Inhalt

VGH München, Urteil v. 23.03.2023 – 24 B 20.549
Titel:

Nachschieben von Gründen im gerichtlichen Verfahren bei Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes (Schwellenwert) zulässig

Normenketten:
BayBhV § 7, § 48 Abs. 7
GOZ § 5, § 6, § 10
VwGO § 90, § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 5, § 117 Abs. 3 S. 2
GOÄ § 12 Abs. 3 S. 1, S. 2
BGB § 288, § 291
BBhV § 6
Leitsätze:
Der behandelnde Arzt kann über die im Rahmen des § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ erforderliche Begründung, die für die Fälligstellung der Rechnung erforderlich ist, auch noch im behördlichen sowie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Ausführungen dazu vorbringen, warum im jeweiligen Einzelfall das Überschreiten des Schwellenwertes gem. § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ gerechtfertigt war; dieses Vorbringen ist zu berücksichtigen. Eine Beschränkung dahingehend, dass der Arzt das Überschreiten des 2,3-fachen Satzes nachträglich im Verfahren nur noch erläutern, nicht jedoch um neue, bislang nicht vorgetragene Gründe ergänzen darf, um die Besonderheiten des jeweiligen Behandlungsfalles nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ darzulegen, kann der GOZ nicht entnommen werden. (Rn. 28 – 30)
1. Der behandelnde Arzt kann im behördlichen als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Begründung für das Überschreiten des Schwellenwertes noch ergänzen, erläutern und korrigieren. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Erstgericht hat, soweit eine dem § 10 Abs. 3 S. 1 GOZ ausreichende Begründung vorliegt und damit die Fälligkeit der Honorarrechnung des Arztes gegeben ist, ebenso wie die Festsetzungsstelle die materiell-rechtliche Prüfung der Beihilfefähigkeit – hier der Angemessenheit des abgerechneten Gebührensatzes – unter Beachtung der vom Zahnarzt auch nachträglich vorgelegten Erläuterungen und Stellungnahmen zu prüfen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beihilfe, Gebührenabrechnung, Begründung im Rahmen des § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ, Überschreiten des 2,3-fachen Satzes nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ, Nachschieben von neuen Gründen für die Abrechnung eines erhöhten Gebührensatzes, Beihilfe für zahnmedizinische Behandlungen, Schwellenwertüberschreitung, eingeschränkt nachprüfbares Ermessen, medizinisch notwendig, volle gerichtliche Überprüfbarkeit der Tatbestandsseite, ungewöhnlich hoher Schwierigkeitsgrad, zeitaufwendig, patientenbezogene Umstände
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 07.02.2019 – M 17 K 17.4947
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
NVwZ-RR 2023, 722
BeckRS 2023, 7322
LSK 2023, 7322
MedR 2024, 133

Tenor

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München wird in Ziffer I geändert und der Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 5. Mai 2017 und des Nachberechnungsbescheides vom 19. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2017 verpflichtet, der Klägerin weitere Beihilfe in Höhe von 74,93 Euro zu gewähren. Dieser Betrag ist ab Rechtshängigkeit (17.10.2017) mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof tragen die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Gläubiger vorher Sicherheit leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen, soweit der Berufung stattgegeben worden ist.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen.
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Die Klägerin ist mit einem Bemessungssatz von 70 v.H. beihilfeberechtigt. Sie beantragte mit Formblatt vom 22. April 2017 die Gewährung von Beihilfe für die Honorarabrechnung des Zahnarztes … vom 20. April 2017 in Höhe von insgesamt 1.646,88 Euro.
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Mit Bescheid vom 5. Mai 2017 anerkannte das Landesamt für Finanzen – Bezügestelle Beihilfe (im Folgenden: Beihilfestelle) – der Klägerin beihilfefähige Aufwendungen in Höhe von 1.375,89 Euro und gewährte ihr unter Berücksichtigung des Bemessungssatzes von 70 v.H. eine Beihilfe in Höhe von 963,12 Euro. Im Übrigen lehnte sie die Gewährung von Beihilfe für alle Abrechnungspositionen, bei denen der sog. Schwellenwert von 2,3 überschritten wurde mit der Begründung ab, dass ein Überschreiten des Schwellenwertes nur dann beihilfefähig sei, wenn der Zahnarzt dies mit einer speziell auf den jeweiligen Behandlungsfall bezogenen Begründung rechtfertige. Die in der Rechnung vom 20. April 2017 enthaltenen Begründungen würden diese Voraussetzungen nicht erfüllen.
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Hiergegen legte die Klägerin am 15. Mai 2017 Widerspruch ein. Auf Anforderung der Beihilfestelle nahm der Beratungszahnarzt Dr. H. mit Schreiben vom 3. August 2017 zu den vom behandelnden Zahnarzt mit dem 3,5-fachen Gebührensatz abgerechneten Gebührenpositionen und den hierfür von ihm angegebenen Begründungen Stellung. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2017 gab die Beihilfestelle dem Widerspruch insoweit statt, als sie weitere Honorarkosten von insgesamt 18,09 Euro als beihilfefähig anerkannte, da sie den erhöhten 3,5-fachen Gebührensatz für die Gebührennummer 7050 und 7060 (vgl. Anlage 1 der GOZ) als beihilfefähig wertete. Bei allen anderen Gebühren mit Steigerungssätzen über dem Schwellenwert seien die erfolgten Kürzungen korrekt. Die Begründungen würden entweder dem Regelfall entsprechen, seien schematisch oder würden die individuellen Erschwernisse nicht ausreichend bzw. nicht nachvollziehbar erläutern. Entsprechend gewährte die Beihilfestelle der Klägerin mit Nachberechnungsbescheid vom 19. September 2017 weitere Beihilfe in Höhe von 12,66 Euro (70% von 18,09 Euro).
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Die Klägerin erhob hiergegen am 17. Oktober 2017 Klage. Im Rahmen des Klageverfahrens erläuterte der behandelnde Zahnarzt mit Schreiben vom 27. Februar 2018 allgemein den bei der Klägerin erhobenen Befund und die daraus abzuleitende Behandlung. Mit Schreiben vom 29. März 2018 nahm er zu einzelnen Abrechnungspositionen Stellung. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 erläuterte er die Grunderkrankung der Klägerin, craniomandibuläre Dysfunktion, und nahm zu den einzelnen Abrechnungspositionen erneut Stellung.
