort und solange geöffnet zu halten, bis die Funktionsfähigkeit der Wehranlage vollständig wieder hergestellt ist. Dieser Bescheid ist Gegenstand des Klageverfahrens Au 9 K 22.2090.
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Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2022 hat die Antragstellerin im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. September 2022 (Az. Au 9 K 22.1789) wird hergestellt bzw. angeordnet.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 5. September 2022 sei zulässig und begründet. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer IV. des streitgegenständlichen Bescheids sei bereits formell rechtswidrig. Nach § 80 Abs. 3 VwGO sei das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Die Begründung müsse dabei kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst sei, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Diesen Anforderungen genüge die Begründung des Sofortvollzuges im Bescheid vom 1. August 2022 nicht. Diese beschränke sich darauf, auf die allgemeinen Gefahren durch eine Überflutung hinzuweisen, ohne dass auf den konkreten Einzelfall abgestellt werde. Begründet werde der Sofortvollzug in erster Linie mit einer möglichen Überflutung, ohne dass dargelegt sei, dass die Biberrutschen nicht von der Antragstellerin selbst verursacht worden seien. Es handle sich um ein seit langem erkanntes Problem der Biberbesiedlung in diesem Bereich. Deshalb sei auch die Geeignetheit der festgesetzten Maßnahmen in Zweifel zu ziehen. Die Begründung des Sofortvollzugs beschränke sich auf allgemeine Ausführungen und Gefahren, die aus einer bloßen Überflutung entstehen könnten. Auch sei die streitgegenständliche Verpflichtung der Antragstellerin im Bescheid vom 1. August 2022 voraussichtlich rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung des Antragsgegners überwiege nicht das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Der Antragsgegner stütze die Anordnung in Ziffer I. des Bescheides auf § 100 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 BayWG. Die Antragstellerin sei der Auffassung, dass die Beseitigung der Biberschäden nicht von der Unterhaltungslast aus § 39 Abs. 1 Nr. 2 WHG erfasst sei. Gleiches gelte für die angeordnete Beseitigung der Betonplatte. Die Unterhaltungspflicht nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 WHG umfasse keine Verkehrssicherungspflicht für Ufergrundstücke. Die Pflicht, die Ufer zu erhalten, bedeute lediglich, dass sie in der Regel so zu befestigen seien, dass sie dem natürlichen Angriff des Wassers standhielten und nicht zu Uferabbrüchen führten. Die Einwirkungen der Biber gingen auf ein zufälliges Naturereignis – Einwanderung der Biber – zurück, die alle Grundstückeigentümer als allgemeines Risiko treffe und zur natürlichen Eigenart nahezu jedes Wassergrundstücks gehörten. Es müsse daher bezweifelt werden, dass die Verfüllung der Biberrutschen als Maßnahme des Gewässerunterhalts anzusehen sei, oder nicht vielmehr dem jeweiligen Grundstückseigentümer obliege. Soweit die Beseitigung einer Betonplatte angeordnet sei, sei nicht erkennbar, was dies mit einer Gewässerunterhaltungsmaßnahme zu tun habe. Die Betonplatte sei weder von der Antragstellerin eingebracht worden, noch sei bekannt, wo eine solche gelegen sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass auf Grundlage des Art. 22 Abs. 3 BayWG den Unternehmern von Wasserbenutzungsanlagen die Unterhaltung der Gewässer nur insoweit obliege, als sie durch diese Anlagen bedingt sei. Die Reichweite der Sonderunterhaltung bestimme sich durch die Wirkung der Anlage auf das Gewässer. Überdies dürfe eine Anordnung auf der Grundlage des § 100 WHG im Einzelfall nur ergehen, wenn sie notwendig sei, um Beeinträchtigungen für den Wasserhaushalt zu vermeiden oder zu beseitigen oder um die Erfüllung von wasserrechtlichen Verpflichtungen sicherzustellen. An der Verhältnismäßigkeit der hier getroffenen Anordnungen bestünden erhebliche Bedenken. Auch habe der Grundstückseigentümer gegenüber der Antragstellerin erklärt, die Biberrutschen bereits beseitigt zu haben. Diese seien jedoch wieder erneut entstanden. Der Erlass der Anordnung gegenüber der Antragstellerin sei zudem ermessensfehlerhaft erfolgt. Der Bescheid vom 3. Oktober 2022 zeige, dass auch andere Möglichkeiten bestehen, die Gefahr von Überschwemmungen zu verhindern. Auch die Adressatenauswahl im streitgegenständlichen Bescheid begegne erheblichen rechtlichen Bedenken. Vorliegend komme allein eine Zustandshaftung in Betracht, die sich als ermessensfehlerhaft erweise. Die Beeinträchtigung gehe ausschließlich