Inhalt

VGH München, Beschluss v. 30.03.2023 – 24 ZB 22.2460
Titel:

Störerauswahl bei sukzessiver Gesamtrechtsnachfolge 

Normenketten:
VwGO § 114, § 124 Abs. 2 Nr. 1
BBodSchG § 4 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
1. Stellt sich im gerichtlichen Verfahren heraus, dass eine bis dahin unterlassene Ermittlung keine fallrelevanten Ergebnisse erbringt, erweist sich die behördliche Entscheidung als insoweit nicht ermessensfehlerhaft. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die konzeptionelle Vorbereitung der Gefahrerkundung durch eine später durchzuführende Detailuntersuchung des Grundstücks ist keine Maßnahme, die unmittelbar der Gefahrbeseitigung dient. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist zulässig, bei der Auswahlentscheidung die finanzielle Leistungsfähigkeit als maßgebliches Kriterium heranzuziehen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der Störerauswahl darf die Kostendimension der zu erwartenden Anordnung einer späteren Detailuntersuchung wegen der engen sachlichen Verbindung mit dem vorbereitenden Untersuchungskonzept berücksichtigt werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sukzessive Gesamtrechtsnachfolge nach dem Handlungsstörer (offen gelassen), Unvollständige Sachverhaltsermittlung normativ im Einzelfall nicht relevant (kein Ermessensfehler), Anwendungsbereich des § 114 Satz 2 VwGO, Leistungsfähigkeit als Auswahlkriterium zwischen mehreren Störern, Einbeziehung der Kostenfolgen einer künftigen Anordnung bei der Auswahl zwischen mehreren Störern für die streitgegenständliche Anordnung, Störerauswahl, sukzessive Gesamtrechtsnachfolge, Untersuchungsprogramm, Detailuntersuchung, Kontaminationen, Ermessensausübung, Ermittlungsdefizit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 17.10.2022 – RO 8 K 20.1288
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7308

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 1.200,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Anfechtungsklage gegen die ihm auferlegte Verpflichtung weiter, ein zielführendes Untersuchungsprogramm für eine anschließende Detailuntersuchung seines Grundstücks auf Kontaminationen erstellen zu lassen.
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Der Kläger ist zusammen mit seinen Eltern Miteigentümer des Grundstücks FlNr. …1, Gem. W … …, auf dem sich im Norden sein Maler- und Lackierbetrieb und im Süden ein Mehrfamilienhaus befindet. Seit den 1960er Jahren bis 1987 war Herr … … Eigentümer des Grundstücks und betrieb dort als Einzelunternehmer einen Galvanikbetrieb. Im Wege einer Baulandumlegung wurde die Beklagte Eigentümerin. 1989 schlossen die Eltern des Klägers einen Kaufvertrag mit der Beklagten und wurden Eigentümer des Grundstücks. In diesem Zeitpunkt waren den Käufern und der Verkäuferin Bodenbelastungen bekannt. Der Kläger selbst wurde im Jahr 2009 Miteigentümer mit einem Anteil von 20/100; die Eltern behielten einen Miteigentumsanteil von 80/100. Der Vor-Voreigentümer Herr … ist zwischenzeitlich verstorben und wurde von seiner ebenfalls inzwischen verstorbenen Ehefrau und seinen beiden Söhnen beerbt.
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Im Zusammenhang mit der Führung des Altlastenkatasters Bayern veranlasste das Wasserwirtschaftsamt im Jahr 2013 eine orientierende Untersuchung des Grundstücks, die v.a. eine erhebliche Belastung mit Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) ergab. Aus dessen Sicht ist deshalb eine Detailuntersuchung des Grundstücks veranlasst. Im Jahr 2014 forderte die Beklagte die Eltern des Klägers und den Kläger deshalb auf, ein Untersuchungsprogramm für eine Detailuntersuchung erstellen zu lassen. Auf deren Hinweis hin nahm die Beklagte sodann auch mit den Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Vor-Voreigentümers Kontakt auf.
