Inhalt

VG München, Urteil v. 31.03.2023 – M 10 K 22.5459
Titel:

Unzulässige Klage, Keine Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, Kein Verwaltungsakt

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 1
BayVwVfG Art. 35
Schlagworte:
Unzulässige Klage, Keine Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, Kein Verwaltungsakt
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7244

Tenor

I.  Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten im Schreiben vom 10. März 2022 verlangte Auswechslung bzw. Eichung des Gartenwasserzählers.
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Mit Schreiben vom 10. März 2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass in § 9 der neuen Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) festgelegt sei, dass grundsätzlich nur noch geeichte und verplombte Wasserzähler als Nebenzähler (zum Beispiel Gartenzähler) zu führen seien. Nach den Unterlagen der Beklagten sei der Gartenzähler des Klägers bereits länger als 6 Jahre in Betrieb und müsse daher dringend im Jahr 2022 gewechselt bzw. geeicht werden. Die Nebenzähler seien dann alle 6 Jahre auszutauschen. Der Kläger wurde gebeten, der Beklagten hierzu eine Rechnung der Installationsfirma über den fachgerechten Einbau vorzulegen und Einbaudatum, Eichdatum des neuen Zählers sowie Zählerstand des ausgewechselten Zählers mitzuteilen. Messwerte von abgelaufenen, nicht geeichten Wasserzählern könnten bei der Abrechnung der Kanalgebühren nicht mehr berücksichtigt werden.
3
Mit E-Mail vom 29. März 2022 legte der Kläger Widerspruch ein und begründete diesen in der Sache.
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Mit Schreiben vom 3. Juni 2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass es sich bei dem Schreiben vom 10. März 2022 nicht um einen Bescheid handle, gegen den ein Widerspruch zulässig sei. Mit E-Mail vom 15. Juli 2022 wurde ergänzt, dass das Schreiben vom 10. März 2022 ein reines Informationsschreiben mit dem Hinweis auf die gemeindliche Satzung sei. Es seien geeichte Wasserzähler zu führen, um einen Abzug bei den Kanalgebühren zu erhalten. Es stehe jedem Gebührenpflichtigen frei, ob er diesen Nachweis führen wolle.
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Der Kläger hat mit Schreiben vom 1. November 2022, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am 4. November 2022, Klage erhoben.
Er beantragt,
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Der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2022 wird aufgehoben.
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Zur Begründung der Klage wird vorgetragen, dass der verlangte Austausch des Wasserzählers rechtswidrig sei.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 16. November 2022 ist der Kläger auf die mögliche Unzulässigkeit der Klage mangels anfechtbaren Verwaltungsakts hingewiesen worden. Hierzu hat der Kläger mit Schreiben vom 2. Dezember 2022 ausgeführt, dass der Bescheid vom 10. März 2022 ein Verwaltungsakt sei. Es werde gerade nicht ein zu erwartendes Verwaltungshandeln skizziert, wenn der Kläger die von der Beklagten gewollten Handlungen nicht erfülle. Es handle sich um eindeutige Vorgaben, die keinen Interpretationsspielraum bieten würden. Die verwendete Höflichkeitsfloskel „bitte“ ändere nichts daran, dass es sich um einen Verwaltungsakt handle. Das Schreiben enthalte verpflichtende Regelungen hoheitlicher Art mit Außenwirkung. Es sei nicht relevant, dass keine Rechtsmittelbelehrungerfolgt sei oder keine Zwangsmittel angedroht worden seien. Es sei keinesfalls zu erwarten, dass die Beklagte zur Konkretisierung der im Bescheid vom 10. März 2022 getroffenen Regelungen einen weiteren Verwaltungsakt erlassen wolle.
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Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2022 hat die Beklagte die Akten vorgelegt und zur Sache Stellung genommen. Insbesondere trägt die Beklagte vor, bei dem Schreiben vom 10. März 2022 handle es sich lediglich um ein Informationsschreiben. Es fehle an einer konkreten Regelung. Vom Kläger werde kein Tun, Dulden oder Unterlassen gefordert. Es liege im Verantwortungsbereich des Gebührenzahlers, die mögliche Ersparnis durch geringere Schmutzwassergebühren den Installations- und turnusmäßigen Eichkosten für einen Gartenwasserzähler gegen zu rechnen.
10
