Titel:
Kostenentscheidung bei übereinstimmender Erledigungserklärung zu Lasten des Klägers; Baueinstellungsverfügung bei einem Vorhaben, das zwischenzeitlich genehmigt wurde
Normenketten:
VwGO § 161 Abs. 2
BayBO Art. 57 Abs. 2 Nr. 5, Art. 75 Abs. 1
Leitsatz:
Erklären beide Parteien den Rechtsstreit für erledigt (hier: insb. bezüglich der Anfechtung einer Baueinstellungsverfügung bei einem Vorhaben, für das mittlerweile eine Baugenehmigung erteilt worden ist), entspricht es billigem Ermessen, die Kosten gem. § 161 Abs. 2 VwGO der Klagepartei aufzuerlegen, wenn die Klage nach Aktenlage im Rahmen einer summarischen Prüfung unbegründet geblieben worden wäre (hier: wegen formeller illegalität der streitgegenständlichen Einfriedung). (Rn. 11 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigung, Baueinstellung, Errichtung einer Einfriedung sowie Vornahme von Abgrabungen mit Stützmauern, Verfahrensfreiheit (verneint), nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung, tatsächlicher vollständiger Abschluss der Arbeiten, Einfriedung, Abgrabung, Stützmauer, Baurecht, Baueinstellungsverfügung, übereinstimmende Erledigung, Kostenentscheidung, nachträgliche Baugenehmigung, Abschluss der Arbeiten, formelle Illegalität, billiges Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7246
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für die Zeit bis zur Verbindung der Verfahren im Verfahren M 11 K 20.275 auf 5.000,- EUR und im Verfahren M 11 K 20.3422 auf 15.000,- EUR festgesetzt. Für die Zeit ab Verbindung der Verfahren wird der Streitwert auf insgesamt 20.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Klägerin erhob im Januar 2020 Klage gegen eine Baueinstellungsverfügung des Landratsamts … (Landratsamt) vom 20. Dezember 2019 betreffend die Errichtung einer Einfriedung an der östlichen Grundstücksgrenze der Flurnummer … der Gemarkung … (Vorhabengrundstück). Die Klägerin hatte mit den Arbeiten beginnen lassen, nachdem ihr seitens der Gemeinde … im November 2018 auf Grundlage des Art. 57 Abs. 1 Nr. 7a BayBO eine isolierte Befreiung von den Gestaltungsvorgaben der gemeindlichen Ortsbausatzung (Ausführung von Zäunen an Verkehrsflächen aus Holz, Hecke oder Maschendraht) für die Errichtung eines Zaunes aus Metall erteilt worden war.
2
Ferner erhob die Klägerin im Juli 2020 Klage gegen einen ebenfalls das Vorhabengrundstück betreffenden Bescheid des Landratsamts vom 30. Juni 2020, mit dem sämtliche Bauarbeiten zur Errichtung von Stützmauern samt Geländeveränderungen an der nördlichen und südlichen Gebäudefassade eingestellt (Ziff. 1) und der Klägerin eine provisorische Baustellensicherung (Ziff. 2) aufgegeben wurde (vormaliges, zwischenzeitlich verbundenes Klageverfahren M 11 K 20.3422).
3
Mit Baugenehmigungsbescheid vom 26. Juli 2021, geändert am 8. September 2021, erteilte das Landratsamt der Klägerin eine Baugenehmigung zur Errichtung der Einfriedung unter Erteilung einer Ausnahme von einer zwischenzeitlich in Kraft getretenen Veränderungssperre und weiteren Auflagen, insbesondere zur Höhe der Einfriedung in dem bewegten Gelände.
