Inhalt

VG München, Urteil v. 30.03.2023 – M 17 K 22.813
Titel:

Keine beihilferechtliche Berücksichtigung von steuerbefreiten Einkünften eines Angehörigen

Normenketten:
BayBG Art. 96 Abs. 1 S. 1
BayBhV § 7 Abs. 4 Nr. 2
EStG § 2 Abs. 3
BBG § 80 Abs. 2 Nr. 1
Leitsätze:
1. Der Gesamtbetrag der Einkünfte, der in Art. 96 Abs. 1 BayBG ausdrücklich genannt wird, wird in § 2 Abs. 3 EStG legaldefiniert als die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und den Abzug nach § 13 Abs. 3 EStG. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da Art. 96 Abs. 1 S. 1 BayBG - anders etwa als in § 80 Abs. 2 Nr. 1 BBG - an die Besteuerung von Einkommen iSd § 2 Abs. 3 EStG anknüpft, werden Gehälter und sonstige Dienstbezüge nach dem Ottawa-Abkommen eines berücksichtigungsfähigen Angehörigen einer beihilfeberechtigten Person bei der Bestimmung der Einkommensgrenze nicht berücksichtigt, weil diese steuerbefreit sind. (Rn. 25 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beihilfe, Berücksichtigungsfähigkeit des Ehegatten, Ermittlung der Einkommensgrenze, Steuerbefreite Einkünfte, Ottawa-Abkommen, Berücksichtigungsfähigkeit eines Ehegatten, steuerbefreite Einkünfte
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7257

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 15. Dezember 2021 wird der Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine weitere Beihilfe in Höhe von 4.410,04 € zu gewähren sowie Zinsen aus dem Betrag von 4.410,04 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 6. Januar 2022 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist Beamtin im Dienste des Beklagten und begehrt die Bewilligung von Beihilfe (70%) für Aufwendungen für ärztliche Behandlungen ihres Ehemannes. Der Ehemann der Klägerin wurde auf seinen Antrag mit Wirkung zum ... vom Bundesministerium der Verteidigung, wo er als Regierungsamtsinspektor beschäftigt war, nach den Richtlinien für die Entsendung von Bundesbediensteten in öffentliche zwischenstaatliche oder überstaatliche Organisationen beurlaubt und zur ... entsandt. Die Beurlaubung dauerte bis zum ... .
2
1. Die Klägerin stellte unter Nutzung der Beihilfe-App am ... einen Antrag auf Beihilfe unter anderem für folgende Rechnungen über medizinische Aufwendungen ihres Ehemannes über einen Betrag von insgesamt 6.394,08 €:

Rechnungsdatum

Rechnungsbetrag (€)

