Titel:
Keine Haftung des Automobilherstellers gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen Verwendung eines Thermofensters
Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826, § 831
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei einer nicht prüfstandbezogenen Abschaltvorrichtung, mag sie auch unzulässig sein, kommt eine Sittenwidrigkeit nur in Betracht, wenn über die bloße Kenntnis von der Verwendung des genannten Systems mit der in Rede stehenden Funktionsweise in dem betreffenden Motor auch Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass dieses von Seiten des Herstellers in dem Bewusstsein geschah, möglicherweise gegen gesetzliche Vorschriften zu verstoßen und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unabhängig von der Frage, ob die Vorschriften der RL 2007/46/EG bzw. die zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen § 6 und § 27 EG-FGV auch drittschützend sind, ist die Rückabwicklung eines angeblich ungewollten Vertrags nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nicht vom Schutzzweck des Typgenehmigungsrechts erfasst. Neben weiteren Voraussetzungen kommt es für einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB nämlich darauf an, dass sich im konkreten Schaden die Gefahr verwirklicht hat, vor der die betreffende Norm schützen sollte. Das wirtschaftliche Selbstbestimmungsinteresse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im sachlichen Aufgabenbereich der Vorschriften des Typgenehmigungsrechts bzw. des deutschen Umsetzungsrechts. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2023 ergibt sich nichts anderes. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bezüglich des sog. Thermofensters fehlt es am gemäß § 823 Abs. 2 BGB erforderlichen Verschulden des Herstellers. Fahrlässigkeit hinsichtlich eines Verstoßes gegen drittschützende Normen kann nicht festgestellt werden. Das Kraftfahrt-Bundesamt ist gemäß § 2 Abs. 1 EG-FGV in Verbindung mit Art. 3 Nr. 29 und Art. 4 Abs. 4 und Abs. 2 der RL 2007/46/EG diejenige Behörde, die in Deutschland für die Einhaltung der unionsrechtlichen Vorgaben zu sorgen hat. Hätte der Hersteller das Kraftfahrt-Bundesamt um entsprechende Auskunft gebeten, hätte das Kraftfahrt-Bundesamt die Verwendung des Thermofensters nicht als unzulässig beurteilt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
EA 896 Gen2, Warmlaufschaltprogramm, Thermofenster, unzulässige Abschalteinrichtung, Schutzgesetz
Vorinstanz:
LG Augsburg, Urteil vom 25.10.2022 – 012 O 4515/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6956
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 25.10.2022, Aktenzeichen 012 O 4515/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 19.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Diesel-Pkws.
2
Der Kläger erwarb am 13.04.2015 bei der ... GmbH, ... ein Fahrzeug Audi A6 Avant 3.0l V6 DPF quattro, Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN): ... Getriebevariante DL501, Datum der Erstzulassung: 02.01.2012, Kilometerstand bei Erwerb: 78.380 km, ausgestattet mit einem Dieselmotor (Monoturbo) des Typs EA896Gen2 (150 kW / 204 PS, Abgasnorm: EU5), zum Preis von 29.773,00 € brutto (Anlage K 1).
3
Im Übrigen wird hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge erster Instanz auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Augsburg vom 25.10.2022, Az. 012 O 4515/21, Bezug genommen.
4
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
5
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es auf Basis des klägerischen Vortrags mangels greifbarer Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht darauf zu schließen vermocht habe, dass die Beklagte vorsätzlich sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB gehandelt habe.
6
Gegen dieses, dem Kläger am 25.10.2022 zugestellte Urteil des Landgerichts Augsburg vom 25.10.2022, Az. 012 O 4515/21, richtet sich die mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 15.11.2022, eingegangen am 15.11.2022, eingelegte Berufung des Klägers, der in der Berufungsinstanz unter Abänderung des Urteils des Landgerichts beantragt zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 16.997,42 € (Kaufpreis abzüglich der Nutzungsentschädigung mit Kilometerstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz) abzüglich einer weiter zu berechnenden vom Gericht auf Basis einer Gesamtlaufleistung von zumindest 350.000 km zu schätzenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs unter Zugrundelegung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
- aus 17.538,03 € vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit bis zum 14.10.2022, und
- aus 16.997,42 € ab dem 15.10.2022 zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A6 mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ...
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu Ziffer 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Kosten für die Rechtsverfolgung in Höhe von 1.214,99 € freizustellen.
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Im Übrigen hat der Kläger den Rechtsstreit unter Verwahrung gegen die Kostenlast für erledigt erklärt.
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Zur Begründung seines Rechtsmittels führt der Kläger im Wesentlichen aus, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft die Klage abgewiesen und einen Anspruch des Klägers aus § 826 BGB zu Unrecht verneint.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 17.01.2023 (Bl. 324 – 363 d. A.) Bezug genommen.
10
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz,
die Berufung zurückzuweisen.
11
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 15.02.2023 (Bl. 388 – 392 d. A.) zum Senatsbeschluss vom 25.01.2023 Stellung genommen.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 25.10.2022, Aktenzeichen 012 O 4515/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 25.01.2023 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug genommen wird.