auf Naturkräfte zurück und sei bereits vom angrenzenden Grundstückseigentümer beseitigt worden. Die Zustandshaftung des Gewässerunterhaltspflichtigen sei stärker zu begrenzen als beim bloßen Grundstückseigentümer. Bezüglich der Anlage sei die Antragstellerin nur zu einem Anteil von 11% unterhaltsverpflichtet. Die Triebwerksbetreiberin ... hingegen trage einen Anteil von 71%, der Triebwerksbetreiber ... in Höhe von 18%. Eine alleinige Inanspruchnahme der Antragstellerin sei vor diesem Hintergrund unverhältnismäßig, zumal auch der Ertrag der Antragstellerin aus dem Kraftwerksbetrieb den weitaus geringsten Anteil am Gesamtertrag ausmache. Bei der Bemessung der Höhe des angedrohten Zwangsgelds sei zu berücksichtigen, dass diese gegenüber der Antragstellerin unangemessen sei. Die Erträge der Antragstellerin beliefen sich auf ca. 300,00 EUR/Monat, die Erträge der übrigen Kraftwerksbetreiber lägen deutlich darüber. Auch dieser Gesichtspunkt bleibe seitens des Antragsgegners unberücksichtigt.
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Auf den weiteren Inhalt des Antragsschriftsatzes vom 20. Dezember 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Das Landratsamt ist für den Antragsgegner dem Antrag mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2022 entgegengetreten und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung im angegriffenen Bescheid formell rechtmäßig sei. Auch die Verpflichtung der Antragstellerin zur Uferreparatur sei rechtmäßig und verletze die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Der hiergegen erhobene Rechtsbehelf habe deshalb keine Aussicht auf Erfolg. Die Verpflichtung zur Uferunterhaltung resultiere aus § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WHG. Die Anordnung der Instandsetzung sei auch verhältnismäßig. Sie sei insbesondere geeignet, die gegenwärtig bestehende Gefahrenlage zu beseitigen. Die Maßnahme sei auch erforderlich. Die Uferschäden seien auch nicht zwischenzeitlich durch den Grundstückseigentümer beseitigt worden. Die mit Bescheid vom 3. Dezember 2022 getroffene Verpflichtung der Triebwerksbetreiber zur Öffnung der Stautafel an der Stauanlage gelte nur befristet bis zur vollständigen Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Anlage. Die Anordnung sei schließlich auch angemessen. Die Adressatenauswahl sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Die Interessenabwägung falle deshalb nach Ansicht des Landratsamts zugunsten des Vollzugsinteresses aus. Angesichts der von einem Unterbleiben der angeordneten Maßnahmen ausgehenden erheblichen Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit von Menschen sowie für hochwertige Sachgüter, könne nach Auffassung der Anordnungsbehörde nicht bis zum Abschluss des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens zugewartet werden.
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Auf den weiteren Inhalt des Antragserwiderungsschriftsatzes vom 23. Dezember 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Beigezogen wurde auch die Gerichtsakte im Verfahren Au 9 K 22.2090.
II.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Au 9 K 22.1789) hat Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft.
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Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 5. September 2022 erhobenen Klage (Au 9 K 22.1789) hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Ziffer I. des Bescheids vom 1. August 2022 sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung in Ziffer III. des mit der Klage angegriffenen Bescheids.
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2. Der Antrag ist auch begründet.
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a) Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes entfällt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Das Gericht prüft dabei im Fall des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind, und trifft im Übrigen jeweils eine eigene Abwägungsentscheidung. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Bleibt das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen. Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache hingegen voraussichtlich Erfolg, so ist dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Wenn sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dagegen weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung feststellen lässt, hängt der Ausgang des Verfahrens vom Ergebnis einer vom Gericht vorzunehmenden weiteren Interessenabwägung ab (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 10 CS 14.2244 – juris).
