Titel:
Wirksamkeit der Kündigung eines Prämiensparvertrages sowie damit im Zusammenhang stehende Zinsansprüche
Normenketten:
RL 93/13/EWG Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1
BGB § 133, § 157, § 308 Nr. 4
EGBGB Art. 229 § 5 S. 2
Leitsätze:
1. Zunächst wurde eine Sparprämie bis zum 15. Sparjahr versprochen. Ab Erreichen des 15. Sparjahrs waren die Sparverträge nicht automatisch – mit der Folge der Fälligkeit und Rückzahlung der Spareinlagen – beendet, sondern liefen weiter. Es bestand nun vertraglich ein Recht zur ordentlichen Kündigung. Dies entspricht auch einer beiderseits interessengerechten Auslegung der Sparverträge. (Rn. 18 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Sparer kann redlicherweise nicht erwarten, dass ihm mit Abschluss eines Sparvertrags eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die vorzunehmenden Zinsanpassungen beim Sparvertrag sind alleine Referenzzinssätze für langfristige (Spar-)einlagen, die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlicht sind und die Zinsverläufe für vergleichbare Einlagen mit einer (prognostizierten) Laufzeit von 15 Jahren abbilden bzw. diesen möglichst nahekommen, maßgeblich. Eine Zinsanpassung hat konkret nach dem Äquivalenzprinzip bzw. der Verhältnismethode entsprechend der höchstrichterlichen Vorgaben zu erfolgen. (Rn. 25 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prämiensparverträge, Kündigung, Zinsansprüche, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Niedrigzinsumfeld, ergänzende Vertragsauslegung
Vorinstanz:
LG Bamberg, Endurteil vom 18.12.2020 – 11 O 41/20 Fin
Fundstellen:
WM 2023, 766
WuB 2023, 274
LSK 2023, 7039
BeckRS 2023, 7039
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 18.12.2020, Az. 11 O 41/20 Fin, wird das Urteil wie folgt abgeändert und neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, den 5 Prämiensparverträgen mit den Nummern 0001, 0002, 0003, 0004, 0005 (vormals 8001, 8002, 8003, 8004, 8005) durch Nachträge in den Sparkassenbüchern zum jeweils 02.01.2020 ein Guthaben von jeweils weiteren 1.926,00 Euro gutzuschreiben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Prämiensparvertrag Nr. 0006 (vormals 8007) durch Nachtrag in dem Sparkassenbuch zum 02.01.2020 ein Guthaben von weiteren 3.163,00 Euro gutzuschreiben.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt von den Kosten des Rechtsstreits 70% und die Beklagte 30%.
IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wie auch der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils gegnerische Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Kündigung von sechs Prämiensparverträgen sowie um die Zinsansprüche aus diesen Verträgen.
2
Die sechs Verträge wurden am 11.10.1996 geschlossen und als Vertragsbeginn jeweils der 02.11.1996 vereinbart. Der Kläger sollte monatliche Raten in Höhe von fünfmal 150,00 DM (= 79,69 €) und einmal 250 DM (= 127,82 €) auf die Sparkonten einzahlen.
3
Hinsichtlich der Verzinsung war in Ziffer 3. des schriftlichen Sparvertrags vereinbart:
„Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, zur Zeit 3,500%, am Ende eines Kalender-/Sparjahres eine verzinsliche Prämie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils ablaufenden Sparjahres und zwar erstmals am 31.12.1999.“
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Gem. Ziffer 5.2 des Vertrages sollen ergänzend die „derzeit geltenden Bedingungen“ der Beklagten für den Sparverkehr und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Vertragsbestandteil sein.
5
Am 31.12.1999, d.h. nach 3 Jahren, wurde erstmals eine Prämie in Höhe von 3% fällig und von der Beklagten den Konten gutgeschrieben. Die Staffel der Prämien erhöhte sich jeweils bis einschließlich dem 15. Jahr, so die vertragliche Vorgabe, und blieb dann in den Folgejahren konstant. Insgesamt wurde bis zum 20. Jahr die Prämienhöhe aufgeführt und dann für die „Folgejahre“ ebenfalls eine Prämie von 50%.