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Die Anträge des Klägers haben keinen Erfolg. Der fristgerechte Schriftsatz des Klägers vom 28.03.2023 enthält keine neuen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Der Senat hat das Vorbringen des Klägers zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen (vgl. BVerfG, NJW 2021, 3525 Rn. 13; BGH, NZG 2022, 1255 Rn. 8; BayObLG, Beschluss vom 16.02.2022 – 101 Sch 60/21, BeckRS 2022, 2046 Rn. 50) und – soweit das Vorbingen zentrale Frage des Verfahrens betrifft – in den Gründen des Hinweisbeschlusses beschieden (vgl. BGH, Beschluss vom 01.02.2023 – VII ZR 882/21, BeckRS 2023, 3155 Rn. 11). Er hat die Angriffe der Berufung in vollem Umfang geprüft, aber die Beanstandungen sämtlich für nicht durchgreifend erachtet. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet den Senat dazu, den gesamten Vortrag einer Prozesspartei zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er begründet aber keine Pflicht des Gerichts, bei der Würdigung des Sachverhalts und der Rechtslage der Auffassung eines Beteiligten zu folgen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.08.2013 – 2 BvR 2660/06, 2 BvR 487/07, BeckRS 2013, 55213 Rn. 67; BGH, Beschluss vom 20.01.2021 – III ZR 160/19, BeckRS 2021, 1265 Rn. 2; BGH, Beschluss vom 12.01.2017 – III ZR 140/15, BeckRS 2017, 100836 Rn. 2). Soweit der Kläger der rechtlichen Einschätzung des Senats im Hinweisbeschluss vom 25.01.2023 mit rechtlichen Ausführungen entgegentreten ist (vgl. BGH, ZfBR 2022, 356 Rn. 7 ff.; BGH, NJW-RR 2021, 1507 Rn. 12 ff.; BGH, NJW 2020, 1740 Rn. 16), ist unter Berücksichtigung des Umstands, dass es nicht erforderlich ist, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen einer Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, NJW 1997, 2310, 2312; BGH, Beschluss vom 20.09.2021 – IX ZR 46/19, BeckRS 2021, 31643 Rn. 1), deshalb lediglich ergänzend auszuführen wie folgt:
„1. Ein sittenwidriges Vorgehen der Beklagten kommt in Betracht, wenn deren verfassungsmäßig berufene Vertreter zumindest wussten, dass die Motoren des streitgegenständlichen Typs mit einer auf arglistige Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts abzielenden Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstandes mit diesem Motor versahen und in den Verkehr brachten (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2021 – VI ZR 875/20, BeckRS 2021, 44363 Rn. 11). Zwar kann bei Vorliegen weiterer Umstände auch die Funktionsweise einer Abschalteinrichtung, wenn sie nicht prüfstandsbezogen ist, Rückschlüsse auf eine als sittenwidrig zu bewertende Täuschungsabsicht der Beklagten zulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 19). Umstände, die auf eine sittenwidrige Bewusstseinslage der Beklagten schließen ließen, werden vorliegend aber vom Kläger weder dargelegt noch sind diese ersichtlich.
a) Nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag des Klägers verfügt das streitgegenständliche Fahrzeug mit dem Getriebe des Typs DL501 über zwei verschiedene Steuerungsprogramme zur Getriebesteuerung (Dynamisches Schaltprogramm/Warmlaufschaltprogramm). Dafür, dass es sich hierbei um einen dem in Motoren des Typs EA 189 vergleichbaren Umschaltmechanismus handelt, kann aber – wie das Landgericht in den Entscheidungsgründen zutreffend ausgeführt hat – in einer Zusammenschau aller Gesichtspunkte (vgl. BGH, NJW 2021, 1814 Rn. 12; BGH, Urteil vom 21.12.2021 – VI ZR 277/20, BeckRS 2021, 44559 Rn. 8; BGH, NJW 2020, 2798 Rn. 32; HK-BGB/Ansgar Staudinger, 11. Auflage 2021, § 826 Rn. 7) nicht ausgegangen werden. Das Kraftfahrt-Bundesamt vertritt die Auffassung, dass die Schaltpunktsteuerung des automatischen Getriebes nicht Teil des Emissionskontrollsystems sei, da es die Emissionsstrategien des Emissionskontrollsystems nicht berühre. Daher liege schon aus formalen Gründen keine Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 vor.“
15
Zwar vermag die rechtliche Bewertung durch das Kraftfahrt-Bundesamt die Beurteilung, ob eine Abschalteinrichtung nach dem Maßstab des Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. a) VO (EG) 715/2007 zulässig ist, einer eigenständigen zivilrechtlichen Prüfung nicht zu entziehen (vgl. BGH, NJW 2022, 1238 Rn. 79; OLG Brandenburg, Urteil vom 14.07.2022 – 5 U 80/21, BeckRS 2022, 23387 Rn. 37). Die vom Kraftfahrt-Bundesamt vertretene Rechtsauffassung, das Getriebe sei kein Teil des Emissionskontrollsystems und die Programmierung des Automatikgetriebes durch die Beklagte folglich keine Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung, ist aber zumindest nicht unvertretbar (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 14.07.2022 – 5 U 80/21, BeckRS 2022, 23387 Rn. 37). Im Übrigen wurden Fahrzeuge mit einem EA896 VTDI Generation 2 (Monoturbo) EU5-Motor, der unstreitig auch im streitgegenständlichen Fahrzeug des Klägers verbaut ist, vom Kraftfahrt-Bundesamt einer Überprüfung unterzogen, ohne dass es zur Feststellung einer unerlaubten Abschalteinrichtung und zu einem Rückruf kam. Das Kraftfahrt-Bundesamt ist seit Juli 2017 bei Fahrzeugen der Beklagten gezielt dem Verdacht auf unerlaubte Abschalteinrichtungen im Zusammenhang mit dem Warmlaufschaltprogramm nachgegangen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 04.05.2021 3 U 679/20, BeckRS 2021, 44630 Rn. 12). In der Folge hat es aber lediglich bestimmte Fahrzeuge der Typen A7 und A8 mit 3.0 und 4.2 Liter Motoren zurückgerufen, in denen die Automatikgetriebe AL551 und AL951 verbaut sind (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 04.05.2021 – 3 U 679/20, BeckRS 2021, 44630 Rn. 12). Das Fahrzeug des Klägers ist nach dessen Vortrag (vgl. Schriftsatz vom 28.03.2023, S. 2) nicht mit einem Getriebe AL551 oder AL951 ausgestattet, die beide aus der Produktion des Herstellers ZF stammen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 04.05.2021 – 3 U 679/20, BeckRS 2021, 44630 Rn. 12), sondern mit einem Getriebe des Typs DL501. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang den Beweiswert der von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünfte des Kraftfahrt-Bundesamts betreffend den streitgegenständlichen Motortyp in Frage stellt, verhilft dieses der Berufung auch unter Berücksichtigung der Anlage KG 1 sowie des Umstands, dass die Schaltung von automatischen Getrieben im Prüfstandstest nicht reglementiert ist und nach der vom Hersteller vorgesehenen Schaltstrategie erfolgt (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 17.05.2022 – 7 U 180/21, BeckRS 2022, 11199 Rn. 34; OLG Brandenburg, Urteil vom 14.07.2022 – 5 U 80/21, BeckRS 2022, 23387 Rn. 34), in der Gesamtschau nicht zum Erfolg. Amtliche Auskünfte sind ein zulässiges Beweismittel und können ein Sachverständigengutachten ersetzen (vgl. BGH, NJW 1984, 438, 439 f.; BGH, Urteil vom 27.11.1963 – V ZR 6/62, BeckRS 1963, 31189662; Seiler, in: Thomas/Putzo, 43. Auflage 2022, ZPO § 273 Rn. 7; BeckOK ZPO/Bacher, 47. Edition, Stand: 01.12.2022, ZPO § 273 Rn. 8). Liegen dem Gericht für den im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebauten Dieselmotor „amtliche Auskünfte des KBA aus Parallelverfahren vor“, in denen „das KBA explizit erklärt“ hat, „dass der Motor verschiedentlich überprüft und unter keinem Gesichtspunkt beanstandet“ wurde, kommt eine Haftung des Herstellers nach § 826 BGB nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 09.05.2022 – VIa ZR 303/21, BeckRS 2022, 11891).
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Eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB kommt – was hier nicht der Fall ist – nur in Betracht, wenn über die bloße Kenntnis von der Verwendung des genannten Systems mit der in Rede stehenden Funktionsweise in dem streitgegenständlichen Motor auch Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass dieses von Seiten der Beklagten in dem Bewusstsein geschah, möglicherweise gegen gesetzliche Vorschriften zu verstoßen und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde (vgl. BGH, NJW 2021, 1814 Rn. 28; OLG Stuttgart, NZV 2019, 579, 584 f.). Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich nicht aus der Bezugnahme des Klägers auf das OBD-System bzw. der Anlage KG 2, zumal sich die Aussagen im Artikel des Handelsblatts vom 27.09.2019 weder auf das streitgegenständliche Fahrzeug noch auf den in diesem Fahrzeug verbauten Getriebetyp DL501 beziehen. Gleiches gilt für die vom Kläger vorgelegte Anlage BK 2 (Presseveröffentlichung der FAZ vom 05.11.2016), die das – nicht streitgegenständliche – Stufenautomatik-Getriebe mit der Bezeichnung AL551 betrifft. Der u. a. durch Zeugenbeweis erfolgte Beweisantritt des Klägers zur Funktionsweise der Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes, zum Dynamischen Schaltprogramm (DSP) und zum Warmlaufschaltprogramm (mit der Austrittsbedingung Lenkwinkel) sowie zum sog. Thermofenster dient der Ausforschung von Tatsachen, die es ihm erst ermöglichen könnten, die behaupte Billigung/Veranlassung der Verwendung der nach Auffassung des Klägers unzulässigen/prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtungen substantiiert vorzutragen. Für eine Anordnung des Senats gemäß §§ 273 Abs. 2 Nr. 2, 5, 142 Abs. 1 ZPO gegenüber der Beklagten des Inhalts, dass dieser aufgegeben wird, das „Abschlussprotokoll“ der Sommerfahrt mit dem – nicht streigegenständlichen – Audi A8 6,3 FSI zur Akte zu reichen, besteht unter Berücksichtigung insbesondere der DIN EN ISO 9001 als Norm im Qualitätsmanagement und des möglichen Erkenntniswertes und der Verhältnismäßigkeit einer Anordnung, des Umstandes, dass die gesamte Softwareausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs dem Kläger nicht zugänglich ist und unter Beachtung berechtigte Belange des Geheimnisund Persönlichkeitsschutzes der Beklagten kein Anlass. Die pauschale Aufforderung zur Vorlage ganzer Urkundensammlungen ist nach § 142 ZPO unzulässig (vgl. BGH, NJW 2014, 3312 Rn. 28; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO § 142 Rn. 1). Die Urkunde ist – was hier (auch hinsichtlich der in der Gegenerklärung auf S. 34 genannten Unterlagen) nicht der Fall ist – dann konkret benannt, wenn der Antragsteller sie nach Art, Datum und Inhalt zu beschreiben vermag (vgl. Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO § 142 Rn. 1). Eine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweispflichtigen Partei besteht nicht (vgl. BGH, NJW 2007, 155 Rn. 7).