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b) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer IV. des streitgegenständlichen Bescheids ist formell rechtmäßig.
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aa) Formelle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung der Behörde ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO eine schriftliche Begründung gem. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Der Sinn und Zweck dieses Begründungserfordernisses besteht zum einen darin, dass sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusstmacht und mit besonderer Sorgfalt prüft, ob vorrangige öffentliche Interessen eine Vollziehung bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts notwendig erscheinen lassen, und zum anderen darin, dem Gericht die Überprüfung der Argumente der Behörde zu ermöglichen. Dementsprechend muss aus der Begründung nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Einzelfall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aussetzungsinteresse des Betroffenen einräumt. Pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen genügen den gesetzlichen Anforderungen im Regelfall nicht. Auf die inhaltliche Richtigkeit der von der Behörde für die Anordnung des Sofortvollzugs gegebenen Begründung kommt es hingegen nicht an (vgl. VGH BW, B.v. 2.12.2005 – 10 S 644/05 – juris).
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bb) Diesen Anforderungen genügt die vom Antragsgegner im Bescheid vom 1. August 2022 gegebene Begründung. Der Antragsgegner führt aus, dass vorliegend ein besonderes öffentliches Interesse an der Unterbindung der Gefährdung der Allgemeinheit durch eine Überflutung mit den damit verbundenen möglichen Folgen für Eigentum, Gesundheit und Leben besteht. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides könne zur Folgen haben, dass eine Überflutung mit erheblichen Gefahren für Dritte ausgelöst wird. Diese Gefahren duldeten keinen Aufschub der zutreffenden Maßnahmen durch einen möglicherweise jahrelang andauernden Instanzenzug. Die inzwischen bereits eingetretene Verzögerung bei der Beseitigung der Biberschäden mache eine rasche Abhilfe noch dringender. Diese Begründung stellt auf den vorliegenden Einzelfall ab und lässt erkennen, was den Antragsgegner zum Erlass der Anordnung bewogen hat, und dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters der Anordnung des Sofortvollzugs bewusst war. Damit werden die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfüllt. Ob die vom Antragsgegner angeführten Gründe den angeordneten Sofortvollzug inhaltlich tragen, ist hingegen keine Frage des Begründungserfordernisses aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern im Rahmen der besonderen Dringlichkeit der Vollziehung des Verwaltungsakts und damit beim Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses zu würdigen.
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c) Bei der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich der Bescheid vom 1. August 2022 als materiell rechtswidrig und kann das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Maßnahme nicht begründen. Es bestehen hier erhebliche Zweifel, ob die vom Antragsgegner angeordnete Beseitigung der Biberschäden am Ufer von der Pflicht der Antragstellerin zur Gewässerunterhaltung im Rahmen der ihr obliegenden Sonderunterhaltungslast für die von ihr betriebene Triebwerksanlage umfasst ist und ob hier vom Antragsgegner eine ermessensfehlerfreie Störerauswahl vorgenommen worden ist.
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aa) Rechtsgrundlage für die in Ziffer I. getroffene Anordnung zur Beseitigung der im Uferbereich der ... vorhandenen Biberschäden (Biberrutschen) und der Beseitigung einer von dritter Seite eingebrachten Betonplatte ist § 100 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 BayWG. Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG ist Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen, die nach oder aufgrund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG ordnet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach Satz 1 sicherzustellen. Die Gewässeraufsicht obliegt den Kreisverwaltungsbehörden (Art. 58 Abs. 1 Satz 1 BayWG). Diese ordnen nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sicherzustellen (Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG).
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bb) Vorliegend ist bereits fraglich, ob die von der Antragstellerin in Ziffer I. des streitgegenständlichen Bescheids geforderte Beseitigung der vorhandenen Eintiefungen (Biberrutschen) und der vorhandenen Betonplatte auf die der Antragstellerin – neben zwei weiteren Triebwerksbetreibern – mit bestandskräftigem Bescheid vom 18. September 1967 aufgrund der damaligen Regelung in Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962 übertragene Sonderunterhaltungslast gestützt werden kann.
