Titel:
kein Verbot der Abschiebung nach Ghana
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 36 Abs. 3, § 71a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Ein alleinstehender junger, gesunder und trotz der mit dem Verlust des linken Unterarms einhergehenden Schwierigkeiten arbeitsfähiger Mann wird mit den von ihm aufgrund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeiten erworbenen Kenntnissen und Erfahrungen, die er auch außerhalb seines Heimatlandes erworben bzw. gesammelt hat, in der Lage sein, in Ghana den notwendigen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, um seine Existenz zu sichern. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asyl, Zweitantrag, Gh., unanfechtbare Ablehnung des Asylantrags in Italien, kein Abschiebungsverbot trotz Verlust des linken Unterarms, Abschiebungsandrohung, Ghana, Asylverfahren in Italien, Abschiebungsverbot
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7223
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung nach Gh. bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat.
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1. Der am ... 1994 in D. Ah. (Gh.) geborene Antragsteller ist ghanaischer Staatsangehöriger, dem Volk der Bono zugehörig und christlichen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am 25. April 2021 über Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein. In Italien hatte der Antragsteller laut Eurodac-Treffer am 18. Februar 2021 einen Asylantrag gestellt, der von den italienischen Behörden am 26. März 2021 abgelehnt worden war. In Deutschland stellte er am 28. Juni 2021 einen Asylantrag. Seine persönliche Anhörung erfolgte am 13. Juli 2021. Der Bescheid des Bundesamtes vom 20. Juli 2021, mit dem u.a. der Asylantrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wurde, wurde nach mehreren erfolglosen Überstellungsversuchen seitens des Bundesamts infolge der abgelaufenen Überstellungsfrist wieder aufgehoben (vgl. Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 24. Februar 2022 im Verfahren ... bzw. Bescheid des Bundesamts vom 9. Februar 2023); das Asylverfahren des Antragstellers wurde als Zweitverfahren fortgeführt.
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2. Mit Bescheid des Bundesamts vom 17. Februar 2023 wurde der vom Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland gestellte Asylantrag als unzulässig abgelehnt (Nr. 1 des Bescheides). In Nr. 2 des vorbezeichneten Bescheids wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Antragsteller wurde in Nr. 3 des Bescheids aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Antragsteller die Abschiebung nach Gh. bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. In Nr. 4 des Bescheids wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt u.a. aus, dass der Asylantrag unzulässig sei, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Ein Asylantrag sei unzulässig, wenn im Fall eines Zweitantrages nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Ein weiteres Asylverfahren gemäß § 71a Abs. 1 AsylG sei nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt seien. Aus dem Vorbringen des Antragstellers werde weder das Vorliegen einer neuen Sach- oder Rechtslage noch das Vorliegen neuer Beweismittel oder das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen ersichtlich. Der Antragsteller mache nach eigener Aussage im Wesentlichen dieselben Asylgründe geltend, die er bereits im Rahmen seines Asylverfahrens in Italien vorgetragen habe und die dort bereits gewürdigt worden seien und zu einem negativen Ergebnis geführt hätten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Eine Abschiebung sei gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebe. Nach dem Sachvortrag des Antragstellers drohe ihm keine, durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Bei Wahrunterstellung des Sachvortrags des Antragstellers sei er auf landesinternen Schutz zu verweisen. Auch die derzeitigen humanitären Bedingungen in Gh. führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sei trotz weit verbreiteter Armut gewährleistet. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Antragstellers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nicht beachtlich. Der Antragsteller sei ein gesunder junger Mann, der trotz fehlenden linken Unterarms in der Landwirtschaft und im Rahmen von Hilfsarbeiten tätig gewesen sei. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller im Falle seiner Rückkehr nicht in der Lage sein sollte, sich um seinen eigenen Lebensunterhalt zu kümmern. Es drohe dem Antragsteller auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Auf die weiteren Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 17. Februar 2023 wird ergänzend verwiesen.
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3. Der Antragsteller erhob mit Schriftsatz vom 24. Februar 2023 gegen den vorbezeichneten Bescheid am 27. Februar 2023 Klage, die vom Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 7. März 2023 an das Verwaltungsgericht Würzburg verwiesen wurde. Im hiesigen, ebenfalls mit Beschluss vom 7. März 2023 vom Verwaltungsgericht Bayreuth an das Verwaltungsgericht Würzburg verwiesenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragte der Kläger sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24. Februar 2023 gegen die in Ziffer 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17. Februar 2023 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen.
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Zur Begründung verwies der Antragsteller auf seine bisherigen Angaben. Er habe einen Anspruch auf Asyl, Flüchtlingsanerkennung, subsidiären Schutz und Abschiebungsverbote.
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4. Das Bundesamt beantragte,
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Zur Begründung wurde auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
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5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung unter Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts vom 24. Februar 2023 anzuordnen, ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Insbesondere ist der Antrag gemäß §§ 71a Abs. 4, 36 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft, soweit er sich gegen kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung nach Gh. bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat richtet. Der Antrag wurde auch fristgerecht gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG bei Gericht gestellt.
