Inhalt

VGH München, Beschluss v. 22.03.2023 – 8 C 23.316
Titel:

Bezifferung eines wirtschaftlichen Wertes für ein von Baumaßnahmen verschont gebliebenes Grundstück

Normenketten:
GKG § 52 Abs. 1, Abs. 2, § 68 Abs. 1 S. 3
RVG § 32 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die Prozessbevollmächtigten einer vor dem Verwaltungsgericht obsiegenden Partei können nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG eine Streitwertbeschwerde aus eigenem Recht erheben. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das wirtschaftliche Interesse des Eigentümers eines Grundstückes, über das ein Bach verläuft, daran, dass dieses von Einschränkungen der Nutzbarkeit – insbesondere der Bebaubarkeit – verschont bleibt, ist nicht gleichzusetzen mit den Beseitigungskosten für die Verlegung des Bachs. (Rn. 8 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten aus eigenem Recht, Beseitigung bzw. Duldung der Schließung eines verrohrten Bachs, Streitwertbeschwerde, Prozessbevollmächtigte, eigenes Recht, wirtschaftliches Interesse, Grundstücksnutzung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 08.02.2023 – M 2 K 20.5714
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7319

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten begehren eine Erhöhung des mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Februar 2022 festgesetzten Streitwerts.
2
Mit ihrer Klage begehrten die Kläger von der Beklagten, einen über ihre Grundstücke verlaufenden verrohrten Bach zu verlegen bzw. hilfsweise die Schließung der Verrohrung zu dulden. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 8. Februar 2022 ab und setzte den Streitwert auf 5.000 EUR fest. Das Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 8. Juli 2022 zugestellt; es wurde rechtskräftig.
3
Gegen die Streitwertfestsetzung haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 7. Februar 2023 Beschwerde erhoben. Da sich die Kosten für die Verlegung des Bachs auf ca. 200.000 EUR beliefen, sei der Streitwert entsprechend hochzusetzen.
4
Die Kläger treten der Beschwerde entgegen und beantragen deren Zurückweisung. Ihr Interesse, ihre Grundstücke uneingeschränkt zu nutzen, sei nicht konkret zu beziffern, sodass der Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG einschlägig sei.
II.
5
A. Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
6
1. Die Beschwerde ist zulässig. Die Prozessbevollmächtigten der vor dem Verwaltungsgericht obsiegenden Beklagten können eine Streitwertbeschwerde aus eigenem Recht erheben (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG). Die Beschwerde wurde innerhalb der in § 68 Abs. 1 Satz 3 HS 1 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt. Der Wert des Beschwerdegegenstands, für den bei Beschwerden von Rechtsanwälten aus eigenem Recht der Betrag maßgebend ist, um den sich deren Gesamtvergütung (Gebühren und Auslagen einschließlich Umsatzsteuer) im Fall des Erfolgs der Beschwerde erhöhte (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2021 – 15 C 20.2948 – juris Rn. 11), übersteigt die Wertgrenze von 200 EUR nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG bei Weitem.
7
2. Die Streitwertbeschwerde ist aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG rechtsfehlerfrei auf 5.000 EUR festgesetzt.
8
Der Streitwert ist grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Maßgebend ist grundsätzlich der wirtschaftliche Wert des Klageziels, das der Kläger mit seinem Antrag unmittelbar erreichen will (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.2016 – 5 KSt 6.16 u.a. – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 8 C 18.456 – NVwZ-RR 2019, 624 = juris Rn. 6). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5.000 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG). Der Auffangstreitwert nach § 52 Abs. 2 GKG kommt indessen nicht zum Zug, wenn sich die aus dem Antrag oder Antragsvorbringen des Klägers objektiv für ihn ergebende Bedeutung der Sache wertmäßig nach Ermessen bestimmen lässt; es handelt sich nicht um einen Regelstreitwert, sondern um einen subsidiär anzuwendenden Auffangstreitwert, auf den nur bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte für eine Bewertung nach § 52 Abs. 1 GKG abgestellt werden darf (vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2017 – 2 KSt 2.17 – Buchholz 360 § 52 GKG Nr. 18 = juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 16.12.2021 – 8 C 21.2337 – juris Rn. 8; OVG Bremen, B.v. 22.11.2022 – 2 S 63/22 – juris Rn. 6).
9
Vorliegend ist der wirtschaftliche Wert des Klageziels nicht zu beziffern. Das wirtschaftliche Interesse der Kläger, von Einschränkungen der Nutzbarkeit – insbesondere der Bebaubarkeit – ihrer Grundstücke, über die der H.-Bach verläuft, verschont zu bleiben, ist nicht gleichzusetzen mit den Beseitigungskosten für die Verlegung des Bachs (vgl. auch BayVGH, B.v. 21.9.2020 – 8 C 20.1888 – juris Rn. 10). Die Kläger haben ihr wirtschaftliches Interesse nicht konkretisiert (vgl. aber BayVGH, B.v. 2.8.2022 – 8 ZB 21.2339 – juris Rn. 60). Die Festsetzung des Auffangstreitwerts von 5.000 EUR erweist sich deshalb als rechtsfehlerfrei (vgl. BayVGH, U.v. 5.10.2009 – 4 B 08.2877 – BayVBl 2010, 629 = juris Rn. 36; U.v. 8.2.2012 – 4 B 11.175 – juris Rn. 31).
10
Eine Erhöhung des Streitwerts ist auch nicht geboten, weil das Verwaltungsgericht auch über den Hilfsantrag der Kläger entschieden hat; beide Ansprüche betreffen wirtschaftlich betrachtet denselben Gegenstand (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG).
11
B. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (vgl. § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Kosten der Beteiligten werden gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet. Demnach erübrigt sich auch die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren.
12
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).