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Da zur Gewässerunterhaltung gem. § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 u. 2 WHG insbesondere auch die Erhaltung des Gewässerbettes und die Erhaltung der Ufer (so auch VG München, U.v.1.3.2016 – M 2 K 15.4405 – juris Rn. 20) gehören, ist die Antragstellerin zwar im Ausgangspunkt richtige Adressatin der getroffenen Anordnung. Ob deren Inhalt (Beseitigung der Biberschäden am linksseitigen ...ufer und Beseitigung einer eingebrachten Betonplatte) auf § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG gestützt werden kann, erscheint jedoch aus den nachfolgenden Überlegungen fraglich. Dabei kann dahinstehen, ob § 42 Abs. 1 Nr. 1 WHG vorliegend gegenüber der vom Landratsamt herangezogenen gewässeraufsichtsrechtlichen Generalklausel hinsichtlich der Gewässerunterhaltung eine speziellere Rechtsgrundlage darstellt (vgl. hierzu VG Karlsruhe, B.v. 15.2.2019 – 12 K 11741/18 – juris Rn. 25).
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Nach Art. 22 Abs. 3 BayWG – wie auch schon nach der Vorgängerregelung in Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962, auf deren Grundlage die Übertragung der Sonderunterhaltungslast u.a. auf die Antragstellerin erfolgt ist – obliegt den Unternehmern von Wasserbenutzungsanlagen oder sonstigen Anlagen in oder an Gewässern die Unterhaltung des Gewässers insoweit, als sie durch diese Anlagen bedingt ist. Die Vorschriften bewirken einen Übergang der Unterhaltungslast am Gewässer kraft Gesetzes (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2013 – 8 ZB 12.326 – juris Rn. 13; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand: Mai 2022, Art. 22 BayWG Rn. 27).
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(1) Bei der von der Antragstellerin mit zwei weiteren Triebwerksbetreibern an der ... betriebenen Stauanlage handelt es sich zweifellos um eine Anlage an einem Gewässer. Die Antragstellerin ist auch „Unternehmerin“ i.S.v. Art. 22 Abs. 3 BayWG bzw. Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962.
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(2) Zwischen dem Betrieb der Anlage der Antragstellerin und dem Gewässerzustand der ... in dem Bereich, in dem der Antragstellerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 18. September 1967 die Sonderunterhaltslast übertragen wurde, besteht im Grunde nach auch der von Art. 22 Abs. 3 BayWG bzw. Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962 geforderte adäquate Kausalzusammenhang. Mit der Einschränkung „insoweit, als sie durch diese Anlagen bedingt ist“, macht das BayWG in den genannten Vorschriften den Übergang der Unterhaltungslast auf den Anlagenunternehmer davon abhängig, dass zwischen dem Betrieb der Anlage und dem Gewässerzustand ein adäquat-kausaler Wirkungszusammenhang besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.12.2021 – 8 CS 21.2334 – juris Rn. 15; BayVGH U.v. 23.1.1990 – 8 B 86.362-BayVBl 1990, 341). Tragender Grund für die Übertragung der Sonderunterhaltungslast an Unternehmer ist die Einwirkung auf das Gewässer durch die Anlage selbst (vgl. BayVGH, U.v. 22.11.1977 – Nr. 143 VIII 74-BayVBl 1978, 468 f.). Ein adäquater Kausalzusammenhang in diesem Sinne liegt demnach vor, wenn durch die Anlage Unterhaltungslasten am Gewässer erhöht oder überhaupt erst erforderlich werden (vgl. BayVGH B.v. 7.12.2021 – 8 CS 21.2334 – juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 23.1990 – 8 B 86.362 – BayVBl 1990, 341). Grundsätzlich ist die von Art. 22 Abs. 3 BayWG bzw. Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962 geforderte Kausalität auch dann gegeben, wenn die Anlage nicht die Ursache für bestimmte Gewässereigenschaften ist, sondern für das Gewässer insgesamt (BayVGH, B.v. 7.12.2021 – 8 CS 21.2334 – juris Rn. 17; Drost, a.a.O., Art. 22 BayWG Rn. 29a).
