Titel:
Keine Haftung des Automobilherstellers gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen Verwendung eines Thermofensters
Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826, § 831
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, mithin die allgemeine Handlungsfreiheit und speziell das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht der einzelnen Käufer liegt nicht im Schutzbereich von § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder den Normen der RL 2007/46/EG und der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2023 in der Rechtssache C-100/21 veranlasst keine von dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichende rechtliche Beurteilung. (Rn. 19 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bezüglich des sog. Thermofensters fehlt es am gemäß § 823 Abs. 2 BGB erforderlichen Verschulden des Herstellers, weil das Kraftfahrtbundesamt dieses bis heute nicht beanstandet hat, obwohl diesem die grundsätzliche Funktionsweise des Thermofensters seit Jahren bekannt ist. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
EA896Gen2, Thermofenster, unzulässige Abschalteinrichtung, Schutzgesetz
Vorinstanz:
LG Ansbach, Urteil vom 29.04.2022 – 3 O 220/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 7190
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 29.04.2022, Aktenzeichen 3 O 220/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ansbach ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 38.412,03 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klagepartei nimmt die Beklagte hinsichtlich eines von ihr am 10.05.2012 von einem am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten erworbenen Pkw Audi A6 Avant Allrad quattro, 3,0 T DI, 180 kW (Erstzulassung 07.02.2012) (Anlage K 1) in Anspruch. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten V-TDI-Motor des Typs EA896Gen2 (EU5) 3.0 Liter Monoturbo ausgestattet. Für das Fahrzeug wurde eine EG-Typengenehmigung für die Emissionsklasse 5 ausgestellt. Bei dem Fahrzeug kommt eine temperaturabhängige Reduktion der Abgasrückführung (sogenanntes Thermofenster) zum Einsatz. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) im Hinblick auf eine unzulässige Abschalteinrichtung betroffen.
2
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Ansbach vom 29.04.2022 Bezug genommen.
3
Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 63.000,00 € Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung nach Formel, Feststellung des Annahmeverzugs hinsichtlich der Rücknahme des Fahrzeugs sowie Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.626,49 € gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen.
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Hinsichtlich der Antragstellung erster Instanz wird auf den Tatbestand und hinsichtlich der Begründung des Ersturteils auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die zusammenfassende Darstellung unter Ziffer I. des Hinweises des Senats vom 16.02.2023 Bezug genommen.
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Die Klagepartei verfolgt ihre erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche im Wege der Berufung weiter. Hinsichtlich des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 28.06.2022 und den Schriftsatz vom 12.09.2022 sowie auf die zusammenfassende Darstellung unter Ziffer I. des Hinweises des Senats vom 16.02.2023 Bezug genommen.
6
Im Berufungsverfahren beantragt die Klagepartei:
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I. Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 29.04.2022 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke: Audi Fahrzeug-Identifizierung-Nummer in (FIN): ... an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 63.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs zu zahlen, die sich aus folgender Formel ergibt: Kaufpreis x (Kilometerstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – Kilometerstand bei Kauf) /(in das Ermessen des Gerichts gestellte Gesamtlaufleistung – Kilometerstand bei Kauf).
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in dem Berufungsantrag zu 1) genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.626,49 € freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der Berufungserwiderung der Beklagten wird auf deren Schriftsatz vom 04.10.2022 Bezug genommen.
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Der Senat hat mit Hinweis vom 16.02.2023 begründet, warum er beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben.
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Eine Gegenerklärung der Klagepartei ist fristgemäß mit Schriftsatz vom 28.03.2023 eingegangen. Die Beklagtenpartei hat mit Schriftsatz vom 21.03.2023 fristgemäß Stellung zum Hinweis des Senats genommen.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 29.04.2022, Aktenzeichen 3 0 220/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
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Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung der Klagepartei vom 28.03.2023 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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1. Hinsichtlich der Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast der Beklagten und an das Vorliegen einer Sittenwidrigkeit bringt die Klagepartei in ihrer Gegenerklärung keine neuen Erwägungen, die der Senat nicht bereits in seinem Hinweis vom 16.02.2023 berücksichtigt hätte.
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Durch das Urteil des Landgerichts wurde unstreitig festgestellt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug nicht von einem verpflichtenden Rückruf des KBA betroffen war. Die Ausführungen der Klagepartei in der Gegenerklärung zu einem Software-Update weisen keinen Bezug zum streitgegenständlichen Verfahren auf.
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2. Es bleibt dabei, dass eine deliktische Haftung der Beklagten nicht in Betracht kommt.
