Titel:
Zu den Voraussetzungen für die Ablehnung von (Hilfs-)Beweisanträgen und zur Eignung einer Äußerung zur öffentlichen Friedensstörung iSd § 130 Abs. 3 StGB
Normenketten:
StPO § 244 Abs. 3 S. 1, S. 3 Nr. 6
StGB § 130 Abs. 3
Leitsätze:
1. Der Tatrichter ist nicht gehindert, über einen Hilfsbeweisantrag durch Beschluss im Rahmen der Hauptverhandlung zu entscheiden. Es gelten dann allerdings die Anforderungen des § 244 Abs. 3 StPO. (Rn. 3) (red. LS Alexander Kalomiris)
2. Der Tatrichter ist auch bei Ablehnung eines Beweisantrages nach § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO weder gehalten, die als wahr unterstellte Tatsache nach Abschluss der Beweisaufnahme und nach Urteilsberatung im Urteil noch als bedeutsam anzusehen noch sich mit ihr in den Urteilsgründen auseinanderzusetzen. Letzteres ist nur erforderlich, wenn die übrigen Feststellungen dazu drängen. (Rn. 6) (red. LS Alexander Kalomiris)
3. Es fehlt an einer bestimmt behaupteten konkreten Tatsache (§ 244 Abs. 3 S. 1 StPO nF), wenn die unmittelbare oder argumentative Bedeutung der Beweisbehauptung zweifelhaft bleibt, etwa weil der Bezug zum Tatvorwurf fehlt. Das Revisionsvorbringen kann zur Auslegung des Antrags nicht herangezogen werden. (Rn. 8) (red. LS Alexander Kalomiris)
4. Eine Eignung zur öffentlichen Friedensstörung ist jedenfalls gegeben, wenn über eine etwaige Vergiftung des geistigen oder politischen Klimas hinaus angesichts verstärkter antisemitischer Tendenzen die Gefahr besteht, dass sich bei den in Deutschland lebenden Nachfahren der Opfer des Holocaust ein Klima der Angst und Verunsicherung verbreite, wenn der Holocaust zum austauschbaren Vergleichsobjekt für unliebsame und als belastend empfundene Maßnahmen degradiert werde. Dies gilt erst recht, wenn eine solche Gefahr besteht, weil der Holocaust (wie hier) ins Lächerliche gezogen wird. Nicht entscheidend ist hierbei, ob der Angeklagte tatsächlich einen rechtsextremen Hintergrund hat oder der Name der gegenständlichen Chat-Gruppe auf solches hindeutet. (Rn. 21) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Hilfsbeweisantrag, Ablehnung in der Hauptverhandlung, Wahrunterstellung, Erwähnung in den Urteilsgründen, Bedeutung der Beweisbehauptung, Bezug zum Tatvorwurf, Beweisantrag, Eignung zur öffentlichen Friedensstörung, Holocaust, ins Lächerliche ziehen, rechtsextremer Hintergrund
Vorinstanzen:
LG München I, Urteil vom 24.11.2022 – 18 Ns 112 Js 213900/21
AG München, Urteil vom 06.07.2022 – 815 Cs 112 Js 213900/21
Fundstellen:
StV 2024, 353
BeckRS 2023, 7100
Tenor
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 24. November 2022 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
1
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revision hat keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Zum Revisionsvorbringen (einschließlich desjenigen im Schriftsatz vom 11. April 2023) sind folgende Bemerkungen veranlasst:
2
a) Die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 StPO bezüglich des Beweisantrages Nr. 2/1-3 ist jedenfalls unbegründet.
3
aa) Zunächst ist festzuhalten, dass das Landgericht nicht gehindert war, über diesen Antrag durch Beschluss im Rahmen der Hauptverhandlung zu entscheiden, obwohl es sich hierbei um einen Hilfsbeweisantrag handelte, der auch in den Urteilsgründen verbeschieden hätte werden können (BGH, NJW 1983, 2396, 2397; Krehl in: Karlsruher Kommentar zur StPO (KK-StPO), 9. Aufl., § 244 Rdn. 93; Trüg/Habetha in Münchener Kommentar zur StPO (MK-StPO), 1. Aufl., § 244 Rdn. 161). Es gelten dann allerdings die Anforderungen des § 244 Abs. 3 StPO (BGH aaO).