4
Auf eine gerichtliche Sachstandsanfrage hin teilte das Landratsamt mit Schreiben vom 22. Dezember 2022 hinsichtlich der streitgegenständlichen Einfriedung mit, dass deren Höhe den Festsetzungen des zwischenzeitlich in Kraft getretenen Bebauungsplans widerspreche, weshalb die Baueinstellung vom 20. Dezember 2019 weiter aufrechterhalten werde. Auch an der Baueinstellung des Bescheids vom 30. Juni 2020 werde festgehalten, da die Maßnahmen abweichend von der das Anwesen auf dem Vorhabengrundstück betreffenden Baugenehmigung vom Juni 2019 ausgeführt worden seien und ebenfalls den Festsetzungen des Bebauungsplans widersprächen. Die Klagepartei wies demgegenüber mit Schreiben vom 16. Januar 2023 daraufhin, dass das Landratsamt offenbar die Baugenehmigung aus dem Jahre 2021 übersehen habe.
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Mit Schriftsatz vom 25. Januar 2023 korrigierte sich das Landratsamt dahingehend, dass der Bescheid vom 20. Dezember 2019 nicht aufrechterhalten werde. Es stimmte insoweit (vorab) einer Erledigung des Rechtsstreits zu, hielt am Bescheid vom 30. Juni 2020 hingegen fest.
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Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2023 erklärte die Klägerin den Rechtsstreit hinsichtlich beider Bescheide für erledigt. Hinsichtlich der Einfriedung (Bescheid vom 20. Dezember 2019) wurde auf die Ausführungen der Klagebegründung vom Juni 2020 verwiesen. Für die Anfechtung der Baueinstellungsanordnung bezüglich der Stützmauer und Abgrabung folge der Klageerfolg daraus, dass das eingestellte Bauvorhaben baugenehmigungskonform ausgeführt worden sei.
7
Das Landratsamt teilte daraufhin mit, dass aktuell nicht bekannt sei, ob das eingestellte Bauvorhaben insoweit tatsächlich vollständig ausgeführt worden sei. Nachdem es im Rahmen einer Baukontrolle vom 10. März 2023 den tatsächlichen Abschluss der Arbeiten festgestellt hatte, stimmte das Landratsamt mit Schreiben vom 14. März 2023 eine Erledigung des Rechtsstreits auch hinsichtlich des Bescheids vom 30. Juni 2020 zu.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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1. Da die Klägerin und der Beklagte den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
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2. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, die Kosten des Verfahrens der Klagepartei aufzuerlegen.
11
Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat oder der ohne die Erledigung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre. Wesentliches Element der Kostenentscheidung ist damit eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Zeitpunkt seiner Erledigung, wobei nach dem Willen des Gesetzgebers allein im Hinblick auf die zu treffende Kostenentscheidung weder schwierige Rechtsfragen zu klären, noch der Sachverhalt weiter aufzuklären ist (vgl. BVerwG, B.v. 17.10.2012 – 2 C 11/12 – juris).
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2.1 In Bezug auf die streitgegenständliche Einfriedung (Bescheid vom 20. Dezember 2019) war die Klage im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung zwar weiterhin zulässig. Die Klage wäre jedoch bei summarischer Prüfung unbegründet gewesen.
13
Die mit Bescheid vom 20. Dezember 2019 verfügte Baueinstellung ist bereits mit Erteilung der Baugenehmigung im Juli 2021 außer Kraft getreten (vgl. Busse in B/K/L, BayBO, Art. 75, Rn. 32). Ab diesem Zeitpunkt war hinsichtlich der angefochtenen Baueinstellung an sich das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin entfallen. Nachdem das Landratsamt auf die Sachstandsanfrage des Gerichts im Dezember 2022 allerdings zunächst ausdrücklich erklärte, an der Baueinstellungsverfügung vom 20. Dezember 2019 festhalten zu wollen, bestand ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin an der Aufhebung des Rechtscheins des angefochtenen Bescheids, sodass die Klage weiterhin zulässig war. In Reaktion auf die Richtigstellung des Landratsamts (Schreiben vom 25. Januar 2023) erklärte die Klägerseite den Rechtsstreit für erledigt.