4. März 2021

134,98

10. März 2021

152,88

6. April 2021

778,22

6. April 2021

1.593,37

7. April 2021

20,91

29. April 2021

105,94

29. April 2021

40,22

28. Mai 2021

290,32

28. Mai 2021

163,44

28. Mai 2021

26,46

4. Juni 2021

16,08

10. Juni 2021

13,57

19. Juni 2021

86,65

22. Juni 2021

541,84

1. Juli 2021

530,62

3. September 2021

15,00

3. November 2021

496,27

6. November 2021

897,60

6. November 2021

31,90

6. November 2021

41,86

6. November 2021

109,48

23. November 2021

90,35

2. Dezember 2021

23,46

6. Dezember 2021

192,66

Gesamt: 6.394,08

3
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15. Dezember 2021 die Gewährung von Beihilfe zu diesen Rechnungen ab. Zur Begründung wies er darauf hin, dass die Aufwendungen, die dem Ehegatten der Klägerin entstanden seien, nicht beihilfefähig seien, da der Gesamtbetrag der Einkünfte (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger und nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte im Sinn des § 22 EStG) im zweiten Kalenderjahr vor Stellung des Beihilfeantrags den Gesamtbetrag von 20.000 € überstiegen habe (Hinweis 3112).
4
Gegen den Bescheid vom 15. Dezember 2021 erhob die Klägerin mit Schreiben vom 5. Januar 2022 Klage mit den Anträgen:
5
I. Der Beihilfebescheid vom 15. Dezember 2021 wird aufgehoben.
6
II. Der Beklagte wird verpflichtet, die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen des Ehegatten im Rahmen der Ehegattenbeihilfe nach Art. 96 Abs. 1 BayBG für diesen Beihilfeantrag festzustellen und Beihilfe nach der BayBhV zu gewähren.
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III. Der Beklagte wird verurteilt anzuerkennen, dass die Klägerin gem. Art. 96 Abs. 1 BayBG i.V.m. Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG und § 7 Abs. 4 Nr. 1 Satz 2 BayBhV und § 2 Abs. 3 EStG ihrer gesetzlichen Nachweispflicht der Unterschreitung des Höchstbetrags von derzeit 20.000 € durch die Vorlage der Einkommensteuererklärungen nachgekommen ist.
8
Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Verfahren M 17 K … Bezug genommen.
9
Der Vertreter des Beklagten nahm mit Schriftsatz vom 28. März 2022 Stellung und beantragte,
10
die Klage abzuweisen.
11
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte ausweislich der im Verfahren M 17 K … vorgelegten Steuerbescheide zwar unterhalb des Grenzbetrags von 20.000 € liege. Der Ehegatte der Klägerin habe aber bislang keine Angaben zu den Einkünften aus seiner Tätigkeit bei einer überstaatlichen Organisation gemacht. Die Klägerin habe das Unterschreiten des Grenzbetrags von 20.000 €, welches Anspruchsvoraussetzung sei, nicht nachgewiesen.
12
Mit Schreiben vom 6. März 2023 legte der Vertreter des Beklagten die fiktive Berechnung der von der Klägerin begehrten Beihilfe vor. Auf den Inhalt wird Bezug genommen.
13
Der Vertreter des Beklagten erklärte mit Schreiben vom 28. März 2022 das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Die Klägerin hat am 8. März 2023 zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Rechtsantragstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts München auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und die Klage in Klageantrag III. zurückgenommen. Weiterhin stellte sie folgenden weiteren Antrag:
14
Dem Beklagten sind die Prozesszinsen seit Beginn des Verfahrens aufzuerlegen.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K …, das beigezogen wurde, verwiesen.