4
Mit Bescheid vom 19. Juni 2020 verpflichtete die Beklagte den Kläger unter Androhung eines Zwangsgelds, ein zielführendes Untersuchungsprogramm zur Detailuntersuchung durch einen Sachverständigen nach § 18 BBodSchG erstellen zu lassen. Zur Begründung führte sie u.a. aus, dass sie selbst als Störerin ausscheide, aber als solche grundsätzlich die Gesamtrechtsnachfolger des verstorbenen Handlungsstörers, die Eltern des Klägers und dieser selbst in Betracht kämen. Die Ehefrau des verstorbenen Inhabers des Galvanikbetriebs sei jedoch selbst inzwischen verstorben und die Söhne seien vermögenslos und leistungsunfähig. Da der Kläger nicht nur (Mit-)Eigentümer des Grundstücks, sondern zusätzlich auch noch Inhaber der tatsächlichen Gewalt sei, da er dort seit einigen Jahren einen Maler- und Lackierbetrieb betreibe, sei er und nicht seine Eltern auszuwählen.
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Der Kläger hat gegen den Bescheid Klage erhoben und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Störerauswahl sei nicht ermessensgerecht durchgeführt worden. Sein Vater habe das Eigentum von der Beklagte gutgläubig erworben, die die Verunreinigung arglistig verschwiegen hätte. Es sei außerdem von einem Ermessensfehler auszugehen, weil die Beklagte die Erben der später verstorbenen Ehefrau des Handlungsstörers gar nicht erst ermittelt habe.
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Mit Urteil vom 17. Oktober 2022 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage im Wesentlichen ab und hob den Bescheid nur hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung auf. Der Bescheid sei jedenfalls auf Basis einer den Anforderungen des § 114 Satz 2 VwGO genügenden Ergänzung rechtmäßig. Handlungsleitend sei für die Beklagte die Effektivität der Gefahrenabwehr gewesen, sie habe deshalb den Kläger als denjenigen in Anspruch genommen, der einen rechtlichen wie faktischen Zugriff auf das Grundstück habe. Dies sei nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Ermittlung der Rechtsnachfolger in Bezug auf die verstorbene Ehefrau des vormaligen Inhabers des Galvanikbetriebs sei im Ergebnis von keinem Ermittlungsdefizit auszugehen, da geklärt worden sei, dass deren Erben jeweils zur Hälfte ebenfalls die Söhne seien; da Ermittlungen zu diesen bereits angestellt (und ergänzt) worden seien, sei nicht (mehr) von einem Ermessensdefizit auszugehen.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da die vom Gericht angewendete Regelung des § 114 Satz 2 VwGO keine Fälle erfasse, in denen zunächst ein Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall vorliege und das Ermessen erstmalig im gerichtlichen Verfahren ausgeübt werde. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Das Gericht gehe indes davon aus, dass hinsichtlich der Ermittlung der Rechtsnachfolge in Bezug auf die verstorbene Ehefrau „ebenfalls nicht mehr von einem Ermittlungsdefizit auszugehen“ sei, da geklärt worden sei, dass die Erben jeweils zur Hälfte ebenfalls die Söhne des Inhabers des früheren Galvanikbetriebsinhabers seien. Mit dieser Annahme liege das Gericht jedoch falsch: Die Behörde habe schlicht nicht ermittelt, ob noch weitere Erben als Gesamtrechtsnachfolger in Betracht kommen könnten. Damit liege aber keine Ergänzung von Ermessenserwägungen vor, sondern es handele sich um eine nachträgliche Ermittlung.
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Die Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das angefochtene Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten der Beklagten Bezug genommen.
II.
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Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
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I. Der klägerische Vortrag begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 3.1.2023 – 8 ZB 22.1862 – juris Rn. 12). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 3.1.2023 – 8 ZB 22.1862 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 5.9.2022 – 8 ZB 20.3120 – juris Rn. 9). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 3.1.2023 – 8 ZB 22.1862 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 5.9.2022 – 8 ZB 20.3120 – juris Rn. 9). Ernstliche Zweifel sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 3.1.2023 – 8 ZB 22.1862 – juris Rn. 12).
