Inhalt

VG München, Urteil v. 30.03.2023 – M 17 K 20.415
Titel:

Ermittlung der Einkommensgrenze für die Beihilfe eines Ehegatten, der Bediensteter einer internationalen Organisation ist

Normenketten:
BayBG Art. 96 Abs. 1, Abs. 5
BayBhV § 2, § 3, § 7 Abs. 4 Nr. 2
EStG § 2 Abs. 3, § 13 Abs. 3
Leitsätze:
1. Art. 96 Abs. 1 S. 1 BayBG knüpft an die Besteuerung an, da die Vorschrift nach ihrem Wortlaut ausdrücklich auf den „Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes)“ abstellt. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn Sinn und Zweck des Art. 96 Abs. 1 BayBG u.a. ist, den wirtschaftlich selbständigen Ehegatten vom Kreis der berücksichtigungsfähigen Personen, für die Beamte Beihilfe beanspruchen können, auszuschließen, findet die Einbeziehung von ausländischen oder – wie hier nicht dem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik unterliegenden Einkünften von Bediensteten einer internationalen Organisation –, die nicht unter den Begriff des Gesamtbetrags der Einkünfte iSd § 2 Abs. 3 EStG fallen, im bayerischen Recht keine Stütze. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beihilfe, Berücksichtigungsfähigkeit des Ehegatten, Ermittlung der Einkommensgrenze, Steuerbefreite Einkünfte, Ottawa-Abkommen, Berücksichtigungsfähigkeit, Ehegatte, Ermittlung, Einkommensgrenze, steuerbefreite Einkünfte, Ottawa Abkommen, Einkünfte, Bedienstete, internationale Organisation, Gesamtbetrag
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7248

Tenor

I.    Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II.    Unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 5. Dezember 2019 und vom 20. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Dezember 2019 und unter Aufhebung des Bescheids vom 31. März 2021 und vom 7. April 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. April 2021 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine weitere Beihilfe in Höhe von 10.268,70 € zu gewähren sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem Betrag von 6.035,14 € ab dem 30. Januar 2020 bzw. aus dem Betrag von 4.233,56 € ab dem 30. April 2021 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.    Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 1/7 und der Beklagte 6/7 zu tragen.
IV.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V.    Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist Beamtin im Dienste des Beklagten und begehrt die Bewilligung von Beihilfe (70%) für Aufwendungen für ärztliche Behandlungen ihres Ehemannes. Der Ehemann der Klägerin wurde auf seinen Antrag mit Wirkung zum ... vom Bundesministerium der Verteidigung, wo er als Regierungsamtsinspektor beschäftigt war, nach den Richtlinien für die Entsendung von Bundesbediensteten in öffentliche zwischenstaatliche oder überstaatliche Organisationen beurlaubt und zur ... entsandt. Die Beurlaubung dauerte bis zum … ...
2
1. Mit Formblatt vom 1. Dezember 2019, eingegangen beim Landesamt für Finanzen – Dienststelle A. (Landesamt) am 4. Dezember 2019, beantragte die Klägerin Beihilfe unter anderem für folgende Rechnungen über medizinische Aufwendungen ihres Ehemannes über einen Betrag von insgesamt 11.652,72 €:

Rechnungsdatum

Rechnungsbetrag (€)