Mit Schreiben vom 2. Februar 2023 hat das Gericht auf Basis einer vorläufigen Bewertung der Sach- und Rechtslage auf die Unzulässigkeit der Klage hingewiesen und dem Kläger anheimgestellt, die Klage zurückzunehmen. Hierzu hat der Kläger mit Schreiben vom 17. Februar 2023 mitgeteilt, dass die Klage nicht zurückgenommen werde. Die Formulierung im Bescheid vom 10. März 2022, dass der länger als 6 Jahre in Betrieb befindliche Gartenzähler des Klägers gewechselt werden müsse, sei sprachlich zweifelsfrei imperativ zu verstehen und könne nicht als Hinweis gelten. Ferner werde verbindlich festgelegt, welche Unterlagen der Kläger vorzulegen habe. Die Annahme des Gerichts, das auf eine neue Rechtslage hingewiesen werde, sei zudem unzutreffend. Die neue Beitrags- und Gebührensatzung ersetze die vorhergehende, ohne dass die Regelung zum „Abzugszähler“ geändert worden sei. Die Prognose des Gerichts, das auf das Informationsschreiben vom 10. März 2022 ein Bescheid folgen werde, sei bereits widerlegt. Zum Beweis werde der Abrechnungsbescheid für Kanalgebühren vom 12. Januar 2023 vorgelegt.
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Mit Schreiben vom 2. Dezember und vom 19. Dezember 2022 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Mit Beschluss vom 31. März 2023 hat das Gericht den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
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2. Die erhobene Anfechtungsklage hat keinen Erfolg, da sie bereits unzulässig ist.
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Mit einer Anfechtungsklage kann nur die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Vorliegend ist die Anfechtungsklage nicht statthaft, da es sich bei dem vom Kläger angegriffenen Schreiben der Beklagten vom 10. März 2022 nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) handelt.
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Gemäß Art. 35 Satz 1 BayVwVfG ist Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
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Das Schreiben vom 10. März 2022 ist kein Verwaltungsakt, weil es keine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls enthält. Dies ergibt sich zunächst aus der formalen Gestaltung des Schreibens (insbesondere keine Bezeichnung als Bescheid, keine Rechtsmittelbelehrung). Dies folgt aber auch aus dem Inhalt des Schreibens, da es sich um ein bloßes Informations- und Hinweisschreiben handelt. Zunächst wird der Kläger auf die aus Sicht der Beklagten neue Rechtslage nach der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung hingewiesen. Im Anschluss erfolgt der Hinweis auf die sich – nach Meinung der Beklagten – aus der Satzung ergebende Verpflichtung zum Austausch bzw. zur Eichung des Wasserzählers. In diesem Zusammenhang wird der Kläger gebeten, den Neueinbau des Wasserzählers gegenüber der Gemeinde nachzuweisen.
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Mit diesem Informations- und Hinweisschreiben legt die Beklagte dem Kläger gegenüber nicht verbindlich Rechte und Pflichten fest; sie weist lediglich auf die nach Auffassung der Beklagten aufgrund der Satzung bestehende Verpflichtung hin. Diese bereits satzungsmäßig angenommene Verpflichtung erklärt auch die Formulierung, dass der Gartenzähler gewechselt bzw. geeicht werden „muss“. Ein konkreter Regelungs- und Rechtsbindungswillen der Beklagten ist dem Schreiben vom 10. März 2022 nicht zu entnehmen.
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Letztlich dürfte es der Beklagten, wenn auch insoweit nicht eindeutig formuliert, darum gegangen sein, den Kläger darauf hinzuweisen, dass er künftig den Abzug nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BGS/EWS bei der Berechnung der Entwässerungsgebühren nur erhält, wenn er die Menge des auf dem Grundstück verbrauchten bzw. zurückbehaltenen Wassers durch einen geeichten und verplombten Wasserzähler nachweist. Eine Verpflichtung zur Auswechslung des Wasserzählers soll nicht statuiert werden; der Austausch liegt vielmehr im eigenen Interesse des Gebührenpflichtigen, um den genannten Nachweis führen und damit den Gebührenabzug erhalten zu können.
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Soweit der Kläger im Übrigen rügt, dass beim aktuellen Abrechnungsbescheid für Kanalgebühren vom 12. Januar 2023 bereits – in Umsetzung des Schreibens vom 10. März 2022 ohne weiteren Bescheid – die Messwerte seines abgelaufenen, nicht geeichten Gartenwasserzählers nicht gebührenmindernd angerechnet worden seien, ist der Kläger auf Rechtsmittel gegen den Bescheid vom 12. Januar 2023 zu verweisen. Die Frage, ob der Gebührenpflichtige den Nachweis der verbrauchten und der zurückgehaltenen Wassermengen beispielsweise durch gesonderten (geeichten und verplombten) Gartenwasserzähler geführt hat und diese Wassermengen daher gebührenmindernd abzuziehen sind (§ 9 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BGS/EWS), ist eine Frage der Anwendung der Satzung auf den konkreten Einzelfall, die im jeweiligen Gebührenbescheid, hier vom 12. Januar 2023, ihren Niederschlag findet. Eines gesonderten Bescheids über diesen Berechnungszwischenschritt bedarf es nicht.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.