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Die Beklagte haftet insbesondere auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV oder den Normen der RL 2007/46/EG und der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Der Bundesgerichtshof hat, wie bereits im Hinweis des Senats vom 21.02.2023 ausgeführt, wiederholt festgehalten, dass das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, mithin die allgemeine Handlungsfreiheit und speziell das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht der einzelnen Käufer nicht im Schutzbereich dieser Bestimmungen liegt (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19 = BGHZ 225, 316 – juris, Rn. 76; BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. VI ZR 5/20 = NJW 2020, 2798 – juris, Rn. 1 1; BGH, Beschluss vom 01 .09.2021, Az. VII ZR 59/21 -juris, Rn. 3; BGH, Urteil vom 16.09.2021, Az. VII ZR 190/20 = NJW 2021, 3721 – Juris, Rn. 36; BGH, Beschluss vom 12.01.2022, Az. VII ZR 391/21 -juris, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 10.02.2022, Az. III ZR 87/21 = MDR 2022, 700 -juris, Rn. 14).
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a) Das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 21.03.2023 in der Rechtssache C-100/21 veranlasst keine von dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichende rechtliche Beurteilung. Hatte schon Generalanwalt Rantos mit seinen Schlussanträgen vom 02.06.2022 nicht behauptet, dass die europarechtlichen Normen konkret die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Fahrzeugerwerber vor unerwünschten Kaufverträgen schützen, ist dies auch dem Urteil des EuGH vom 21.03.2023 nicht zu entnehmen.
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Nach der Entscheidung des EuGH sind die in Rede stehenden europarechtlichen Vorschriften dahin auszulegen, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern, insbesondere einem hohen Umweltschutzniveau, die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgestattet ist. Der EuGH begründet dies im Wesentlichen damit, dass die nach Erteilung der EG-Typgenehmigung entdeckte Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung, mit der ein Fahrzeug ausgerüstet ist, die Gültigkeit dieser Genehmigung und daran anschließend die der eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Automobilhersteller und dem individuellen Käufer eines Kraftfahrzeugs herstellende Übereinstimmungsbescheinigung in Frage stellen könne, wobei letztere insbesondere ermögliche, den Käufer davor zu schützen, dass der Hersteller seine Pflicht, im Einklang mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 auf den Markt zu bringen, nicht einhält. Mithin habe ein individueller Käufer eines Kraftfahrzeugs gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs einen Anspruch darauf, dass dieses Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne dieser Bestimmung ausgestattet ist. Daran anknüpfend stellt der EuGH sodann fest, dass die Mitgliedstaaten vorsehen müssen, dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz hat, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung bzw. im Zusammenhang mit deren Einbau tatsächlich ein Schaden entstanden ist, vorausgesetzt, dass dieser Ersatz in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden steht (vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2023, Az. C-100/21, Rn. 71, 82, 84, 85, 88, 89, 91, 95 und 96).
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Jedenfalls eine Verletzung seines Interesses im vorgenannten Sinn macht die Klagepartei jedoch gerade nicht geltend. Vielmehr beruft sich die Klagepartei als verletztes Schutzgut auf ihr wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht und erhebt den Vorwurf, von der Beklagten zu der Übernahme einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst worden zu sein. Dementsprechend verlangt die Klagepartei von der Beklagten die (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrages durch Erstattung des von ihm an den Verkäufer entrichteten Kaufpreises (unter Anrechnung des erlangten Nutzungsvorteils) Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Mit einer Haftung der Beklagten in Form der (Rück-)Abwicklung eines ungewollt abgeschlossenen Kaufvertrages würde die Klagepartei ihr wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht durchsetzen, das durch die in Rede stehenden europarechtlichen Vorschriften unverändert nicht geschützt ist (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19 = BGHZ 225, 316 – juris, Rn. 76; BGH, Beschluss vom 10.02.2022, Az. III ZR 87/21 = MDR 2022, 700 -juris, Rn. 13 und 14; BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. VI ZR 5/20 = NJW 2020, 2798 -juris, Rn. 1 1 und 15; sowie OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023, Az. 7 U 1 13/22 = BeckRS 2023, 4904 – beck-online, Rn. 20 ff).
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Im Ergebnis kommt dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil des EuGH vom 21.03.2023 somit auch keine Entscheidungserheblichkeit für den vorliegenden Fall zu. Wenngleich einzig die nationalen Gerichte zur Auslegung mitgliedstaatlichen Rechts berufen sind, während der EuGH im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV nur die Zwecksetzung und Schutzrichtung einer unionsrechtlichen Norm bindend ermitteln kann (vgl. OLG München, Urteil vom 05.09.2022, Az. 28 U 1587/22 = BeckRS 2022, 23404 – beck-online, Rn. 29), besteht mangels Entscheidungserheblichkeit für den Senat vorliegend auch kein Anlass zur Prüfung, ob ausgehend von dem durch den EuGH angenommenen Schutz auch von Einzelinteressen durch die Bestimmungen der RL 2007/46/EG in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 den betreffenden EU-Vorschriften Schutzgesetzcharakter nach inländischem Recht und mit welcher Reichweite jenseits des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts zuzuschreiben sein könnte, mithin ob sie insoweit gegebenenfalls unter das Konzept einer drittschützenden Norm im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zu subsumieren wären (vgl. Grüneberg/Sprau, 82. Aufl. 2023, § 823 BGB, Rdnr. 56 bis 59).