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2. Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 114 Satz 2 VwGO bejaht und die Ermessensausübung der Beklagten nicht beanstandet. Er geht davon aus, dass ein Ermittlungsdefizit der Beklagten hinsichtlich der Erben der verstorbenen Ehefrau des Handlungsstörers bestehe, das einen Ermessenfehler verursache, der keiner Heilung durch ein Nachschieben von Erwägungen zugänglich sei. Denn die Beklagte habe erst nach Erlass des Bescheids Ermittlungen hinsichtlich möglicher Gesamtrechtsnachfolger nach der Ehefrau aufgenommen.
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a) Eine rechtmäßige Ermessensentscheidung setzt voraus, dass die Behörde den wesentlichen Sachverhalt ermittelt hat, also nicht von einem unzutreffenden oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht. Da wegen § 114 Satz 1 VwGO das Gericht nur den Vorgang der Ermessensausübung der Behörde zu kontrollieren hat und nicht das ausgeübte Ermessen durch sein eigenes ersetzen darf, ist eine behördliche Entscheidung wegen eines Ermessensfehlers auch dann aufzuheben, wenn sie bei einem zutreffenden oder vollständig ermittelten Sachverhalt vertretbar wäre (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn. 25; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 114 Rn. 190).
15
Ob die Ermessensentscheidung auf einer zutreffenden tatsächlichen Grundlage beruht, prüft das Gericht im Rahmen der ihm nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegenden Aufklärungspflicht (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1987 – 1 C 29/85 – juris Rn. 33). Welche Tatsachen und Umstände für die konkrete Ermessensentscheidung maßgeblich sind, steuern die einschlägigen materiell-rechtlichen Vorgaben. Ein sachverhaltsbezogenes Aufklärungsdefizit ist allerdings rechtlich dann nicht relevant, wenn sich der von der Behörde pflichtwidrig nicht ermittelte oder berücksichtigte Aspekt im konkreten Fall als nicht maßgeblich erweist (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 25; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 191). Die ermessensgerechte Durchführung des Verwaltungsverfahrens ist insoweit kein Selbstzweck, sondern dient der Ermittlung der entscheidungsrelevanten Aspekte. Stellt sich im gerichtlichen Verfahren heraus, dass eine bis dahin unterlassene Ermittlung keine fallrelevanten Ergebnisse erbringt, erweist sich die behördliche Entscheidung als insoweit nicht ermessensfehlerhaft.
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b) So verhält es sich hier. Zwar verpflichtet das Bodenschutzrecht dazu, alle in Betracht kommenden Störer zu ermitteln und in die Auswahl einzubeziehen. Geschieht dies nicht, liegt grundsätzlich ein Ermessensfehler vor (vgl. BayVGH, U.v. 30.1.2018 – 22 B 16.2099 – juris Rn. 16). Vorliegend hat es die Beklagte unterlassen, im Zeitpunkt des Bescheiderlasses zu prüfen, ob Gesamtrechtsnachfolger nach der Ehefrau des Handlungsstörers existieren.