14. Januar 2019

111,59

5. Februar 2019

89,32

23. März 2019

570,64

27. März 2019

440,38

28. März 2019

16,76

29. März 2019

686,77

5. April 2019

297,57

12. April 2019

53,77

15. April 2019

214,18

16. April 2019

10,72

16. April 2019

26,54

6. Mai 2019

41,56

7. Mai 2019

99,53

16. Mai 2019

10,72

28. Juni 2019

26,80

8. Juli 2019

693,20

19. Juli 2019

3.257,98

22. Juli 2019

79,43

22. Juli 2019

239,64

24. Juli 2019

872,20

8. August 2019

221,14

8. August 2019

465,70

13. August 2019

550,55

4. September 2019

9,21

10. Oktober 2019

570,64

10. Oktober 2019

127,25

19. Oktober 2019

1.030,00

29. Oktober 2019

816,58

22. November 2019

22,35

Gesamt: 11.652,72

3
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. Dezember 2019 die Gewährung von Beihilfe zu diesen Rechnungen ab. Bezüglich der Rechnungen vom 14. Januar 2019, 5. Februar 2019, 23. März 2019, 27. März 2019, 28. März 2019, 29. März 2019, 5. April 2019, 12. April 2019,15. April 2019,16. April 2019, 6. Mai 2019, 7. Mai 2019 und 16. Mai 2019 verwies er darauf, dass zu diesen Aufwendungen bereits Beihilfe gewährt worden sei (Hinweis …). Diese Rechnungen waren nach Aktenlage bereits Gegenstand des bestandskräftigen Bescheids vom 7. Juni 2019. Für die Rechnungen vom 28. Juni 2019, 8. Juli 2019, 19. Juli 2019, 22. Juli 2019, 24. Juli 2019, 8. August, 13. August 2019, 4. September 2019, 10. Oktober, 17. Oktober, 29. Oktober 2019 und 22. November 2019 (insgesamt 8.982,67 €) wies er darauf hin, dass die Aufwendungen, die dem Ehegatten der Klägerin entstanden seien, nicht beihilfefähig seien, da der Gesamtbetrag der Einkünfte (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger und nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte im Sinn des § 22 EStG) im zweiten Kalenderjahr vor Stellung des Beihilfeantrags den Gesamtbetrag von 18.000 € überstiegen habe (Hinweis 3112). Bezüglich der Rechnung vom 30.11.2018 wurde ausgeführt, dass eine Beihilfe nur gewährt werde, wenn sie innerhalb der Jahresfrist des Art. 96 Abs. 3a und Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BayBG und § 48 Abs. 6 BayBhV beantragt werde (Hinweis 3105).
4
Die Klägerin legte mit E-Mail vom ... ein Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung an ihren Ehemann vom ... vor, in dem darauf hingewiesen wurde, dass dieser während der Zeit der Beurlaubung keinen Anspruch auf Beihilfe nach deutschen Rechts- und Verwaltungsvorschriften habe. Sie verwies mit Schreiben vom ... darauf, dass Ihr Ehemann nur eine private Krankenversicherung in Form einer „Restkostenversicherung“ bei ... habe und aufgrund des Subsidiaritätsprinzips verpflichtet sei, zunächst Beihilfeleistungen in Anspruch zu nehmen.
5
Gegen den Bescheid vom 5. Dezember 2019 legte die Klägerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2019 Widerspruch ein.
6
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2019 wurde aufgrund der zwischenzeitlich vorgelegten Unterlagen über den Beihilfeantrag vom 1. Dezember 2019, eingegangen am 4. Dezember 2019, teilweise neu entschieden. Der Beklagte lehnte u.a. die Gewährung der von der Klägerin beantragte Beihilfe zu den Aufwendungen ihres Ehemannes betreffenden Rechnungen, die bereits Gegenstand des Bescheids vom 5. Dezember 2019 waren, ab. Darüber hinaus lehnte er für folgende Aufwendungen eine Beihilfegewährung ab:

Rechnungsdatum

Rechnungsbetrag (€)