Entscheidungsgründe

16
Über den Rechtsstreit konnte mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
17
I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO).
18
II. Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
19
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von 4.410,04 € für Aufwendungen ihres Ehemannes (§ 113 Abs. 5 VwGO); der Bescheid vom 15. Dezember 2021 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe, die streitgegenständlichen Bescheide sind insoweit rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO), so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war.
20
1. Nach Art. 96 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i.V.m. den Vorschriften der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) erhalten Beamte für sich, den Ehegatten oder den Lebenspartner, soweit dessen Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG) im zweiten Kalenderjahr vor der Stellung des Beihilfeantrags 20.000 € (Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500), geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2019 (GVBl S. 724)) nicht übersteigt, Beihilfen als Ergänzung der aus den laufenden Bezügen zu bestreitenden Eigenvorsorge, solange ihnen laufende Besoldung, Unterhaltsbeihilfe nach Art. 97 BayBesG oder Versorgungsbezüge zustehen.
21
2. Die Klägerin ist als Beamtin gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BayBhV beihilfeberechtigt. Ihr Ehemann ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BayBhV grundsätzlich ein berücksichtigungsfähiger Angehöriger.
22
Ausweislich der vorgelegten Einkommensteuerbescheide hat der Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehegatten der Klägerin gemäß § 2 Abs. 3 EStG im Zeitpunkt der Stellung des Beihilfeantrags vom ... die Einkommensgrenze von 20.000 € nicht überschritten.
23
Die Bezüge des Ehemanns der Klägerin aus seiner Tätigkeit bei der Sonderorganisation der … … sind nicht Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) und deshalb bei Ermittlung der Einkommensgrenze nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG nicht zu berücksichtigen.
24
Der Gesamtbetrag der Einkünfte, der in Art. 96 Abs. 1 BayBG ausdrücklich genannt wird, wird in § 2 Abs. 3 EStG legaldefiniert als die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und den Abzug nach § 13 Absatz 3 EStG.
25
Es ist zwar zutreffend, dass der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Ehemann der Klägerin als Steuerinländer gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegt. Das aus den Vorschriften des EStG resultierende Besteuerungsrecht für die Einkünfte des Ehemanns der Klägerin für seine Tätigkeit für die … ist jedoch aufgrund des sog. Ottawa-Abkommens ausgeschlossen.
26
Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die Nordatlantikvertrags-Organisation, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen v. 30.5.1958 (BGBl. II 1958, 117) finden die Bestimmungen des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der … der … … sinngemäß auf die …, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen nach Maßgabe des von Deutschland am 29.5.1956 unterzeichneten Übereinkommens über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des internationalen Personals v. 20.9.1951 – Ottawa-Abkommen – (BGBl. II 1958, 118 ff.) Anwendung.
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Nach Art. 19 S. 1 des Ottawa-Abkommens sind die Bediensteten der Organisation i.S.d. Art. 17 von Steuern auf die ihnen von der Organisation in ihrer Eigenschaft als deren Bedienstete gezahlten Gehälter und sonstigen Dienstbezüge befreit. Art. 17 des Ottawa-Abkommens wiederum sieht vor, dass die Gruppen von Bediensteten, auf die (u.a.) Art. 19 des Ottawa-Abkommens Anwendung findet, Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem Vorsitzenden der Stellvertreter im Rat und jedem beteiligten Mitgliedstaat ist. Über die Durchführung von Teil IV – u.a. Art. 17 – des Ottawa-Abkommens haben die … und Deutschland am 30.11.1961 eine Vereinbarung geschlossen (abgedruckt in BGBl. II 1962, 114 ff.), die nach § 1 Abs. 1 S. 1 der – in Ergänzung zur Verordnung v. 30.5.1958 – erlassenen Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an internationale Bedienstete der Nordatlantikvertrags-Organisation v. 29.3.1962 (BGBl. II 1962, 113) für die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an Bedienstete der … maßgebend ist und deren Art. 1 zufolge die Gruppen von Bediensteten der … und der nachgeordneten Stellen der …, auf welche u.a. Art. 19 des Ottawa-Abkommens in Deutschland Anwendung findet, die Besoldungsgruppen A, B und C der …-Personalbestimmungen umfassen, wenn die entsprechenden Bediensteten ihren Dienstort auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland haben. Diese Voraussetzungen erfüllte der Ehemann der Klägerin, der im Dienst der …- … … stand.