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Die Klage wäre nach Aktenlage in der Sache indes ohne Erfolg geblieben. Die Errichtung der streitgegenständlichen Einfriedung war bereits formell illegal, da die Arbeiten entgegen der Auffassung der Klagepartei nicht verfahrensfrei ausgeführt werden durften. Zwar hatte die Klägerin im Vorfeld von der Gemeinde eine isolierte Befreiung von deren Ortsbausatzung erhalten – was das Landratsamt bei Erlass der Baueinstellung auch keineswegs übersehen hat (vgl. Bescheid, S. 4 oben). Für die Frage der Verfahrensfreiheit ist die Erteilung der Befreiung indes unerheblich, da sich diese nur auf materielles Recht, nämlich die inhaltlichen Vorgaben der Ortsbausatzung bezieht (vgl. Busse, a.a.O., Art. 57, Rn. 384 a.E.). Letztlich hätte es der Klägerin insoweit oblegen, die Frage der Baugenehmigungspflichtigkeit mit dem zuständigen Landratsamt zu klären; die Gemeinde kann hierüber letztlich keine verbindliche Aussage treffen.
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Dem Vorbringen der Klägerseite, wonach die Ortsbausatzung die Kriterien des Art. 57 Abs. 2 Nr. 5 BayBO erfülle, teilt das Gericht nicht. Vielmehr dürfte die bereits im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Einschätzung des Landratsamts zutreffend sein, wonach die Formulierung „Einfriedungen an öffentlichen und privaten Verkehrsflächen“ Teil der gestalterischen Regelung der Satzung ist und es sich damit nicht um eine Regelung des Standorts i.S.d. Art. 57 Abs. 2 BayBO handelt. Art. 5 der Ortsbausatzung zielt ersichtlich darauf ab, dass bestimmte Einfriedungen gewissen gestalterischen Vorgaben (Buchst. a) bzw. Höhenvorgaben (Buchst. b) genügen müssen. Die räumliche Einschränkung der Gestaltungsregelung auf Einfriedungen an Verkehrsflächen stellt keine Regelung in Bezug auf den Standort der Einfriedungen dar; dieser bleibt den Bauherrn vielmehr völlig freigestellt (anders als etwa der Standort von Garagen nach Art. 4 Abs. 2 der Satzung). Das Landratsamt hat im Bescheid vom 20. Dezember 2019 ferner ausgeführt, dass eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7a BayBO aufgrund der Außenbereichslage ausscheidet und auch Art. 57 Abs. 1 Nr. 7b BayBO nicht einschlägig ist. Die Klagebegründung verhält sich hierzu nicht bzw. unterstellt auf Seite 37 ff. der Klagebegründung offenbar selbst eine zumindest teilweise Außenbereichslage. Auch die in der Akte befindlichen Lichtbildaufnahmen (Bl. 9 ff. d.BA) sprechen deutlich für eine anzunehmende Außenbereichslage der streitgegenständlichen Einfriedung. Soweit sich die Sach- und Rechtslage aufgrund des Inkrafttretens des qualifizierten Bebauungsplans zwischenzeitlich geändert hat, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an. Denn der Klägerin ist bereits vor Inkraftreten des Bebauungsplans mit Bescheid vom 26. Juli 2021 (unter Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre) eine Baugenehmigung für die Einfriedung erteilt worden, wodurch die Baueinstellung außer Kraft getreten ist (s.o.).
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Bis zum Außerkrafttreten der Baueinstellungsverfügung vom 20. Dezember 2019 durch Erteilung der Baugenehmigung war die Einfriedung damit jedenfalls formell illegal, was für den Erlass und Fortbestand einer Baueinstellungsverfügung nach Art. 75 Abs. 1 BauGB generell ausreichend ist. Dessen ungeachtet bestanden angesichts der durch die Lichtbilder dokumentierten Feststellungen der Baukontrolle auch hinreichende Anhaltspunkte für eine materielle Illegalität sowohl hinsichtlich der Höhenvorgaben der Ortsgestaltungssatzung als auch hinsichtlich der nicht von der Hand zu weisenden Möglichkeit einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB.
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2.2. Ebenso hätte die Klage hinsichtlich des Bescheids vom 30. Juni 2020 nach Aktenlage voraussichtlich keinen Erfolg gehabt.