30. November 2018

32,00

25. Januar 2019

32,00

29. März 2019

32,00

9. Mai 2019

159,00

Gesamt: 255,00

7
Unter Hinweis f0 wurde ausgeführt, dass die Aufwendungen nicht als beihilfefähig anerkannt werden könnten, da das Gesamteinkommen des Ehegatten der Klägerin in den Jahren 2017 und 2019 über dem Grenzbetrag von 18.000 € gelegen habe und der Ehegatte der Klägerin somit wirtschaftlich selbständig sei. Die Rechnungen vom ... waren nach Aktenlage bereits Gegenstand des bestandskräftigen Bescheids vom 7. Juni 2019, in dem eine Beihilfeleistung versagt worden war.
8
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2019 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2019 Widerspruch ein. Zur Begründung brachte sie vor, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehemanns der Klägerin nach den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2016, 2017 und 2018 jeweils 18.000 € nicht überschritten habe. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 liege ihr noch nicht vor. Eine Rechtsgrundlage, nach der auf das Gesamteinkommen abzustellen sei, sei nicht ersichtlich.
9
Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin gegen die Beihilfebescheide vom 5. Dezember 2019 und vom 20. Dezember 2019 mit Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2019 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Aufwendungen, die für den Ehegatten des Beihilfeberechtigten entstanden sind, nicht beihilfefähig seien, soweit dessen Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) im zweiten Kalenderjahr vor der Stellung des Beihilfeantrags den Höchstbetrag von 18.000 € übersteige. Das Vorliegen dieser anspruchsbegründenden Tatsachen sei vom Beihilfeberechtigten im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG nachzuweisen. Das Gehalt des Ehegatten der Klägerin bei der … sei im Rahmen des Gesamtbetrags der Einkünfte zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus der Kommentierung zur inhaltsgleichen Regelung im Beihilferecht des Bundes im Kommentar „Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Anm. 34 zu § 5 BhV“, nach der alle Einkünfte des Ehegatten erfasst würden, ohne Rücksicht darauf, ob sie nach dem Einkommensteuergesetz oder nach ausländischen Rechtsvorschriften besteuert würden.
10
Die Klägerin erhob am 29. Januar 2020 zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Rechtsantragstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts München Klage. Sie beantragte mit Schreiben vom 29. April 2020:
11
I. Die Beihilfebescheide vom 5. Dezember 2019 und 20. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Dezember 2019 werden aufgehoben.
12
II. Der Beklagte wird verpflichtet, die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen des Ehegatten im Rahmen der Ehegattenbeihilfe nach Art. 96 Abs. 1 BayBG für diesen Beihilfeantrag festzustellen und eine Beihilfe in Höhe von 9.015,52 € zu gewähren.
13
Der Beklagte wird verpflichtet, diese Rechtsauffassung für alle zukünftigen Beihilfeanträge festzustellen.
14
Hilfsweise wird der Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
15
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Ehemann der Klägerin seit ... bei der …-Dienststelle in ... beschäftigt sei. Er verfüge über keinen eigenen Beihilfeanspruch. Der Anspruch auf Gewährung von Ehegattenbeihilfe ergebe sich aus Art. 96 BayBG i.V.m. § 7 Abs. 4 Nr. 2 BayBhV i.V.m. § 2 Abs. 3 EStG. Für die Ermittlung der Einkünfte seien die Vorschriften des Steuerrechts maßgeblich. Der Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehegatten der Klägerin habe in den Jahren 2016, 2017 und 2018 nicht den Betrag von 18.000 € überstiegen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte sei durch die Vorlage einer Kopie des Steuerbescheids nachzuweisen. Dieser Verpflichtung sei die Klägerin nachgekommen. Die Klägerin und ihr Ehegatte hätten auch eine Erklärung abgegeben, dass sie über keine Kapitalerträge verfügen, welche die gesetzliche Einkommensgrenze überschreiten. § 4 BBhV, auf den der Beklagte verweise, sei nicht anwendbar, es gelte das bayerische Landesrecht.
16
Der Vertreter des Beklagten nahm mit Schriftsatz vom 27. Mai 2020 Stellung und beantragte,
17
die Klage abzuweisen.
18
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage hinsichtlich des Feststellungsbegehrens unzulässig sei, da nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Feststellung nicht begehrt werden könne, soweit die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen könne. Hinzu komme, dass vorbeugender Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte unzulässig sei. Auf die Beihilfevorschriften des Bundes sei verwiesen worden, da sie auf die inhaltsgleichen bayerischen Beihilfevorschriften übertragbar seien. Der Gesamtbetrag der Einkünfte liege ausweislich der vorgelegten Steuerbescheide zwar unterhalb des Grenzbetrags von 18.000 €. Der Ehegatte der Klägerin habe aber bislang keine Angaben zu den Einkünften aus seiner Tätigkeit bei einer überstaatlichen Organisation gemacht. Die Klägerin habe deshalb das Unterschreiten des Grenzbetrags von 18.000 €, welches Anspruchsvoraussetzung sei, nicht nachgewiesen.
19
Mit Schreiben vom 12. April 2021 trug die Klägerin vor, dass der Beklagte mit Bescheiden vom 14. Januar 2021 und vom 8. Februar 2021 auf ihre Beihilfeanträge vom 5. Januar 2021 und vom 6. Januar 2021 nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheids ihres Ehemannes für das Jahr 2019 Beihilfe für die Aufwendungen ihres Ehegatten gewährt habe.
20
2. Am 29. März 2021 beantragte die Klägerin Beihilfe für Rechnungen über medizinische Aufwendungen ihres Ehemannes über einen Betrag von insgesamt 6.394,59 €:

Rechnungsdatum

Rechnungsbetrag (€)