28
Entgegen der Auffassung des Beklagten knüpft Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG an die Besteuerung an, da die Vorschrift nach ihrem Wortlaut ausdrücklich auf den „Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes)“ abstellt. Dass dies dem Gesetzgeber auch bewusst war, zeigt die Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Beamtengesetzes vom 1. Oktober 2019 (LT-Drs. 18/3922), in der die Anhebung des Einkommensgrenzbetrags für den Ehegatten eines Beihilfeberechtigten von 18.000 € auf 20.000 € damit begründet wird, dass die Höhe des zu versteuernden Anteils von Renten ansteige. Insbesondere wird in der Begründung u.a. ausgeführt, dass Renten nur anteilig der Steuerpflicht unterliegen und auch nur mit diesem Anteil in die Bildung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes eingehen. In den kommenden Jahren werde die Höhe des zu versteuernden Anteils von Renten ansteigen. Damit steige die Gefahr, dass in zunehmendem Ausmaß auch bei durchschnittlicher Rentenhöhe ein Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Kosten des Ehegatten bzw. Lebenspartners entstehen werde. Diesem Ergebnis werde durch eine maßvolle Anhebung des Grenzbetrages entgegengewirkt (LT-Drs. 18/3922, S. 25).
29
Der Wortlaut des Art. 96 Abs. 1 BayBG stellt ausdrücklich auf den „Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes)“ ab und unterscheidet sich dies-bezüglich von der bundesgesetzlichen Regelung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 BBG, die nach dem Wortlaut „ein zur wirtschaftlichen Selbständigkeit führendes Einkommen“ des Ehegatten voraussetzt. Auch eine in § 4 Abs. 1 BBhV vorgesehene Bestimmung, die neben dem Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) ausdrücklich „vergleichbare ausländische Einkünfte“ nennt, ist im BayBG nicht vorhanden. § 7 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 BayBhV spricht – in Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage des Art. 96 BayBG – vom „Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG)“. Konsequent zu dem Verweis auf § 2 Abs. 3 EStG in Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG sieht § 7 Abs. 4 BayBhV vor, dass die Einhaltung der Höchstgrenze auf Verlangen der Beihilfefestsetzungsstelle durch die Vorlage eines Auszugs des Einkommensteuerbescheids des Bezugsjahres zu belegen ist.
30
Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBhV i.V.m. § 7 Abs. 4 Nr. 2 (bzw. ab 1.1.2021: Nr. 1) BayBhV enthalten im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 Satz 1 BBhV in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung auch keinen Verweis auf § 2 Abs. 5a EStG. Eine Anwendung von § 2 Abs. 5a EStG würde jedoch vorliegend nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen. § 2 Abs. 5a EStG sieht vor, dass sich im Falle des Anknüpfens außersteuerlicher Rechtsnormen an die definierten Begriffe Einkünfte, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen für deren Zwecke diese Größen um die nach § 32d Absatz 1 und nach § 43 Absatz 5 zu besteuernden Beträge sowie um die nach § 3 Nummer 40 steuerfreien Beträge erhöhen und sich um die nach § 3c Absatz 2 nicht abziehbaren Beträge mindern. Die Einkünfte des Ehemannes der Klägerin fallen jedoch nicht unter die genannten Normen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Gesetzgeber den Kreis der Beihilfeberechtigten sowie den Kreis der berücksichtigungsfähigen Personen, für die der Beamte Beihilfe beanspruchen kann, eindeutig festlegen (vgl. BVerwG, U.v. 3.6.2009 – 2 C 27/08; BVerwG, U.v. 28.3.2019 – 5 C 4/18). Eine analoge Hinzurechnung nicht in § 2 Abs. 5a EStG genannter Rechtsvorschriften zum Gesamtbetrag der Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 3 EStG, die zu einer Änderung des in Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG definierten Kreises der berücksichtigungsfähigen Personen führt, kommt deshalb nicht in Betracht.