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Mit Urteil vom 7. Februar 2019 verpflichtete das Verwaltungsgericht München den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 5. Mai 2017 und des Nachberechnungsbescheides vom 19. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2017 zur Gewährung von weiterer Beihilfe in Höhe von 18,11 Euro (70% von 25,87 Euro) und wies die Klage im Übrigen ab. Ein Anspruch auf Erstattung des 3,5-fachen Gebührensatzes der in der Rechnung vom 20. April 2017 enthaltenen GOZ-Nummern bestehe nicht. Rechtswidrig sei allein die Versagung von Gewährung weiterer Beihilfe bezüglich des 2,3-fachen Gebührensatzes der GOZ-Nummer 0100 und der GOZ-Nummer 4075 in Höhe von insgesamt 18,11 Euro. Im Übrigen seien die im streitgegenständlichen Beihilfebescheid beanstandeten Begründungen allesamt nicht geeignet, den Anforderungen des § 5 Abs. 2 GOZ entsprechend ein Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes zu rechtfertigen. Der allgemeine Hinweis auf die hochgradige craniomandibuläre Dysfunktion, die Myo-/Arthropathie und den allgemeinen Krankheitszustand der Klägerin genügten nicht, um bei jeder zahnärztlichen Leistung den 3,5-fachen Gebührensatz in Ansatz zu bringen. Die Schwierigkeit einer Leistung sei individuell und leistungsbezogen auf die einzelne Gebühr zu begründen und könne nicht auf die gesamte Honorarforderung ausgedehnt werden. Der Beklagte gehe daher zu Recht davon aus, dass es auch bei einer insgesamt komplexen und schwierigen Behandlung einzelne Behandlungsmaßnahmen geben könne, die als durchschnittlich oder auch unterdurchschnittlich zu bewerten seien. Nur dann, wenn bei einer konkreten Leistung eine überdurchschnittliche Erschwernis im Sinne von § 5 Abs. 2 GOZ vorliege bzw. sich eine generell bei der gesamten Behandlung gegebene Erschwernis konkret auswirke, lasse § 5 Abs. 2 GOZ in Bezug auf diese konkrete Einzelleistung einen höheren als den 2,3-fachen Gebührensatz zu, wobei dies bezogen auf die Einzelleistung verständlich und nachvollziehbar zu begründen sei. Pauschale und formelhafte Schlagworte ohne konkreten Patientenbezug genügten diesen Anforderungen nicht. Zudem sei es nicht zulässig, wenn der Zahnarzt in seinen ergänzenden Stellungnahmen zur Begründung des Überschreitens des Schwellenwertes Ausführungen mache, die nicht den Angaben auf der ursprünglichen Arztrechnung entsprächen, er also einen gänzlich neuen Grund nachreiche. Denn verspätet vorgebrachte neue Erwägungen, die in der Begründung der bisherigen Rechnung keine Stütze fänden, seien unzulässig, soweit sie über eine Erläuterung im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ hinausgingen. Das Verwaltungsgericht begründete sodann zu jeder einzelnen GOZ-Nummer warum eine 3,5-fache Steigerung des Gebührenbemessungssatzes gemessen an den ausgeführten Grundsätzen nicht gerechtfertigt sei. Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 12. März 2020 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf entsprechenden Antrag der Klägerin die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hinsichtlich der Frage, ob ein Nachschieben von Gründen durch den Zahnarzt auch im Verfahren noch möglich sei, zugelassen.
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Die Klägerin beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin weitere Beihilfe in Höhe von 158,91 Euro zu gewähren sowie diesen Betrag ab Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen und die Aufhebung des Beihilfebescheides vom 5.5.2017 und des Nachberechnungsbescheides vom 19.9.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.9.2017, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
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Die Begründungen des Zahnarztes in der Rechnung vom 20. April 2017 und dessen Erläuterungen in den Stellungnahmen vom 29. März 2018, vom 27. Februar 2018, vom 25. Oktober 2018 und vom 17. April 2019 würden für die Abrechnung des erhöhten Gebührensatzes ausreichen. Nach der Rechtsprechung (OVG NW, B.v. 20.10.2004 – 6 A 215/02; NdsOVG, B.v. 12.8.2009 – 5 LA 368/08; VG Hannover, U.v. 22.1.2008 – 13 A 1148/07) genüge auch das stichpunktartige Benennen der Umstände, die ein Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen. Dies sei hier zumindest durch die ergänzenden Stellungnahmen des Zahnarztes geschehen. Das Erstgericht habe zu hohe Anforderungen an die Begründung der zahnärztlichen Rechnung gestellt. Zudem gehe das Erstgericht zu Unrecht davon aus, dass neuer Vortrag in Ergänzung der zahnärztlichen Begründung keine Berücksichtigung finden dürfe (vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2008 – 2 C 19.06 – juris Rn. 9) Es komme allein darauf an, ob das Überschreiten des Schwellenwertes sachlich gerechtfertigt sei (NdsOVG, B.v. 12.8.2009 – 5 LA 386/08 – juris). Ob es für die Beihilfestelle praktisch handhabbar ist, bei jeder nachträglich neu vorgebrachten Begründung ihren Beihilfebescheid wieder abzuändern, sei letztlich eine Zweckmäßigkeitserwägung, die nicht maßgeblich sei. Die Klägerin habe vorliegend erst im Klageverfahren ihre Einwände vorbringen können, da die Beihilfestelle die Beihilfefähigkeit der Steigerungssätze pauschal in ihrer Gesamtheit abgelehnt habe, das beratungsärztliche Gutachten vom 3. August 2017 erst im Widerspruchsverfahren eingeholt worden sei und der Klägerin dieses erst nach gesonderter Anforderung und nach Ergehen des Widerspruchsbescheides zur Kenntnis gegeben worden sei. Sie habe daher erst im Klageverfahren zu den nun erstmals vorliegenden Einzelbegründungen Stellung nehmen können. Soweit das Verwaltungsgericht ausführe, die Schwierigkeit einer Leistung müsse individuell und leistungsbezogen auf die einzelne Gebühr begründet werden und könne nicht auf die gesamte Honorarforderung ausgedehnt werden könne, sei dem entgegenzuhalten, dass das beschriebene Krankheitsbild der Klägerin sich durch die gesamte Behandlung ziehe. Es könne vom Zahnarzt nicht verlangt werden, bei einer Behandlung mit Schwierigkeiten, die der Gesamtbehandlung zugrunde lägen, in jeder Position ausführliche Begründungen zu tätigen, da er sich hierbei ständig wiederholen müsste. Die Klägerin sei seit vielen Jahren wegen einer akuten hochgradigen craniomandibulären Dysfunktion und wegen hochgradiger Myo-/Arthropathie in Behandlung. Eine Myo-/Arthropathie des Kausystems zeige sich als Funktionsstörung von Kaumuskeln und Kiefergelenken unter anderem durch Fehlkontakte; es handele sich um eine funktionelle Störung des Kauapparates mit den daran beteiligten knöchernen, muskulären und nervlichen Strukturen. Zu den funktionellen Beschwerden würden Probleme bei der Mundöffnung und beim Kauen gehören. Die fortschreitende Schädigung des linken Kiefergelenks sei durch eine Reihe von Befundberichten und Röntgenaufnahmen bzw. MRTs belegt und nachgewiesen.
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Dies „vor die Klammer gesetzt“ begründete die Klägerin, warum der behandelnde Zahnarzt bei den betreffenden Gebührennummern zu Recht den 3,5-fachen Satz abgerechnet hat. Die Beihilfestelle habe insgesamt einen Differenzbetrag von 227,02 Euro zu Unrecht als nicht beihilfefähig anerkannt, sodass der zu 70 v.H. beihilfeberechtigten Klägerin ein Differenzbetrag von weiteren 158,91 Euro zustehe.
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Der Vertreter des Beklagten – Landesanwaltschaft Bayern – beantragte mit Schriftsatz vom 10. Juli 2020,
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die Berufung zurückzuweisen
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und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtakten beider Instanzen sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung, über die der Senat gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und teilweise begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 5. Mai 2017 und der Nachberechnungsbescheid vom 19. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2017 verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten, als ihr über den Ausspruch des erstinstanzlichen Urteils hinausgehend Beihilfe in Höhe von weiteren 74,93 Euro zu wenig gewährt worden ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Ihr steht ein Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von zusätzlich 74,93 Euro zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Verpflichtungsklage der Klägerin insoweit zu Unrecht abgewiesen. Im Übrigen war die Berufung unbegründet.
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I. Maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2015 – 5 C 2.14 – juris Rn. 10). Die Aufwendungen gelten in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird (§ 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV). Da die Klägerin mit ihrer Klage die Erstattung von Aufwendungen geltend macht, die bei ihr am 14. März 2017, am 20. März 2017 und am 5. April 2017 erbracht worden sind, ist folglich auf die zum damaligen Zeitpunkt geltende Rechtslage abzustellen. Damit sind für die rechtliche Beurteilung Art. 96 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500, BayRS 2030-1-1-F), vor Leistungserbringung zuletzt geändert durch G.v. 13. Dezember 2016 (GVBl S. 354), sowie die auf der Grundlage dieser Regelung (vgl. Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG) erlassene Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV) i.d.F. der Bek. vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15, BayRS 2030-2-27-F), vor Leistungserbringung zuletzt geändert mit V.v. 29. Juli 2014 (GVBl S. 352, ber. S. 447), maßgeblich.