16. Januar 2020

147,12

16. Januar 2020

106,20

11. Februar 2020

259,54

14. April 2020

140,19

3. Juni 2020

32,00

11. Juli 2020

32,00

13. Juli 2020

155,70

13. Juli 2020

106,20

17. August 2020

32,00

11. September 2020

32,00

17. Oktober 2020

32,00

2. November 2020

41,30

6. November 2020

155,70

9. November 2020

32,00

11. November 2020

500,33

18. November 2020

41,39

20. November 2020

85,65

21. November 2020

420,00

30. November 2020

28,88

30. November 2020

101,51

14, Dezember 2020

35,95

17. Dezember 2020

140,39

10. Januar 2021

420,00

12. Januar 2021

18,07

18. Februar 2021

302,29

18. Februar 2021

290,32

19. Februar 2021

966,75

24. Februar 2021

162,06

28. Februar 2021

145,66

2. März 2021

121,03

6. März 2021

1.293,60

24. März 2021

16,76

Gesamt: 6.394,59

21
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 31. März 2021 die Gewährung von Beihilfe zu diesen Rechnungen ab. Unter Hinweis Nr. 3112 wies er darauf hin, dass die Aufwendungen, die dem Ehegatten der Klägerin entstanden seien, nicht beihilfefähig seien, da der Gesamtbetrag der Einkünfte (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger und nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte im Sinn des § 22 EStG) im zweiten Kalenderjahr vor Stellung des Beihilfeantrags den Gesamtbetrag von 20.000 € überstiegen habe (Hinweis 3112).
22
Gegen den Bescheid vom 31. März 2021 legte die Klägerin mit Schreiben vom 12. April 2021 Widerspruch ein.
23
Am 5. April 2021 beantragte die Klägerin Beihilfe für Rechnungen über medizinische Aufwendungen ihres Ehemannes über einen Betrag von insgesamt 699,32 €:

Rechnungsdatum

Rechnungsbetrag (€)

30. Januar 2021

66,09

18. März 2021

228,91

7. April 2021

404,32

Gesamt: 699,32

24
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 7. April 2021 die Gewährung von Beihilfe zu diesen Rechnungen ab. Unter Hinweis Nr. 3112 wies er darauf hin, dass die Aufwendungen, die dem Ehegatten der Klägerin entstanden seien, nicht beihilfefähig seien, da der Gesamtbetrag der Einkünfte (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger und nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und sonstige Einkünfte im Sinn des § 22 EStG) im zweiten Kalenderjahr vor Stellung des Beihilfeantrags den Gesamtbetrag von 20.000 € überstiegen habe (Hinweis 3112).
25
Gegen den Bescheid vom 7. April 2021 legte die Klägerin mit Schreiben vom 15. April 2021 Widerspruch ein.
26
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2021 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 31. März 2021 und vom 7. April 2021 zurück.
27
Mit Schreiben vom 29. April 2021 bezog die Klägerin den Widerspruchsbescheid in das Klageverfahren mit ein.
28
Der Vertreter des Beklagten nahm mit Schriftsatz vom 9. Juni 2021 zur Klageerweiterung Stellung und beantragte,
29
die Klage abzuweisen.
30
Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2022 führte die Beklagtenpartei ergänzend aus, dass Art. 96 Abs. 1 BayBG zum Gesamtbetrag der Einkünfte ausschließlich Bezug auf die Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 3 EStG nehme. Welche Einkünfte darunterfallen, sei in § 2 Abs. 3 EStG nicht geregelt. Da der Gesetzgeber nicht auch auf § 2 Abs. 1 EStG Bezug genommen habe, seien die Einkünfte nicht auf die dort genannten Einkunftsarten beschränkt. Aufgrund des unbeschränkten Einkünftebegriffs würden von Art. 96 Abs. 1 BayBG nicht nur die in § 2 Abs. 1 EStG genannten Einkünfte erfasst, sondern Einkünfte jedweder Art, insbesondere auch Kapitaleinkünfte, die wegen der Abgeltungssteuer nicht der Einkommensteuerpflicht unterliegen, und andere Einkünfte, die nicht der Besteuerung unterliegen. Die Bezugnahme auf § 2 Abs. 3 EStG habe einzig und allein den Zweck, die Teile der Einkünfte zu bestimmen, die nicht der Anrechnung unterlägen. Selbst wenn man entgegen dem Wortlaut der Norm auf die Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 EStG zurückgreifen wolle, wären die nicht steuerpflichtigen Einkünfte des Ehegatten der Klägerin ebenfalls zu berücksichtigen. Da er seinen Wohnsitz (§ 8 AO) in der Bundesrepublik Deutschland innehabe, unterliege er als sog „Steuerinländer“ gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht, welche sich auf sämtliche inländischen und ausländischen Einkünfte erstrecke (sog. Welteinkommens-Prinzip). Nach dem Welteinkommensprinzip werde im nationalen Besteuerungsrecht auch nach § 2 Abs. 3 EStG der Gesamtbetrag der Einkünfte unter Berücksichtigung sämtlicher inländischer und ausländischer Einkünfte ermittelt, die nach § 32d Abs. 1 EStG und nach § 43 Abs. 5 EStG zu besteuern seien. Damit unterlägen auch die Einkünfte des Ehegatten der Klägerin der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht. Dem stehe nicht entgegen, dass die Einkünfte aufgrund des Ottowa-Übereinkommens steuerfrei seien. Denn aus beihilferechtlicher Sicht werde in Art. 96 Abs. 1 BayBG ausschließlich auf § 2 Abs. 3 EStG und damit allein auf die nationale Berechnungsweise der Einkünfte nach dem Welteinkommensprinzip verwiesen. Ein Verweis über § 2 Abs. 1 AO auf internationales Steuerrecht, das das Ergebnis der Festsetzung tangiere und eine Besteuerung verhindere, sei damit nicht verbunden. Die Einkünfte des Ehegatten der Klägerin bei der …-Sonderorganisation … seien deshalb nach nationalem Besteuerungsrecht Bestandteil des Gesamtbetrags der Einkünfte nach § 2 Abs. 3 EStG und daher im Rahmen der Ermittlung der Einkommensgrenze des Ehegatten nach Art. 96 Abs. 1 BayBG zu berücksichtigen.
31
Mit Schreiben vom 23. August 2022 legte der Vertreter des Beklagten die fiktive Berechnung der von der Klägerin begehrten Beihilfe vor. Auf den Inhalt wird Bezug genommen.
32
Der Vertreter des Beklagten erklärte mit Schreiben vom 27. Mai 2020 das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Die Klägerin hat am 8. März 2023 zur Niederschrift der Urkundsbeamtin der Rechtsantragstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts München auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und die Klage hinsichtlich der zunächst begehrten Feststellung (Klageantrag II, 2. Absatz) zurückgenommen. Weiterhin stellte sie folgenden weiteren Antrag:
33
Dem Beklagten sind die Prozesszinsen seit Beginn des Verfahrens aufzuerlegen.
34
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