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b) Der Kläger hat auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens zur Präsentation vom 08.12.2009 (vgl. Hinweisbeschluss, S. 14) keinen Vorsatz der Beklagten dargetan. Ein systematisches Vorgehen der organschaftlichen Vertreter der Beklagten ist weder dargelegt noch nachgewiesen. Im Rahmen des § 826 BGB kommt es nicht darauf an, ob die von der Beklagten vorgenommene rechtliche Bewertung richtig ist. Entscheidend ist vielmehr, dass angesichts der vom Kraftfahrt-Bundesamt vertretenen Auffassung ein Vorsatz der für die Beklagte handelnden Personen, mit der konkreten Programmierung der Getriebeschaltpunktsteuerung eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, nicht festgestellt werden kann. Die Schaltung von automatischen Getrieben im Prüfstandstest war zum Zulassungszeitpunkt nicht reglementiert und erfolgte nach der vom Hersteller vorgesehenen Schaltstrategie. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Kunden im Zusammenhang mit dem Abgasverhalten liegt schon deshalb nicht vor, weil die Schaltpunktsteuerung des Automatikgetriebes nach nicht unvertretbarer Auffassung (vgl. Hinweisbeschluss, S. 10) kein Teil des Emissionskontrollsystems ist (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 17.05.2022 – 7 U 180/21, BeckRS 2022, 11199 Rn. 37).
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c) Der Senat hat den Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 28.03.2023 u. a. im Hinblick auf die Anforderungen an die Substantiierungslast und hinsichtlich der Frage der sekundären Darlegungslast nochmals geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Vorliegend fehlt es – wie der Senat im Hinweisbeschluss vom 25.01.2023 (vgl. S. 13 ff.) dargelegt hat – im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs an dem für eine deliktische Haftung notwendigen Schädigungsvorsatz der Beklagten. Dabei ist die Erklärungslast des Gegners in Bestehen und Umfang davon abhängig, wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2022 – VII ZR 327/21, BeckRS 2022, 19588 Rn. 12; BGH, Urteil vom 23.06.2022 – VII ZR 442/21, BeckRS 2022, 19714 Rn. 25). Eine etwaige sekundäre Darlegungslast der Gegenseite setzt voraus, dass der Anspruchsteller zumindest hinreichende, greifbare Anhaltspunkte hierfür dargelegt hat (vgl. OLG München, NJW-RR 2019, 1497, 1500 Rn. 44), d. h. sie kommt erst zum Tragen, wenn – was hier hinsichtlich des Vorliegens der subjektiven Tatbestandsmerkmale auf Seiten der Beklagten nicht gegeben ist – die primär darlegungs- und beweisbelastete Partei Anknüpfungstatsachen schlüssig vorgetragen hat und sich daraus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit ihres Vortrags ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 12.01.2022 – VII ZR 491/21, BeckRS 2022, 6617 Rn. 26; BGH, NJW 2015, 947, 948; OLG Stuttgart, NZV 2019, 579, 586 Rn. 90). In diesem Fall hat der Gegner nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast auf die Behauptungen der darlegungs- und beweisbelastete Partei substanziiert, das heißt mit näheren Angaben zu erwidern, wenn sein Bestreiten nach § 138 Abs. 2 und 3 ZPO beachtlich sein soll (vgl. BGH, Beschluss vom 12.01.2022 – VII ZR 491/21, BeckRS 2022, 6617 Rn. 25; BGH, NJW-RR 2019, 467 Rn. 17 m. w. N.). Die Betroffenheit einer Vielzahl von Fahrzeugen reicht für eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 12.01.2022 – VII ZR 424/21, BeckRS 2022, 7010 Rn. 39). Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des in Anspruch Genommenen, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (vgl. BGH, NJW 2021, 1669 Rn. 27; Zöller/Greger, 34. Auflage 2022, ZPO vor § 284 Rn. 34).
19
d) Soweit der Kläger auf die Frage einer Tatbestandswirkung der EG-Typgenehmigung Bezug nimmt, hat der Senat – anders als dieses der Kläger in seinem Schriftsatz vom 28.03.2023 (dort S. 18 ff.) ausführt – hinsichtlich der Frage eines objektiv sittenwidrigen Handelns der Beklagten nicht auf die Tatbestandswirkung der EG-Typgenehmigung abgestellt (vgl. Hinweisbeschluss, S. 13). Weitere Ausführung insoweit sind daher nicht angezeigt.
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e) Der Umstand, dass die Abgasrückführung im Fahrzeug des Klägers nach seinem Sachvortrag durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems gesteuert ist, die die Abgasreinigung an der Außentemperatur orientiert, reicht – auch wenn zugunsten des Klägers unter Berücksichtigung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2023 (C-100/21, BeckRS 2023, 4652) und vom 14.07.2022 (C-128/20, BeckRS 2022, 16622, C-134/20, BeckRS 2022, 16621, C-145/20, BeckRS 2022, 16620) in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt wird, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist – nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben (vgl. BGH, NJW 2021, 3721 Rn. 15 ff.; BGH, NJW 2021, 921 Rn. 19; BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 286/20, BeckRS 2021, 30338 Rn. 15 ff.; BGH, Urteil vom 20.07.2021 – VI ZR 1154/20, BeckRS 2021, 30885 Rn. 13 und Hinweisbeschluss des Senats, S. 6 f.). Die bloße Feststellung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne der europarechtlichen Vorgaben genügt für eine Haftung nach § 826 BGB nicht. Der insbesondere unter Bezugnahme auf die Anlage BK 1 erfolgte Vortrag des Klägers in seiner Gegenerklärung vom 28.03.2023 rechtfertigt unter Berücksichtigung der dem Senat aus Parallelverfahren bekannten Stellungnahme des Kraftfahrt-Bundesamts zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14.07.2022, demnach die Genehmigungspraxis des Kraftfahrt-Bundesamts die Maßstäbe des Europäischen Gerichtshofs, dass die volle Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems überwiegend gewährleistet sein muss, bereits gewährleistet, keine andere Beurteilung.