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(3) Dass sich die Sonderunterhaltungslast nach Art. 22 Abs. 3 BayWG bzw. Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962 in ihrer Reichweite und der vom Gesetzgeber vorgenommenen Beschränkung im Hinblick auf die geforderte adäquate Kausalität auch auf die in Ziffer I. des streitgegenständlichen Bescheids angeordnete Beseitigung von Biberrutschen (Eintiefungen) bzw. die von dritter Seite eingebrachte Betonplatte zur Sperrung eines Biberzugangs zum Gewässer erstreckt, erscheint jedoch fraglich. Es ist streitig, ob die Sonderunterhaltungslast aus Art. 22 Abs. 3 BayWG räumlich auf gewisse Gewässerstrecken begrenzt und vom inhaltlichen Umfang der Maßnahmen unbeschränkt ist oder ob eine Sonderunterhaltungslast auch lediglich partiell für bestimmte Unterhaltungsmaßnahmen bestehen kann (vgl. BayVGH, B.v. 7.12.2021 – 8 CS 21.2334 – juris Rn. 23).
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Der in Art. 22 Abs. 3 BayWG wie auch in Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962 verwendete Wortlaut „insoweit, als“ spricht dafür, dass eine partielle Unterhaltungslast für ein und denselben Gewässerabschnitt möglich sein soll (vgl. BayVGH, U.v. 2.2.2004 – 22 B 02.3084 – BayVBl 2005, 411). Damit dürfte es bei entsprechender Gesetzesauslegung möglich sein, die für einen bestimmten Streckenabschnitt eines Gewässers übertragene Sonderunterhaltungslast auf einzelne durch den Betrieb der Anlage bedingte Unterhaltungsmaßnahmen zu beschränken. Nach anderer Ansicht ist die im Gesetzeswortlaut vorgenommene Einschränkung („insoweit, als“) lediglich räumlich zu verstehen, mit der Folge, dass dem Unternehmer ein Gewässerabschnitt zur alleinigen und umfassenden Unterhaltung zugewiesen wird und eine Beschränkung auf bestimmte Unterhaltsmaßnahmen, ausgelöst durch den entsprechenden Anlagenbetrieb, damit nicht verbunden ist. Diese Auffassung stützt sich auf die systematische Erwägung, dass die Unterhaltungspflicht aus Art. 22 Abs. 3 BayWG bzw. Art. 46 Abs. 2 BayWG 1962 inhaltlich auf § 39 WHG Bezug nimmt und damit das Gewässer insgesamt und umfassend in den Blick nimmt (vgl. BayVGH, U.v. 23.1.1990 – 8 B 86.362 – BayVBl 1990, 341 f.; Drost, a.a.O., Art. 22 BayWG Rn. 27, 29).
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Dass zwischen dem Betrieb der Kraftwerksanlage der Antragstellerin und den hier im Oberlauf der ... vorhandenen Biberrutschen bzw. der von dritter Seite eingebrachten Betonplatte ein adäquat-kausaler Zusammenhang besteht, wie ihn Art. 22 Abs. 3 BayWG fordert, erscheint insbesondere nach der engeren Auffassung, die eine partielle Unterhaltslast dem Grunde nach anerkennt, fraglich, bedarf aber letztlich keiner abschließenden Entscheidung. Ein adäquater Kausalzusammenhang ist wohl nicht schon allein deshalb zu verneinen, weil Bauaktivitäten von Bibern auf einem „zufälligen Naturereignis“ beruhen (BayVGH B.v. 7.12.2021 – 8 CS 21.2334 – juris Rn. 28). Letztlich bedarf die aufgeworfene Streitfrage aber keiner abschließenden gerichtlichen Entscheidung, da der streitgegenständliche Bescheid in Bezug auf die vorgenommene Auswahl des Verantwortlichen und auch hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der in Ziffer I. getroffenen Regelung weiteren rechtlichen Bedenken unterliegt, die im Ergebnis die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 5. September 2022 rechtfertigen.
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cc) Die im streitgegenständlichen Bescheid vom Antragsgegner vorgenommene Auswahl der Antragstellerin als alleinige Verantwortliche für die streitgegenständliche Anordnung zum Gewässerunterhalt begegnet erheblichen rechtlichen Bedenken.
