Titel:
Fremdenverkehrsbeitrag für Veräußerung eines Hotels
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
EStG § 16 Abs. 1
Leitsätze:
1. In einem Eilverfahren ist grundsätzlich von der Gültigkeit einer Norm auszugehen, wenn nicht ausnahmsweise Gründe, die die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen, offen zu Tage treten. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch der Verkauf einer Immobilie kann einen mittelbaren Vorteil aus dem Fremdenverkehr darstellen. Voraussetzung ist, dass sich im Verkaufserlös Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisieren, da der Beitragscharakter eine Gegenleistung für die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe verlangt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch dritte oder weiter entfernte Glieder der Vertragskette können zum Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen werden, wenn ihre wirtschaftliche Betätigung gleichwohl in direktem Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr steht, beispielsweise der Fremdenverkehrsbezug gleichsam durchgereicht wird. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Fremdenverkehrsbeitrag, Veräußerungsgewinn, Mittelbarer Vorteil aus dem Fremdenverkehr, Veräußerung eines Hotels mit Gastronomie
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7245
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 13.125 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Festsetzung eines Fremdenverkehrsbeitrags durch die Antragsgegnerin.
2
Die Antragsgegnerin erhebt von allen selbständig tätigen natürlichen und juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet Vorteile erwachsen, einen Fremdenverkehrsbeitrag, § 1 Abs. 1 Satzung der Antragsgegnerin für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags vom 28. Oktober 2009 (Fremdenverkehrsbeitragssatzung – FVBS).
3
Die Antragstellerin verpachtete das Hotel und Restaurant „...“ in der …straße 53 in … (Fl.Nr. …, Gemarkung …) sowie das jenseits der …straße liegende Seegrundstück (Fl.Nr. …, Gemarkung …). Auf dem Seegrundstück befindet sich insbesondere ein Service-Pavillon sowie Freischankflächen für die Gastronomie. Ferner vermietete die Antragstellerin Wohnungen im unmittelbar an das Hotel angrenzenden Gebäude …straße 55 (Fl.Nr. …, Gemarkung …). Für die Verpachtung von Hotel und Restaurant wurde die Antragstellerin mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. April 2019 zu einem Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2017 in Höhe von 631,74 EUR herangezogen.
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Mit notarieller Kaufvertragsurkunde vom 19. Dezember 2017 veräußerte die Antragstellerin die Grundstücke Fl.Nr. …, … und …, Gemarkung …, an die … … GmbH, zwischenzeitlich umbenannt in … … GmbH. Deren Unternehmensgegenstand ist gemäß dem Handelsregister insbesondere die Vermittlung des Abschlusses von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, gewerbliche Räume oder Wohnräume sowie die Durchführung von Bauvorhaben als Bauherrin oder Baubetreuerin. Nach Angaben der Antragstellerin wurden auch das Inventar sowie das vor dem Grundstück Fl.Nr. … ankernde Motorschiff „… …“ verkauft. Der Kaufpreis betrug 5 Mio. EUR, wobei 4,7 Mio. EUR auf das Grundvermögen und 300.000 EUR auf die beweglichen Gegenstände nebst Motorschiff entfielen.
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Mit Schreiben vom 24. September 2020 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie festgestellt habe, dass das Anwesen veräußert worden sei und bat die Antragstellerin um Abgabe einer Erklärung zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrags 2017. Hierzu nahm der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 31. März 2022 dahingehend Stellung, dass das nicht dem Fremdenverkehr dienende Gebäude …straße 55 bei der Bemessung des Fremdenverkehrbeitrags nicht berücksichtigt werden dürfe. Es wurde im Einzelnen ausgeführt und begründet, dass zuletzt 67,49% der Miet- bzw. Pachteinnahmen auf die touristisch genutzten Teile des Anwesens entfallen seien. Somit seien 67,49% von 4,7 Mio. EUR, also 3.171.856,12 EUR, auf den touristisch genutzten Teil des Veräußerungsobjekts entfallen. Zusammen mit dem Kaufpreisanteil für die beweglichen Gegenstände ergebe sich ein Gesamtumsatz von 3.471.856,12 EUR. Der Gewinn betrage nach Abzug von Buchwertabgängen und Maklergebühren 1.549.936,84 EUR. Der realisierte Gewinn liege somit deutlich unter den auch in nicht Fremdenverkehrsgemeinden erzielbaren Wertzuwächsen. Daher sei ein Anteil am Gewinn, der fremdenverkehrsbedingt entstanden sei, weder erkennbar noch nachweisbar, so dass der Veräußerungsgewinn nicht dem Fremdenverkehrsbeitrag unterliege. Zudem betreibe die Erwerberin das Objekt nicht selbst; sie mache daher nicht mit unmittelbar am Fremdenverkehr Beteiligten Geschäfte. Der Antragstellerin sei durch den Verkauf weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Vorteil aus dem Fremdenverkehr entstanden. Ein mittelbarer Vorteil liege nicht vor, da die Erwerberin nicht unmittelbar am Fremdenverkehr beteiligt sei. Da sich die Bodenrichtwerte im Landkreis … allgemein, auch in nicht Fremdenverkehrsgemeinden, positiv entwickelt hätten, sei bei dem Verkauf ein offensichtlicher Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr nicht erkennbar. Der erzielte wirtschaftliche Vorteil sei der allgemein positiven Entwicklung zuzurechnen.