35
Über den Rechtsstreit konnte mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
36
I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO).
37
II. Die Klage ist teilweise unzulässig.
38
Soweit die Klägerin eine Beihilfe für die mit Beihilfeantrag vom 1. Dezember 2019 eingereichten Rechnungen vom ... begehrt, ist die Klage unzulässig, da kein Verwaltungsakt vorliegt, sondern lediglich eine wiederholende Verfügung ohne Regelungscharakter ausgesprochen wurde.
39
Gemäß Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. In den erläuternden Hinweisen findet sich zu der Nummer … die Formulierung „Zu diesen Aufwendungen wurde bereits Beihilfe gewährt“. Dieser Formulierung ist im Wege der Auslegung zu entnehmen, dass darauf hingewiesen werden sollte, dass über die Aufwendungen der betreffenden Rechnungen bereits durch einen anderen Beihilfebescheid entschieden wurde. In diesem bloßen Verweis ist weder ein eigener Regelungsgehalt in der Sache zu sehen, noch lässt sich dieser sehr knappen und eindeutigen Erläuterung die konkludente Entscheidung entnehmen, nicht in eine erneute Sachprüfung einsteigen zu wollen (vgl. hierzu ausführlich: VG Bayreuth, U.v. 27.10.2020 – B 5 K 19.485). Hinweisen auf bestandskräftige Verwaltungsakte fehlt der Regelungswille der Behörde, soweit sie lediglich mitteilt, dass ein Rechtsverhältnis bereits wirksam durch Verwaltungsakt geregelt ist (vgl. von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK, VwVfG, 58. Ed. 1.1.2023, § 35 Rn. 189). Die wiederholende Verfügung eröffnet auch nicht die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen den unanfechtbaren Bescheid vom 7. Juni 2019.
40
III. Im Übrigen ist die Klage zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
41
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von 10.268,70 € für Aufwendungen ihres Ehemannes (§ 113 Abs. 5 VwGO); die Bescheide vom 5. Dezember 2019 und vom 20. Dezember 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 30. Dezember 2019 sowie die Bescheide vom 31. März 2021 und vom 7. April 2021 und der Widerspruchsbescheid vom 22. April 2022 sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Darüber hinaus hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe, die streitgegenständlichen Bescheide sind insoweit rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO), so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war.
42
1. Soweit der Beklagte durch den Beihilfebescheid vom 20. Dezember 2019 über die
43
Rechnungen vom ... entschieden hat, handelt es sich hierbei um einen Zweitbescheid, da eine Beihilfegewährung – trotz der bereits erfolgten bestandskräftigen Ablehnung durch den Bescheid vom 7. Juni 2019 – nach konkludentem Wiederaufgreifen aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nochmals geprüft wurde und mit einer anderen Begründung abgelehnt wurde. Es wurde somit eine erneute Sachentscheidung getroffen.
44
Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Beihilfeleistungen zu den Aufwendungen aus der Rechnung vom ... über einen Betrag von 32,00 € sind nicht wegen Ablaufs der Antragsfrist erloschen. Nach Art. 96 Abs. 3a BayBG (in der diesbezüglich maßgeblichen Fassung vom 18.5.2018 – GVBl. S. 286) und § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV (in der diesbezüglich maßgeblichen Fassung vom 24.7.2017, GVBl. S. 418) wird Beihilfe nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach dem Entstehen der Aufwendungen oder Ausstellung der Rechnung beantragt wird. Die Klägerin hat mit Beihilfeantrag vom 23. Mai 2019 eine Beihilfe zu dieser Rechnung beantragt und die Jahresfrist damit gewahrt.
45
2. Nach Art. 96 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i.V.m. den Vorschriften der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) erhalten Beamte für sich, den Ehegatten oder den Lebenspartner, soweit dessen Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG) im zweiten Kalenderjahr vor der Stellung des Beihilfeantrags 18.000 € (Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500), geändert durch Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl S. 98)) bzw. 20.000 € ab 1. Januar 2020 (Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500), geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2019 (GVBl S. 724)) nicht übersteigt, Beihilfen als Ergänzung der aus den laufenden Bezügen zu bestreitenden Eigenvorsorge, solange ihnen laufende Besoldung, Unterhaltsbeihilfe nach Art. 97 BayBesG oder Versorgungsbezüge zustehen.
46
2.1. Die Klägerin ist als Beamtin gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BayBhV beihilfeberechtigt. Ihr Ehemann ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BayBhV grundsätzlich ein berücksichtigungsfähiger Angehöriger.
47
2.2. Ausweislich der vorgelegten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2017 und 2019 hat der Gesamtbetrag der Einkünfte des Ehegatten der Klägerin gemäß § 2 Abs. 3 EStG im Zeitpunkt der Stellung der Beihilfeanträge vom 1. Dezember 2019 und 4. Dezember 2019 die Einkommensgrenze von 18.000 € bzw. im Zeitpunkt der Stellung der Beihilfeanträge vom 29. März 2021 und 5. April 2021 die Einkommensgrenze von 20.000 € nicht überschritten.
48
