Titel:
Rücknahme einer November-Coronahilfe – erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung
Normenkette:
BayVwVfG Art. 48 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rücknahme der Gewährung einer Corona-Novemberhilfe, weder direkte noch indirekte Lockdown-Betroffenheit, Zuwendungsbescheid, Corona, Lockdown, Betroffenheit, direkte Betroffenheit, indirekte Betroffenheit, Corona-Hilfe, Automat, Gastronomiebetrieb
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 10.10.2022 – M 31 K 22.27
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7303
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 10. Oktober 2022 – M 31 K 22.27 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.192,68 € festgesetzt.
Gründe
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Der Kläger verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter, welches auf die Aufhebung eines Bescheids der Beklagten vom 6. Dezember 2021 gerichtet war. Mit diesem Bescheid wurde der Bescheid vom 8. Dezember 2020, mit dem dem Kläger eine Corona-Novemberhilfe in Höhe von 4.192,86 € gewährt worden war, zurückgenommen und der Kläger zur Erstattung des bereits ausbezahlten Geldbetrags aufgefordert.
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Das Bayerische Verwaltungsgericht München wies die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 6. Dezember 2021 mit Urteil vom 10. Oktober 2022 – zugestellt am 25. November 2022 – ab.
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Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht am gleichen Tag, beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung. Der Berufungszulassungsantrag wurde mit Schriftsatz vom 25. Januar 2023, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag, unter Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) begründet. Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen zur Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers in der Begründung des Zulassungsantrags nicht gerecht.
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1.1 Das Verwaltungsgericht hat ausführlich begründet, dass der zurückgenommene Zuwendungsbescheid vom 8. Dezember 2020 i.S.d. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG rechtswidrig war, weil der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte und bereits gewährte Zuwendung hatte (UA Rn. 19 ff.). Der Kläger sei nach der maßgeblichen ständigen Vollzugspraxis der Beklagten auf der Grundlage von Nr. 2.1 Satz 1 Buchst. b der Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe) in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit weder direkt noch indirekt vom Lockdown betroffen und damit nicht antragsberechtigt gewesen (vgl. UA Rn. 24 – Rn. 29). Für Betreiber oder Aufsteller von Kinderunterhaltungsgeräten und Warenautomaten habe keine Schließungspflicht bestanden (Nr. 2.1 Satz 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa der vorgenannten Richtlinie; vgl. UA Rn. 27). Der Kläger habe auch nicht – wie es für eine indirekte Betroffenheit erforderlich gewesen wäre – nachweislich und regelmäßig mindestens 80% seiner Umsätze mit direkt von Schließungsmaßnahmen betroffenen Unternehmen erzielt (Nr. 2.1 Satz 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb der vorgenannten Richtlinie). Zwar sei eine indirekte Betroffenheit des Klägers angesichts der Schließung von Gastronomiebetrieben, die im Grundsatz zum Kreis der von den Schließungsanordnungen betroffenen Branchen gehört hätten, denkbar. Allerdings habe der Kläger nicht – wie es nach der ständigen Zuwendungspraxis der Beklagten erforderlich gewesen wäre – schon im Rahmen des behördlichen Verfahrens dargelegt, dass er im Jahr 2019 mindestens 80% seiner Umsätze mit dieser Branche erzielt habe. Zudem habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der Anteil der über die Aufstellung von Automaten in Gastronomiebetrieben erzielten Umsätze lediglich bei 20% gelegen habe (vgl. UA Rn. 28). Nicht entscheidend sei, dass der Kläger faktisch oder mittelbar durch infektionsschutzrechtliche Maßnahmen betroffen gewesen sei und hierdurch ggfs. geschäftliche Einbußen erlitten habe, weil die Beklagte in ihrer Zuwendungspraxis allein auf die vorstehend beschriebene formale direkte oder indirekte Betroffenheit abgestellt habe (UA Rn. 29). Die Ab- und Eingrenzung der maßgeblichen Zuwendungsmaßstäbe sei auch nicht willkürlich gewesen (UA Rn. 30 – 34).
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Der Kläger wendet im Zulassungsverfahren lediglich ein, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass er im fraglichen Zeitraum insbesondere mit seinen zahlreichen Gaststätten in München und an anderen Orten in Bayern aufgrund der Schließung der Gaststätten keine Umsätze erzielt habe. Mit diesem pauschalen Vorbringen vermag der Kläger nicht in Frage zu stellen, dass er nach Maßgabe der Vollzugspraxis der Beklagten auf Grundlage der genannten Richtlinie über die Gewährung einer Novemberhilfe (auch) nicht indirekt vom Lockdown betroffen war, weil er nicht bereits während des – wie nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Zuwendungspraxis der Beklagten maßgeblich – behördlichen Verfahrens dargelegt hatte, 80% seiner Umsätze mit direkt betroffenen Unternehmen (insbesondere solchen des Gaststättengewerbes) erzielt zu haben. Vielmehr hat er – wie das Verwaltungsgericht ferner festgestellt hat – selbst in der mündlichen Verhandlung einen diesbezüglichen Umsatzanteil von lediglich 20% angegeben. Damit ist nicht zweifelhaft, dass der Bescheid vom 8. Dezember 2020, mit dem dem Kläger trotz fehlender Antrags- und damit Anspruchsberechtigung eine Novemberhilfe gewährt worden war, i.S.d. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG rechtswidrig gewesen ist.
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1.2 Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den weiteren Voraussetzungen für die Rücknahme des Zuwendungsbescheids nach Art. 48 BayVwVfG (UA Rn. 36 ff.) und zu den Regelungen des angefochtenen Bescheids zur Rückforderung und zur Verzinsung des zu erstattenden Betrags (Art. 49a Abs. 1, Abs. 3 BayVwVfG; UA Rn. 51 f.) geht das Zulassungsvorbringen nicht ein.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).