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Am 19.09.2019 kündigte die Beklagte gegenüber dem Kläger die sechs streitgegenständlichen Prämiensparverträge zum 31.12.2019 mit Einzelschreiben. Als Gründe hierfür wurden jeweils das Erreichen der höchsten Prämienstufe, das Erreichen des höchsten vertraglich angegebenen Laufzeitjahres und die geänderten Rahmenbedingungen durch die anhaltende Niedrigzinsphase genannt.
7
Der Kläger meint, dass die Kündigungen nicht wirksam seien und die Zinsberechnung über die gesamte Laufzeit nicht korrekt.
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Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens sowie der dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des Endurteils des Landgerichts Bamberg vom 18.12.2020 Bezug genommen.
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Das Landgericht Bamberg hat die auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung der Sparverträge sowie auf jeweils weitere Gutschriften gerichtete Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Ein Kündigungsrecht ergebe sich aus Nr. 26 I AGB-Sparkassen. Die Zinsklausel im Sparvertrag sei zwar unwirksam, weil sie eine inhaltlich unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis der Beklagten beschreibe, allerdings hätten sich die Partien nicht anders vereinbart, als die Beklagte schließlich bei ihrer Zinsgestaltung verfahren sei. Außerdem sei ein großer Teil der geltend gemachten Zinsansprüche ohnehin verjährt. Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe im angegriffenen Urteil Bezug genommen.
10
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner zulässigen Berufung, mit der er seine erstinstanzlichen Ziele unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens weiterverfolgt.
11
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz:
Das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 18.12.2020 (Az.: 11 O 41/20 Fin) wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Prämiensparverträge Nr. 0001 (vormals 8001), 0002 (vormals 8002), 0003 (vormals 8003), 0004 (vormals 8004), 0005 (vormals 8005) und 0006 (vormals 8007) durch Schreiben der Beklagten vom jeweils 19.09.2019 unwirksam ist und die Prämiensparverträge ungekündigt fortbestehen.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Prämiensparvertrag Nr. 0001 (vormals 8001) durch Nachtrag in dem Sparkassenbuch zum 02.08.2019 ein Guthaben von weiteren € 3.797,49 gutzuschreiben und die Ermittlung des dem Kläger zustehenden Guthabens ab dem 03.08.2019 auf der Grundlage des Referenzzinses: Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910.R.A.A._Z._Z.A:)(vormals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0001 (vormals 8001) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage des Referenzzinses:
Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910. R.A.A._Z._Z.A:) (vormals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0001 (vormals 8001) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage eines vom Gericht zu bestimmenden Referenzzinses, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Prämiensparvertrag Nr. 0002 (vormals 8002) durch Nachtrag in dem Sparkassenbuch zum 02.08.2019 ein Guthaben von weiteren € 3.797,49 gutzuschreiben und die Ermittlung des dem Kläger zustehenden Guthabens ab dem 03.08.2019 auf der Grundlage des Referenzzinses: Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910.R.A.A._Z._Z.A:)(vor-mals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0002 (vormals 8002) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage des Referenzzinses: Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100. R0910.R.A.A._Z._Z.A:) (vormals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0002 (vormals 8002) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage eines vom Gericht zu bestimmenden Referenzzinses, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist. V.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Prämiensparvertrag Nr. 0003 (vormals 8003) durch Nachtrag in dem Sparkassenbuch zum 02.08.2019 ein Guthaben von weiteren € 3.797,49 gutzuschreiben und die Ermittlung des dem Kläger zustehen-den Guthabens ab dem 03.08.2019 auf der Grundlage des Referenzzinses: Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910.R.A.A._Z._Z.A:)(vor-mals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0003 (vormals 8003) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage des Referenzzinses:
Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100. R0910.R.A.A._Z._Z.A:) (vormals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0003 (vormals 8003) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage eines vom Gericht zu bestimmenden Referenzzinses, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Prämiensparvertrag Nr. 0004 (vormals 8004) durch Nachtrag in dem Sparkassenbuch vom 02.08.2019 ein Guthaben von weiteren € 3.797,49 gutzuschreiben und die Ermittlung des dem Kläger zustehen-den Guthabens ab dem 03.08.2019 auf der Grundlage des Referenzzinses: Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910.R.A.A._Z._Z.A:)(vormals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0004 (vormals 8004) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage eines Referenzzinses: Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100. R0910.R.A.A._Z._Z.A:) (vormals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0004 (vormals 8004) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage eines vom Gericht zu bestimmenden Referenzzinses, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Prämiensparvertrag Nr. 0005 (vormals 8005) durch Nachtrag in dem Sparkassenbuch zum 02.08.2019 ein Guthaben von weiteren € 3.797,49 gutzuschreiben und die Ermittlung des dem Kläger zustehen-den Guthabens ab dem 03.08.2019 auf der Grundlage des Referenzzinses: Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910.R.A.A._Z._Z.A:)(vor-mals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0005 (vormals 8005) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage eines Referenzzinses:
Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100. R0910.R.A.A._Z._Z.A:) (vormals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0005 (vormals 8005) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage eines vom Gericht zu bestimmenden Referenzzinses, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Prämiensparvertrag Nr. 0006 (vormals 8007) durch Nachtrag in dem Sparkassenbuch zum 02.08.2019 ein Guthaben von weiteren € 6.292,94 gutsuchreiben und die Ermittlung des dem Kläger zustehen-den Guthabens ab dem 03.08.2019 auf der Grundlage des Referenzzinses: Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100.R0910.R.A.A._Z._Z.A:)(vor-mals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0006 (vormals 8007) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage des Referenzzinses: Umlaufsrenditen inl. Inhaberschuldverschr./Hypothekenpfandbriefe/RLZ von über 9 bis 10 Jahren (Zeitreihe: BBSIS.M.UMR.RD.EUR.MFISX.B.X100. R0910.R.A.A._Z._Z.A:) (vormals BBK01.WX4260), gleitender Durchschnitt, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist.
Es wird festgestellt, dass die Berechnung des dem Kläger aus dem Prämiensparvertrag Nr. 0006 (vormals 8007) zustehenden Guthabens seit Vertragsbeginn am 02.11.1996 bis zur Beendigung des Sparvertrages auf der Grundlage eines vom Gericht zu bestimmenden Referenzzinses, ohne Anpassungsschwelle und Anpassungszeitraum und unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips, vorzunehmen ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 90,00 nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. X.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.354,30 nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz, die Berufung zurückzuweisen.
12
Sie verteidigt in ihrer Berufungserwiderung das erstinstanzliche Urteil, nimmt zu den Berufungsangriffen Stellung und wiederholt und vertieft ebenfalls ihr Vorbringen.
13
Der Senat hat die Sache mit den Parteien erörtert und sodann Beweis erhoben durch Erholung eines Sachverständigengutachtens.
14
Hinsichtlich des Beweisgegenstandes wird auf den Beweisbeschluss des Senats vom 27.04.2022 Bezug genommen.
15
Der gerichtlich beauftragte Sachverständige Prof. Dr. F. erstattete am 13.07.2022 und am 15.12.2022 ein schriftliches Gutachten bzw. Ergänzungsgutachten. Der Sachverständige Prof. Dr. F. erläuterte in der öffentlichen Sitzung des Senats vom 15.02.2023 sein Gutachten und machte weitere / ergänzende Ausführungen.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Verwiesen wird auch auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen und die Sitzungsniederschriften vom 19.12.2021 und vom 15.02.2023.
17
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
18
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung, dass die streitgegenständliche Prämiensparverträge nicht durch die Kündigung der Beklagten beendet wurden, sondern ungekündigt fortbestehen.
19
Die Beklagte hat die streitgegenständlichen Prämiensparverträge nach Erreichen der höchsten Prämienstufe gem. Nr. 26 Abs. 1 der Sparkassen-AGB aufgrund des Niedrigzinsumfelds ordentlich kündigen dürfen.