Die Bezüge des Ehemanns der Klägerin aus seiner Tätigkeit bei der Sonderorganisation der … … sind nicht Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) und deshalb bei Ermittlung der Einkommensgrenze nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG nicht zu berücksichtigen.
49
Der Gesamtbetrag der Einkünfte, der in Art. 96 Abs. 1 BayBG ausdrücklich genannt wird, wird in § 2 Abs. 3 EStG legaldefiniert als die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag, den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende und den Abzug nach § 13 Absatz 3 EStG.
50
Es ist zwar zutreffend, dass der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte Ehemann der Klägerin als Steuerinländer gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegt. Das aus den Vorschriften des EStG resultierende Besteuerungsrecht für die Einkünfte des Ehemanns der Klägerin für seine Tätigkeit für die … ist jedoch aufgrund des sog. Ottawa-Abkommens ausgeschlossen.
51
Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die Nordatlantikvertrags-Organisation, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen v. 30.5.1958 (BGBl. II 1958, 117) finden die Bestimmungen des Abkommens über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen sinngemäß auf die …, die nationalen Vertreter, das internationale Personal und die für die Organisation tätigen Sachverständigen nach Maßgabe des von Deutschland am 29.5.1956 unterzeichneten Übereinkommens über den Status der Nordatlantikvertrags-Organisation, der nationalen Vertreter und des internationalen Personals v. 20.9.1951 – Ottawa-Abkommen – (BGBl. II 1958, 118 ff.) Anwendung.
52
Nach Art. 19 S. 1 des Ottawa-Abkommens sind die Bediensteten der Organisation i.S.d. Art. 17 von Steuern auf die ihnen von der Organisation in ihrer Eigenschaft als deren Bedienstete gezahlten Gehälter und sonstigen Dienstbezüge befreit. Art. 17 des Ottawa-Abkommens wiederum sieht vor, dass die Gruppen von Bediensteten, auf die (u.a.) Art. 19 des Ottawa-Abkommens Anwendung findet, Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem Vorsitzenden der Stellvertreter im Rat und jedem beteiligten Mitgliedstaat ist. Über die Durchführung von Teil IV – u.a. Art. 17 – des Ottawa-Abkommens haben die … und Deutschland am 30.11.1961 eine Vereinbarung geschlossen (abgedruckt in BGBl. II 1962, 114 ff.), die nach § 1 Abs. 1 S. 1 der – in Ergänzung zur Verordnung v. 30.5.1958 – erlassenen Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an internationale Bedienstete der Nordatlantikvertrags-Organisation v. 29.3.1962 (BGBl. II 1962, 113) für die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an Bedienstete der … maßgebend ist und deren Art. 1 zufolge die Gruppen von Bediensteten der … und der nachgeordneten Stellen der …, auf welche u.a. Art. 19 des Ottawa-Abkommens in Deutschland Anwendung findet, die Besoldungsgruppen A, B und C der …-Personalbestimmungen umfassen, wenn die entsprechenden Bediensteten ihren Dienstort auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland haben. Diese Voraussetzungen erfüllte der Ehemann der Klägerin, der im Dienst der …-Sonderorganisation … stand.
53
Entgegen der Auffassung des Beklagten knüpft Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG an die Besteuerung an, da die Vorschrift nach ihrem Wortlaut ausdrücklich auf den „Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes)“ abstellt. Dass dies dem Gesetzgeber auch bewusst war, zeigt die Begründung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Beamtengesetzes vom 1. Oktober 2019 (LT-Drs. 18/3922), in der die Anhebung des Einkommensgrenzbetrags für den Ehegatten eines Beihilfeberechtigten von 18.000 € auf 20.000 € damit begründet wird, dass die Höhe des zu versteuernden Anteils von Renten ansteige. Insbesondere wird in der Begründung u.a. ausgeführt, dass Renten nur anteilig der Steuerpflicht unterliegen und auch nur mit diesem Anteil in die Bildung des Gesamtbetrags der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes eingehen. In den kommenden Jahren werde die Höhe des zu versteuernden Anteils von Renten ansteigen. Damit steige die Gefahr, dass in zunehmendem Ausmaß auch bei durchschnittlicher Rentenhöhe ein Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Kosten des Ehegatten bzw. Lebenspartners entstehen werde. Diesem Ergebnis werde durch eine maßvolle Anhebung des Grenzbetrages entgegengewirkt (LT-Drs. 18/3922, S. 25).
54
Der Wortlaut des Art. 96 Abs. 1 BayBG stellt ausdrücklich auf den „Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes)“ ab und unterscheidet sich dies-bezüglich von der bundesgesetzlichen Regelung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 BBG, die nach dem Wortlaut „ein zur wirtschaftlichen Selbständigkeit führendes Einkommen“ des Ehegatten voraussetzt. Auch eine in § 4 Abs. 1 BBhV vorgesehene Bestimmung, die neben dem Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) ausdrücklich „vergleichbare ausländische Einkünfte“ nennt, ist im BayBG nicht vorhanden. § 7 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 BayBhV spricht – in Übereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage des Art. 96 BayBG – vom „Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG)“. Konsequent zu dem Verweis auf § 2 Abs. 3 EStG in Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG sieht § 7 Abs. 4 BayBhV vor, dass die Einhaltung der Höchstgrenze auf Verlangen der Beihilfefestsetzungsstelle durch die Vorlage eines Auszugs des Einkommensteuerbescheids des Bezugsjahres zu belegen ist.