4
bb) Entgegen der Auffassung der Revision liegt ein Verstoß gegen die vom Landgericht angenommene Wahrunterstellung (§ 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO) nicht vor.
5
Beweisthema des gestellten Beweisantrags war zum einen nicht die unmittelbar beweiserhebliche Tatsache, ob der Angeklagte die gegenständlichen Nachrichten versandt hat, sondern nur, ob bei dem Telemediendienst WhatsApp mehrere Geräte gleichzeitig verknüpft und verwendet werden können und ob es technisch ausgeschlossen ist, den tatsächlichen Nutzer des jeweiligen Gerätes zu identifizieren. Bei ersterer Tatsache handelte es sich nämlich lediglich um das Beweisziel, das nicht von der Wahrunterstellung erfasst wurde. Das Gericht ist auch bei wahr unterstellten Tatsachen nicht genötigt, aus diesen die von der Verteidigung gewünschte Schlüsse zu ziehen (BGH, Beschluss vom 28.08.2019, 4 StR 199/19, BeckRS 2019, 28030). Ein Verstoß gegen die Wahrunterstellung liegt demnach nicht bereits darin, dass das Berufungsgericht von einem Versenden der Nachrichten durch den Angeklagten ausging.
6
Es verhilft der Revision aber auch nicht zum Erfolg, dass die Kammer den als wahr unterstellten Sachverhalt im Urteil nicht ausdrücklich bei der Bewertung der Urheberschaft der gegenständlichen Nachrichten gewürdigt hat. Zwar dürfen nur zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses erhebliche Tatsachen, die zu Gunsten des Angeklagten wirken, als wahr unterstellt werden (BGH, Urteil vom 28.02.2013, 4 StR 357/12, NStZ 2013, 538, 539 und nun ausdrücklich § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 6 StPO n. F.). Die abschließende Bewertung der Frage der Urheberschaft der Nachrichten war jedoch Sache der Strafkammer im Wege der im Rahmen der Beweiswürdigung nach Abschluss der Beweisaufnahme vorgenommenen Gesamtabwägung. Sie ist dabei weder gehalten, die als wahr unterstellte Tatsache nach Abschluss der Beweisaufnahme und nach Urteilsberatung im Urteil noch als bedeutsam anzusehen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 23.07.2008, 5 StR 285/08, BeckRS 2008, 15351; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., 244 Rdn. 68) noch sich mit ihr in den Urteilsgründen auseinanderzusetzen (BGH, Beschluss vom 04.02.2020, 3 StR 313/19, zitiert nach juris, dort Rdn. 7). Letzteres ist nur erforderlich, wenn die übrigen Feststellungen dazu drängen (BGH vom 04.02.2020 aaO; Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 244 Rn. 70 m. w. N.), was hier nicht der Fall war, wie sich bei der Gesamtbetrachtung der sorgfältigen Beweiswürdigung (UA S. 11-13) ergibt. Die Kammer hat dem Umstand, ob es technisch möglich ist, den Nutzer des jeweiligen Gerätes zu identifizieren, angesichts der für eine Urheberschaft der Nachrichten vom Angeklagten sprechenden Indizien somit ersichtlich keine erhebliche Bedeutung für die Zuordnung der Nachrichten beigemessen. Von der als wahr unterstellten Tatsache ist die Kammer dabei aber nicht abgewichen.
7
b) Auch die Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechtes hinsichtlich des Beweisantrages Nr. 2/4 (Erholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis der Tatsache, dass die Zugehörigkeit zu einem WhatsApp-Gruppenchat kein Verhalten des Angeklagten nachweist, darstellt oder voraussetzt) versagt.