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II. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte bei fünf Beträgen, die sie dem Zahnarzt zur Begleichung des nach dem 2,5- und 3,5-fachen Gebührensatz berechneten Honorars gezahlt hat, als beihilfefähig anerkennt.
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1. § 7 Abs. 1 BayBhV regelt entsprechend Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG, dass Aufwendungen beihilfefähig sind, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig (Nr. 1) und der Höhe nach angemessen (Nr. 2) sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (Nr. 3).
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Die medizinische Notwendigkeit der Aufwendungen wird vorliegend nicht bestritten; Anhaltspunkte für Zweifel daran sind auch nicht ersichtlich. Auch ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen dem Grunde nach zu einem Satz von 70 v.H. gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 BayBhV beihilfefähig war.
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2. Es besteht lediglich Streit darüber, ob die abgerechneten Gebührenpositionen der Höhe nach angemessen sind. Die Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche und zahnärztliche Leistungen beurteilt sich gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayBhV ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Die Beihilfevorschriften verzichten folglich auf eine eigenständige Umschreibung des Begriffs der Angemessenheit und verweisen auf die Vorschriften der ärztlichen und zahnärztlichen Gebührenordnungen (BVerwG, U.v. 17.2.1994 – 2 C 17.92 – juris Rn. 9; BVerwG, U.v. 24.11.1988 – 2 C 39.87 – juris Rn. 14). Angemessen und damit beihilfefähig sind demnach Aufwendungen, die dem Zahnarzt nach Maßgabe der GOZ zustehen (BVerwG, U.v. 20.3.2008 – 2 C 19.06 – juris Rn. 17). Die angesetzten Rechnungsbeträge sind damit beihilferechtlich als angemessen anzusehen, wenn der Zahnarzt diese bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung zu Recht in Rechnung gestellt hat (BVerwG, U.v. 30.5.1996 – 2 C 10.95 – juris Rn. 23).
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Ob der Arzt seine Forderung zu Recht geltend gemacht hat, ist eine der Beihilfegewährung vorgreifliche Rechtsfrage, die nach der Natur des Rechtsverhältnisses zwischen Arzt und Patient dem Zivilrecht zuzuordnen ist. Den Streit über die Berechtigung einer ärztlichen Liquidation entscheiden letztverbindlich die Zivilgerichte. Deren Beurteilung präjudiziert die Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche Leistungen im beihilferechtlichen Sinne. Ist eine Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg – wie hier – nicht ergangen, hat die Beihilfestelle die sachliche Berechtigung des Gebührenansatzes im Hinblick auf die beihilferechtliche Vorschrift der Angemessenheit zu prüfen (BVerwG, U.v. 30.5.1996 – 2 C 10.95 – juris Rn. 23), ob also die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Recht begründet sind und ihm das geforderte Honorar von Rechts wegen zusteht (vgl. BVerwG U.v. 28.10.2004 – 2 C 34.03 – juris Rn. 12; U.v. 25.11.2004 – 2 C 30.03 – juris Rn. 13). Die behördliche Entscheidung darüber, ob die Aufwendungen notwendig und angemessen sind, ist keine Ermessensentscheidung und unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.1996 – 2 C 10.95 – juris Rn. 20; U.v. 28.10.2004 – 2 C 34.03 – juris Rn. 12).
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(1) Der Vergütungsanspruch des behandelnden Zahnarztes ergibt sich aus der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) i.d.F. der Bekanntmachung vom 22. Oktober 1987 (BGBl I S. 2316) zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Dezember 2011 (BGBl I S. 2661). Die Bemessung der Gebühren für Leistungen des Gebührenverzeichnisses ist in § 5 GOZ geregelt. Nach § 5 Absatz 1 Satz 1 GOZ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und der einzelnen Leistungen sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ). Dabei bildet der 2,3-fache Gebührensatz – der sog. Schwellenwert – die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab; ein Überschreiten dieses Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ).
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(2) Die Annahme von Besonderheiten der Bemessungskriterien im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ setzt voraus, dass die Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegender Schwierigkeiten angewandte Behandlung als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde. Diese Betrachtungsweise ergibt sich bereits aus der in § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ enthaltenen Anordnung einer schriftlichen Begründung beim Überschreitens des Schwellenwertes (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 30.5.1996 – 2 C 10.95 – juris Rn. 23 f. und 17.2.1994 – 2 C 10.92 – juris Rn. 21, BVerwGE 95, 117; VGH BW, U.v. 7.5.2021 – 2 S 4105/20 – juris Rn. 37). Ob „Besonderheiten“ der Bemessungskriterien im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ vorliegen, die ein Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen, ist gerichtlich voll nachprüfbar (vgl. BVerwG, U.v. 30.5.1996 – 2 C 10.95 – juris Rn. 23).
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(3) Wann der Honoraranspruch des behandelnden Arztes fällig wird, regelt § 10 GOZ. Hierzu ist gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 GOZ dem Zahlungspflichtigen eine dieser Verordnung entsprechende Rechnung nach der Anlage 2 zu erteilen, die insbesondere die in § 10 Abs. 2 GOZ aufgeführten Positionen enthalten muss. Soweit die berechnete Gebühr das 2,3-fache des Gebührensatzes überschreitet, fordert § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ zusätzlich, dass in solchen Fällen dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich begründet werden muss. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern (§ 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ). Die Frage, ob der behandelnde Arzt, der eine Gebühr mit einem höheren als dem 2,3-fachen Satz abgerechnet hat, dies nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ gegenüber dem Patienten ausreichend begründet hat, ist damit eine Frage der Fälligkeit der Rechnung, die im Rahmen der formellen Voraussetzungen an die Rechnungsstellung zu prüfen ist, denn nur insoweit sind dem Beamten Aufwendungen entstanden. § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ betrifft damit nicht die materielle Rechtmäßigkeit des Vergütungsanspruches, also die Frage, ob die ärztliche Leistung medizinisch notwendig und angemessen ist.
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(4) Legt man diesen Maßstab – also die Abgrenzung der formellen Voraussetzungen des Honoraranspruches nach § 10 GOZ und der materiell-rechtlichen Anforderungen für das Überschreiten des Schwellenwertes nach § 5 Abs. 2 GOZ – zugrunde, ergibt sich hieraus, dass der behandelnde Arzt im behördlichen sowie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch Ausführungen zur Begründung für das Überschreiten des Schwellenwertes vorbringen, seine vorgebrachte Begründung erläutern und diese auch ergänzen darf, um hiermit die Notwendigkeit und Angemessenheit der erbrachten ärztlichen Leistung darzulegen. Eine Beschränkung dahingehend, dass der Arzt das Überschreiten des 2,3-fachen Satzes nachträglich im Verfahren nur noch erläutern, nicht jedoch um neue, bislang nicht vorgetragene Gründe ergänzen darf, um die Besonderheiten des jeweiligen Behandlungsfalles nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ darzulegen, kann nach Ansicht des erkennenden Senats weder der GOZ noch der BayBhV entnommen werden Zudem bleibt es der Beihilfestelle unbenommen bei Zweifeln darüber, ob die in der Begründung dargelegten Umstände den Umfang des Überschreitens des Schwellenwertes rechtfertigen, den Beihilfeberechtigten zu bitten, die Begründung von seinem behandelnden Arzt erläutern zu lassen, § 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ. Zudem kann die Beihilfestelle nach § 28 Abs. 7 Satz 1 BayBhV zur Überprüfung von Notwendigkeit und Angemessenheit einzelner geltend gemachter Aufwendungen Gutachterinnen bzw. Gutachter, Beratungsärztinnen bzw. Beratungsärzte und sonstige geeignete Stellen beteiligen. Ein Anspruch des Beamten darauf, dass dies bereits im Festsetzungsverfahren geschieht, besteht indes nicht. Im Umkehrschluss kann aber auch nicht von der Beihilfestelle im gerichtlichen Verfahren eingewandt werden, dass die Begründung für das Überschreiten des Schwellenwertes erst verspätet nachgereicht worden sei. Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht im Fall einer fehlerhaften Arztrechnung – in dem zu beurteilenden Fall fehlte die Angabe der ärztlichen Diagnose – ausgeführt, dass dies ohne Folgen für den Beihilfeanspruch bleibt, wenn (erst) im Verwaltungsgerichtsverfahren die Notwendigkeit und Angemessenheit der erbrachten ärztlichen Leistung festgestellt wird (vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2008 – 2 C 19.06 – juris Rn. 9). Ein sachlicher Grund, die Fälle, in denen die Angabe der erforderlichen Diagnose erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgt ist, anders zu beurteilen als die Fälle, in denen der behandelnde Arzt die Begründung für das Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes erst im Verfahren ergänzt, nachholt oder korrigiert, sieht der erkennende Senat nicht. Ein Leistungsausschluss ist vielmehr auch in diesen Fällen unter Berücksichtigung der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze nicht ersichtlich (vgl. NdsOVG, B.v. 12.8.2009 – 5 LA 368/08 – juris Rn. 7 ff.).