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Wer Adressat einer auf § 100 Abs. 1 WHG bzw. § 42 Abs. 1 Nr. 1 WHG gestützten Anordnung sein kann, bestimmt sich, sofern das Wasserhaushaltsgesetz keine Sonderregelungen enthält, nach den allgemeinen Regelungen des Ordnungsrechts (vgl. VGH BW, U.v. 4.7.2013 – 3 S 2182/11 – juris Rn. 27; Schwind in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 100 Rn. 28; Gößl in Sieder/Zeidler/Dahme/Knopp, Stand: April 2021, § 100 Rn. 105). In Betracht kommen hierbei insbesondere Verhaltens- bzw. Zustandsverantwortliche.
48
Da vorliegend eine Verhaltensverantwortlichkeit der Antragstellerin für die vorhandenen Biberschäden nicht erkennbar ist, ist die Antragstellerin aufgrund der ihr mit bestandskräftigem Bescheid des Landratsamts ... vom 18. September 1967 übertragenen Sonderunterhaltungslast auf dem betroffenen Streckenabschnitt neben den übrigen beiden Triebwerksbetreibern als Zustandsverantwortliche anzusehen. Kommen mehrere Personen als Pflichtige in Betracht, steht der Behörde ein Auswahlermessen zu, welches sie pflichtgemäß auszuüben hat. Dies setzt zunächst voraus, dass sie den entscheidungserheblichen Sachverhalt, insbesondere alle tatsächlich Verantwortlichen ermittelt (vgl. VGH BW, U.v. 28.6.1989 – 5 S 721/88 – juris Rn. 26) und die Rechtslage zutreffend einschätzt (BVerwG, U.v. 28.6.2007 – 7 C 5.07 – juris Rn. 24).
49
Zwar hat der Antragsgegner im streitgegenständlichen Bescheid zunächst zutreffend festgestellt, dass aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit und den hiermit einhergegangen zeitlichen Verzögerungen bei der Durchführung des erforderlichen Gewässerunterhalts an der ... eine gemeinsame Verpflichtung der drei Triebwerksbetreiber und Sonderunterhaltsverpflichteten für den betreffenden Streckenabschnitt aus Gründen der Effektivität der Gefahrenabwehr ausscheidet. Als nicht sachgerecht und damit ermessensfehlerhaft ist jedoch die Beschränkung der Störerauswahl auf die alleinige Verpflichtung der Antragstellerin anzusehen. Nach Auffassung des Gerichts kann hier – ungeachtet des geltenden Gebots effektiver Gefahrenabwehr – nicht auf die Grundsätze einer bürgerlich-rechtlichen Gesamtschuld (§ 421 ff. Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) zurückgegriffen werden, wonach es dem Gläubiger der Leistung unbenommen ist, diese nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil zu fordern (§ 421 Satz 1 BGB).
50
Anknüpfungspunkt für die Auswahl des Verantwortlichen muss hier wiederum die Regelung in Art. 22 Abs. 3 BayWG sein. Aufgrund des in dieser Bestimmung geforderten Kausalitätszusammenhangs zwischen Gewässerunterhalt und Anlagenbetrieb muss aus Sicht des Gerichts maßgeblich darauf abgestellt werden, inwieweit der Anlagenbetrieb selbst eine Gewässerunterhaltsverpflichtung nach sich zieht. Es muss daher bei Auswahl des Verantwortlichen berücksichtigt werden, inwieweit der einzelne Anlagenbetreiber Vorteile aus dem Anlagenbetrieb zieht, und in welchem Umfang er das Gewässer für seine Zwecke, die außerhalb des Gewässers liegen, in Anspruch nimmt. Der Gewässerunterhalt in § 39 Abs. 1 WHG, Art. 22 Abs. 3 BayWG ist dabei spiegelbildliches Korrektiv für die mit der Nutzung des Gewässers (hier § 9 Abs. 1 Nr. 2 WHG) verbundenen Vorteile einer behördlich gestatteten Gewässerbenutzung. Dies zugrunde gelegt, begegnet die alleinige Inanspruchnahme der Antragstellerin zur Gewässerunterhaltung und Beseitigung der vorhandenen Biberschäden rechtlichen Bedenken, da ausweislich des bestandskräftigen Bescheids aus dem Jahr 1967, der die jeweiligen Sonderunterhaltungspflichten der Kraftwerksbetreiber festlegt, die Antragstellerin nur zu einem