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Auch folgen aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters gegenüber dem Kraftfahrt-Bundesamt keine Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein agierten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass ein Fahrzeugtyp, der über eine EG-Typgenehmigung verfügt, mit der dieses Fahrzeug auf der Straße verwendet werden kann, ursprünglich von der Typgenehmigungsbehörde genehmigt worden ist, ohne dass ihr das Vorhandensein einer Motorsteuerungssoftware, die die Abgasrückführung verringert, wenn die Außentemperaturen unter einer gewissen Schwelle liegen (Thermofenster), offenbart wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2023 – C-100/21, BeckRS 2023, 4652 Rn. 83). Dem Kraftfahrt-Bundesamt war aber die Verwendung von Thermofenstern bei allen Herstellern und die in diesem Zusammenhang geführte rechtliche Diskussion um den Motorschutz bekannt. Es war deshalb zu einer Überprüfung des Emissionsverhaltens der Fahrzeuge – gegebenenfalls nach weiteren Rückfragen beim Hersteller – ohne weiteres in der Lage (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2022 – III ZR 205/20, BeckRS 2022, 3677 Rn. 25 m. w. N.). Das Kraftfahrt-Bundesamt hat bereits mehrfach öffentlich mitgeteilt, dass es die geprüften Thermofenster weiterhin aus Motorschutzgründen für erforderlich hält. Dies gilt auch nach dem nicht rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 20.02.2023 3 A 113/18 (vgl. Stellungnahme des Kraftfahrt-Bundesamts zum Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 20.02.2023).
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Vorliegend kann das Verhalten der Beklagten – unabhängig von der Frage der Tatbestandswirkung der EG-Typgenehmigung – bei der gebotenen Gesamtbetrachtung mangels eines objektiv sittenwidriges Handelns mit dem Ziel der Kostensenkung und Gewinnmaximierung nicht einer arglistigen Täuschung der Typgenehmigungsbehörde bzw. des Klägers als Fahrzeugerwerbers gleichgesetzt werden. Es ist weder ein objektiv sittenwidriges noch ein vorsätzliches Handeln der Beklagten dargetan. Der Kläger hat daher mangels täuschungsbedingten Inverkehrbringens des gegenständlichen Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung dem Grunde nach keinen Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB oder im Wege der Wahlfeststellung nach §§ 831, 826 BGB.
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2. Ebenfalls kann der Kläger den geltend gemachten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 31 BGB bzw. § 831 BGB, Art. 5 Abs. 1, 2 i. V. m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007, Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 (EG) Nr. 715/2007 bzw. den §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV herleiten. Dieser Anspruch scheitert jedenfalls neben der fehlenden schlüssigen Darlegung des erforderlichen subjektiven Tatbestandes auch in Ansehung der – nach dem Hinweisbeschluss des Senats vom 25.01.2023 – ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2023 – C-100/21, BeckRS 2023, 4652 in der Sache an dem Umstand, dass dem Kläger aus § 823 Abs. 2 BGB kein Anspruch auf großen Schadensersatz wegen eines ungewollten Vertragsschlusses zusteht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 – 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 20). Gleiches gilt hinsichtlich eines Schadensersatzanspruchs des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 18 Abs. 1 der RL 2007/46/EG. Weder Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 noch §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV dienen dem Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen Fahrzeugerwerbers.
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a) aa) Zwar hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 21.03.2023 – C-100/21, BeckRS 2023, 4652 anerkannt, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs schützen und damit ein Anspruch des Käufers einhergeht, dass das Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2023 – C-100/21, BeckRS 2023, 4652 Rn. 88 f.). Er hat aber nicht festgestellt, dass bereits die Nichterfüllung dieses Anspruchs bei richtlinien- und / oder verordnungsgetreuer Auslegung automatisch einen Schaden darstellt / darstellen muss. Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof nur deutlich gemacht, dass die Mitgliedstaaten vorsehen müssen, dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestatteten Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz durch den Hersteller dieses Fahrzeugs – hier nach § 823 Abs. 2 BGB - hat, soweit dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2023 – C-100/21, BeckRS 2023, 4652 Rn. 91, 95; OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 – 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 22). Entsprechend hat der Europäische Gerichtshof auch ausgeführt, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung u. a. eine Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit hervorrufen kann, das Fahrzeug anzumelden, zu verkaufen oder in Betrieb zu nehmen, und letztlich beim Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Fahrzeugs zu einem Schaden führen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2023 C-100/21, BeckRS 2023, 4652 Rn. 84; OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 – 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 22). Ob und wann im Anwendungsbereich des hier maßgeblichen § 823 Abs. 2 BGB von einem Schaden auszugehen ist, ist eine Frage des deutschen Rechts (vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2023 – C-100/21, BeckRS 2023, 4652 Rn. 92).