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(5) An die im Rahmen des § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ geforderte Begründung sind keine ins einzelne gehende Anforderungen zu stellen, um von einer formell ausreichenden Begründung ausgehen zu können (OVG NW, U.v. 3.12.1999 – 12 A 2889/99 – juris Rn. 37), da die Pflicht zur schriftlichen Begründung nur bezweckt, dem Patienten eine lediglich grobe Handhabung zur Einschätzung der Rechtfertigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs an die Hand zu geben. Dies ist bereits daraus zu ersehen, dass die Begründung – nur – auf Verlangen des Patienten näher zu erläutern ist. Die Begründungspflicht dient dazu, den Patienten vor einem ausufernden, nicht mehr an Besonderheiten des Behandlungsfalles orientierten und auch vom Arzt so nicht mehr gedanklich nachvollzogenen Überschreiten des Schwellenwertes zu schützen und ihm eine grobe Handhabung zur Einschätzung des geltend gemachten Vergütungsanspruchs zu verschaffen. In der Regel wird es vielmehr genügen, stichwortartig das Vorliegen von Umständen, die das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen können, nachvollziehbar zu machen (vgl. VGH BW, U.v. 7.6.1994 – 4 S 1666/91 – juris Rn. 28; NdsOVG, B.v. 12.8.2009 – 5 LA 368/08 – juris Rn.18). An eine ausreichende Begründung der Schwellenwertüberschreitung dürfen folglich keine überzogenen Anforderungen gestellt werden (Spickhoff in Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 10 GOZ Rn. 11). Andererseits muss die Begründung das Vorliegen solcher Umstände nachvollziehbar machen, die nach dem materiellen Gebührenrecht das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen können (OVG NW, B.v. 20.10.2004 – 6 A 215/02 – juris Rn. 12; NdsOVG, B.v. 12.9.2009 – 5 LA 368/08 – juris Rn.18). Es muss auf den Einzelfall bezogen begründet werden, welche Besonderheiten zu der berechneten Steigerung geführt haben. In der Regel wird eine stichwortartige Kurzbegründung ausreichen (vgl. die amtliche Begründung zu § 10 GOZ in BR – Drs. 276/87 S. 78). Der gegebenen Begründung muss sich also auf den Einzelfall bezogen entnehmen lassen, weshalb bei dem Patienten eine von der Masse der Fälle abweichende Besonderheit vorlag und worin diese Besonderheit bestand. Einer ausführlichen ärztlichen Stellungnahme, deren Anfertigung möglicherweise mehr Zeit in Anspruch nimmt als die abzurechnende Behandlung oder gar gutachtliche Stellungnahmen, bedarf es nicht (vgl. NdsOVG, U.v. 13.11.2012 – 5 LC 222/11 – juris Rn. 36; Droste in Claussen/Makoski/Droste, GOZ, 1. Aufl. 2019, § 10 Rn. 30).
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3. Nach den oben dargelegten Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht die nachträglich ins Verfahren eingeführten Stellungnahmen des behandelnden Zahnarztes zu den einzelnen Gebühren als unzulässig abgelehnt und dessen Ausführungen bei der Prüfung der sachlichen Berechtigung des Gebührenansatzes im Hinblick auf die beihilferechtliche Vorschrift der Angemessenheit unberücksichtigt gelassen.
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(1) So hat das Verwaltungsgericht in dem streitgegenständlichen Urteil ausgeführt, dass ein Nachschieben von gänzlich neuen Gründen nicht zulässig sei, da § 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ lediglich eine nähere Erläuterung der bereits in der Rechnung vorgebrachten schriftlichen Begründung für die Schwellenwertüberschreitung vorsehe, nicht jedoch eine Ergänzung der Begründung um neue, bislang nicht vorgetragene Gründe. Unzulässig seien damit verspätet vorgebrachte neue Erwägungen, die in der bisherigen, in der Rechnung enthaltenen Begründung, keine Stütze fänden. Zulässig seien nur solche Erwägungen, die an die bereits vorhandene Rechnungsbegründung ansetzten. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht bei den in der Anlage 1 zur GOZ (Gebührenverzeichnis zahnärztlicher Leistungen, BGBl I 2011, S. 2664-2680) aufgelisteten Gebührennummern 0090, 0050, 0267 und 7030 sowie den entsprechenden GOÄ-Nummern 5000 und 2006 die Ausführungen des Zahnarztes in seinen Stellungnahmen vom 29. März 2018 und vom 3. August 2018 bei der Prüfung, ob der Steigerungsfaktor der in Rechnung gestellten Abrechnungsgebühr angemessen ist, nicht berücksichtigt.
30
(2) Gemessen an den oben dargestellten Ausführungen, wonach der behandelnde Arzt auch im behördlichen sowie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Begründung für das Überschreiten des Schwellenwertes noch ergänzen, erläutern und korrigieren darf, überzeugt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, ein Nachschieben von gänzlich neuen Gründen sei nicht zulässig, nicht. Das Erstgericht hat vielmehr, soweit eine dem § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ ausreichende Begründung vorliegt und damit die Fälligkeit der Honorarrechnung des Arztes gegeben ist, ebenso wie die Festsetzungsstelle die materiell-rechtliche Prüfung der Beihilfefähigkeit – hier der Angemessenheit des abgerechneten Gebührensatzes – unter Beachtung der vom Zahnarzt vorgelegten Erläuterungen und Stellungnahmen zu prüfen.
31
(3) Bei den genannten Abrechnungspositionen genügen die schriftlichen Begründungen des Zahnarztes der Klägerin vom 3. August 2017, vom 29. März 2018, vom 25. Oktober 2018 sowie vom 7. April 2019 den Anforderungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ im Sinne einer stichwortartigen Begründung. Es wurden bei den einzelnen Behandlungsvorgängen durchweg gem. § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ genannten Bemessungskriterien herausgestellt. Insbesondere in den nachgereichten Stellungnahmen, die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch zu berücksichtigen waren, hat der behandelnde Arzt das Vorliegen der Umstände nachvollziehbar gemacht, die geeignet sind, nach dem materiellen Gebührenrecht das Überschreiten des Schwellenwertes zu rechtfertigen.