55
Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBhV i.V.m. § 7 Abs. 4 Nr. 2 (bzw. ab 1.1.2021: Nr. 1) BayBhV enthalten im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 Satz 1 BBhV in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung auch keinen Verweis auf § 2 Abs. 5a EStG. Eine Anwendung von § 2 Abs. 5a EStG würde jedoch vorliegend nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen. § 2 Abs. 5a EStG sieht vor, dass sich im Falle des Anknüpfens außersteuerlicher Rechtsnormen an die definierten Begriffe Einkünfte, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen für deren Zwecke diese Größen um die nach § 32d Absatz 1 und nach § 43 Absatz 5 zu besteuernden Beträge sowie um die nach § 3 Nummer 40 steuerfreien Beträge erhöhen und sich um die nach § 3c Absatz 2 nicht abziehbaren Beträge mindern. Die Einkünfte des Ehemannes der Klägerin fallen jedoch nicht unter die genannten Normen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der Gesetzgeber den Kreis der Beihilfeberechtigten sowie den Kreis der berücksichtigungsfähigen Personen, für die der Beamte Beihilfe beanspruchen kann, eindeutig festlegen (vgl. BVerwG, U.v. 3.6.2009 – 2 C 27/08; BVerwG, U.v. 28.3.2019 – 5 C 4/18). Eine analoge Hinzurechnung nicht in § 2 Abs. 5a EStG genannter Rechtsvorschriften zum Gesamtbetrag der Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 3 EStG, die zu einer Änderung des in Art. 96 Abs. 1 Satz 1 BayBG definierten Kreises der berücksichtigungsfähigen Personen führt, kommt deshalb nicht in Betracht.
56
Auch wenn Sinn und Zweck des Art. 96 Abs. 1 BayBG u.a. ist, den wirtschaftlich selbständigen Ehegatten vom Kreis der berücksichtigungsfähigen Personen, für die Beamte Beihilfe beanspruchen können, auszuschließen, findet die Einbeziehung von ausländischen oder – wie hier nicht dem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik unterliegenden Einkünften von Bediensteten einer internationalen Organisation –, die nicht unter den Begriff des Gesamtbetrags der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG fallen, im bayerischen Recht keine Stütze. Eine Heranziehung der Kommentarliteratur zu § 80 Abs. 2 Nr. 1 BBG bzw. § 4 Abs. 1 BBhV kommt bereits aufgrund des abweichenden Wortlauts dieser Bestimmungen nicht in Betracht. Ein Rückgriff auf § 4 Abs. 1 BBhV scheidet zudem deshalb aus, weil nach der Rechtsprechung des BVerwG der Gesetzgeber den Kreis der Beihilfeberechtigten sowie den Kreis der berücksichtigungsfähigen Personen, für die der Beamte Beihilfe beanspruchen kann, eindeutig festlegen muss (vgl. BVerwG, U.v. 3.6.2009 – 2 C 27/08; BVerwG, U.v. 28.3.2019 – 5 C 4/18). Der bayerische Landesgesetzgeber stellt in Art. 96 Abs. 1 BayBG auf den Gesamtbetrag der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG ab.
57
Eine Auslegung entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut „Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG)“ ist nicht möglich. Sind Bestimmungen ihrem Wortlaut nach eindeutig, so liegt bei einem Zurückbleiben hinter den Anforderungen der Verwaltungspraxis ein rechtspolitischer Fehler vor, den der Gesetzgeber gegebenenfalls zu beheben hat. Eine Rechtsanwendung oder Rechtsfortbildung entgegen dem vom materiellen Gesetzgeber vorgesehenen Wortlaut einer Rechtsvorschrift widerspricht der Bindung der vollziehenden Gewalt an das Gesetz (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung). Auch die Gerichte dürfen sich nicht in die Rolle einer normsetzenden Instanz begeben (vgl. BVerfGE 96, 375 [394]).
58
3. Der Anspruch auf die Prozesszinsen ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung der §§ 291, 288 BGB i.V.m. § 90 VwGO (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.6.2006 – 2 C 14/05 – ZBR 2006, 347- juris; U.v. 12.6.2002 – 9 C 6.01 – BVerwGE 116, 312 m.w.N – juris; BayVGH, U.v. 11.5.2010 – 14 B 09.1489 – juris Rn. 46).
59
Der Zinssatz für Prozesszinsen beträgt in analoger Anwendung des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (BVerwG, U.v. 18.3.2004 – 3 C 23.03 – NVwZ 2004, 991/995). Die Prozesszinsen stehen der Klägerin nach § 187 Abs. 1 BGB analog ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit folgenden Tag zu (VG Stuttgart, U.v. 22.10.2019 – 18 K 18726/17 – BeckRS 2019, 37859 Rn. 30 mit Hinweis auf BGH, U.v. 24.1.1990 – VIII ZR 296/88 – NJW-RR 1990, 518/519), weil im Verwaltungsprozess die Rechtshängigkeit bereits mit Eingang der Klage bei Gericht eintritt, § 90 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
60
4. Einwände gegen die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen im Übrigen wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
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5. Da die Sache spruchreif war und das Gericht den Beklagten unter entsprechender Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide verpflichtet hat, der Klägerin eine Beihilfe in Höhe von 10.268,70 € zu gewähren, war über den hilfsweise gestellten Verbescheidungsantrag nicht zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1, Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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7. Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.