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Auch wenn Sinn und Zweck des Art. 96 Abs. 1 BayBG u.a. ist, den wirtschaftlich selbständigen Ehegatten vom Kreis der berücksichtigungsfähigen Personen, für die Beamte Beihilfe beanspruchen können, auszuschließen, findet die Einbeziehung von ausländischen oder – wie hier nicht dem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik unterliegenden Einkünften von Bediensteten einer internationalen Organisation –, die nicht unter den Begriff des Gesamtbetrags der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG fallen, im Bayerischen Recht keine Stütze. Eine Heranziehung der Kommentarliteratur zu § 80 Abs. 2 Nr. 1 BBG bzw. § 4 Abs. 1 BBhV kommt bereits aufgrund des abweichenden Wortlauts dieser Bestimmungen nicht in Betracht. Ein Rückgriff auf § 4 Abs. 1 BBhV scheidet zudem deshalb aus, weil nach der Rechtsprechung des BVerwG der Gesetzgeber den Kreis der Beihilfeberechtigten sowie den Kreis der berücksichtigungsfähigen Personen, für die der Beamte Beihilfe beanspruchen kann, eindeutig festlegen muss (vgl. BVerwG, U.v. 3.6.2009 – 2 C 27/08; BVerwG, U.v. 28.3.2019 – 5 C 4/18). Der Bayerische Landesgesetzgeber stellt in Art. 96 Abs. 1 BayBG auf den Gesamtbetrag der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG ab.
32
Eine Auslegung entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut „Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG)“ ist nicht möglich. Sind Bestimmungen ihrem Wortlaut nach eindeutig, so liegt bei einem Zurückbleiben hinter den Anforderungen der Verwaltungspraxis ein rechtspolitischer Fehler vor, den der Gesetzgeber gegebenenfalls zu beheben hat. Eine Rechtsanwendung oder Rechtsfortbildung entgegen dem vom materiellen Gesetzgeber vorgesehenen Wortlaut einer Rechtsvorschrift widerspricht der Bindung der vollziehenden Gewalt an das Gesetz (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung). Auch die Gerichte dürfen sich nicht in die Rolle einer normsetzenden Instanz begeben (vgl. BVerfGE 96, 375 [394]).
33
3. Einwände gegen die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen im Übrigen wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
34
Soweit die Beihilfestelle die Gewährung einer Beihilfe für die in den Rechnungen vom 29. April 2021 und vom 19. November 2021 enthaltenen Kosten für einen Corona-Test ohne Symptome (in Höhe von jeweils 23,46 €) und die in den Rechnungen vom 11. Juni 2021 und 23. November 2021 enthaltenen Kosten für Kopien (1,50 € bzw. 1 €) nicht als beihilfefähig anerkannt hat, erfolgte dies zu Recht. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen nur beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig sind. Das Gleiche gilt für die Aufwendungen vom 28. Mai 2021 über insgesamt 26,46 €, für die nach Aktenlage zwar ein Kassenbohn der ..., jedoch keine ärztliche Verordnung vorgelegt wurde. Nach § 18 Satz 1 Halbs. 1 BayBhV sind jedoch nur die aus Anlass einer Krankheit nach Art und Umfang schriftlich verordneten apothekenpflichtige Arzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes beihilfefähig.
35
4. Der Anspruch auf die Prozesszinsen ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 BGB i.V.m. § 90 VwGO (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.6.2006 – 2 C 14/05 – ZBR 2006, 347- juris; U.v. 12.6.2002 – 9 C 6.01 – BVerwGE 116, 312 m.w.N – juris; BayVGH, U.v. 11.5.2010 – 14 B 09.1489 – juris Rn. 46).
36
Der Zinssatz für Prozesszinsen beträgt in analoger Anwendung des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (BVerwG, U.v. 18.3.2004 – 3 C 23.03 – NVwZ 2004, 991/995). Die Prozesszinsen stehen der Klägerin nach § 187 Abs. 1 BGB analog ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit folgenden Tag zu (VG Stuttgart, U.v. 22.10.2019 – 18 K 18726/17 – BeckRS 2019, 37859 Rn. 30 mit Hinweis auf BGH, U.v. 24.1.1990 – VIII ZR 296/88 – NJW-RR 1990, 518/519), weil im Verwaltungsprozess die Rechtshängigkeit bereits mit Eingang der Klage bei Gericht eintritt, § 90 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
37
5. Da die Sache spruchreif war, konnte das Gericht den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides vom 15. Dezember 2021 verpflichten, der Klägerin eine Beihilfe in Höhe von 4.410,04 € zu gewähren.
38
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 VwGO. Da die Klage nur zu einem sehr untergeordneten Teil (53,11 € (70 v.H. von 75,88 €)) erfolglos war, konnten dem Beklagten die Kosten insgesamt auferlegt werden.
39
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
40
7. Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.