18
In Bezug auf den Bescheid vom 30. Juni 2020 wurde die Klage überhaupt erst im Zuge der Sachstandsmitteilung der Klägerseite vom 16. Januar 2023 bzw. der Erledigungserklärung vom 15. Februar 2023 begründet. Ein Klageantrag wurde insoweit bis zuletzt nicht gestellt; ausweislich der Klagebegründung war das Begehren nur auf eine Anfechtung der Baueinstellung (Ziff. 1 des Bescheids) gerichtet.
19
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit der insoweit erhobenen Anfechtungsklage im maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung. Der Regelungsgehalt der Baueinstellungsverfügung entfällt, wenn das eingestellte Bauvorhaben vollständig und endgültig ausgeführt ist (vgl. Busse, a.a.O., Art. 75, Rn. 33). Der genaue Zeitpunkt des Abschlusses der Bauarbeiten der strittigen Außenanlagen wurde von Klägerseite nicht mitgeteilt; bereits ab diesem Zeitpunkt wurde die Klägerin jedoch nicht mehr durch die verfügte Baueinstellung beschwert, sondern allenfalls noch durch die Kostenregelung des Bescheids. Der vollständige Abschluss der Bauarbeiten war dem Landratsamt zuvor nicht bekannt, vielmehr hat dieses die Mitteilung der Klägerin zum Anlass einer erneuten Baukontrolle genommen und nach der darin erfolgten Feststellung des Abschlusses der Arbeiten der Erledigung des Rechtsstreits zugestimmt. Da es sich beim Abschluss der Arbeiten – anders als bei der Erteilung der Baugenehmigung – letztlich um einen allein in der Sphäre der Klägerin liegenden Umstand handelt, war die Anfechtungsklage im Zeitpunkt ihrer Erledigung zumindest in Bezug auf die angegriffene Baueinstellungsanordnung mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig.
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Nach summarischer Prüfung der Aktenlage wäre die Klage im maßgeblichen Erledigungszeitpunkt darüber hinaus auch unbegründet gewesen. Inwieweit die Klägerin die eingestellten Arbeiten abweichend von den genehmigten Eingabeplänen errichtet hat, lässt sich nach Aktenlage nicht abschließend feststellen. Das Landratsamt hat sich hierzu im Nachgang seiner Baukontrolle vom März 2023 nicht mehr geäußert, sondern die Zustimmung zur Erledigung des Rechtsstreits aufgrund der tatsächlich abgeschlossenen Arbeiten erklärt. Die in der Behördenakte dokumentierten Feststellungen rechtfertigen nach summarischer Prüfung jedoch die Annahme, dass das Landratsamt zumindest hinreichende Anhaltspunkte für eine planabweichende Errichtung des Bauvorhabens hatte und der Erlass der Baueinstellung daher gerechtfertigt war. Die Klägerseite selbst hat mit Schriftsatz vom 15. Februar 2023 in Bezug auf die südliche Gebäudefassade eingeräumt, dass eine „Anpassung“ der genehmigten Stützmauer aufgrund des in diesem Bereich stark abfallenden Geländes erforderlich gewesen sei. Soweit es sich bei den Steinblöcken an der nördlichen Gebäudefassade nach dem klägerischen Vortrag nicht um eine Stützmauer, sondern lediglich um die Verkleidung eines Schachts handeln soll, mag dies nach den in der Akte befindlichen Lichtbildern (insbes. Bl. 7 d.BA) in Bezug auf die unmittelbar vor der Fassade bzw. dem Schacht befindlichen Mauersteine zutreffen; anderes dürfte aber für das hieran anschließende, von der Fassade wegführende Mauerwerk gelten, welches durchaus aus den Eindruck einer Stützmauer erweckt.
21
3. Die Streitwertfestsetzung beruht hinsichtlich des Bescheids vom 20. Dezember 2019 auf § 52 Abs. 2 GKG und hinsichtlich des Bescheids vom 30. Juni 2020 auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.