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Mit Änderungsbescheid vom 6. Dezember 2022 setzte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin für das Jahr 2017 aufgrund einer Schätzung einen Fremdenverkehrsbeitrag in Höhe von 52.500 EUR fest. Sie legte dabei den von der Antragstellerin im Schreiben vom 31. März 2022 angegebenen Gewinn von abgerundet 1,5 Mio. EUR sowie einen Vorteilssatz von 70% zugrunde. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2022, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 15. Dezember 2022, legte die Antragstellerin Widerspruch gegen diesen Bescheid ein und beantragte die Aussetzung von dessen Vollziehung. Mit Schreiben vom 23. Januar 2023 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Über den Widerspruch ist nach Aktenlage noch nicht entschieden.
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Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2023, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am 2. März 2023, stellte der Bevollmächtigte der Antragstellerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Er beantragt,
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die Vollziehung des Änderungsbescheids über Veranlagung zum Fremdenverkehrsbeitrag für den Betrieb „Verpachtung, Restaurant … … … und Hotel“ bis zu einer Entscheidung im Widerspruchsverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen auf das Schreiben vom 31. März 2022 verwiesen. Die Antragsgegnerin habe bisher nicht belegt, warum der entstandene Veräußerungsgewinn durch den Fremdenverkehr begründet sei.
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Mit Schriftsatz vom 14. März 2023 legte die Antragsgegnerin die Akten vor und nahm zum gestellten Antrag wie folgt Stellung: Der Änderungsbescheid vom 6. Dezember 2022 berücksichtige nur den abgerundeten Teil des Veräußerungsgewinns, den der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Schreiben vom 31. März 2022 der touristischen Nutzung zugeordnet habe. Zudem sichere der in den Akten befindliche (öffentlich-rechtliche) Vertrag (vom 19.2.2019) zwischen der Stadt … und der … … GmbH insbesondere die Erhaltung der touristischen Nutzung der … … … zu. Deshalb bestehe hier ein eindeutiger Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
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1. Der gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO ist unter Berücksichtigung des Rechtsschutzbegehrens der Antragstellerin nach §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO zu verstehen als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 6. Dezember 2022 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.
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2. Der so verstandene Antrag ist zulässig. Er ist insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO statthaft. Auch die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung gemäß § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist erfüllt, da die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben vom 23. Januar 2023 abgelehnt hat.
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3. Der Antrag ist jedoch in der Sache nicht begründet.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage oder des Widerspruchs im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung anordnen. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben soll die Anordnung nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Abgabenbescheids bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
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Gründe dafür, dass die Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Zudem bestehen nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 6. Dezember 2022. Der Bescheid ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Fremdenverkehrsbeitrags mit Bescheid vom 6. Dezember 2022 ist die Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2009. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der die Kammer folgt, ist in einem Eilverfahren, in dem nur eine überschlägige Überprüfung der Sach- und Rechtslage stattfinden kann, grundsätzlich von der Gültigkeit einer Norm auszugehen, wenn nicht ausnahmsweise Gründe, die die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen, offen zu Tage treten (BayVGH, B.v. 30.3.2015 – 20 CS 15.88 – juris m.w.N.). Offensichtliche Zweifel an der Gültigkeit der hier einschlägigen Rechtsgrundlage sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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b) Der formell rechtmäßige Bescheid vom 6. Dezember 2022 ist nach summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig. Die Antragsgegnerin hat die Regelungen der Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 28. Oktober 2009 zutreffend auf den konkreten Fall angewandt.
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aa) Der Beitragstatbestand gemäß § 1, § 2 Abs. 1 FVBS ist erfüllt, da der Antragstellerin durch die Veräußerung des Hotels mit Gastronomie im Stadtgebiet der Antragsgegnerin Vorteile durch den Fremdenverkehr erwachsen sind.
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Der Betrieb eines Hotels mit Gastronomie hat einen Fremdenverkehrsbezug. Dies gilt damit grundsätzlich auch für die Veräußerung eines Hotels mit Gastronomie.