20
Die Prämiensparverträge wurden auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine feste Vertragslaufzeit ist in keinem der schriftlichen Verträge vereinbart. Der Kläger behauptet auch keine individuelle Vereinbarung dieser Art.
21
a) Gemäß Nr. 26 Nr. 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann die Beklagte die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus sachgerechtem Grund kündigen, soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregel vereinbart ist. Dieses Kündigungsrecht steht der Beklagten grundsätzlich auch in Bezug auf die streitgegenständlichen Prämiensparverträge zu, da die tatsächlichen Voraussetzungen der Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten in die Geschäftsbeziehung der Parteien unstreitig sind, auch im vorliegenden Vertragsformular (unter Ziffer 5.2) auf die ergänzende Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten hingewiesen wird und der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18, entschieden hat, dass Ziffer 26 Nr. 1 AGB-Sparkassen in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung keinen inhaltlichen Bedenken nach Maßgabe der § 307 BGB unterliegt (BGH, Urteil vom 14.05.2019, Az. XI ZR 345/18, Rn. 34, nach juris), die Klausel auch die Kündigung einzelner Vertragsbeziehungen umfasst (BGH, a.a.O., Rn. 35) und in dem veränderten Zinsumfeld ein sachgerechter Grund zur ordentlichen Kündigung i.S.d. Klausel zu sehen ist (BGH, a.a.O., Rn. 44-46).
22
Dem steht nicht eine Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, namentlich nicht die im Termin vom 15.02.2023 ins Feld geführte Entscheidung vom 08.12.2022, Az. C-625/21, entgegen. Nach diesem Urteil sind Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der RL 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen dahin auszulegen, dass sie, wenn eine Schadensersatzklausel in einem Kaufvertrag für missbräuchlich und folglich nichtig erklärt worden ist, und der Vertrag ohne diese Klausel gleichwohl fortbestehen kann, dem entgegenstehen, dass der gewerbliche Verkäufer, der diese Klausel auferlegt hat, im Rahmen einer Schadensersatzklage, die ausschließlich auf eine dispositive Vorschrift des nationalen Schuldrechts gestützt wird, Schadensersatz – wie er in dieser Vorschrift, die ohne die genannte Klausel anwendbar gewesen wäre, vorgesehen ist – verlangen kann (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022, Tenor zu C-625/21, juris). Die Entscheidung kann schon deshalb nicht greifen, weil Ziffer 26 Nr. 1 AGB-Sparkassen in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung keinen inhaltlichen Bedenken auslöst, damit auch nicht missbräuchlich und nichtig ist und sich die Frage, ob diese Nichtigkeit den gesamten Vertrag erfasst oder in irgend einer Weise der Vertrag nun mit anderen Regeln fortbestehen soll, schon nicht stellt.
23
b) Nach dem Inhalt der Vertragsantragsformulare hat die Beklagte die Zahlung einer Sparprämie lediglich jeweils bis zum 15. Sparjahr versprochen. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Urteil vom 29.03.2022, Az. 14 U 3259/20, zwar die Ansicht vertreten, dieses Abbedingen umfasse sämtliche individuell aufgeführten Jahre, für die die Prämie versprochen wurde, dies wären vorliegend 20 Jahre. Eine Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung kann hier aber unterbleiben, denn hier (wie dort) wurde für 20 Jahre individuell eine Prämie zugeordnet und dann lediglich eine für „FJ“ (= Folgejahre). Vorliegend (aber nicht bei dem vom Oberlandesgericht Nürnberg entschiedenen Fall) liegen mehr als 20 Jahre zwischen dem Vertragsanlauf und der Kündigung.