Anteil von 11% begünstigt und spiegelbildlich unterhaltungsverpflichtet ist, während die beiden anderen Nutzer der gemeinsamen Wehranlage zu 71% bzw. 18% begünstigt sind. Mit diesen deutlich differierenden Nutzungsvorteilen beim Betrieb der jeweiligen Triebwerke setzt sich der streitgegenständliche Bescheid nicht hinreichend auseinander und ist insoweit in seiner Ermessensbetätigung defizitär. Das vorrangige Abstellen auf den Umstand, dass die Antragstellerin – anders als die beiden anderen Triebwerkbetreiber – vor Ort ansässig ist, ist nicht dazu geeignet, die Auswahl der Verantwortlichkeit auf die Antragstellerin zu beschränken. Dies umso mehr vor dem Hintergrund, als es ohnehin erforderlich werden dürfte, zur Beseitigung der Biberrutschen eine Fachfirma mit der Verfüllung der Eintiefungen zu beauftragen. Dieses dürfte auch den übrigen Triebwerkbetreibern unschwer möglich sein. Auch die örtliche Situierung der Biberrutschen ist nicht geeignet, die Auswahl auf die Antragstellerin zu beschränken. Ausweislich des die Sonderunterhaltungslast regelnden Bescheids aus dem Jahr 1967 sind alle drei Triebwerksbetreiber für den gesamten dort genannten räumlichen Abschnitt der ... unterhaltsverpflichtet. Auch die Ortskenntnis ist kein hinreichendes Differenzierungskriterium, da sämtliche Triebwerksbetreiber ihre Anlagen bereits seit vielen Jahren an der ... betreiben und mit den Gegebenheiten vor Ort bestens vertraut sind.
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dd) Weitere Bedenken bestehen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der in Ziffer I. angeordneten Maßnahmen. Es kann im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nämlich nicht mit hinreichender Sicherheit ausgesagt werden, ob die angeordneten Maßnahmen nicht im Ergebnis unverhältnismäßig im engeren Sinne sind. Dem Träger einer Sonderunterhaltungslast kann es im Einzelfall nämlich unzumutbar sein, mit hohem Kostenaufwand laufend im Ergebnis untaugliche Maßnahmen durchzuführen (vgl. Drost, a.a.O., Art. 22 BayWG Rn. 27). Vorliegend ist fraglich, ob die Beseitigung der Biberrutschen langfristig zu dem Ergebnis führen, dass die an der ... vorhandene Biberpopulation abwandert, oder ob es nicht vielmehr so ist, dass nach Verfüllung innerhalb kürzester Zeit erneute Biberschäden bzw. Eintiefungen zum Gewässer vorhanden sind, die erneute Anordnungen nach sich ziehen. Dies gilt insbesondere unter der Berücksichtigung, dass an die ... im betreffenden Bereich Ackergrundstücke angrenzen, die eine entsprechende Futtergrundlage für die Biber darstellen. Damit ist zweifelhaft, ob mit den angeordneten Maßnahmen ein langfristiger Erfolg gesichert werden kann. Dies hätte im Verfahren entsprechender fachkundiger Aussagen bedurft, an denen es vorliegend fehlt. Auch aus diesem Grund ist die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin im Ergebnis geboten.
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d) Da aufgrund der gebotenen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer I. des Bescheids dessen Vollziehbarkeit (Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG) entfällt, ist auch der Zwangsgeldandrohung in Ziffer III. des Bescheids die rechtliche Grundlage entzogen. In Bezug auf Ziffer III. war demnach die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO Art. 21a VwZVG anzuordnen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Sonderbeilage BayVBl Januar 2014). Mangels konkreter Anhaltspunkte für die Kosten der geforderten Maßnahmen ist in der Hauptsache vom Regelstreitwert in Höhe von 5.000,00 EUR (§ 52 Abs. 2 GKG) auszugehen. Dieser war im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes zu halbieren.