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bb) Unabhängig von der Frage, ob die Vorschriften der RL 2007/46/EG bzw. die zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen §§ 6 und 27 EG-FGV auch drittschützend sind, ist die Rückabwicklung eines angeblich ungewollten Vertrags nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nicht vom Schutzzweck des Typgenehmigungsrechts erfasst. Neben weiteren Voraussetzungen kommt es für einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB nämlich darauf an, dass sich im konkreten Schaden die Gefahr verwirklicht hat, vor der die betreffende Norm schützen sollte (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 73; OLG Schleswig, Beschluss vom 18.07.2022 – 7 U 198/21, BeckRS 2022, 18482 Rn. 29). Das wirtschaftliche Selbstbestimmungsinteresse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im sachlichen Aufgabenbereich der Vorschriften des Typgenehmigungsrechts bzw. des deutschen Umsetzungsrechts (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2022 – III ZR 270/20, BeckRS 2022, 10055 Rn. 28; BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 75 f.; OLG Schleswig, Beschluss vom 18.07.2022 – 7 U 198/21, BeckRS 2022, 18482 Rn. 29). Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2023 ergibt sich nichts anderes. Der Europäische Gerichtshof hat nicht festgestellt, dass die vorgenannten Schutzgesetze dem Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen Fahrzeugerwerbers dienen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 – 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 25). Er hat die Vorlagefrage nicht dem Vorschlag des Generalanwalts Rantos (Schlussanträge vom 02.06.2022 – C-100/21, BeckRS 2022, 12232 Rn. 50) folgend dahin beantwortet, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der RL 2007/46 dahin auszulegen sind, dass sie insbesondere das Interesse, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist, schützen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 – 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 25). Schäden, die aus einer ungültigen und auch den Käufer schützenden Übereinstimmungsbescheinigung resultieren – z. B. Schäden aus einer verzögerten Fahrzeugzulassung oder einer konkret drohenden Betriebsuntersagung –, machen Kläger aber regelmäßig nicht geltend, wenn sie behaupten, einen vermeintlich ungewollten Vertrag rückgängig machen zu wollen (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 74 ff.; OLG Schleswig, Beschluss vom 18.07.2022 – 7 U 198/21, BeckRS 2022, 18482 Rn. 29). Da das Kraftfahrt-Bundesamt trotz bereits im Jahre 2015 begonnener umfassender Prüfungen bis heute keinen Anlass für eine Rückrufanordnung des streitgegenständlichen Fahrzeug-/Motortyps oder für einen Widerruf der EG-Typgenehmigung im Hinblick auf das Thermofenster gesehen hat, muss der Senat darüber hinaus davon ausgehen, dass das Fahrzeug des Klägers durchgehend seit dem Kauf nicht von einer solchen Maßnahme bedroht gewesen ist und damit bisher erst recht kein konkreter Schaden im Sinne der Differenzhypothese entstanden ist. Dabei kann dahinstehen, ob diese Haltung des Kraftfahrt-Bundesamts den maßgeblichen Normen nicht gerecht wurde und deshalb rechtswidrig war. Es handelte sich um die Auffassung der zuständigen Genehmigungsbehörde, gegen deren Votum abweichende Betriebsuntersagungen durch die Straßenverkehrsbehörden nicht zu erwarten waren – und sind (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 – 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 28 m. w. N.).
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cc) Unter Berücksichtigung dessen ist dem Kläger kein konkreter Schaden entstanden. Das Fahrzeug des Klägers ist zugelassen und die Betriebserlaubnis nicht wieder entzogen worden. Als verletztes Schutzgut macht der Kläger sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht und damit den Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrags geltend (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 28.03.2023, S. 41). Es ist daher auch im Lichte der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nicht erkennbar, dass im Sinne der Differenzhypothese oder im Wege der normativen Kontrolle der Differenzhypothese im vorliegend betroffenen Schutzbereich des § 823 Abs. 2 BGB die Gewährung großen Schadensersatzes geboten wäre (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 45; OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 – 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 26). Durch eine nach Erteilung der EG-Typgenehmigung entdeckte Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung kann nur eine Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit, das Fahrzeug anzumelden, zu verkaufen oder in Betrieb zu nehmen, bestehen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 – 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 27). Eine solche stellt selbst aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs noch keinen Schaden dar (vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2023 – C-100/21, BeckRS 2023, 4652 Rn. 84). Bejaht wurde lediglich, dass ein individueller Käufer eines Kraftfahrzeugs gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs einen Anspruch darauf hat, dass dieses Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestattet ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2023 – C-100/21, BeckRS 2023, 4652 Rn. 89; OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 – 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 27).
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Auch eine normative Korrektur des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 45; BGH, NJW-RR 2015, 275 Rn. 17 m. w. N.) ist nicht geboten (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 – 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 29 ff.). Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen. Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 46). Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 47; BGH, NJW-RR 2015, 275 Rn. 19).