24
Ab Erreichen des 15. Sparjahrs (und folgt man dem OLG Nürnberg: 20 Sparjahren) waren die Sparverträge zwar nicht automatisch – mit der Folge der Fälligkeit und Rückzahlung der Spareinlagen – beendet, sondern liefen weiter. Nach dem Vertragsinhalt stand der Beklagten aber nun ein Recht zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 I AGB-Sparkassen unter Beachtung der in Nr. 4 S. 1 der Bedingungen für den Sparverkehr geregelten Auslauffrist von drei Monaten zu. Dies entspricht auch einer beiderseits interessengerechten Auslegung der Sparverträge. Der von der Beklagten gesetzte besondere Sparanreiz liegt in erster Linie in der bis zum 15. Sparjahr kontinuierlich steigenden Prämienhöhe. Dagegen kann ein Sparer redlicherweise nicht erwarten, dass ihm mit dem Abschluss des Sparvertrags eine zeitlich unbegrenzte Sparmöglichkeit eröffnet werden soll (so bereits dieser Senat im Urteil vom 19.10.2022, Az.: 8 U 59/22).
25
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gutschrift von je 1.926,00 € aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Prämiensparverträgen mit den Nummern 0001, 0002, 0003 0004 0005 (vormals 8001, 8002, 8003, 8004, 8005) und 3.163,00 € für den Prämiensparvertrag mit der Nummer 0006 (vormals 8006). Ein Anspruch auf höhere Gutschriften, namentlich solche, die auf der Grundlage des Referenzzinses BBK01 Wx4260 zu ermitteln wären, besteht nicht.
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a) Die in dem Prämiensparvertrag enthaltene Formularklausel „Die Spareinlage wird variabel z. Zt. mit 3,500% verzinst“, nach der bei objektiver Auslegung eine Änderung des Zinssatzes mit der Änderung eines Aushangs im Kassenraum der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin in Kraft tritt, ist in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität wegen Verstoßes gegen den nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB anwendbaren § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (BGH, Urt. v. 6.10.2021, Az. XI ZR 234/20, juris Rn. 29 mwN). Denn die Klausel bestimmt bei der gebotenen objektiven Auslegung ein Zinsänderungsrecht der Beklagten, aber keine Voraussetzungen, die für eine Änderung des variablen Zinssatzes vorliegen müssen. Die durch die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel bei gleichzeitiger Wirksamkeit der Vereinbarung über die Variabilität der Zinshöhe entstandene Regelungslücke kann nicht nach § 306 Abs. 2 BGB durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten entsprechend § 315 Abs. 1 BGB oder durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Klägers gemäß § 316 BGB geschlossen werden, da das in der unwirksamen Preisanpassungsklausel enthaltene einseitige Leistungsbestimmungsrecht ersatzlos weggefallen ist (BGH, aaO Rn. 41 mwN).
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b) Der Senat hat deshalb im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) die maßgeblichen Parameter der Zinsanpassung selbst festzustellen, die in sachlicher Hinsicht (Bindung des Vertragszinssatzes an einen aussagekräftigen Referenzzinssatz, Festlegung der Anpassungsschwelle) und in zeitlicher Hinsicht (Festlegung des Anpassungsintervalls) dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen und dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen müssen. Für die vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung sind die im Vertrag enthaltenen Bedingungen maßgebend. Zu diesen gehören die von der Klägerin in einem monatlichen Rhythmus zu leistende Spareinlage, die variable Verzinsung der Spareinlage, die ab dem dritten Sparjahr der Höhe nach – bis zu 50% ab dem 15. Sparjahr – gestaffelte verzinsliche Prämie auf die Einzahlungen des jeweils abgelaufenen Sparjahres, die für die Klägerin geltende Kündigungsfrist von drei Monaten und der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten nach Nr. 26 AGB-Sparkassen bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe. Für die vorzunehmenden Zinsanpassungen sind alleine Referenzzinssätze für langfristige (Spar-)einlagen, die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlicht sind und die Zinsverläufe für vergleichbare Einlagen mit einer (prognostizierten) Laufzeit von 15 Jahren abbilden bzw. diesen möglichst nahekommen, maßgeblich. Eine Zinsanpassung hat konkret nach dem Äquivalenzprinzip bzw. der Verhältnismethode entsprechend der höchstrichterlichen Vorgaben zu erfolgen (BGH, Urteil vom 06.10.2021, Az.: XI ZR 234/20, Rn. 84 ff. und 93 ff., NJW 2022, 311, 317 bzw. 318; BGH, Urteil vom 24.01.2023, Az.: XI ZR 257/21).