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2. Der Antrag bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg, weil die Entscheidung des Bundesamts, zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote zugunsten des Antragstellers nicht festzustellen und ihm die Abschiebung nach Gh. bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat anzudrohen, keinen ernstlichen Zweifeln begegnet (§ 71a Abs. 4 i.V.m. 36 Abs. 4 AsylG).
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Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 und 4 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, der nach § 71a Abs. 4 AsylG entsprechende Anwendung findet, darf die aufschiebende Wirkung der Klage nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Nach diesem Maßstab darf die Vollziehung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nur dann ausgesetzt werden, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme im maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris). Dabei genügt auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine summarische Prüfung, weil mit dem Vollzug einer rechtswidrigen Abschiebungsandrohung Grundrechtsverletzungen verbunden sind und effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren wegen der sofortigen Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung nicht mehr möglich ist (vgl. BVerfG, B.v. 23.7.2020 – 2 BvR 939/20 – juris). Es gelten deshalb auch im vorliegenden Fall einer Ablehnung des Zweitantrags gemäß § 71a Abs. 4 AsylG auch für den Fall, dass auf einen Zweitantrag ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt wird, die Kriterien, welche das Bundesverfassungsgericht zur Offensichtlichkeitsprüfung im Rahmen eines Eilverfahrens gegen eine Abschiebungsandrohung aufgrund der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet aufgestellt hat. Danach darf sich das Verwaltungsgericht nicht mit einer bloßen Prognose der voraussichtlichen Richtigkeit des Offensichtlichkeitsurteils begnügen, sondern muss die Frage der Offensichtlichkeit, wenn es sie bejahen will, erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren klären und insoweit über eine lediglich summarische Prüfung hinausgehen (vgl. BVerfG, B.v. 23.7.2020 – 2 BvR 939/20 – juris; B.v. 25.2.2019 – 2 BvR 1193/18 – juris). Allerdings bleiben bei dieser Prüfung von den Beteiligten nicht angegebene und nicht gerichtsbekannte Tatsachen und Beweismittel gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG unberücksichtigt (vgl. BVerfG, B.v. 23.7.2020 – 2 BvR 939/20 – juris). Das Vorbringen, welches nach § 25 Abs. 3 AsylG im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie dort nicht angegebene Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2 AsylG kann das Gericht gemäß § 36 Abs. 4 Satz 3 AsylG unberücksichtigt lassen, wenn anderenfalls die Entscheidung verzögert würde.
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Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vom Bundesamt getroffenen Entscheidung zur Unzulässigkeit des Asylantrags und zu den zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG.
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Zu Recht ist die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass der vom Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland am 28. Juni 2021 gestellte Asylantrag gemäß § 71a AsylG als Zweitantrag zu werten ist, weil der Antragsteller bereits in einem sicheren Drittstaat – hier der Republik Italien – ein Asylverfahren erfolglos abgeschlossen hat. Die Republik Italien hat mit Schreiben vom 23. Mai 2022 auf Nachfrage der Antragsgegnerin ausgeführt, dass der Asylerstantrag des Antragstellers in Italien am 26. März 2021 abgelehnt worden ist und dass der Antragsteller hiergegen kein Rechtsmittelverfahren angestrengt hat (vgl. Bl. 413 der elektronischen Behördenakte).
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Davon ausgehend ist kein weiteres Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Nach § 71a AsylG ist in Fällen, in denen ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) im Bundesgebiet einen weiteren Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Mit der Antragsgegnerin ist das Gericht der Auffassung, dass im Falle des Antragstellers die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorliegen. Zu Recht führt der streitgegenständliche Bescheid aus, dass der Antragsteller im Rahmen seiner Anhörung am 13. Juli 2021 ausschließlich Ereignisse in seinem Heimatland vor seiner Ausreise und damit vor Asylantragstellung in Italien angeführt hat. Im Rahmen dessen hat er sogar ausdrücklich angegeben, dass er dieselben Gründe bereits bei seiner Anhörung vor den italienischen Behörden angegeben hat (S. 5 der Anhörungsniederschrift). Nach dem rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens in Italien hat sich der Antragsteller – soweit ersichtlich – nicht mehr in seinem Heimatland aufgehalten. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.
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Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass es sich bei dem Vortrag des Antragstellers zu seinem Asylbegehren nach Aktenlage bereits nicht um relevante Verfolgungsgründe im Sinne der §§ 3, 3b AsylG handelt. Soweit der Antragsteller auf eine vermeintliche Verfolgung durch seinen Onkel verweist, handelt es sich allenfalls um kriminelles Unrecht, welches asylrechtlich ohne Relevanz bleibt. Der Antragsteller ist insoweit verpflichtet, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Selbst bei Wahrunterstellung wäre der Antragsteller jedenfalls auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG zu verweisen.