32
4. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen, also das Vorliegen von Besonderheiten im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ bei den genannten Bemessungskriterien, die ein Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes rechtfertigen, hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht bei fünf der in Rechnung gestellten Gebührennummern verneint. Bei allen weiteren Gebührennummern hat das Verwaltungsgericht mit eingehender und zutreffender Begründung das Vorliegen von Besonderheiten, die ein Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen könnten, verneint.
33
Behandlung am 14. März 2017:
34
(1) Ein Überschreiten des Gebührensatzes gem. § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ um 0,7% (1,8% auf 2,5%) erscheint bei der Gebührennummer 5000 des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen (Anlage zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) i.d.F. der Bek. vom 9.2.1996 (BGBl I S. 210), vor Leistungserbringung zuletzt geändert durch G.v. 4.12.2011 (BGBl I S. 3320), im Folgenden: GOÄ-Nummer) vorliegend als gerechtfertigt und ermessensgerecht. Soweit das Verwaltungsgericht ausführt, der behandelnde Arzt habe keine patientenspezifischen Besonderheiten, die die Schwellenwertüberschreitung rechtfertigen, dargelegt und aus dessen Begründung gehe auch nicht hervor, was die Positionierung des Sensors patientenbezogen besonders schwierig gemacht habe, hat das Gericht fehlerhaft die ärztliche Stellungnahme vom 17. April 2019 unberücksichtigt gelassen. Denn der Zahnarzt hat in dieser Stellungnahme ausgeführt, dass sich die Röntgenaufnahmen deswegen besonders schwierig gestaltet hätten, weil die Klägerin aufgrund ihres Krankheitsbildes – craniomandibuläre Dysfunktion – nur eingeschränkt den Mund öffnen habe können und der analoge Röntgensensor damit nur unter Schmerzen positionierbar gewesen sei, sodass hierfür überdurchschnittlich mehr Zeit benötigt worden sei. Hierzu verhält sich der Gutachter Dr. H, dessen Gutachten vorab am 3. August 2017 erstellt worden ist, nicht. Insbesondere ist nach Ansicht des erkennenden Senats die Mundöffnung, die für die Positionierung eines Röntgensensors und insbesondere dessen (rechtwinkligem) Halter erforderlich ist, nicht vergleichbar mit der Mundöffnung während des Essens oder des Zähneputzens.
35
(2) Zu der Gebührennummer 4020 des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen (Anlage 1 der GOZ, im Folgenden: GOZ-Nummer), die vom Zahnarzt für die Sitzungen am 14. März 2017, am 20. März 2017 und am 5. April 2017 jeweils einmal abgerechnet worden ist, hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass sich aus der Begründung des Zahnarztes „Mehrfachanwendungen und Wiederholungen“ keine Hinweise auf patientenbezogene Umstände, warum etwa gerade bei der Klägerin aufgrund individueller Besonderheiten besonders häufig die Behandlung hat erfolgen müssen, ergäben. Der Zahnarzt hat jedoch in seiner Stellungnahme vom 25. Oktober 2018 nachvollziehbar ausgeführt, dass sich die Maßnahmen insbesondere durch die eingeschränkte Mundöffnung besonders schwierig und zeitaufwändig gestaltet hätten und nicht in einem Behandlungsschritt hätten durchgeführt werden können. Der dadurch bedingt eingeschränkte Zugang sowie das wiederholte Schließen des Mundes wegen Schmerzen im Kiefer Gesichtsbereich (craniomandibuläre Dysfunktion) habe einen außergewöhnlich hohen Zeitaufwand durch die nur schrittweise Durchführung dieser Maßnahme bedingt. Dies sei durch die Begründung „Mehrfachanwendung und Wiederholungen“ subsumiert worden. Diese Begründung erscheint nach Ansicht des erkennenden Senates nachvollziehbar. Die individuelle Besonderheit der Klägerin, ihre Krankheit des Kauapparates, haben vorliegend nach überzeugender Ausführung des Zahnarztes einen erhöhten zeitlichen Aufwand verursacht, der in der erhöhten Abrechnungsgebühr zum Ausdruck kommen durfte.
36
(3) Das Verwaltungsgericht hat betreffend die GOÄ-Nummer 0001 (Beratung) und die GOÄ-Nummer 0005 (symptombezogene Untersuchung) am 14. März 2017 zutreffend ausgeführt, dass in der Begründung des Zahnarztes in der Rechnung vom 20. April 2017 („besonders schwierige Ätiologie, Behandlungsplanung und Abstimmung“) weder außergewöhnliche Umstände bei der Beratung aufgeführt wurden, die beispielsweise die Kommunikation mit der Klägerin gestört hätten, und mangels konkreter Zeitangaben keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass die Beratung überdurchschnittlich lange gedauert hätte. Aber auch aus den nachgereichten Begründungen des Zahnarztes lassen sich solche patientenspezifischen Besonderheiten bei der Beratung nicht entnehmen. Allein aufgrund des Vorliegens eines komplexen Krankheitsbildes liegt nicht zwangsläufig ein überdurchschnittlicher zeitaufwändiger oder aus anderen Gründen schwieriger Beratungsbedarf vor. Umfassende Krankheitsbilder sowie mehrere durchgeführte Behandlungsmaßnahmen rechtfertigen per se keinen besonders außergewöhnlichen Einzelfall bei der Beratung. Die 3,5-fache Abrechnung des Gebührensatzes war insofern nicht gerechtfertigt.
37
(4) Hinsichtlich der GOZ-Nummer 0080 (Intraorale Oberflächenanästhesie, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich), bei der der behandelnde Zahnarzt zur Begründung des erhöhten Gebührensatzes „Mehrfachanwendungen und Wiederholungen“ angegeben hat, wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Die Wiederholung einer Oberflächenanästhesie nach Wirkungsverlust löst gegebenenfalls erneut den Ansatz der GOZ-Nummer 0080 aus (vgl. Kommentar der Bundeszahnärztekammer in Zusammenarbeit mit den (Landes-)Zahnärztekammern zur Gebührenordnung der Zahnärzte, Stand August 2022, im Folgenden: GOZ-Kommentar, GOZ-Nr. 0080, S. 43), zur Rechtfertigung einer Schwellenwertüberschreitung ist die Begründung gleichwohl nicht geeignet, zumal der Zahnarzt auch in seinem Schreiben vom 17. April 2019 keine spezifischen individuellen Besonderheiten bei der intraoralen Oberflächenanästhesie der Klägerin dargelegt hat.
38
(5) Der Vortrag des behandelnden Arztes zu GOZ-Nummer 0090 (Intraorale Infiltrationsanästhesie), durch das fraktionierte Injizieren – hierbei wird zuerst ein kleines Depot des Anästhetikums gesetzt, das Einspritzen ins Gewebe erfolgt kurz danach, wenn das erste Depot den Injektionsbereich bereits anästhesiert hat (de.wikipedia.org, Lokalanästhesie) – sei eine besondere Erschwernis gegeben, die es rechtfertige, einen über dem Schwellenwert liegenden höheren Bemessungssatz anzusetzen, überzeugt nicht. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführte, stellt das fraktionierte Injizieren keine individuelle, gerade im Fall der Klägerin liegende Besonderheit dar. Es wird hierdurch lediglich eine bestimmte Behandlungstechnik angegeben, die für eine erhöhte Gebührenabrechnung nicht ausreichend ist. Ausführungen dazu, inwieweit die gewählte Verfahrensweise der individuellen Gesundheits- bzw. Krankheitssituation der Klägerin geschuldet sei, bleibt der Arzt schuldig. Soweit der Arzt den erhöhten Gebührensatz mit einer Nachinjizierung rechtfertigt, geht dies fehl. Dies hätte gegebenenfalls einen mehrfachen Ansatz der GOZ-Nummer 0090 gerechtfertigt, wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, nicht jedoch die Abrechnung eines erhöhten 3,5-fachen Gebührensatzes, da bei lang dauernden Eingriffen mit Nachinjektion die Leistung mehrfach pro Zahn berechnungsfähig ist (vgl. GOZ-Kommentar, GOZ-Nr. 0090, S. 45).