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Jedoch liegt hierin kein Ermessensfehler; denn durch nachträgliche Ermittlungen hat sich herausgestellt, dass ihre Söhne zwar Gesamtrechtsnachfolger nach ihr sind, aber im Bescheid – wenn auch aus anderen Gründen – als mögliche Störer bereits in Betracht gezogen worden sind. Ausweislich der dem Verwaltungsgericht vorliegenden Bescheinigung des Amtsgerichts W… vom 9. Februar 2021 sind Gesamtrechtsnachfolger der verstorbenen Ehefrau ihre beiden Söhne und damit jene Personen, die die Behörde bereits als unmittelbare Rechtsnachfolger des verstorbenen Vaters, Ehemanns und Inhabers des früheren Galvanikbetriebs in ihre Ermessenserwägungen des streitgegenständlichen Bescheids eingestellt hat. Selbst wenn sukzessive Gesamtrechtsnachfolger des Handlungsstörers gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) i.d.F.d. Bek. vom 17. März 1998 (BGBl I S. 502), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 25. Februar 2021 (BGBl I S. 306) als Störer in Anspruch genommen werden können sollten – zu einer Entscheidung dieser Frage zwingt das hiesige Verfahren nicht –, würde sich das vorliegend dann anzunehmende Ermittlungsdefizit nicht auswirken. Auch bei von Anbeginn an breiter angelegten „Erbenermittlungen“ hätte die Beklagte keine anderen Personen ermittelt als die, die sie bereits in ihre bescheidsmäßige Prüfung eingestellt hatte. Folglich ist die vorliegende Unvollständigkeit der Sachverhaltsermittlung normativ nicht relevant. Fragen nach den Grenzen des zulässigen Nachschiebens von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO stellen sich daher nicht.
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c) Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Ermessensfehler daraus resultieren könnte, dass die Behörde – sukzessive Gesamtrechtsnachfolge in die Störereigenschaft als möglich unterstellt – die von ihr in den Blick genommenen Söhne im Bescheid nur in deren „einfacher“ und infolge der unterlassenen Ermittlungen nicht in deren „doppelten“ Nachfolgereigenschaft gewürdigt hat.
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d) Andere Ermessensfehler, die das Verwaltungsgericht übersehen haben könnte, bestehen im Ergebnis nicht.
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Zwar rügt der Kläger in der Sache, dass die Beklagte sich in ihrem Bescheid nicht von der Effektivität der Gefahrenabwehr, sondern von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Störer hat leiten lassen und für deren Beurteilung nicht nur die streitgegenständliche Anordnung (Erstellenlassen eines Untersuchungsprogramms), sondern bereits die Kosten der noch beabsichtigten Anordnung der Umsetzung dieses Untersuchungsprogramms einbezogen hat. Jedoch durfte die Beklagte bei der Auswahl einer Person aus dem Kreis der Verantwortlichen erstens überhaupt auf deren Leistungsfähigkeit rekurrieren (aa) und zweitens dies unter prospektiver Einbeziehung der noch ausstehenden Anordnung einer Detailuntersuchung tun (bb).
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aa) Der Kläger geht zwar zurecht davon aus, dass die Beklagte im Bescheid – jenseits floskelhafter Erwähnung – in der Sache nicht unmittelbar auf Aspekte der Effektivität der Gefahrenabwehr abgestellt hat; die Annahme des Verwaltungsgerichts ist insoweit nicht überzeugend. Das erweist sich jedoch als unschädlich.
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Erstens ist Gegenstand der streitgegenständlichen Anordnung ohnehin keine Maßnahme, die unmittelbar der Gefahrbeseitigung dient. Es geht vorliegend um die konzeptionelle Vorbereitung der Gefahrerkundung durch eine später durchzuführende Detailuntersuchung des Grundstücks; selbst eine Detailuntersuchung ist (nur) eine (wenngleich vertiefte) Untersuchung zur abschließenden Gefährdungsabschätzung, die insbesondere der Feststellung von Menge und räumlicher Verteilung von Schadstoffen dient (§ 2 Nr. 4 Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) i.d.F.d. Bek. vom 12. Juli 1999 (BGBl I S. 1554), zuletzt geändert durch Artikel 126 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328)).