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Vorliegend hat die Beklagte im Hinblick auf das sog. Thermofenster nicht im Wege einer gezielten Täuschung der Zulassungsbehörde und mittelbar des Klägers vorsätzlich (vgl. Hinweisbeschluss, S. 13 ff.) in dessen allgemeine Handlungsfreiheit eingegriffen. Bei einer (hier nicht einmal fahrlässigen, s. u.) Schutzgesetzverletzung im Anwendungsbereich des § 823 Abs. 2 BGB ist das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht aus den genannten Gründen sachlich nicht betroffen. Haftungsausfüllend ist durch die vom Europäischen Gerichtshof ins Feld geführte „Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit, das Fahrzeug anzumelden, zu verkaufen oder in Betrieb zu nehmen“, (noch) kein Schaden entstanden. Ein abweichendes subjektives Empfinden ist im Hinblick auf die „einfache“ Schutzgesetzverletzung aus Sicht der Verkehrsanschauung nicht maßgeblich. Bei Berücksichtigung aller Umstände ist der Vertragsschluss des Klägers nicht als unvernünftig, nicht als den konkreten Vermögensinteressen unangemessen und damit nicht als nachteilig anzusehen. Vielmehr kann der Kläger – in Unterstellung einer bei ihm vorherrschenden Unsicherheit im Sinne des Europäischen Gerichtshofs – das streitgegenständliche Fahrzeug ungehindert ummelden oder verkaufen; mit einer fehlenden Akzeptanz der Übereinstimmungsbescheinigung im Zuge eines Verkaufs bzw. der Ummeldung des Fahrzeugs ist nicht zu rechnen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2023 – 7 U 113/22, BeckRS 2023, 4904 Rn. 33). Ist das Kraftfahrt-Bundesamt nach zwischenzeitlicher Überprüfung (vgl. hierzu die von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünfte) zu der Erkenntnis gelangt, dass das Klägerfahrzeug nicht über unzulässige Abschalteinrichtungen verfügt, hätte es auch im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses des Klägers keinen emissionsbedingten Rückruf beabsichtigt, wenn diese Untersuchungen damals bereits durchgeführt worden wären (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 26.04.2022 – 25 U 73/21, BeckRS 2022, 42721 Rn. 30). Es bestand daher im Zeitpunkt des Kaufs kein (abstraktes) Risiko eines Widerrufs der Typgenehmigung oder einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung und damit eines Schadens des Klägers, was in der Gesamtschau jeglichen deliktischen Anspruch auf den großen Schadensersatz betrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2023 – VIa ZR 1066/22, Rn. 4, 8). Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, dass ausweislich der Anlage BK 4 und des Schriftsatzes der Beklagten vom 20.03.2023 das Kraftfahrt-Bundesamt der Beklagten zwischenzeitlich mitgeteilt hat, dass allein unter Berücksichtigung des seit dem EuGH-Urteil vom 14.07.2022 neuen Kriteriums, wonach eine zulässige Abschaltung unter den im Unionsgebiet herrschenden tatsächlichen Fahrbedingungen nicht während des überwiegenden Teils eines Jahres aktiv sein darf, vorläufig die Möglichkeit bestünde, dass die im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp verbaute temperaturabhängige Abgasrückführung ohne Durchführung der vom Kraftfahrt-Bundesamt bereits im Jahr 2020 genehmigten technischen Maßnahme eine unzulässige Emissionsstrategie nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstellt und somit eine Abweichung von den Vorschriften des Art. 52 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2018/858 vorliegt, das Kraftfahrt-Bundesamt die Beklagte hierzu anhört (vgl. § 28 VwVfG) und das Kraftfahrt-Bundesamt angekündigt hat, die weitere Eignung der im Jahr 2020 genehmigten Maßnahme zur Emissionsverbesserung durch Aktualisierung des Maßnahmenplans behördlich festzustellen, nachdem das Ergebnis einer solchen Untersuchung offen ist. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.11.2022 – C-873/19, NJW 2022, 3769 und das nicht rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 20.02.2023 (Az. 3 A 113/18) vorträgt, dass das Kraftfahrt-Bundesamt hinsichtlich der Beanstandung der in dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorhandenen, nach Auffassung des Klägers unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht das letzte Wort habe, da Umweltverbände, u. a. die Deutschen Umwelthilfe e. V., infolge des Einsatzes unzulässiger Abschalteinrichtungen auf Aufhebung der EG-Typgenehmigung klagen bzw. einen Anspruch auf behördliches Einschreiten gegen den Fahrzeughersteller einklagen können, dessen Folge ebenfalls der Widerruf der EG-Typgenehmigung sein könne, was faktisch zu einer Stilllegung der betroffenen Fahrzeuge führen würde.
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b) Darüber hinaus fehlt es bezüglich des sog. Thermofensters am gemäß § 823 Abs. 2 BGB erforderlichen Verschulden der Beklagten. Fahrlässigkeit hinsichtlich eines Verstoßes gegen drittschützende Normen kann hier nicht festgestellt werden.
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aa) Maßstab für die Bestimmung der Fahrlässigkeit im Rahmen von § 823 Abs. 2 BGB ist § 276 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, VersR 1968, 378, 379; MüKoBGB/Wagner, 8. Auflage 2020, BGB § 823 Rn. 611). Gemäß dieser Vorschrift handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Welche Sorgfalt jeweils erfordert wird, ist ohne Rücksicht auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Betroffenen nach einem objektiven Maßstab zum Zeitpunkt der Verursachung des Schadens bzw. dem Zeitpunkt, zu dem eine Schadensabwendung in Betracht kam, zu beurteilen (vgl. BGH, NJW 2021, 1818 Rn. 32 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 04.08.2022 – 21 U 106/21, BeckRS 2022, 19655 Rn. 10; Grüneberg/Grüneberg, 82. Auflage 2023, BGB, § 276 Rn. 15 f). Fahrlässigkeit setzt unter anderem die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit voraus. Ein Rechtsirrtum ist nur ganz ausnahmsweise unvermeidbar, wenn der Schuldner nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte. Es genügt zum Beispiel, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde die Rechtsfrage zugunsten des Schuldners beantwortet hätte. In diesem Fall sind auch die sonst zu fordernden Erkundigungen des Schuldners über Bestand und Umfang seiner Verpflichtung entbehrlich und scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Schutzgesetz aus (vgl. BGH, NJW-RR 2017, 1004, 1005; OLG Hamm, Urteil vom 24.06.2022 – 30 U 90/21, BeckRS 2022, 18539 Rn. 66; OLG Hamm, Beschluss vom 04.08.2022 – 21 U 106/21, BeckRS 2022, 19655 Rn. 10).