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b) Abgesehen davon setzt eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB ein fahrlässiges Verhalten auf Seiten der Beklagten voraus, d.h. eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. BGB). Fahrlässigkeit setzt aber die Erkennbarkeit der sich aus dem jeweiligen Normkontext ergebenden haftungsbegründenden Umstände voraus (BeckOK-Schaub, BGB, Stand: 01.03.2022, § 276 Rn 60; MüK0-Grundmann, BGB, 9. Aufl. 2022, § 276 Rn 68). Mindestens wäre erforderlich, dass bei gehöriger Sorgfalt der mögliche Eintritt des schädigenden Erfolgs hätte vorausgesehen und verhindert werden können (Grüneberg-Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 276 Rn 13).
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D.h. für die bei der Beklagten Handelnden müsste bei dem Einsatz und der Programmierung des streitgegenständlichen Thermofensters erkennbar gewesen sein, dass das konkrete Thermofenster nicht gesetzeskonform gewesen wäre. Jedoch hat das KBA dieses bis heute nicht beanstandet, obwohl diesem die grundsätzliche Funktionsweise des Thermofensters seit Jahren bekannt ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13.01.2023 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4907).
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Für ein fahrlässiges Verhalten der Beklagten spricht auch kein Anscheinsbeweis. Ein solcher wird nur angenommen, wenn das Schutzgesetz das geforderte Verhalten bereits so konkret umschreibt, dass mit der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der Schluss auf einen subjektiven Schuldvorwurf naheliegt, etwa durch eine allgemein anerkannte Regel der Technik (BGH, Urteil vom 19.11.1991, VI ZR 171/91; BGH, Beschluss vom 17.01.1984, VI ZR 35/83; Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 823 Rn 81). Dies ist hier nicht der Fall.
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3. Auch die Ausführungen der Beklagtenpartei im Schriftsatz vom 21.03.2023 zu einem nunmehr eingeleiteten Anhörungsverfahrens durch das KBA geben zu keiner Änderung der rechtlichen Einschätzung Anlass.
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Das KBA leitete nunmehr im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 14.07.2022 – C-134/20, wonach eine zulässige Abschaltung unter den im Unionsgebiet herrschenden Fahrbedingungen nicht während des überwiegenden Teils eines Jahres aktiv sein darf, ein Anhörungsverfahren ein. Das KBA begründete dieses allein damit, dass unter Berücksichtung der vorgenannten EuGH-Rechtsprechung vorläufig die Möglichkeit bestünde, dass die im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp verbaute temperaturabhängige Abgasrückführung ohne Durchführung der Maßnahme eine unzulässige Emissionsstrategie nach Art. Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstellen könnte. Das KBA hat damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass es die Thermofenster aus Motorschutzgründen nicht mehr für erforderlich halten würde. Das Ergebnis der neuerlichen Untersuchungen ist zudem weiterhin offen und lässt auch keine Rückschlüsse auf die Erkennbarkeit einer etwaigen Unzulässigkeit des Thermofensters für die Beklagte zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn.16).
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4. Der Senat sieht eine Aussetzung des Verfahrens entsprechend § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache VIa ZR 335/21 als nicht veranlasst an. Die diesbezüglich mit Schriftsatz der Klagepartei vom 28.03.2022 erfolgte Anregung auf Aussetzung des Verfahrens wird daher nicht Folge geleistet.
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Die im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens erforderliche Abwägung zwischen einerseits den Erfolgsaussichten des anderen Verfahrens (vgl. BGH NJW-RR 1992, 1149 (1150); OLG München, BeckRS 2022, 23404; OLG Bamberg, BeckRS 2022, 23415; Zöller/Greger, 34. Aufl. 2022, § 148 ZPO, Rn. 7; vgl. auch Skarnel, NJW 2015, 2460 (2463); BeckOK ZPO/Wendtland, 47. Ed. 1.12.2022, § 148 ZPO, Rn. 13) und andererseits der mit der Aussetzung eintretenden Verfahrensverzögerung führt zu dem Ergebnis, dass eine Verfahrensaussetzung unterbleibt.
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Der Senat geht gerade nicht davon aus, dass die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-100/21 Auswirkungen auf die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben wird. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
32
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
33
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der § 3 ZPO, §§ 47, 48 GKG bestimmt.