23
Nach Auffassung des Gerichts ist der Antragstellerin im konkreten Fall durch die Veräußerung auch ein mittelbarer Vorteil aus dem Fremdenverkehr erwachsen. Die Antragsgegnerin hat den Veräußerungsgewinn daher zutreffend bei der Bemessung des Fremdenverkehrsbeitrags berücksichtigt.
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Nach § 16 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG), der bei der Berechnung des Fremdenverkehrsbeitrags entsprechend herangezogen wird (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 10.10.2005 – 4 BV 04.1306 – juris Rn. 15; VG München, U.v. 8.12.2016 – M 10 K 15.5363 – BeckRS 2016, 124344 Rn. 33), sind grundsätzlich auch Gewinne zu veranlagen, die bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebs erzielt werden.
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Mittelbare Vorteile aus dem Fremdenverkehr liegen dann vor, wenn eine Person aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit im Rahmen der Bedarfsdeckung für den Fremdenverkehr mit den daran unmittelbar Beteiligten Geschäfte tätigt. Kernelemente des Begriffs sind die Geschäftsbeziehung zu unmittelbar am Fremdenverkehr Beteiligten sowie ein typischer und offensichtlicher Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr, um von einer allgemein positiven wirtschaftlichen Entwicklung abzugrenzen. Derjenige, der wiederum Geschäfte mit den mittelbar am Fremdenverkehr Beteiligten gleichsam als „drittes Kettenglied“ tätigt, ist von der Beitragspflicht grundsätzlich nicht mehr erfasst (vgl. VG München, U.v. 8.8.2019 – M 10 K 18.570 – juris Rn. 45; VG München, U.v. 8.12.2016, a.a.O., Rn. 26; VG München, U.v. 26.4.2018 – M 10 K 17.1638 – BeckRS 2018, 15951 Rn. 23).
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Auch der Verkauf einer Immobilie kann einen mittelbaren Vorteil aus dem Fremdenverkehr darstellen. Voraussetzung ist, dass sich im Verkaufserlös Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisieren, da der Beitragscharakter eine Gegenleistung für die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe verlangt. Die Rechtsprechung stellt auf die Umstände des Einzelfalls ab; es lassen sich in der Rechtsprechung jedoch (drei) Fallgruppen ausmachen (vgl. zusammenfassend hierzu: VG München, U.v. 8.8.2019, a.a.O., Rn. 46 m.w.N.): (1) Der Verkäufer einer zu Fremdenverkehrszwecken genutzten Immobilie erlangt mittelbare Vorteile aus dem Fremdenverkehr, wenn der Käufer mit unmittelbar am Fremdenverkehr Beteiligten Geschäfte machen wird. (2) Zudem unterfallen selbst entferntere Vorteile noch der Beitragspflicht, wenn eine Gesamtschau der vertraglichen Beziehungen einen eindeutigen Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr offenbart. (3) Schließlich können sich – etwa im Fall der Betriebsaufgabe – im Veräußerungserlös Vorteile aus dem Fremdenverkehr realisieren, welche bis dahin als Abschreibungen nicht beim Fremdenverkehrsbeitrag berücksichtigt werden konnten.
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Hier sind zwar die Voraussetzungen der erstgenannten Fallgruppe nicht erfüllt, da die Erwerberin von Hotel und Gastronomie nach Aktenlage nicht mit unmittelbar am Fremdenverkehr Beteiligten Geschäfte macht bzw. machen wird. Die Erwerberin betreibt Hotel und Gastronomie nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragstellerin sowie einer Internetrecherche nicht selbst weiter. Ihr Unternehmensgegenstand ist insbesondere die Vermittlung von Grundstücken sowie die Durchführung von Bauvorhaben.
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Jedoch sind nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen der zweiten Fallgruppe gegeben.
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Auch dritte oder weiter entfernte Glieder der Vertragskette können zum Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen werden, wenn ihre wirtschaftliche Betätigung gleichwohl in direktem Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr steht, beispielsweise der Fremdenverkehrsbezug gleichsam durchgereicht wird (verneint: BayVGH, U.v. 18.3.1998 – 4 B 95.3470 – juris [Untervermietung von leeren Räumlichkeiten an eine Gaststätte]; B.v. 6.8.2002 – 4 CS 02.1537 – juris [Untervermietung von Büroräumen an Holding]; B.v. 14.10.2002 – 4 ZB 02.583 – juris [Vermietung neutraler Räume als Bankfiliale]; bejaht: BayVGH, U.v. 14.1.2016 – 4 B 14.2227 – juris [Überlassung eines Nießbrauchsrechts zur Ermöglichung des Betriebs eines Thermalbads]; BayVGH, B.v. 26.5.2020 – 4 ZB 19.1934 – juris [Sale-and-Lease-Back-Vertrag für eine Klinikimmobilie]).
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Im konkreten Fall hat die Antragstellerin zwar ein Rechtsverhältnis mit einem allenfalls mittelbar am Fremdenverkehr Beteiligten, was grundsätzlich zur Begründung eines mittelbaren Vorteils nicht genügt.