8
aa) Eine rechtsfehlerhafte Nichtbeachtung der Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 StPO liegt bereits deshalb nicht vor, weil es sich bei dem gegenständlichen Antrag nicht um einen Beweisantrag, sondern lediglich um eine Beweisanregung handelt. Es fehlt nämlich an einer bestimmt behaupteten konkreten Tatsache (§ 244 Abs. 3 S. 1 StPO n. F.). An der Bestimmtheit der Beweisbehauptung fehlt es, wenn die unmittelbare oder argumentative Bedeutung der Beweisbehauptung zweifelhaft bleibt (vgl. KK-StPO/Krehl aaO § 244 Rdn. 72). Hier bleibt nach Inhalt und Begründung des Antrages unklar, welches „Verhalten“ des Angeklagten gemeint ist und warum dies für den Tatvorwurf von Bedeutung ist. Dass die Revision meint, die Zugehörigkeit zu einer WhatsApp-Gruppe setze keine Anmeldung und damit kein aktives Verhalten voraus, ergibt sich erst aus der Revisionsbegründung (dort S. 31-33) und kann daher zur Auslegung des Antrages nicht herangezogen werden. Allein die unter Sachverständigenbeweis gestellte Behauptung, dass die Zugehörigkeit zu einem WhatsApp-Gruppenchat kein Verhalten des Angeklagten nachweise, darstelle oder voraussetze, ersetzt die bestimmte Behauptung einer konkreten Beweistatsache mangels Bezugs zum Tatvorwurf ebenfalls nicht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 16.02.2021, 4 StR 517/20, zitiert nach juris, dort Rdn. 7).
9
Der Bewertung als Beweisermittlungsantrag steht auch nicht entgegen, dass die Strafkammer den Antrag als Beweisantrag behandelt und unter dieser (hier aber nicht maßgeblichen) Sicht ggf. rechtsfehlerhaft verbeschieden hat (vgl. BGH-Beschlüsse vom 09.08.2006, 1 StR 214/06, und vom 15.05.1996, 1 StR 131/96, je zitiert nach juris; KK-StPO/Krehl aaO § 244 Rdn. 237). Der Senat schließt aus, dass der Angeklagte durch die fehlerhafte Einordnung und Entscheidung seines Beweiserhebungsverlangens in seiner Prozessführung beeinträchtigt war.
10
bb) Deutet man den Revisionsangriff (auch) als eine Behauptung der Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht, so bleibt diese ebenfalls ohne Erfolg, weil das Aufklärungsgebot eine entsprechende Beweisaufnahme nicht nahelegte (vgl. zu diesem Maßstab KK-StPO/Krehl aaO § 244 Rdn. 237 m. w. N.). Dem vorbezeichneten Beweisermittlungsantrag nachzugehen, hatte das Landgericht keinen Anlass, weil nicht ersichtlich ist, warum sich ihm aufgrund der zahlreichen Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten (UA S. 11-13) noch weitere Ermittlungen zur Mitgliedschaft des Angeklagten in der entsprechenden WhatsApp-Gruppe hätten aufdrängen sollen.
11
c) Schließlich führt die Überprüfung von Schuld- und Strafausspruch aufgrund der Sachrüge im Ergebnis nicht zum Erfolg der Revision des Angeklagten.
12
aa) Die Beweiswürdigung ist auch im Übrigen rechtsfehlerfrei. Insbesondere hat das Landgericht mit hinreichender Begründung (S. 12/13) ausgeschlossen, dass andere Personen den Account des Angeklagten zur Tatbegehung genutzt haben. Alternative, für den Angeklagten günstige Geschehensabläufe sind erst dann bedeutsam, wenn für ihr Vorliegen konkrete Anhaltspunkte erbracht sind und sie deshalb nach den gesamten Umständen als möglich in Betracht kommen (BGH, Urteile vom 13.12.2012, 4 StR 177/12, zitiert nach juris, dort Rdn. 11 m. w. N., und vom 19.04.2016, 5 StR 594/15, zitiert nach juris, dort Rdn. 6). Solche konkreten Anhaltspunkte (über die theoretische Möglichkeit hinaus) dafür, dass sein WhatsApp-Account (mit oder ohne seine Zustimmung) nicht durch den Angeklagten allein genutzt worden ist und die streitgegenständliche Tat deshalb von einem (ggf. unbekannten) Dritten begangen worden sein könnte, lassen sich dem bei der Sachrüge allein maßgeblichen Urteil jedoch nicht entnehmen; die Revision trägt sie auch nicht vor.