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c) Der Senat hat nach sachverständiger Beratung die Vertragsauslegung durchgeführt und die bei den Prämiensparverträgen jeweils entstandenen Zinslücken geschlossen. Der Senat ist hierbei den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. F. (TU …), auf die Bezug genommen wird, gefolgt und hat nach eigener Überzeugungsbildung das im Gutachten als „Variante V“ bezeichnete Verfahren, welches nicht auf den Kapitalmarktzins direkt abstellt, sondern sich auf den Spareinlagenzins fokussiert (in der Tabelle zur konkreten Berechnung: „E: Spareinlagenzins“; Verfahren entwickelt von Professor G.), gewählt. Professor G. verwendet veröffentlichte Spareinlagenzinsreihen (statt Kapitalmarktzinsreihen) zur Bestimmung von Referenzzinsen. Die Beklagte steht in Konkurrenz zu Wettbewerbern und es erscheint deshalb recht und billig, dass die Höhe des variablen Zinses in der Phase, in der der Sparer mit Blick auf die gestaffelten Prämien zur Fortführung des Sparvertrags einen Anreiz hat, in etwa in Relation zu dem von Wettbewerbern jeweils gezahlten Zins gehalten wird. Diese Sicht ist für den Sparer nachvollziehbar und geht von seiner Betrachtung und seinen Interessen aus. Der Senat hat durchaus auch die „Variante D“ ernsthaft in Erwägung gezogen. Die Variabilität an dem Kapitalmarkt selbst und / oder der Marge der Bank auszurichten (so die „Variante D“) widerspiegelt eher die Sicht der Bank. Der Senat geht im Rahmen der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens / der ergänzenden Vertragsauslegung davon aus, dass die Beklagte – so sie die Problematik ihrer Vorgehensweise, im Rahmen der Variabilität auf keinen Referenzzinssatz abzustellen, erkannt hätte – sich auch auf die Zinsreihe, die stärker an der Interessenlage des Sparers anknüpft, eingelassen hätte. Denn die Wahl der „Variante E“ (statt der „Variante D“) benachteiligt die Sparkasse wirtschaftlich – so der Sachverständige – nicht. Im Ergebnis unterscheiden sich die Berechnungen bei der Variante D und der Variante E nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. zwar im Einzelfall nicht unerheblich, im Durchschnitt, d.h. auf der Basis vieler Fälle / Startzeitpunkten, aber [fast] nicht. Auf diesem Erkenntnisstand, nämlich dass die Ertragserwartung auf lange Sicht nicht davon abhängt, welche der beiden bezeichneten Varianten zur Ausgestaltung der Zinsvariabilität sie wählt, hätte auch die Beklagte zu der „Variante E“ tendiert. Indem sie nämlich an die Perspektive und die Interessenlage des Kunden anknüpft, erhöht sie auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde/Sparer eine solche Ausgestaltung der Zinsvariabilität akzeptiert. Darin liegt für sie ein Vorteil, der nicht mit einem Nachteil für ihre Kunden verbunden ist.
29
Der im Privatgutachten der Verbraucherzentrale verwendete Referenzzins BBK01 Wx4260 gleitend ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen hingegen nicht als Berechnungsgrundlage geeignet, da die zugrundeliegende Datenbasis „inländische Inhaberschuldverschreibungen/ Hypothekenpfandbriefe“ wirtschaftlich nichts mit Sparverträgen zu tun hat. Die Rendite von Pfandbriefen ist regelmäßig höher als bei einlagegesicherten Sparbriefen einer Sparkasse. Der Sachverständige Professor Dr. F. hat dem Senat auch im Rahmen seiner mündlichen Anhörung sehr plastisch dargestellt, dass und warum eine Spareinlage der streitgegenständlichen Art nicht mit Pfandbriefen verglichen werden kann. Das Risiko und damit auch der Risikoaufschlag bei Pfandbriefen sei nicht unerheblich. Der Kläger hatte sich dazu entschlossen, derartige Risiken zu meiden und entsprechende eine niedrigere Rendite in Kauf genommen. Das darf auch über die Laufzeit der Prämiensparverträge im Rahmen der Zinsanpassung nicht verwischt werden.