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Aber ein mittelbarer Vorteil aus dem Fremdenverkehr ist trotz längerer Vertragskette hier zu bejahen, da der Fremdenverkehrsbezug gleichsam durchgereicht wird. Die Antragstellerin, die zunächst aufgrund der Verpachtung des Hotels mit Gastronomie mittelbare Vorteile aus dem Fremdenverkehr gezogen hat, hat dieses nun als solches verkauft. Es sind nicht neutrale Räumlichkeiten veräußert worden, sondern gerade ein Hotel mit Gastronomie. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass Hotel und Gastronomie mit Inventar sowie dem ebenso der Gastronomie dienenden Motorschiff veräußert worden sind. Insoweit realisieren sich Vorteile aus dem Fremdenverkehr. Der Veräußerungsgewinn basiert nicht ausschließlich auf einer allgemein positiven Wertentwicklung von Grundstücken, wie die Antragstellerin meint. Ausreichend ist es, dass der Vorteil – wie hier – zumindest auch durch den Fremdenverkehr generiert wird.
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bb) Die Antragstellerin ist auch Beitragsschuldnerin nach § 1 FVBS, da sie eine selbständig tätige juristische Person ist. Der Begriff der „selbständig Tätigen” im Fremdenverkehrsbeitragsrecht ist weiter als im Steuerrecht. Die Funktion dieses Tatbestandsmerkmals erschöpft sich darin, unselbständig tätige Arbeitnehmer mit Blick auf die Beitragspflicht abzuschichten, so dass der Begriff der Selbständigkeit hier nicht auf Gewerbetreibende und Freiberufler beschränkt ist (BayVGH, U.v. 27.3.2003 – 4 B 98.2772 – juris Rn. 19).
33
cc) Die Antragsgegnerin hat die Beitragshöhe im vorliegenden Fall in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nach dem Gewinn ermittelt (§ 2 Abs. 2, § 3 Abs. 1 FVBS).
34
Gemäß § 2 Abs. 2 FVBS dienen zur Bestimmung des Vorteils der einkommen- oder körperschaftssteuerpflichtige Gewinn und der steuerbare Umsatz innerhalb eines Kalenderjahres. Die Beitragsschuld wird gemäß § 3 Abs. 1 FVBS auf der Grundlage des Gewinns bestimmt, wenn sich nicht gemäß § 3 Abs. 2 FVBS auf der Grundlage des steuerbaren Umsatzes ein höherer Betrag ergibt.
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Nach § 3 Abs. 1 FVBS errechnet sich der Beitrag nach dem Gewinn, indem der Gewinn mit dem Vorteilssatz und mit dem Beitragssatz multipliziert wird.
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Die Antragsgegnerin hat dabei den (abgerundeten) Gewinn entsprechend den Angaben der Antragstellerin im Schriftsatz vom 31. März 2022 zugrunde gelegt. Der angewandte Vorteilssatz von 70% für den Gewinn aus der Veräußerung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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Die Schätzung des Vorteilssatzes ist als bloße Tatsachenfeststellung in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Es besteht jedoch ein Schätzungsspielraum (vgl. hierzu: VG München, U.v. 8.10.2015 – M 10 K 15.156 – juris Rn. 30 m.w.N.).
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Ausweislich der Angaben im Bescheid hat die Antragsgegnerin vorliegend eine Schätzung vorgenommen. Der hier angesetzte Vorteilssatz von 70% ist nachvollziehbar. Im Bescheid vom 30. April 2019 hat die Antragsgegnerin für den laufenden Gewinn aus der Verpachtung des Hotels mit Gastronomie einen Vorteilssatz von 100% angenommen. Zwar erscheint der Ansatz von 100% für ein Hotel grundsätzlich angebracht. Dies gilt aber wohl grundsätzlich nicht für einen Gastronomiebetrieb, da dieser üblicherweise auch von Einheimischen aufgesucht wird. Vor diesem Hintergrund erscheint der nunmehr auf den Veräußerungsgewinn angelegte Vorteilssatz von 70% jedenfalls nicht unangemessen. Insoweit werden Rechtsfehler auch nicht geltend gemacht.
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dd) Die Berechnung des Fremdenverkehrsbeitrags sowie der Vollzug der Fremdenverkehrsbeitragssatzung im Übrigen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist keine Festsetzungsverjährung eingetreten, da die Antragsgegnerin nach Aktenlage erst im Jahr 2020 von der Veräußerung Kenntnis erlangt hat und damit der Bescheid vom 6. Dezember 2022 die 4-jährige Festsetzungsverjährungsfrist wahrt.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.5 und 3.1 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 2013 (1/4 von 52.500 EUR).