31
bb) Unter Beachtung dieser Grundsätze hat die Beklagte durch den Einbau eines sog. Thermofensters in das streitgegenständliche Fahrzeug nicht fahrlässig gehandelt. Das Kraftfahrt-Bundesamt ist und war gemäß § 2 Abs. 1 EG-FGV in Verbindung mit Art. 3 Nr. 29 und Art. 4 Abs. 4 und Abs. 2 der RL 2007/46/EG diejenige Behörde, die in Deutschland für die Einhaltung der unionsrechtlichen Vorgaben zu sorgen hat. Hätte die Beklagte das Kraftfahrt-Bundesamt um entsprechende Auskunft gebeten, hätte das Kraftfahrt-Bundesamt das von der Beklagten im Fahrzeug des Klägers verwendeten Thermofenster jedoch nicht als unzulässig beurteilt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 24.06.2022 – 30 U 90/21, BeckRS 2022, 18539 Rn. 65 ff., 69 f.). Dieser Schluss ist im Hinblick auf das Thermofenster schon deshalb gerechtfertigt, weil dem Kraftfahrt-Bundesamt sowohl das Vorhandensein als auch die grundsätzliche Funktionsweise und die in diesem Zusammenhang geführte rechtliche Diskussion um den Motorschutz seit Jahren bekannt ist (vgl. BGH, VersR 2022, 1173 Rn. 25; OLG Hamm, Urteil vom 24.06.2022 – 30 U 90/21, BeckRS 2022, 18539 Rn. 70). Da das Verschulden nach objektiv-normativen Kriterien verkehrskreisbezogen festzustellen ist, ergibt sich eine Bewertung als pflichtwidrig insofern nicht. Der insoweit erfolgte Vortrag des Klägers, dass ausweislich der Angaben des Mitarbeiters des Kraftfahrt-Bundesamts Sven Paeslack vor Ende des Jahres 2014 keinerlei Kommunikation zwischen den Fahrzeugherstellern und dem Kraftfahrt-Bundesamt über die Zulässigkeit des Einsatzes von Abschalteinrichtungen existiert habe (vgl. Protokoll der 12. Sitzung des 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags vom 10.11.2016, S. 63), ist unbehelflich. Denn für die Bestimmung der Fahrlässigkeit im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB ist der Zeitpunkt der Verursachung des Schadens maßgeblich (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, § 276 Rn. 16), also vorliegend der Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch den Kläger, der hier nach Ende des Jahres 2014, nämlich am 13.04.2015 erfolgte. Die vom Kläger in Bezug genommenen Leitlinien der Europäischen Kommission für die Bewertung zusätzlicher Emissionsstrategien und des Vorhandenseins von Abschalteinrichtungen vom 26.01.2017 gebieten keine andere Beurteilung, da die Leitlinien nur dazu dienen, die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu erleichtern, selbst aber rechtlich nicht bindend sind. Der Beweisantritt des Klägers hinsichtlich des von ihm behaupteten Organisationsverschuldens der Beklagten dient ungeachtet der Frage einer (grundsätzlich nicht bestehenden) Garantenstellung der Organe der Beklagten gegenüber dem Kläger zur Verhinderung von Vermögensschäden (vgl. BGH, NJW 2012, 3439) und des Umstands, dass die genaue Beschreibung der Emissionsstrategien im Rahmen der Typgenehmigung erst ab dem 16.05.2016 aufgrund der Verordnung (EU) 2016/46 der Kommission vom 20.04.2016, also nach der Typgenehmigung bzw. Erstzulassung des in Rede stehenden Fahrzeugs gefordert war (vgl. Hinweisbeschluss, S. 12), der Ausforschung von Tatsachen, die es ihm erst ermöglichen könnten, die von ihm behaupteten Organisationsfehler der Beklagten im Bereich der Fahrzeugkonstruktion substantiiert vorzutragen.
32
3. Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz den Rechtsstreit „Im Übrigen“ unter Verwahrung gegen die Kostenlast für erledigt erklärt hat (vgl. Berufungsbegründung, S. 2.), ist hierzu Folgendes festzustellen:
33
Die Berufungsbeklagte hat sich dieser Teilerledigung nicht angeschlossen (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 15.02.2023, S. 2). Nachdem die Klage von vornherein unbegründet war und das Landgericht sie deshalb zu Recht abgewiesen hat, findet auf die somit einseitig gebliebene Teilerledigungserklärung die Vorschrift des § 522 Abs. 2 ZPO Anwendung (vgl. OLG München, NJW 2011, 1088; MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Auflage 2020, ZPO § 522 Rn. 21). Vor diesem Hintergrund hat das Ergebnis des Ersturteils auch insoweit Bestand. Die Berufungsangriffe gehen insgesamt ins Leere.
34
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
35
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
36
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.