30
Dass im Parallelverfahren des Oberlandesgerichts Dresden im Urteil vom 13.04.2022, Az. 5 U 1973/20, sachverständig beraten eine andere Zinsreihe (Referenzzinssatz: die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinsreihe der Ist-Zinssätze des Kapitalmarktes für börsennotierte Bundeswertpapiere mit 8 bis 15-jähriger Restlaufzeit, Monatswerte) verwendet wurde, ist auch im Hinblick auf die Frage einer Revisionszulassung ohne Belang, da es sich um eine tatsächliche, und keine rechtliche Frage handelt. Dort wie hier hat ein Senat nach Beweisaufnahme in Übereinstimmung mit den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien sich um eine ergänzende Vertragsauslegung bemüht und nach eigener Überzeugungsbildung entschieden.
31
d) In Anwendung der „Verfahren/Variante E“ bzw. „E: Spareinlagenzins“ ergibt sich nach dem schriftlichen Gutachten ein Anspruch des Klägers zur Gutschrift noch folgender Beträge:
- für die Prämiensparverträge mit den Nummern 0001, 0002, 0003 0004 0005 (vormals 8001, 8002, 8003, 8005) ein jeweils von der Beklagten noch zu erbringender Zinsbetrag von 1.920,00 €;
- für den Prämiensparvertrag mit der Nummer 0006 (vormals 8006) ein noch zu erbringender Zinsbetrag von 3.151,00 €.
32
Diese Beträge sind, wie in der Verhandlung vom 15.02.2023 herausgearbeitet wurde, nach weiteren Einzahlungen des Klägers, wobei beide Seiten von einer entsprechenden (Netto-) Gutschrift und Zinsgutschriften entsprechend der Berechnungsmethode der Beklagten ausgehen, um (fünfmal) 6 € und (einmal) 12 € zu erhöhen. Die Parteien erzielten über diese Erhöhungsbeträge Einigkeit (vgl. dazu: Sitzungsniederschrift vom 15.02.2023, Seite 7 oben).
33
Somit ergibt sich für die Prämiensparverträge mit den Nrn. 0001, 0002, 0003 0004 0005 jeweils eine zum Fälligkeitstag (Kündigung zum 31.12.2019; nächster Werktag 02.01.2020) vorzunehmende (weitere) Gutschrift in Höhe von 1.926 € und für den Prämiensparvertrag mit der Nr. 0006 eine in Höhe von 3.163 €.
34
3. Eine (Teil-) Verjährung liegt nicht vor, da der Anspruch auf Zahlung weiterer Zinsbeträge aus den beendeten Prämiensparverträgen erst mit Vertragsbeendigung fällig geworden ist (BGH, Urteil vom 06.10.2021, Az.: XI ZR 234/20, Rn. 60). Eine Verwirkung kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil es jedenfalls am Umstandsmoment fehlt.
35
4. Aus der vorprozessualen erheblichen Zuvielforderung des Klägers, dies zudem auf der Basis einer nicht vertragskonformen Berechnung der Verbraucherzentrale, kann dieser keine Rechte herleiten. Auch durch die Beklagte war eine Ermittlung des wirklich geschuldeten Leistungsumfangs nicht zuverlässig möglich (Lorenz in BeckOK BGB, 64. Edition, Stand 01.11.2022, § 286 BGB, Rn. 28; BGH, Urteil vom 13.11.1990, Az.: XI ZR 217/89, NJW 1991, 1286, 1288).
36
Damit besteht kein Anspruch auf vorgerichtliche Sachverständigenkosten und auch nicht auf Zahlung / Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
37
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
38
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
39
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder 2. die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Der Bundesgerichtshof hat bereits die grundlegenden Rechtsfragen geklärt. Der Bundesgerichtshof hat keine Aussage dazu getroffen, welche konkrete Zinsreihe dem Willen der Parteien am ehesten abbildet. Das ist auch nicht zu erwarten, da es sich um keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage handelt.