13
bb) Zwar enthalten die Gründe des angefochtenen Urteils zum Schuldspruch keine zusammenfassende rechtliche Würdigung (UA S. 13). Anhand der getroffenen Feststellungen ist jedoch eine Strafbarkeit nach §§ 86a Abs. 1 und 2, 130 Abs. 3 gegeben. Ergänzend zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 16. März 2023 (dort S. 4) ist hierzu auszuführen:
14
(1) Die Verurteilung (auch) wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 StGB) lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
15
Der Schutzzweck des § 86a StGB besteht in der Abwehr der symbolhaft durch die Verwendung eines Kennzeichens ausgedrückten Wiederbelebung bestimmter Organisationen sowie der symbolhaft gekennzeichneten Wiederbelebung der von solchen Organisationen verfolgten Bestrebungen. Dabei wehrt § 86a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt Gefahren ab, die schon allein mit dem äußeren Erscheinungsbild eines Kennzeichens verbunden sind. Ein Unterstützungswille für die durch das Kennzeichen symbolisierte Organisation muss dabei nicht bestehen. Die Norm verbannt somit die entsprechenden Kennzeichen grundsätzlich aus dem Bild des politischen Lebens und errichtet so ein kommunikatives „Tabu“. Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung in dem Sinne, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet würden (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18.05.2009, 2 BvR 2202/08, juris Rdn. 13). Eine Verurteilung nach § 86a StGB verlangt nicht den Nachweis einer mit der Verwendung der Kennzeichen verbundenen verfassungsfeindlichen Absicht, namentlich den Nachweis einer bekenntnishaften Verwendung des Kennzeichens (BGH, Urteil vom 18.10.1972, 3 StR 1/71 I, juris Rdn. 5) oder ein Verwenden, das nach den Umständen als ein Bekenntnis zu den Zielen der verbotenen Organisation aufgefasst werden kann (BGH aaO Rdn. 7). Ein wie vorliegend verwendetes Kopfbild Adolf Hitlers erfüllt diese Voraussetzungen ohne Weiteres (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 86a Rdn. 5 m. w. N.).
16
Zwar ist eine Überdehnung des Tatbestands dadurch zu vermeiden, dass sie eine solche Kennzeichenverwendung vom Tatbestand ausschließt, die dem Schutzzweck ersichtlich nicht zuwiderläuft (BGH aaO Rdn. 9). Dass die Art der Verwendung selbst eine nachdrückliche Ablehnung des nationalsozialistischen Regimes zum Ausdruck gebracht hätte (vgl. dazu z. B. BGH, Urteil vom 15.03.2007, 3 StR 486/06, juris), ist hier jedoch in keiner Weise erkennbar. Sind die äußeren Umstände nicht eindeutig, so ist der objektive Tatbestand der Norm erfüllt (BGH, Beschluss vom 01.10.2008, 3 StR 164/08, juris Rdn. 29; OLG Braunschweig, Urteil vom 05.10.2022, 1 Ss 34/22, juris Rdn. 23); ist der Aussagegehalt einer Darstellung mehrdeutig oder die Gegnerschaft nur undeutlich erkennbar, ist der Schutzzweck des § 86 a StGB verletzt (BayObLG, Urteil vom 07.10.2022, 202 StRR 90/22, juris Rdn. 16).
17
(2) Auch der Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB (den die Kammer jedenfalls auch nennt und von dessen Strafrahmen sie ausgeht) ist auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts erfüllt.
18
(a) Eine „öffentliche“ Äußerung des Angeklagten (vgl. zu den Anforderungen insoweit Sternberg-Lieben/Schittenhelm in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 130 Rd. 22 und Eisele/Schittenhelm in Schönke/Schröder aaO § 186 Rdn. 19) liegt vor. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht rechtsfehlerfrei eine Mindestgröße der WhatsApp-Gruppe von 80 Personen festgestellt (UA S. 5). Diese Schätzung hat es auf die Angaben des ermittelnden Polizeibeamten gestützt. Es wird von der Revision nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich, warum dies nicht ausreichen sollte. Bei einer potentiellen Kenntnisnahmemöglichkeit durch zumindest 80 Personen ist zweifellos eine „öffentliche“ Weitergabe der gegenständlichen Bilder gegeben.