39
(6) Hinsichtlich der Gebührenposition GOZ-Nummer 0100 (Intraorale Leitungsanästhesie) hat das Verwaltungsgericht zur Recht die medizinische Notwendigkeit der Leistung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV festgestellt. Dennoch war die erhöhte 3,5-fache Gebührenabrechnung auch hier nicht gerechtfertigt. Es wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen. Aus der Begründung des Zahnarztes, dass die Lokalisation des Nervus alveolaris inferior mit mehreren Depots entlang des aufsteigenden Unterkieferastes aufgrund der anatomischen Situation der Lingula und/oder anderer anatomischer Knochenstrukturen vor dem Eintritt des Nervs in den Canalis mandibulares durchgeführt worden sei, was eine besondere Schwierigkeit darstelle und einen besonderen Zeitaufwand erfordere, ergibt sich nicht konkret, warum und inwiefern die anatomischen Verhältnisse sich gerade bei der Klägerin als besonders schwierig dargestellt haben, zumal die anatomischen Verhältnisse von Natur aus bei jedem Patienten zumindest geringfügig variieren dürften (vgl. VG München, U.v. 25.2.2019 – 17 K 18.494 – juris Rn. 54).
40
(7) Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der behandelnde Zahnarzt die GOZ-Nummer 4075 (Parodontalchirurgische Therapie [insbesondere Entfernung subgingivaler Konkremente und Wurzelglättung] an einem mehrwurzeligen Zahn) fehlerhaft mit einem überdurchschnittlichen Satz abgerechnet hat. Die von ihm dargelegte Begründung „sehr harte/alte/resistente weit subgingivale Konkremente; mehrfache Sulcusblutung; Mundspülung zur Absenkung der Keimbelastung“ ist zu allgemein gehalten und nicht auf die individuelle Behandlungssituation bei der Klägerin abgestellt. Das Gericht schließt sich der Rechtsprechung an (vgl. VG Hannover, U.v. 14.5.2014 – 13 A 8004/13 – Rn. 31; NdsOVG, U.v. 13.11.2012 – 5 LC 222/11 – juris Rn. 40; NdsOVG, B.v. 14.12.2010 – 5 LA 237/10 – juris Rn. 19), wonach die Formulierung „weit subgingival“ nur pauschal die Lage der zu präparierenden Stelle beschreibt, aber ohne nähere Ausführungen nicht erkennen lässt, ob die Präparation hier so tief unter Gingivaniveau erfolgt ist, dass daraus überdurchschnittliche Schwierigkeiten erwachsen sind. Zudem sind Sulcusblutungen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, bei weit subgingivalen Konkrementen sowie Spülungen zur Absenkung der Keimbelastung üblich. Dass durch die auftretende Blutung eine visuelle Beurteilung schwierig ist, stellt ebenfalls den Regelfall dar. Welcher der vorliegenden Grunderkrankungen der Klägerin eine mehrfache Mundspülung erforderlich macht bzw. eine überdurchschnittlich starke Blutung hervorruft, wird auch in der Stellungnahme vom 7. April 2019 nicht genauer dargelegt. Damit fehlt es hier auch aus Sicht des erkennenden Senates an einer individuellen, klägerspezifischen Begründung für das Überschreiten des 2,3-fachen Satzes.
41
(8) Der Zahnarzt begründete die besondere Erschwernis bei der Abformung eines Kiefers für ein Situationsmodell (GOZ- Nummer 0050) in der Rechnung zunächst mit einer „besonders schwierigen Lagefixierung“, ergänzte diese Begründung mit Stellungnahmen vom 29. März 2018 sowie vom 17. April 2019 weiter mit der motorischen Unruhe der Klägerin am Unterkiefer. Diese motorische Unruhe sei bedingt durch die hochgradige Myo-/Arthropathie der Klägerin, aber auch durch die Schmerzsymptome der craniomandibulären Dysfunktion (CMD). Soweit das Verwaltungsgericht hierzu ausführt, die Begründung wirke in ihrer Abstraktheit losgelöst vom Einzelfall standardmäßig formelhaft aufgesagt, ist dies darauf zurückzuführen, dass die beiden nachgereichten Stellungnahmen vom Erstgericht nicht berücksichtigt wurden. Anders als in dem vom Verwaltungsgericht zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 30.5.1996 – 2 C 10.95 – juris Rn. 24) wurde vorliegend die Erläuterung „motorische Unruhe“ konkret mit dem Krankheitsbild der Klägerin in Verbindung gesetzt. Der Einwand des Verwaltungsgerichts, dass rund zwei Drittel der Bevölkerung an einer Myo-/Arthropathie leide, weshalb hiermit eine besondere Erschwernis nicht begründet werden könne, überzeugt nicht. Denn der behandelnde Arzt führt hierzu zutreffend aus, dass nach den wissenschaftlichen Studien der WHO innerhalb der Gruppe der von CMD-Betroffenen (80% einer Gesamtbevölkerung unabhängig vom Zivilisationsgrad) in Europa 3,5% als behandlungsbedürftig anzusehen seien. Dies bedeute, dass in Europa 2,4 bis 4% der Bevölkerung eine behandlungsbedürftige (somatische) CMD aufweisen würden. Diese Angaben stimmen mit den Angaben in Wikipedia überein, wonach die Häufigkeit der CMD bei etwa 8% der gesamten Bevölkerung liege, wobei nur rund 3% wegen dieser Beschwerden behandlungsbedürftig sind (https://de.wikipedia.org/wiki/ Kraniomandibul%C3%A4re_Dysfunktion). Nachdem der Zahnarzt damit ausreichend die Erschwernisse bei der Abformung dargelegt hat (vgl. GOZ-Kommentar, GOZ-Nr. 0050, S. 40: „Zusätzlicher Aufwand: Erschwernisse bei der Abformung [z. B. Stellungsanomalie, inserierende Bänder, Würgereiz]“), war nach Ansicht des erkennenden Senats der erhöhte Ansatz des Gebührensatzes gerechtfertigt und ermessensgerecht.
42
Soweit im Übrigen der Beklagte hier – wie auch bei weiteren Gebühren – wiederholt ausführt, dass der behandelnde Zahnarzt am 27. Februar 2018 ausgeführt habe, dass die Krankheit craniomandibuläre Dysfunktion bei der Klägerin seit vielen Jahren erfolgreich therapiert werden konnte, weshalb es widersprüchlich und unschlüssig sei, wenn nun die angeblich hochgradige Myo-/Arthropathie für eine Schwellenwerterhöhung herangezogen werde, geht der Einwand ins Leere. Der Senat weist darauf hin, dass der Arzt in seiner Stellungnahme weiter ausgeführt hat, dass die Symptome der craniomandibulären Dysfunktion bei der Klägerin nun erneut aufgetreten seien, da es „zu einem völligen Verlust der Abstützung rechtsseitig gekommen“ sei. Erst bei einer stabilen dentalen Abstützung sei davon auszugehen, dass „die CMD wieder kompensiert werden“ könne.
43
(9) Hinsichtlich der GOZ-Nummer 2290 (Entfernung einer Einlagefüllung, einer Krone, Brückenteils) überzeugen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die sich auf die nachvollziehbaren Ausführungen des Beratungszahnarztes stützen. Danach entspricht die Verwendung extrem harter Dentallegierungen der Regel und kann daher nicht pauschal als Begründung für ein Überschreiten des 2,3-fachen Satzes herangezogen werden. Zudem erscheinen die Ausführungen des Zahnarztes insoweit widersprüchlich, als er ausführt, dass ein besonders zeitaufwändiges Verfahren notwendig gewesen sei, da der mediale Anteil der Konstruktion (Krone auf dem Zahn 45) erhalten werden musste, gleichwohl er bei GOZ-Nummer 7030 (Behandlungsdatum 5. April 2017) ausgeführt hat, dass der untere Kieferbereich von Zahn 44 bis 48 völlig zahnlos sei.