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Zweitens kann diese Maßnahme keiner der in Betracht kommenden Störer selbst vornehmen, alle müssen einen hierfür geeigneten Dienstleister beauftragen. Vor diesem Hintergrund ist für die Vorbereitung der späteren Gefahrbeseitigung keiner der Störer besser oder schlechter geeignet. Es ist deshalb zulässig, bei der Auswahlentscheidung die finanzielle Leistungsfähigkeit als maßgebliches Kriterium heranzuziehen (vgl. HessVGH, B.v. 24.8.1994 – 14 TH 1406/94 – juris Rn. 11; s.a. Dombert in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand September 2022, § 4 BBodSchG Rn. 16 (Stand März 2001)). Denn die entweder im Verursacherprinzip oder in der Eigentümerstellung wurzelnde Verantwortlichkeit soll auch eine finanzielle Inanspruchnahme der Allgemeinheit verhindern (vgl. für die Durchgriffshaftung nach § 4 Abs. 3 Satz 4 Alt. 1 BBodSchG Giesberts/Hilf in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, Stand 1.1.2023, § 4 Rn. 39). Die getroffene Entscheidung der Beklagten erweist sich insoweit als ermessensfehlerfrei – und zwar bereits im Zeitpunkt des Bescheiderlasses. Auf die nachträglichen – und in der Sache nicht weiterführenden – Ausführungen der Beklagten zur (vermeintlichen) Effektivität der Gefahrenabwehr kommt es daher nicht an.
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bb) Die Störerauswahl erweist sich allerdings nur deshalb als ermessensfehlerfrei, weil es zulässig war, nicht lediglich die niedrigen Kosten in Höhe von rund 1.200 € für die Konzeptionierung einer Untersuchung, sondern bereits jetzt die zu erwartenden Kosten der Detailuntersuchung in Höhe von 33.000 € selbst zu berücksichtigen (1). Denn die niedrigen Kosten allein hätten auch einem oder beiden der Söhne als Gesamtrechtsnachfolger auferlegt werden können; dies wäre ihnen trotz der eher geringen finanziellen Spielräume, die die Behörde im Bescheid dargelegt hat, zumutbar gewesen. Dass die Beklagte die Kosten der Detailuntersuchung für die Störerauswahl schlicht berücksichtigt hat, diese Ansicht aber nicht näher begründet, womöglich überhaupt nicht näher reflektiert hat, begründet keinen Ermessensfehler (2).
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(1) Die Kostendimension der zu erwartenden Anordnung einer späteren Detailuntersuchung berücksichtigen zu dürfen, rechtfertigt sich aus der engen sachlichen Verbindung zwischen vorbereitendem Untersuchungskonzept und anschließender Untersuchung. Eine Untersuchung kann nur zielführend und damit – auch im Sinne des Verpflichteten – verhältnismäßig ausgestaltet werden, wenn sie zuvor durch eine kompetente Stelle konzeptioniert wird. Gleichzeitig ist es geboten, dass die zuständige Behörde das vorgelegte fachliche Konzept am Maßstab der rechtlichen Vorgaben – insbesondere an den Kriterien der Bestimmtheit (vgl. VG München, B.v. 22.7.2021 – M 2 S 21.2950 – juris Rn. 35; VG München, U.v. 6.3.2001 – M 2 K 00.701 – juris Rn. 42) und der Verhältnismäßigkeit – misst. Es ist daher grundsätzlich geboten, ein von einem Dritten zu erstellendes Konzept nicht unbesehen zur Grundlage einer Umsetzungsanordnung zu machen. Hieraus ergibt sich umgekehrt, dass es zulässig ist, bereits auf der Ebene der Anordnung der ersten Maßnahme (Konzepterstellung) die zweite künftige Maßnahme einzubeziehen, soweit diese bereits abschätzbar ist.