19
Anderes könnte nach Auffassung des Senates nur dann angenommen werden, wenn es sich um eine Äußerung in einem besonders geschützten Raum gehandelt hätte, also etwa in einer Chatgruppe, die ausschließlich aus engen Verwandten oder Freunden besteht (vgl. zu einem ähnlichen Fall (strafbarer Inhalt in einem Brief) BVerfG, Beschluss vom 17.03.2021, 2 BvR 194/20, zitiert nach juris, dort Rdn. 32ff.). So liegt es hier jedoch nicht, denn zum einen kannte der Angeklagte noch nicht einmal alle Mitglieder der Chatgruppe persönlich, zum anderen hatte er – da er nicht selbst Administrator war – auch keinen Einfluss auf deren Zusammensetzung, so dass er noch nicht einmal genau wusste, wer von den gegenständlichen Stickern zum Zeitpunkt des Postens überhaupt Kenntnis nehmen konnte.
20
(b) Jedenfalls die Tatbestandsvariante des „Verharmlosens“ des Holocausts als Maßnahme im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 1 VStGB ist durch das tateinheitliche Versenden der Bilder erfüllt (UA S. 5). Der Völkermord an der jüdischen Bevölkerung wird nicht nur ins Lächerliche gezogen, sondern die Opfer durch die Gleichsetzung mit Heizmaterial weiter entmenschlicht (vgl. Fischer aaO § 130 Rdn. 31 m. w. N.).
21
(c) Auch die Eignung der Tathandlung zur Friedensstörung liegt vor. Sie liegt aufgrund des Versandes der Bilder in eine größere Chatgruppe bereits nahe. Eine Eignung zur öffentlichen Friedensstörung ist im Übrigen jedenfalls gegeben, wenn über eine etwaige Vergiftung des geistigen oder politischen Klimas hinaus angesichts verstärkter antisemitischer Tendenzen die Gefahr besteht, dass sich bei den in Deutschland lebenden Nachfahren der Opfer des Holocaust ein Klima der Angst und Verunsicherung verbreite, wenn der Holocaust zum austauschbaren Vergleichsobjekt für unliebsame und als belastend empfundene Maßnahmen degradiert werde (Senat, Beschluss vom 12.05.2022, 207 StRR 108/22, n. v.). Dies muss daher erst recht gelten, wenn eine solche Gefahr besteht, weil der Holocaust wie hier ins Lächerliche gezogen wird. Nicht entscheidend ist hierbei – anders als die Revisionsbegründung meint –, ob der Angeklagte tatsächlich einen rechtsextremen Hintergrund hat oder der Name der Chat-Gruppe auf solches hindeutet.
22
(d) Der Bewertung der Versendung der gegenständlichen Sticker als Volksverhetzung stehen schließlich auch keine verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte entgegen. Zwar sind die Äußerungen des Angeklagten, auch soweit sie den Holocaust relativieren und menschenverachtend gegenüber Juden sind, grundsätzlich noch von der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinungsfreiheit gedeckt. Auch scharfe und überzogene, ausländerfeindliche, und selbst rechtsextremistische Äußerungen sind, in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG, verfassungsrechtlich geschützt (BVerfG, NJW 2010, 2193, 2194 Rn. 22), denn die Bürger sind nicht verpflichtet, die Wertsetzung der Verfassung persönlich zu teilen (BVerfG aaO Rn. 24). Die gegenständlichen öffentlichen Äußerungen gehen indessen über die Kundgabe persönlicher Meinungen hinaus und sind sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihrer Form abstrakt geeignet, eine feindselige, hasserfüllte Haltung gegen Juden zu erzeugen. Insoweit findet die Meinungsfreiheit entsprechend Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranke in den allgemeinen Gesetzen, zu welchen auch § 130 StGB gehört (BGH, NStZ 2007, 216).
23
cc) Rechtsfehler der Strafzumessung macht die Revision nicht geltend; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
24
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.