44
(10) Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu GOZ-Nummer 3020 überzeugen. Es ist selbstverständlich, dass bei der Entfernung eines tief frakturierten oder tief zerstörten Zahnes „die Schädigung von Nachbarstrukturen“, wie es der Zahnarzt als Begründung für den erhöhten Abrechnungssatz vorgebracht hat, vermieden werden muss. Auch aus der Begründung des Zahnarztes vom 29. März 2018 ergeben sich keine Umstände, die zu einer Abrechnung des 3,5-fachen Satzes berechtigten. Könnte bei jeder Entfernung eines frakturierten bzw. tief zerstörten Zahnes Nr. 47 im Hinblick auf den Nervenverlauf ein erhöhter Gebührensatz angesetzt werden, wäre bereits aufgrund der anatomischen Situation ein überdurchschnittlich hoher Gebührensatz die Regel. Nachdem der 2,3-fache Gebührensatz nur im Ausnahmefall überschritten werden soll, überzeugt das Vorbringen des behandelnden Arztes nicht.
45
(11) Der GOZ-Kommentar der Bundeszahnärztekammer führt zu GOZ-Nummer 3050 (GOZ-Kommentar, GOZ-Nr. 3050, S. 110) aus, dass es im Rahmen von chirurgischen Eingriffen zwangsläufig zu Blutungen kommt, die in der Regel von selbst zum Stillstand kommen oder durch einfache unterstützende Maßnahmen gestillt werden können, weshalb die Stillung einer Blutung, auch größeren Umfangs, die operationsspezifisch ist, mit der jeweiligen Gebühr für die chirurgische Leistung abgegolten ist. Nur eine Blutung, die das typische Maß deutlich übersteigt und deren Stillung eine Unterbrechung der eigentlichen chirurgischen Leistung erfordert oder nach der chirurgischen Leistung auftritt, löst den Ansatz der GOZ-Nummer 3050 aus. Dass ein solcher Fall bei der Behandlung der Klägerin vorlag, wurde nicht dargelegt. Im Übrigen wird auf die Ausführung des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Eine Beihilfefähigkeit dieser Position besteht nicht.
46
(12) Zu der GOZ-Nummer 0070 (Vitalitätsprüfung eines Zahnes oder mehrerer Zähne einschließlich Vergleichstest, je Sitzung) und der hierzu in der Rechnung gegebenen Begründung „besonders schwierige Differenzialdiagnose“ führt das Verwaltungsgericht zu Recht aus, dass die Begründung losgelöst vom Einzelfall standardmäßig formelhaft aufgesagt wirke und es nicht deutlich werde, inwieweit die Differenzialdiagnostik bei der Behandlung der Klägerin schwierig gewesen sei. Auch in seiner Stellungnahme vom 17. April 2019 ergänzt der Zahnarzt lediglich in allgemein gehaltener Form und nicht individuell auf die Behandlung der Klägerin bezogen, dass mehrfache vergleichende Prüfungen an benachbarten bzw. gegenüberliegenden Zähnen bzw. Zahngruppen erforderlich gewesen seien, um eine differenzierende Diagnose stellen zu können. Der Reaktionsvergleich mit anderen Zähnen in derselben Sitzung ist jedoch durch die GOZ-Nummer 0070 abgegolten (GOZ-Kommentar, GOZ-Nr. 0070, S. 43). Soweit der Klägerbevollmächtigte in den Schriftsätzen vom 3. August 2018 und vom 22. April 2020 ausführt, dass „jedenfalls als zusätzlicher Aufwand abrechenbar sei: eine höhere Anzahl der überprüften Zähne, mehrfache (Vergleichs-)Testungen bei unklarer Diagnose und erhöhter Zeitaufwand bei überkronten Zähnen“, handelt es sich hierbei bereits nicht um eine Begründung des behandelnden Zahnarztes. Besonderheiten im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 4, Satz 1 GOZ, die eine Abrechnung des 3,5-fachen Gebührensatzes rechtfertigen würden, können daher nicht gesehen werden.
47
(13) Bei der GOÄ-Nummer 0267 (Medikamentöse Infiltrationsbehandlung im Bereich einer Körperregion) hat der Zahnarzt als Grund für eine erhöhte Abrechnung zunächst nur einen „besonders schwierigen Zugang“ vorgetragen. In der Stellungnahme vom 17. April 2019 ergänzte er die Begründung dahingehend, dass die Behandlung drei Einstichstellen in schmerzhaften Regionen umfasst habe. Mit Schreiben vom 3. August 2018 hat er die eingeschränkte Mundöffnung der Klägerin wegen deren Krankheitsbild der craniomandibulären Dysfunktion und der Myo-/Arthropathie vorgetragen. Diese Ausführungen vermögen nach Ansicht des erkennenden Senats eine erhöhte Schwierigkeit bei dieser Gebühr nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ nicht zu rechtfertigen. Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass aufgrund der hier behandelten Zähne im vorderen, leicht zugänglichen Bereich ein schwieriger Zugang der Zähne bereits nicht vorliege. Aus diesem Grund überzeugt hier auch nicht die vorgebrachte eingeschränkte Mundöffnung der Klägerin. Soweit der Arzt weiter ausgeführt hat, die Zugänglichkeit sei nicht allein auf die Lage eines Zahnes zurückzuführen, werde vielmehr auch durch wesentlich andere weitere Faktoren wie Mundöffnungsweite, motorische Unruhe, Schluckreflex, Hustenreiz, Speichelflussmenge, Schmerzreaktionen, psychische Reaktionslage etc. bestimmt, lässt er individuelle Ausführungen spezifisch die Klägerin betreffend vermissen.
48
Behandlungen am 20. März und am 5. April 2017:
49
(14) Soweit der Zahnarzt für die Behandlung am 20. März 2017 und am 5. April 2017 die Gebührenposition GOÄ-Nummer 0001 und GOÄ-Nummer 0005 erneut mit der Begründung „hochgradige CMD; erneut wegen neuer Erkrankung d. h. neuer Beschwerden und/oder neuer Befund“ bzw. „hochgradige CMD“ mit dem 3,5-fachen Gebührensatzes abgerechnet hat, wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Ein erneutes Ansetzen dieser Gebührennummer ist nicht gerechtfertigt. Denn die GOÄ- Nummer 0001 kann je Behandlungsfall für die Behandlung derselben Erkrankung im Zeitraum eines Monats nach der jeweils ersten Inanspruchnahme des Arztes – hier der 14. März 2017 – berechnet werden; eine erneute Berechnung der Beratung für die gleiche Erkrankung oder Gruppe von Erkrankungen ist erst wieder nach Ablauf eines Monats möglich (vgl. Bundeszahnärztekammer, Kommentar der hochfrequenten GOÄ-Leistungen bei der Rechnungserstellung in der Zahnarztpraxis, Stand April 2018 im Folgenden: GOÄ-Kommentar, GOÄ-Nr. 0001, S. 7). Bei den vom Zahnarzt nachträglich vorgetragenen Gründen für die erneute Vorstellung der Klägerin am 20. März 2017, der Mundschleimhauterkrankung und Wundbehandlung, ist ersichtlich, dass sich diese Behandlung an die Behandlung vom 14. März 2017 angeschlossen hat, nachdem bei der erstmaligen Vorstellung der Klägerin mit der GOZ-Nummer 4020 bereits die Lokalbehandlung von Mundschleimhauterkrankungen abgerechnet wurde. Es handelt sich insofern um die gleiche Erkrankung oder doch zumindest um die gleiche Gruppe von Erkrankungen. Inwieweit bei der symptombezogenen Untersuchung nach der GOÄ-Nummer 0005 eine besondere individuelle Schwierigkeit vorlag, war der pauschalen Begründung „hochgradige CMD“ nicht zu entnehmen, zumal diese Leistung neben Leistungen nach den Abschnitten C bis O der GOÄ – eine solche Leistung ist vorliegend die Behandlung nach GOÄ-Nummer 2006 ebenso wie die GOÄ-Nummer 0267 – im Behandlungsfall nur einmal berechnungsfähig ist (vgl. GOÄ-Kommentar, GOÄ-Nr. 0005, Seite 11). Als Behandlungsfall gilt für die Behandlung derselben Erkrankung der Zeitraum eines Monats nach der jeweils ersten Inanspruchnahme des Arztes.