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(2) Die Behörde hat diesen Aspekt ihrem Bescheid zugrunde gelegt, ohne ihn dort näher zu begründen. Sie hat das erst durch Schriftsätze im verwaltungsgerichtlichen Verfahren getan. Das ist rechtlich möglich, da § 114 Satz 2 VwGO hierfür keine Grenze bildet. Denn die Frage nach der (Un-)Zulässigkeit der Einbeziehung der Kosten einer künftigen Anordnung ist die Frage nach einer rechtlichen Determinante für eine sich dann erst anschließende Ermessensausübung (hinsichtlich der Störerauswahl). Sie bildet den Rahmen des Ermessens, unterliegt ihrerseits aber gerade nicht der Ermessensausübung und mithin auch nicht den Restriktionen des § 114 Satz 2 VwGO. Infolgedessen könnte zwar die Nichteinbeziehung der künftigen Kosten für die Störerauswahl als Rechtsirrtum einen Ermessensfehler begründen (in der Gestalt des Ermessensfehlgebrauchs, vgl. hierzu BVerwG, U.v. 24.9.1992 – 3 C 64.89 – juris Rn. 26; Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand August 2022, § 114 VwGO Rn. 65 (Stand Februar 2019); Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, § 114 Rn. 162a), ihre Einbeziehung selbst unterliegt ihrerseits aber nicht der Ermessensausübung und ist nicht begründungsbedürftig.
27
Vor diesem Hintergrund hat der Kläger im Ergebnis keine schlüssigen Gegenargumente vorgetragen, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergeben würde, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist.
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II. Die Rechtssache weist auch keine besonderen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Es kommt insoweit nicht auf die Beantwortung der Frage an, ob es für die Annahme besonderer Schwierigkeiten genügt, dass die Angriffe des Rechtsmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern (vgl. BayVGH, B.v. 22.11.2021 – 22 ZB 21.2495 – juris Rn. 19) oder ob es erforderlich ist, dass die Rechtssache entscheidungserhebliche Fragen aufwirft, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereiten (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.2023 – 15 ZB 22.2620 – juris Rn. 21; ausführlich zum Streitstand Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn. 105 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 27). Denn vorliegend ist der Zulassungsgrund entweder nicht erfüllt, weil – wie oben (Nr. I) bereits dargelegt – - die überwiegenden Gründe für die Richtigkeit des angefochtenen Urteils sprechen und deshalb auch der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht vorliegt (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn. 113), oder nicht erfüllt, weil sich weder aus dem klägerischen Vortrag noch aus anderen Gründen ergibt, worin vorliegend den Normalfall nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten liegen sollen.
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III. Schließlich liegt auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht vor.
31
1. Der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO setzt voraus, dass der Kläger eine konkrete und gleichzeitig verallgemeinerungsfähige Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und ausführt, aus welchen Gründen diese klärungsfähig und klärungsbedürftig ist sowie weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2023 – 24 ZB 22.2291 – juris Rn. 24; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 35 ff.).
32
2. Die vom Kläger vorliegend formulierte Frage – Ist die sukzessive Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfolge von der Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 2 BBodSchG erfasst? – ist bereits nicht klärungsfähig. Klärungsfähig im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist eine Rechtsfrage, wenn sie für die konkrete Entscheidung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich war.
33
Vorliegend geht das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung davon aus, dass die – abschließend ermittelten – Gesamtrechtsnachfolger der verstorbenen Ehefrau mit den Gesamtrechtsnachfolgern des verstorbenen Handlungsstörers identisch sind und insoweit kein Ermessensfehler (mehr) vorliegt. Damit geht es aber gleichzeitig davon aus, dass selbst dann, wenn sukzessive Gesamtrechtsnachfolger normativ zu berücksichtigen wären, vorliegend keine anderen Personen in die Ermessensentscheidung einzubeziehen gewesen wären. Somit kommt es für das Verwaltungsgericht auf eine Beantwortung der Frage, ob im Wege sukzessiver Gesamtrechtsnachfolge im Bodenschutzrecht eine Störerhaftung begründet werden könnte, nicht an. Auch für das Berufungsgericht erweist sich die Frage vor dem Hintergrund der ermessensfehlerfreien Auswahlentscheidung als nicht entscheidungserheblich.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der vom Verwaltungsgericht festgesetzten und von den Beteiligten nicht in Frage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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V. Der Beschluss ist unanfechtbar, da mit der Ablehnung des Zulassungsantrags die angegriffene Entscheidung rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).