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Auch an der Rechtmäßigkeit der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beidem (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris).
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Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger nichtstaatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 – 8319/07 und 11449/07 – NVwZ 2012, 681). Aber auch dann, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil es an einem verantwortlichen Akteur fehlt und „nichtstaatliche“ Gefahren für Leib und Leben im Zielgebiet aufgrund prekärer Lebensbedingungen vorliegen, können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet dennoch in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK als unmenschliche Behandlung zu qualifizieren sein (VGH Mannheim, U.v. 24.7.2013 – A 11 S 697/13 – juris).
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Schlechte humanitäre Verhältnisse können somit nur in ganz „besonderen Ausnahmefällen“ Art. 3 EMRK verletzen, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris).
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Dabei können Ausländer aber grundsätzlich kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach der Rechtsprechung allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Denn Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten nicht, Unterschiede im Fortschritt in der Medizin sowie Interschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris). Nur in ganz außergewöhnlichen Fällen können auch schlechte humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie beispielsweise im Fall einer tödlichen Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat diesbezüglich keine Unterstützung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris).
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Dies zugrunde gelegt, ist zugunsten des Antragstellers kein Abschiebeverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben. Die humanitären Bedingungen in Gh. sind nicht derart ungünstig, dass sie zur Feststellung der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK führen könnten. Insoweit folgt das Gericht der Begründung des Bescheids und nimmt hierauf gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug. Insbesondere ist festzustellen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln trotz weit verbreiteter Armut gewährleistet ist. Zwar leiden viele Menschen unter sehr schwierigen Wohnbedingungen, insbesondere in den armen Landregionen und den Randgebieten der großen Städte. So leben nach Schätzungen der Weltbank ca. 38% der Stadtbevölkerung in Slums. In urbanen Gebieten haben ca. 92,6% der Bevölkerung Zugang zu Trinkwasser und ca. 20% zu sanitären Anlagen. In ländlichen Gebieten liegen die Anteile bei ca. 84% bzw. 8,6% (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 9.2.2019, Stand: Dezember 2018, S. 20). Von existenzgefährdenden Lebensbedingungen in Gh. wird der arbeitsfähige Antragsteller jedoch aller Voraussicht nach nicht betroffen sein. Vor allem die gesundheitlichen Einschränkungen, die der Verlust des linken Unterarms infolge eines Schlangenbisses für den Antragsteller mit sich bringen, haben einer Erwerbstätigkeit in der Vergangenheit – etwa dem Anbau von Paprika, der Reparatur von Computern oder einer Tätigkeit auf dem Bau – nicht entgegengestanden; der Antragsteller hat vor dem Bundesamt in diesem Kontext auch ausgeführt, dass er bereits früh sein Leben ohne fremde Hilfe selbst finanziert hat. Mit dem Beratungszentrum für Jobs, Migration und Reintegration in Accra (https://www.startfinder.de/de/beratungszentrum/ghana, Stand: 13. März 2023) bietet Deutschland seit 2017 eine Erstanlaufstelle für Rückkehrer an, die zudem Aufklärung zu den Gefahren irregulärer Migration leistet und zu Jobperspektiven in Gh. sowie Möglichkeiten legaler Migration berät (Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Gh. als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 13. Mai 2021, i.d.F. vom 20. September 2021, Seite 24). Es lässt sich mit ausreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen, dass der Antragsteller trotz der mit dem Verlust des linken Unterarms einhergehenden Schwierigkeiten mit den von ihm aufgrund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeiten erworbenen Kenntnissen und Erfahrungen, die er auch außerhalb seines Heimatlandes erworben bzw. gesammelt hat, in der Lage sein wird, in Gh. den notwendigen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, um seine Existenz zu sichern. Eine besondere Ausnahmesituation, die die Annahme eines Abschiebungsverbots rechtfertigen würde, kann demgegenüber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden. Dies gilt umso mehr, als es dem Antragsteller freisteht, finanzielle Rückkehrhilfen in Anspruch zu nehmen oder sich – soweit er nicht schon auf familiäre Unterstützung zugreifen kann – an karitative Einrichtungen zu wenden, um Unterstützung und Starthilfe zu erhalten. Aufgrund dessen besteht keine hinreichend beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Verelendung, die zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würde.
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Die beim Antragsteller vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigung (Verlust des linken Unterarms) kann auch kein gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen. Insoweit handelt es sich bereits um keine lebensbedrohliche Erkrankung, die einer Abschiebung nach Gh. entgegenstehen könnte. Überdies gewährt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz als es § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK tut. Liegen also – wie hier – die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus.
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3. Hinsichtlich der übrigen Entscheidungen des streitgegenständlichen Bescheids sind Rechtsfehler weder vorgetragen noch ersichtlich; das Gericht folgt der Begründung des Bescheids und nimmt hierauf gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug.
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4. Der Antrag war nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).