50
(15) Zu GOZ-Nummer 4020 wird auf oben (2) verwiesen.
51
(16) Soweit der Zahnarzt auch bei der GOÄ-Nummer 2006 (Behandlung einer Wunde ohne Primärheilung/Abtragung von Nekrosen) als Grund für eine erhöhte Abrechnung einen „besonders erschwerten Zugang“, und erst im Nachgang auf die eingeschränkte Mundöffnung aufgrund der hochgradigen CMD hingewiesen hat (Stellungnahmen vom 25.10.2018 und 17.4.2019), gelten die obigen Ausführungen zu GOÄ-Nummer 0267 (13) entsprechend. Die Ansicht des Zahnarztes, dass die Abrechnungsdifferenzierung auch deswegen zur Verfügung stehe, da manche Mundregionen schwerer zugänglich seien als andere, überzeugt nicht. Vielmehr befindet sich, wie das Verwaltungsgericht zu GOÄ-Nummer 0267 zutreffend ausgeführt hat, ein großer Teil der Zähne im Mund im schwer zugänglichen hinteren Seitenmundbereich, sodass, folgt man dieser Ansicht, die Ansetzung eines über den Schwellenwert hinausgehenden Faktors die Regel wäre. Der 2,3-fache Gebührensatz der GOZ bildet jedoch pauschaliert den durchschnittlichen Aufwand für jeden beliebigen behandelten Zahn ab, unabhängig von seiner Lage.
52
(17) Das Verwaltungsgericht hat bei der GOZ-Nummer 5170 (Anatomische Abformung des Kiefers mit individuellem Löffel bei ungünstigen Zahnbogen- und Kieferformen und/oder tief ansetzenden Bändern oder spezielle Abformung zur Remontage, je Kiefer) ebenso wie bei der GOZ-Nummer 0050 argumentiert, dass das Vorliegen einer hochgradigen Myo-/Arthropathie nicht genüge, um eine außergewöhnliche patientenbezogene Besonderheit zu begründen, da nach Angabe der Gesellschaft für Zahngesundheit, Funktion und Ästhetik rund zwei Drittel der Bevölkerung Symptome Myo-/Arthropathie aufzeigen würden. Diese Ausführungen überzeugen aus den zu GOZ-Nummer 0050 dargelegten Gründen nicht (8).Vielmehr berechtigt hier ausnahmsweise die vom Zahnarzt vorgebrachte Begründung für die erhöhte Abrechnung, die „besonders schwierige Lagefixierung; hochgradige Myo-/Arthropathie“ nach Ansicht des erkennenden Senats eine erhöhte Abrechnung, da sich gerade bei der bestehenden Krankheit des Kauapparates die Fixierung des Abformlöffels über einen mehrminütigen Zeitraum nachvollziehbar als besonders schwierig gestalten kann, zumal wenn wegen der bestehenden motorischen Unruhe am Unterkiefer ein Ablösen des Löffels bzw. des Abbaumaterials verhindern werden muss, wie der Zahnarzt ausführte. Die motorische Unruhe sei bei der Klägerin insbesondere durch die Krankheit der hochgradigen Myo-/Arthropathie verursacht, die, so dem Schreiben des Zahnarztes vom 27. Februar 2018 zu entnehmen, zwar seit vielen Jahren erfolgreich therapiert wird, deren Symptome aber nun erneut wegen des völligen Verlustes der Abstützung rechtsseitig aufgetreten seien. Der für die Behandlung am 12. April 2017 abgerechnete 3,5-fache Gebührensatz für die GOZ-Nummer 5170 war damit nach Ansicht des erkennenden Senats gerechtfertigt.
53
(18) Entgegen der Ansicht des Beklagten genügt nach Ansicht des erkennenden Senates die Begründung des behandelnden Zahnarztes bei der Gebührenposition GOZ-Nummer 7030 (Wiederherstellung der Funktion eines Aufbissbehelfes) den Anforderungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ. Spätestens mit den Ausführungen des Zahnarztes in seiner Stellungnahme vom 17. April 2019, die entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch zu berücksichtigen war, hat der Zahnarzt das Vorliegen der Umstände nachvollziehbar gemacht, die nach dem materiellen Gebührenrecht das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen könnten. Mit den Ausführungen des behandelnden Zahnarztes, wonach der untere Kieferbereich von Zahn 44 bis Zahn 48 durch die Entfernung des Zahnes 47 völlig zahnlos sei und bei der Neuanpassung die entzündlichen, degenerativen Veränderungen des Kiefergelenks und auch die hochgradige Myo-/Arthropathie zu berücksichtigen gewesen seien, hat der Zahnarzt darüber hinaus Besonderheiten im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ vorgetragen, die ein Überschreiten des Gebührensatzes als gerechtfertigt erscheinen lassen. Auch in dem GOZ-Kommentar (GOZ-Nummer 7030, S. 235) wird bei dieser Gebührenposition die erschwerte Abdrucknahme bei eingeschränkter Mundöffnung (M/A) sowie das Vorliegen von Freiendsätteln als „zusätzlicher Aufwand“ aufgeführt.
54
Nach alledem ist die Berufung betreffend die GOÄ-Nummer 5000 (Differenz zwischen der beantragten und der gewährten Beihilfe (= Differenz) i.H.v. 2,04 Euro), die GOZ-Nummer 0050 (Differenz i.H.v. 8,10 Euro), die GOZ-Nummer 7030 (Differenz i.H.v. 24,97 Euro), die GOZ-Nummer 4020 (zweimaliger Ansatz; Differenz i.H.v. 6,08 Euro) und die GOZ-Nummer 5170 (Differenz i.H.v. 33,74 Euro) in Höhe von insgesamt 74,93 Euro begründet. Die Beihilfestelle hat insoweit der Klägerin zu Unrecht jeweils nur den 2,3-fachen und nicht den 3,5-fachen Gebührensatz bzw. bei der GOÄ-Nummer 5000 nur den 1,8-fachen statt des 2,5-fachen Gebührensatzes gewährt, gleichwohl der behandelnde Zahnarzt nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ das Überschreiten der berechneten Gebühr auf die einzelne Leistung bezogen verständlich und nachvollziehbar schriftlich begründet und die Besonderheiten der Bemessungskriterien bei der Behandlung der Klägerin nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ, die eine Überschreiten des Gebührensatzes rechtfertigen, ausreichend dargelegt hat. Im Übrigen, also in Höhe der von der Klägerin begehrten weiteren Beihilfe in Höhe von 83,98 Euro, ist die Berufung unbegründet.
55
III. Nachdem die Klägerin in etwa zur Hälfte obsiegt hat, tragen die Klägerin und der Beklagte die Kosten gem. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO je zu Hälfte. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
56
IV. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), soweit der Berufung stattgegeben worden ist, weil insoweit entscheidungserheblich ist, ob ein Nachschieben der Begründung für eine Überschreitung des Schwellenwertes von 2,3 bzw. 1,8 im Rahmen des § 7 BayBhV zulässig ist.