Titel:
offensichtlich unbegründeter Folgeantrag (Asyl - Kosovo)
Normenketten:
AsylG § 71, § 77 Abs. 2, § 78 Abs, 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Der bloße Vortrag, an einer Epilepsie zu leiden, deren Behandlung im Kosovo sehr teuer sei, ist nach keiner Betrachtungsweise geeignet, ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Zuerkennung von internationalem Schutz (§§ 3 ff. AsylG) oder eines Asylrechts aus Art. 16a GG zu begründen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht, Herkunftsland: Kosovo, Zweiter Folgeantrag, Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, Abweisung hinsichtlich des Folgeantrags als offensichtlich unbegründet., Folgeantrag, Kosovo, Epilepsie, Behandlungskosten
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7250
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 8. August 2022, mit dem u.a. der Folgeantrag der Klägerin als unzulässig abgelehnt (Ziff. 1) sowie der Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 18. Oktober 2013 hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungsverboten abgelehnt wurde (Ziff. 2).
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Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestands ab und verweist auf die Feststellungen im Bescheid des Bundesamts vom 8. August 2022 (§ 77 Abs. 3 AsylG).
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Am 17. August 2022 erhob die Mutter der Klägerin persönlich zur Niederschrift der Rechtsantragstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts München im Namen ihrer Tochter K. mit folgenden Anträgen:
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1. Der Bescheid des Bundesamts vom 8. August 2022 wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Klägerin unter Epilepsie leide. Die Behandlung im Kosovo sei teuer und müsse von der Mutter der Klägerin selbst bezahlt werden. Außerdem sei die Klägerin in Deutschland geboren.
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Den ebenfalls am 17. August 2022 gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 8. September 2022 ab (M 17 S 22.31704). Auf die Begründung wird Bezug genommen.
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Mit Attest vom ... diagnostizierte die ... … … bei der Klägerin eine Symptomatische Epilepsie, Spannungskopfschmerzen und Übergewicht. Auf das Attest wird Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom ..., dem Klägerbevollmächtigten ausweislich dessen schriftlicher Bestätigung am 1. Februar 2023 zugestellt, wies das Gericht die Beteiligten darauf hin, dass eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren in Betracht komme und auf Antrag mündlich verhandelt werden müsse.
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Mit Beschluss vom 21. März 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakte – auch im Verfahren M 17 S 22.31704 – Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Asylantrags offensichtlich unbegründet, im Übrigen unbegründet.
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I. Das Gericht kann vorliegend im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 AsylG erfüllt sind.
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Die Klägerin ist anwaltlich vertreten und es handelt sich nicht um einen der Fälle des 38 Abs. 1 AsylG bzw. 73b Abs. 7 AsylG. Ferner wurden die Beteiligten auf die Möglichkeit des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hingewiesen. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren entspricht auch pflichtgemäßen Ermessen, weil eine mündliche Erörterung im konkreten Fall aufgrund der geklärten Sach- und Rechtslage nicht erforderlich ist.
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II. Der Bescheid des Bundesamts vom 8. August 2022 ist im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Hs. 2 AsylG) offensichtlich rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die (hilfsweise) beantragten Verwaltungsakte (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
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Die Klage ist hinsichtlich des erneuten Asylantrags (Folgeantrags) der Klägerin in qualifizierter Form als offensichtlich unbegründet abzulehnen (so auch schon zur qualifizierten Ablehnung des Folgeantrags: VG München, U.v. 30. November 2022 – 25 K 20.31276; VG München, U.v. 17.11.22 – M 13 K 19.32161 – Rn. 36; VG München, U.v. 29.3.23 – 27 K 22.31097 – Rn. 23).
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Die Mutter der Klägerin gab im Verwaltungs- und Klageverfahren lediglich an, dass die in Deutschland geborene Klägerin an Epilepsie leide und die Behandlung dafür im Kosovo sehr teuer sei. Dieser Vortrag ist nach keiner Betrachtungsweise geeignet ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zur Zuerkennung von internationalem Schutz (§§ 3 ff. AsylG) oder eines Asylrechts aus Art. 16a GG zu begründen. Eine weitere Klagebegründung trotz gerichtlicher Aufforderung unterblieb. Die Abweisung der Klage hinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung des Bundesamts drängte sich daher geradezu auf.
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Die weitergehende auf die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG gerichtete Klage ist demgegenüber als einfach unbegründet abzuweisen.
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Der erkennende Einzelrichter geht nicht davon aus, dass der Klägerin bei einer Rückkehr in den Kosovo im Familienverbund mit ihrer Mutter mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verelendung droht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung etwaiger zu erwartender Mehrkosten durch Medikamente.
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Zwar mag sich die Lebensführung im Kosovo mitunter schwierig gestalten. Allerdings ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet und bedürftigen Personen wird staatliche Sozialhilfeleistung gewährt. Auch wird für die Jahre 2021 und 2022 im Kosovo mit einem starken Wirtschaftswachstum gerechnet, das besser ist als das seiner Nachbarländer (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Kosovo, 10.03.2022, S. 35 ff.).
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Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zahlreiche Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen kann, vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/countries/kosovo/ (vgl. zu deren Berücksichtigungsfähigkeit BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10/21 – juris).
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Auch unter Berücksichtigung des vorgelegten Attests vom ... ist nicht anzunehmen, dass der Klägerin bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der geltend gemachten Epilepsie droht. Ausweislich des Attests erlitt die Klägerin den letzten Krampfanfall vor damals einem Jahr. Die Entlassung erfolgte in „gutem Allgemeinzustand“. Eine grundlegende Versorgung mit Medikamenten ist im Kosovo verfügbar. Basismedikamente stehen theoretisch allen Patienten kostenlos zur Verfügung (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Kosovo, 10.03.2022, S. 38 ff.) Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Klägerin bei Rückkehr „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen“ ausgeliefert werden würde.
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Gegen die Abschiebungsandrohung und das erlassene Einreise- und Aufenthaltsverbot bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere erweisen sich die Befristungsentscheidungen in Ziff. 4 und 5 des Bescheids als ermessensfehlerfrei.
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III. Die Kostenentscheidung über die gerichtskostenfreie Klage (§ 83b AsylG) beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG).