Titel:
Unwirksamer Widerruf eines zum Zwecke der Finanzierung eines Fahrzeugkaufs abgeschlossenen Darlehensvertrags
Normenketten:
BGB § 13, § 14 Abs. 1, § 133, § 157, § 305, § 355, § 357, § 491, § 495
VerbrKrRL Art. 14 Abs. 3 lit. b
FernAbsFinDL-RL Art. 7 Abs. 5
Leitsätze:
1. Gemäß § 13 BGB ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen Tätigkeit zugerechnet werden können. Sowohl die gewerbliche als auch die selbständige berufliche Tätigkeit setzen ein selbständiges und planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus, wobei eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Widerrufsrecht kann nicht nur von Gesetzes wegen entstehen, sondern grundsätzlich auch vertraglich festgelegt werden. Danach können Vertragspartner – als Ausprägung der Vertragsfreiheit – ein Widerrufsrecht vertraglich vereinbaren und für die nähere Ausgestaltung sowie die Rechtsfolgen auf die entsprechenden Vorschriften im BGB verweisen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verbraucherdarlehensvertrag, Darlehensvertrag, Darlehensnehmer, Verbrauchereigenschaft, Widerrufsrecht, Rückabwicklungsschuldverhältnis
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 11.03.2022 – 28 O 3108/21
Fundstellen:
WM 2024, 1710
BeckRS 2023, 6796
LSK 2023, 6796
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 11.03.2022, Az. 28 O 3108/21, wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf … € festgesetzt.
Gründe
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines zwischen ihnen zum Zwecke der Finanzierung eines Fahrzeugkaufs geschlossenen Darlehensvertrags.
2
Am 27.01.2017 schlossen die …, …, als „Darlehensnehmer 1 (DN1)“ und die Klägerin als „Darlehensnehmer 2 (DN2)“ mit der Beklagten einen Kreditvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von … € und Zinsen von … € (s. Anlage K 1/B 1; im Folgenden: Darlehensvertrag). Vereinbart wurde ein effektiver Jahreszins von 3,99% p.a. Hiermit wurde der Kauf eines gebraucht erworbenen Pkw, Marke …, Typ …, bei der … GmbH, … (im Folgenden: Kfz-Verkäuferin), finanziert. Der Kaufpreis betrug … €, wobei eine Anzahlung von … € aus Eigenmitteln geleistet wurde. Das Darlehen war in folgenden, jeweils Tilgung und Zins enthaltenden Raten zurückzuzahlen: einer Erstrate von … €, weiteren 46 monatlichen Raten zu je … € und einer Schlussrate von … €.
3
Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Gesellschafterin der … mit einer Beteiligung von 50% und einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin (s. Anlagen R 1, B 2). Die Klägerin unterschrieb den Darlehensvertrag sowohl für sich als auch in Vertretung für die … Für die Klägerin ist im Darlehensvertrag (Anlage K 1/B 1, S. 1) bei Ziffer I „Persönliche Angaben“ unter „Berufsgruppe“ angegeben „Selbständiger“ und als „Arbeitgeber“ wurde „…“ genannt. Unter Ziffer VII „Weitere Erklärungen der Darlehensnehmer“ wurde für „DN 1“ angekreuzt: „Das Darlehen ist für eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit (…) bestimmt.“
4
In der der Klägerin ausgehändigten Widerrufsinformation (Anlage K 1/B 1, S. 7) finden sich u.a. nachfolgende Angaben:
„Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angaben von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“
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Mit Schreiben vom 23.10.2020 (Anlage K 2) widerrief die Klägerin den Darlehensvertrag.
6
Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom 12.11.2020 (Anlage K 3) als zurück. Die Klägerin habe den Darlehensvertrag nicht als Verbraucherin, sondern als Unternehmerin abgeschlossen. Davon unabhängig sei der Widerruf verfristet gewesen.
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Ob der Darlehensvertrag vollständig abgewickelt ist (s. Anlage B 3) oder die Beklagte noch die Schlusszahlung einer Summe von … € von der Klägerin begehrt (s. Anlage BK 1), ist streitig.
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Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie aus dem Darlehensvertrag nicht mehr zur Zahlung von Zinsen und Erbringung von Tilgungsleistungen verpflichtet sei.
9
Das Landgericht wies die Klage mit Urteil vom 11.03.2022 (Bl. 68 ff. d.A.) ab. Die Klägerin habe kein Feststellungsinteresse, da sich die Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung keiner Rechte gegenüber der Klägerin mehr berühmt habe. Abweichendes Vorbringen der Klägerin sei als verspätet zurückzuweisen. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO auf das angegriffene Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
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Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 24.03.2022 (Bl. 82 f. d.A.) eingelegte und mit Schriftsatz vom 07.06.2022 (Bl. 95 ff. d.A.) begründete Berufung der Klägerin.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und zu erkennen wie folgt:
„Es wird festgestellt, dass die primären Leistungspflichten der Klägerin aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 27.07.2017 über … € (Kontonummer: …) zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des erklärten Widerrufs vom 23.10.2020 erloschen sind.“
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Ergänzend und wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 07.06.2022 (Bl. 95 ff. d.A.), die Berufungserwiderung vom 02.08.2022 (Bl. 110 ff. d.A.) sowie die weiteren Schriftsätze der Parteien verwiesen.
14
Der Senat wies mit Hinweisbeschluss vom 09.02.2023 (Bl. 140 ff. d.A.) nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen. Hierzu nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.03.2023 (Bl. 155 ff. d.A.) Stellung.
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Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung der Klägerin offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
17
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts ist jedenfalls im Ergebnis richtig. Dessen Urteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Die Ausführungen der Klagepartei in der Berufungsinstanz vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen, da sie das Ersturteil, auf das Bezug genommen wird, nicht erschüttern.
18
1. Der Klägerin stand kein Widerrufsrecht zu.
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a) Ein gesetzliches Widerrufsrecht folgt nicht aus § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 491 BGB in der vom 21.03.2016 bis 09.06.2017 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.), § 355 BGB.
20
Die Klägerin schloss den Darlehensvertrag nicht als Verbraucherin i.S.v. § 13 BGB ab.
21
§ 495 Abs. 1 BGB gewährt dem Darlehensnehmer nur beim Vorliegen eines Verbraucherdarlehensvertrags ein Widerrufsrecht.
22
aa) aaa) Nach § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen Tätigkeit zugerechnet werden können. Sowohl die gewerbliche als auch die selbständige berufliche Tätigkeit setzen ein selbständiges und planmäßiges, auf gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus, wobei eine Gewinnerzielungsabsicht nicht erforderlich ist (BGH, Urteil v. 18.10.2017, Az. VIII ZR 32/16, Rz. 30; Urteil v. 27.09.2017, Az. VIII ZR 271/16, Rz. 40; Urteil vom 13.03.2013, Az. VIII ZR 186/12, Rz. 18; Urteil v. 29.03.2006, Az. VIII ZR 173/05, Rz. 14).
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Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln kommt es nicht auf den inneren Willen des Handelnden (Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 13 Rz. 4) oder die für die Vertragsparteien erkennbaren Umstände an, sondern auf die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts (BGH, Urteil v. 07.04.2021, Az. VIII ZR 49/19, Rz. 90; Urteil v. 07.04.2021, Az. VIII ZR 191/19, Rz. 16; Urteil v. 27.09.2017, Az. VIII ZR 271/16, Rz. 41; Urteil v., 15.11.2007, Az. III ZR 295/06, Rz. 6; Urteil v. 18.10.2017, Az. VIII ZR 32/16, Rz. 31).
24
Verbrauchergeschäfte sind jedenfalls solche Geschäfte, die für die handelnde natürliche Person ein Privatgeschäft darstellen, also etwa der Haushaltsführung, Daseins- und Gesundheitsvorsorge oder Freizeitgestaltung dienen (vgl. Saenger in: Erman, BGB, 16. Aufl., § 13 Rz. 13). Insoweit ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, welchen objektiven Zwecken das aufgenommene Darlehen dienen sollte. Der jeweilige Zweck des Darlehens ist aus dem Vertragsinhalt und den tatsächlichen Umständen, gegebenenfalls durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB), zu ermitteln (Weidenkaff in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 491 Rz. 5). Maßgeblich sind dabei die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, insbesondere das Verhalten der Parteien bei Vertragsschluss (BGH, Urteil v. 27.09.2017, Az. VIII ZR 271/16, Rz. 41; Urteil v. 18.10.2017, Az. VIII ZR 32/16, Rz. 31; vgl. auch EuGH, Urteil v. 09.11.2016, Az. C-149/15, juris Rz. 34, 44 f.) sowie der Wortlaut des Vertrages (vgl. EuGH, Urteil v. 03.09.2015, Az. C-110/14, juris Rz. 22).
25
bbb) Die Beweislast für die Verbrauchereigenschaft liegt bei der Klägerin. Sie muss darlegen und beweisen, dass nach dem objektiv zu bestimmenden Zweck ein ihrem privaten Rechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorliegt (BGH, Urteil v. 30.09.2009, Az. VIII ZR 7/09, Rz. 11; Urteil v. 11.07.2007, Az. VIII ZR 110/06, Rz. 13).
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Aus der negativen Formulierung des zweiten Halbsatzes des § 13 BGB ist zwar zu schließen, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person regelmäßig als Verbraucherhandeln anzusehen ist (BGH, Urteil v. 11.05.2017, Az. I ZR 60/16, Rz. 20; Urteil v. 13.03.2013, Az. VIII ZR 186/12, Rz. 18; Urteil v. 30.09.2009, Az. VIII ZR 7/09, Rz. 10 f.; Urteil v. 07.04.2021, Az. VIII ZR 49/19, Rz. 84; Urteil v. 07.04.2021, Az. VIII ZR 191/19, Rz. 17). Dieser Umstand liefert mithin ein – unter Umständen gewichtiges – Indiz für das Vorliegen eines Verbrauchergeschäftes.
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Kann die Zweckrichtung eines Rechtsgeschäfts hingegen festgestellt werden, bleibt für diese Vermutungsregelung kein Raum (OLG Braunschweig, Beschluss v. 18.11.2021, Az. 4 U 323/21, juris Rz. 47). Die auf der genannten Negativformulierung basierende Rechtsprechung führt nicht zu einer Beweislastumkehr zugunsten des als natürliche Person Handelnden. Denn die noch in § 1 Abs. 1 S. 2 VerbrKrG in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung enthaltene Beweislastumkehr („…, es sei denn, dass der Kredit nach dem Inhalt des Vertrages für die bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit bestimmt ist.“) sollte ausdrücklich mit der Einführung des § 13 BGB aufgehoben werden (Weber in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 491 Rz. 27; Fritzsche in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2018, Updatestand: 01.09.2022, § 13 Rz. 67). Sie begründet allenfalls eine tatsächliche Vermutung zu Gunsten des als natürliche Person Handelnden. Ein non liquet bei der Frage der Verbrauchereigenschaft soll entgegen der üblichen Regeln nicht zu Lasten des Beweispflichtigen, sondern zu Gunsten des als natürliche Person Handelnden gehen (OLG Braunschweig, Beschluss v. 18.11.2021, Az. 4 U 323/21, juris Rz. 49; vgl. auch Fritzsche in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2018, Updatestand: 01.09.2022, § 13 Rz. 42).
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bb) Die Klägerin konnte nicht zur Überzeugung des Senats darlegen, dass sie nach der objektiv zu bestimmender Zweckrichtung des Darlehensvertrages selbigen als Verbraucherin i.S.v. § 13 BGB geschlossen hat.
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Zunächst ist in die Beweiswürdigung einzustellen, dass die Klägerin als natürliche Person gehandelt hat und ihr rechtsgeschäftliches Handeln insoweit grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen ist.
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Jedoch ist auch der Wortlaut des Vertrages zu beleuchten. Der jeweilige Zweck des Darlehens ist aus dem Vertragsinhalt und insoweit vor allem anhand des Wortlauts des Vertrages zu ermitteln. Insoweit sind keine Anhaltspunkte zu erkennen, die für die Behauptung der Klägerin betreffend eine private Zweckrichtung des Darlehensvertrages sprechen.
31
So schloss die Klägerin gemeinsam mit der …, …, als Mitdarlehensnehmerin den Darlehensvertrag ab. Die … – welche als juristische Person nach § 5a, § 13 Abs. 1 GmbHG unzweifelhaft Unternehmerin i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB ist – wird dabei als „Darlehensnehmer 1“ und die Klägerin als „Darlehensnehmer 2“ bezeichnet.
32
Unter Ziffer VII „Weitere Erklärungen der Darlehensnehmer“ wurde für die … als „DN 1“ angekreuzt: „Das Darlehen ist für eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit (…) bestimmt.“ Wie sich bereits mit dieser ausdrücklichen Angabe im Vertrag das klägerische Vorbringen vereinbaren lassen soll, die Kreditaufnahme habe dem Erwerb eines Privat-Pkw der Klägerin gedient, erschließt sich nicht und ist angesichts dessen völlig unglaubhaft.
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Dazu kommt, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Gesellschafterin und einzelvertretungsbefugte Geschäftsführerin der .. war (s. Anlagen R 1, B 2). Die Klägerin unterschrieb den Darlehensvertrag sowohl für sich als auch in Vertretung für die UG. Für die Klägerin ist im Darlehensvertrag (Anlage K 1/B 1, S. 1) bei Ziffer I „Persönliche Angaben“ unter „Berufsgruppe“ angegeben „Selbständiger“ und als „Arbeitgeber“ wurde „…“ genannt. Hieraus wird deutlich, dass die Klägerin bei Abschluss des Darlehensvertrages nicht als Privatperson, sondern innerhalb ihres gewerblichen und beruflichen Tätigkeitskreises auftrat.
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Dazu kommt indiziell weiterhin, dass die Klägerin noch in Vorbereitung des Widerrufs im Jahr 2020 unter Verwendung ihrer geschäftlichen e-Mail-Adresse „…“ auftrat (s. Anlage BE 2).
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Jedenfalls bleiben erhebliche Zweifel an der Verbrauchereigenschaft der hierfür beweisbelasteten Klägerin, die zu deren Lasten zu gehen haben.
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b) Dem Kläger steht auch kein vertraglich vereinbartes Widerrufsrecht zu.
37
aa) Zwar kann ein Widerrufsrecht nicht nur von Gesetzes wegen entstehen, sondern grundsätzlich auch vertraglich festgelegt werden. Danach können Vertragspartner – als Ausprägung der Vertragsfreiheit – ein Widerrufsrecht vertraglich vereinbaren und für die nähere Ausgestaltung sowie die Rechtsfolgen auf die § 355, § 357 ff. BGB verweisen (BGH, Urteil v. 06.12.2011, Az. XI ZR 401/10, Rz. 15).
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bb) Es scheint hier bereits zweifelhaft, ob die Erteilung der mit „Widerrufsinformation“ überschriebenen vorformulierten Widerrufsbelehrung überhaupt ein Angebot der Beklagten auf Gewährung eines vorbehaltlosen vertraglichen Widerrufsrechts darstellt, welches die Klägerin mit Abschluss des Darlehensvertrages hätte annehmen können (BGH, Urteil v. 24.02.2021, Az. VIII ZR 36/20, Rz. 68). Gegen eine solche rechtsgeschäftliche Erklärung im Sinne der §§ 305 ff. BGB spricht indiziell bereits die Bezeichnung „Widerrufsinformation“, wodurch zum Ausdruck gebracht wird, dass die nachfolgenden Ausführungen lediglich Informationen zum Widerrufsrecht und dessen Rechtsfolgen erteilen wollen (BGH, Urteil v. 24.02.2021, Az. VIII ZR 36/20, Rz. 69).
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Selbst bei Annahme Allgemeiner Geschäftsbedingungen führt die im Einzelfall vorzunehmende objektive Auslegung jedoch nicht zur Einräumung eines vertraglich vereinbarten Widerrufsrechts. Die bloße Information über ein Widerrufsrecht setzt bereits begrifflich das Bestehen eines solchen Rechts voraus. Wollte man zudem allein aus der „bloßen“ Erteilung einer Widerrufsbelehrung auf die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts schließen, käme es auf die Voraussetzungen des gesetzlichen Widerrufsrechts überhaupt nicht mehr an; die betreffenden Vorschriften liefen letztlich leer (OLG Braunschweig, Beschluss v. 18.11.2021, Az. 4 U 323/21, juris Rz. 80).
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Bei der hier streitgegenständlichen Widerrufsinformation handelt es sich um vorformulierte Passagen, die für eine unbestimmte Vielzahl von Verträgen verwendet werden. Solche vorformulierten Widerrufsbelehrungen können als Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 BGB anzusehen sein (BGH, Urteil v. 06.12.2011, Az. XI ZR 401/10, Rz. 22) und sind als solche nicht nach §§ 133, 157 BGB, sondern nach dem Grundsatz der objektiven Auslegung zu verstehen (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 305c Rz. 16 m.w.N.).
41
Die Beklagte hat sich vorliegend an dem Muster der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB in der von 21.03.2016 bis 14.06.2021 geltenden Fassung orientiert und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie von dem Bestehen eines gesetzlichen Widerrufsrechts ausgeht. Insbesondere die Formulierung: „Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z.B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat“, zeigt klar auf, dass sich die Beklagte an die gesetzlichen Vorgaben halten wollte und gerade keinen eigenständigen Maßstab für die Voraussetzungen eines vertraglichen Widerrufsrechts setzen wollte.
42
Eine Widerrufsbelehrung, die um eine vermeintliche gesetzliche Pflicht zu erfüllen oder rein vorsorglich erteilt wird, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, ist daher aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu verstehen (BGH, Beschluss v. 26.03.2019, Az. XI ZR 372/18, Rz. 17; Urteil v. 23.01.2018, XI ZR 397/16, Rz. 14; Urteil v. 23.01.2018, Az. XI ZR 359/16, Rz. 20; Urteil v. 12.07.2016, Az. XI ZR 501/15, Rz. 43).
43
Weiterhin hat die Beklagte unter Ziffer 14 der Darlehensbedingungen explizit darauf hingewiesen, dass das Widerrufsrecht Darlehensnehmern nur zusteht, sofern das Darlehen weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit überwiegend zuzurechnen ist. Die Beklagte hatte daher durch diesen Hinweis klargestellt, für wen die Widerrufsinformation gelten sollte.
44
2. Doch auch die Verbrauchereigenschaft der Klägerin unterstellt, bleibt der Klage der Erfolg versagt.
45
a) In diesem Fall kann zwar ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB in der von 21.03.2016 bis 27.05.2022 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden.
46
aa) Der Klägerin stand dann bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 491 BGB a.F., § 355 BGB ein Widerrufsrecht zu und die Widerrufsfrist begann nicht zu laufen, bevor die Klägerin die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhielt.
47
Bei einer Mehrheit von Darlehensnehmerinnen steht jeder von ihnen ein eigenes Widerrufsrecht zu, sofern sie selbst den Vertrag als Verbraucherin geschlossen hat (BGH, Urteil v. 10.10.2017, Az. XI ZR 555/16, Rz. 20; Urteil v. 11.10.2016, Az. XI ZR 482/15, Rz. 13 ff.).
48
bb) Die Beklagte hat in diesem Fall ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 und 2 EGBGB resultierende Verpflichtung nicht ordnungsgemäß erfüllt, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren.
49
Die der Klägerin erteilte Widerrufsinformation ist fehlerhaft, weil die in ihr enthaltene Verweisung auf „alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. …)“ (Anlage K 1/B 1, S. 7) zwar nach den Maßstäben des nationalen Rechts klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB ist, dies aber im Geltungsbereich der RL 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (im Folgenden: VerbrKrRL) in Bezug auf Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge bei einer richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu verneinen ist (BGH, Urteil v. 14.06.2022, Az. XI ZR 552/20, Rz. 12; Urteil v. 25.01.2022, Az. XI ZR 559/20, Rz. 11; Urteil v. 10.11.2020, Az. XI ZR 426/19, Rz. 14 ff.; Urteil v. 27.10.2020, Az. XI ZR 498/19, Rz. 13 ff.).
50
b) Selbst bei unterstellter Verbrauchereigenschaft der Klägerin erweist sich das Ersturteil unabhängig von den vorstehenden Ausführungen gleichwohl als im Ergebnis richtig, so dass die Berufung zurückzuweisen ist.
51
Selbst einen wirksamen Widerruf durch die Klägerin angenommen, hatte die Beklagte dann einen Anspruch auf die durch die Klägerin davor und danach getätigten Tilgungsleistungen und die bezahlten Darlehenszinsen.
52
Ungeachtet der Frage, ob die Beklagte sich aus dem Darlehensvertrag noch des Anspruchs auf eine Schlusszahlung von … € berühmt oder nicht, gibt es damit keine Grundlage für das Begehren der Klägerin auf gerichtliche Feststellung, dass ihre primären Leistungspflichten aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des erklärten Widerrufs erloschen sind.
53
Auf die Rückabwicklung des Verbraucher-Darlehensvertrages zwischen den Parteien – als Vertrag über Finanzdienstleistungen i.S.v. § 312 Abs. 5 S. 1 BGB in der vom 13.06.2014 bis 31.12.2017 geltenden Fassung (BGH, Urteil v. 18.06.2019, Az. XI ZR 768/17, Rz. 54; Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 312 Rz. 26) und § 1 Abs. 1a S. 2 KWG in der von 01.01.2016 bis 29.03.2017 geltenden Fassung – finden § 355 Abs. 3 BGB und § 357a BGB in der vom 21.03.2016 bis 27.05.2022 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.; jetzt wortgleich: § 357b BGB) Anwendung.
54
aa) Nach § 355 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 357a Abs. 1 a.F. BGB (jetzt: § 357b Abs. 1 BGB) hatte die Beklagte einen Anspruch darauf, dass die Klägerin ihr binnen 30 Tagen ab Widerruf die empfangene Darlehensvaluta zurückgewährt (vgl. z.B. auch Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 357b Rz. 2, 4; Stadler in: Jauernig, BGB, 18. Aufl., § 357a Rz. 2; Ring in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl., § 357a Rz. 3; Knops in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 15.01.2023, § 357b Rz. 28).
55
bb) Gemäß § 357a Abs. 3 S. 1 BGB a.F. (jetzt: § 357b Abs. 3 S. 1 BGB) hatte die Klägerin für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens der Beklagten den vereinbarten Sollzins zu entrichten (ebenso OLG Braunschweig, Urteil v. 08.07.2020, Az. 11 U 101/19, juris Rz 119; OLG Stuttgart, Urteil v. 28.05.2019, Az. 6 U 78/18, juris Rz. 53 f.; LG Braunschweig, Urteil v. 03.08.2021, Az. 5 O 4916/19, Rz. 28 [BeckRS 2021, 4291]). Das ergibt sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut.
56
cc) Wenn der BGH in einem aktuellen Urteil v. 25.10.2022 (XI ZR 44/22, Rz. 33 ff.) dagegen im Falle des wirksamen Widerrufs der auf Abschluss eines Darlehensvertrags im Jahr 2016 gerichteten Willenserklärung einerseits einen Anspruch des Verbrauchers auf Rückgewähr der bis zum Widerruf geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen und der Kaufpreisanzahlung aus § 358 Abs. 4 S. 1 a.F., § 355 Abs. 3 S. 1 BGB und für die nach Widerruf geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB postuliert (Rz. 35), andererseits dann aber aufgrund des Gesetzeswortlauts annimmt, dass der Verbraucher bei Widerruf aus § 358 Abs. 4 S. 1, § 357a Abs. 3 S. 1 BGB a.F. zur Zahlung der vereinbarten Sollzinsen zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sei (Rz. 37), steht dies in einem aus Sicht des Senats jedenfalls schwer auflösbaren Spannungsverhältnis.
57
dd) Dabei ist zunächst schon zu beachten, dass § 358 Abs. 4 S. 1 BGB a.F. insoweit keine Anwendung finden kann, da sich diese Norm auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrages bezieht – hier des Kfz-Kaufvertrags – und nicht auf die des (primär) widerrufenen Vertrages – hier des Verbraucher-Darlehensvertrages.
58
ee) Weiterhin ist im Anwendungsbereich von § 357a BGB a.F. (jetzt: § 357b BGB) aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vollharmonisierung durch die Vorgaben der VerbrKrRL und der RL 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.09.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der RL 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (im Folgenden: FernAbsFinDL-RL) bei der Auslegung der Norm für einen Rückgriff auf nationale rücktrittsrechtliche Vorgaben (so auch Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 357b Rz. 1) oder Bereicherungsrecht kein Raum.
59
Die Rückabwicklung von dadurch erfassten Kreditverträgen hat ausschließlich nach dem gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen Rückgewährregime zu erfolgen.
60
aaa) § 357a BGB a.F. (jetzt: § 357b BGB) setzt einerseits Art. 14 Abs. 3 lit. b) VerbrKrRL und andererseits Art. 7 Abs. 5 FernAbsFinDL-RL um (vgl. auch Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 357b Rz. 1; Knops in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 15.08.2022, § 357b BGB Rz. 7; Müller-Christmann in: BeckOK BGB, Hau/Poseck, 63. Ed., Stand: 01.08.2022, § 357b Rz. 1; Fritsche in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 357b Rz. 3).
61
bbb) Die VerbrKrRL bestimmt aber keine Mindest-, sondern eine vollständige Harmonisierung der in ihren Geltungsbereich fallenden Kreditverträge.
62
Aus Art. 22 Abs. 1 VerbrKrRL in seiner Auslegung im Licht ihrer Erwägungsgründe 9 und 10 geht hervor, dass diese Richtlinie eine vollständige Harmonisierung der in ihren Geltungsbereich fallenden Kreditverträge vorsieht, und, wie sich aus der Überschrift von Art. 22 VerbrKrRL ergibt, zwingenden Charakter hat, was dahin zu verstehen ist, dass es den Mitgliedstaaten in den spezifisch von dieser Harmonisierung erfassten Bereichen nicht gestattet ist, von dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Rechtsvorschriften beizubehalten oder einzuführen (EuGH, Beschluss v. 12.10.2016, Az. C-511/15, C-512/15, juris Rz. 26, Urteil v. 12.07.2012, Az. C-602/10, juris Rz. 38; s. auch Nobbe, WM 2011, 625; Ady/Paetz, WM 2009, 1061 [1062]).
63
Auch die FernAbsFinDL-RL sieht keinen Mindestschutz vor, sondern verfolgt einen abschließenden Harmonisierungsansatz (Leistner/Pothmann, WRP 2003, 815 [823]; Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809). Die Mitgliedstaaten sind nur in Ausnahmefällen berechtigt, Vorschriften zu erlassen, die den Verbraucher weitgehender schützen als die Bestimmungen der Richtlinie.
64
ccc) Nach Art. 14 Abs. 3 lit. b) VerbrKrRL zahlt der Verbraucher im Falle der Ausübung seines Widerrufsrechts dem Kreditgeber unverzüglich, spätestens jedoch binnen 30 Kalendertagen nach Absendung der Widerrufserklärung an den Kreditgeber das Darlehen einschließlich der ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens aufgelaufenen Zinsen zurück. Die Zinsen sind auf der Grundlage des vereinbarten Sollzinssatzes zu berechnen.
65
Nach Art. 7 Abs. 5 FernAbsFinDL-RL gibt der Verbraucher im Falle der Ausübung seines Widerrufsrechts unverzüglich und nicht später als binnen 30 Kalendertagen vom Anbieter erhaltene Geldbeträge an den Anbieter zurück. Diese Frist beginnt an dem Tag, an dem der Verbraucher die Mitteilung über den Widerruf abschickt.
66
ddd) Weder der deutsche Gesetzgeber noch die Rechtsprechung dürfen aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Vollharmonisierung bei der Anwendung des § 357a BGB a.F. von diesen Vorgaben der Art. 14 Abs. 3 lit. b) VerbrKrRL und Art. 7 Abs. 5 FernAbsFinDL-RL abweichen.
67
Damit gehört die Verpflichtung des Verbrauchers zur Tilgung und bis dahin zur Zinszahlung nach Widerruf des Darlehensvertrags zu den ausdrücklich geregelten und damit der Vollharmonisierung unterfallenden Gegenständen der beiden Richtlinien. Da diese Verpflichtungen auch für den Fall des Verbunds an keiner Stelle der Richtlinien zurückgenommen oder modifiziert werden, würde es einen Verstoß gegen die Richtlinien darstellen, wollte die nationale Gesetzgebung oder die Judikative die Tilgungs- und Zinszahlungspflicht des Verbrauchers nach Widerruf des Darlehensvertrags ausschließen (vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil v. 15.10.2019, Az. 6 U 225/18, juris Rz. 35 f.; Urteil v. 28.05.2019, Az. 6 U 78/18, juris Rz. 55).
68
Dies korrespondiert mit der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 25.10.2005, Az. C-350/03, juris Rz. 103) zur – mittlerweile aufgehobenen – RL 85/577/EWG des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Diese Richtlinie verbot es laut EuGH nicht, dass ein Verbraucher, der von seinem Widerrufsrecht nach dieser Richtlinie Gebrauch gemacht hat, die Darlehensvaluta an den Darlehensgeber zurückzahlen musste, obwohl das Darlehen unmittelbar an den Verkäufer der damit finanzierten Immobilie ausbezahlt wurde. Ebenso wenig verbot es diese Richtlinie, falls nationale Rechtsvorschriften vorsahen, dass der Verbraucher im Fall des Widerrufs eines Realkreditvertrags nicht nur die aufgrund dieses Vertrages erhaltenen Beträge zurückzahlen, sondern dem Darlehensgeber auch noch die marktüblichen Zinsen zahlen musste.
69
Da die VerbrKrRL erst nach dieser EuGH-Entscheidung erlassen wurde und dem Richtliniengeber zu unterstellen ist, dass er die einschlägige EuGH-Rechtsprechung dabei kannte, ist für eine Auslegung des § 357a Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BGB a.F., die den Darlehensnehmer von der Pflicht zur Darlehenstilgung und Zinszahlung freistellt, kein Raum.
70
eee) Dies bedeutet insbesondere, dass die zur alten Rechtslage vor erstmaliger Einführung des § 357a BGB a.F. durch Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 27.09.2013 (BGBl. I S. 3642) mit Wirkung zum 13.06.2014 ergangene Rechtsprechung dahingehend, dass der Verbraucher gegen die finanzierende Bank bei Widerruf eines mit einem Kraftfahrzeugkaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages nach § 355 Abs. 3 S. 1 BGB einen Anspruch auf Rückerstattung aller aus seinem Vermögen an die Bank erbrachten Leistungen hatte, also der an die Bank erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (s. z.B. BGH, Urteil v. 25.04.2006, Az. XI ZR 193/04, Rz. 12; Urteil v. 10.03.2009, Az. XI ZR 33/08, Rz. 27 m.w.N.), und umgekehrt der Bank gegen den Verbraucher kein Anspruch auf Rückzahlung des Darlehensbetrags zustand (BGH, Urt. v. 01.03.2011, Az. II ZR 297/08, Rz. 18), im Lichte dessen auf danach geschlossenen Kreditverträge keine Anwendung mehr finden kann.
71
In einem solchen Fall hat die Rückführung des Kredits demnach nicht mehr im Verhältnis zwischen dem Kfz-Verkäufer und der Bank zu erfolgen (BGH, Urteil v. 18.01.2011, Az. XI ZR 356/09, Rz. 25), sondern gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. § 357a Abs. 1, Abs. 3 S. 1 a.F. BGB zwischen dem Verbraucher und der Bank direkt.
72
fff) Wollte man angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 357a Abs. 3 S. 1 BGB a.F. stattdessen davon ausgehen, dass der Verbraucher zwar einer Zinszahlungspflicht unterliegt, er über § 357a Abs. 1 BGB a.F. aber trotzdem die geleistete Tilgung von der Bank zurückverlangen könnte, so würde dies vollends den Gedanken des Verbraucherschutzes ad absurdum führen.
73
Dann wäre die Bank darauf verwiesen, sich die direkt an den Kfz-Verkäufer ausbezahlte Darlehensvaluta von diesem wiederzuholen. Angesichts der Tatsache, dass der Verbraucher nach § 357a Abs. 3 S. 1 BGB a.F. im Fall des Widerrufs die Entrichtung der vereinbarten Sollzinsen für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der – dann vom Kfz-Verkäufer vorzunehmenden – Rückzahlung des Darlehens schuldet, hätte es der Kfz-Verkäufer durch sein Verhalten in der Hand, wie lange der Verbraucher zur Zinszahlung verpflichtet ist. Im äußersten Fall einer Insolvenz des Kfz-Verkäufers könnte sich diese Verpflichtung gegebenenfalls auf einen unabsehbaren Zeitraum erstrecken.
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3. Auch im Fall der Unterstellung der Verbrauchereigenschaft der Klägerin ist somit der gestellte Antrag auf Feststellung, dass die primären Leistungspflichten der Klägerin aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des erklärten Widerrufs vom 23.10.2020 erloschen sind, teils unbegründet, teils unzulässig.
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a) Soweit sich die beantragte Feststellung auf die Zinszahlungspflicht der Klägerin bezieht, fehlt es an der Begründetheit des klägerischen Begehrens.
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Wie oben ausführlich dargestellt, hatte die Klägerin gemäß § 357a Abs. 3 S. 1 BGB a.F. für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens der Beklagten den vereinbarten Sollzins zu entrichten.
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Zwar wandelt der wirksame Widerruf des Darlehensvertrags diesen grundsätzlich nach § 355 Abs. 3 S. 1 BGB ex nunc in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis um (Fritsche in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 355 Rz. 59; Müller-Christmann in: BeckOK BGB, 65. Ed., Stand: 01.08.2022, § 355 Rz. 38; Ring in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl., § 355 Rz. 22; Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82 Aufl., § 355 Rz. 4; Mörsdorf in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.06.2022; § 355 BGB Rz. 97; Fritsche in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 355 Rz. 59; Stadler in: Jauernig, BGB, 18. Aufl., § 355 Rz. 9).
78
Daher sind gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB sowohl die Klägerin wie die Beklagte verpflichtet, die jeweils aufgrund des widerrufenen Darlehensvertrags empfangenen Leistungen zurückzugewähren, wobei § 355 Abs. 3 S. 2 BGB, § 357a Abs. 1 BGB a.F. (jetzt: § 357b Abs. 1 BGB) dies dahingehend modifizieren, dass dies spätestens nach 30 Tagen ab Zugang bzw. Abgabe der Widerrufserklärung zu erfolgen hat. Damit folgt die Rückgewährpflicht nicht (mehr) aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB (Fritsche in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 357b Rz. 5; Knops in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 15.01.2023, § 357b BGB Rz. 8).
79
Diese Rückgewährpflicht gemäß § 355 Abs. 3 S. 1, 2 BGB, § 357a Abs. 1 BGB a.F. aus dem durch den Widerruf entstandenen Rückabwicklungsschuldverhältnis bezieht sich indes lediglich auf die Pflicht der Klägerin zur Rückzahlung der Darlehensvaluta (vgl. z.B. auch Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 357b Rz. 2, 4; Stadler in: Jauernig, BGB, 18. Aufl., § 357a Rz. 2; Ring in: Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl., § 357a Rz. 3; Knops in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 15.01.2023, § 357b Rz. 28).
80
Die Pflicht der Klägerin gemäß § 357a Abs. 3 S. 1 BGB a.F. zur Zinszahlung für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens ergibt sich nicht aus § 355 Abs. 3 S. 1 BGB, sondern steht als unabhängige Verpflichtung daneben (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 357b Rz. 4) und hat mit der Rückabwicklung des Darlehensvertrags im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Ohne diese Sondervorschrift wäre die Beklagte nach dem Grundsatz von § 355 Abs. 3 S. 1, 2 BGB, § 357a Abs. 1 BGB a.F. verpflichtet, die von der Klägerin gezahlten Zinsen als in diesem Sinne empfangene Leistungen wieder zurückzugewähren. Mit der Bezugnahme auf den „vereinbarten Sollzins“ in § 357a Abs. 3 S. 1 BGB a.F. wird klargestellt, dass insoweit die primäre Hauptleistungspflicht aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag zur Zahlung der dort bestimmten Zinsen nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB für den genannten Zeitraum weiterläuft.
81
Damit erhält § 357a Abs. 3 S. 1 BGB a.F. den ansonsten widerrufenen Darlehensvertrag partiell weiter aufrecht, weshalb die primäre Leistungspflicht der Klägerin aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag zur Zahlung von Zinsen aufgrund des erklärten Widerrufs vom 23.10.2020 nicht erloschen ist. Die diesbezüglich klägerische begehrte Feststellung ist mithin unbegründet und nicht auszusprechen.
82
b) Soweit sich die beantragte Feststellung auf die Pflicht der Klägerin zur Erbringung von Tilgungsleistungen bezieht, ist keine Zulässigkeit des klägerischen Begehrens gegeben.
83
Zunächst ist – wie ausgeführt – richtig, dass die Klägerin ab wirksamem Widerruf die Tilgung der dann noch offenen Restvaluta nicht mehr vertraglich nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB, sondern gesetzlich aufgrund des entstandenen Rückabwicklungsschuldverhältnisses gemäß § 355 Abs. 3 S. 1, 2 BGB, § 357a Abs. 1 BGB a.F. schuldete.
84
Dem Klageantrag fehlt es insoweit aber an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Nach dieser Vorschrift ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses zulässig, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt werde.
85
Nicht feststellungsfähig sind abstrakte Rechtsfragen (BGH, Urteil v. 13.12.1984, Az. I ZR 107/82, juris Rz. 15), da es nicht Aufgabe der Gerichte ist, Rechtsgutachten zu erstatten (BAG, Urteil v. 23.04.1997, Az. 5 AZR 727/95, juris Rz. 14; Urteil v. 21.09.1993, Az. 9 AZR 580/90, juris Rz. 18; Urteil v. 08.12.1992, Az. 9 AZR 113/92, juris Rz. 11; Becker-Eberhard in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 256 Rz. 22).
86
Zwar kann im Grundsatz auch Feststellung darüber begehrt werden, wie ein unstreitig zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis rechtlich einzuordnen ist (Becker-Eberhard in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 256 Rz. 11, 22; Assmann in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., Stand: 2023, § 256 Rz. 127; s. auch BGH, Urteil v. 16.12.1999, Az. III ZR 89/99, juris Rz. 10) – hier also, dass die klägerische Pflicht zur Kredittilgung nicht als eine darlehensvertragliche einzustufen ist.
87
Bereits das RG (Urteil v. 27.02.1934, Az. II 276/33 [RGZ 144, 54, 56 f.]) verlangte aber für die Zulässigkeit einer derartigen Feststellung, dass aus der rechtlichen Natur des Schuldverhältnisses, dessen Bestehen ein Kläger festgestellt haben will, wesentlich andere Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien erwachsen, als aus der vom Beklagten behaupteten.
88
Jedenfalls besteht ein anerkennenswertes rechtliches Interesse daran nur, falls der Streit zwischen den Parteien durch ein Feststellungsurteil hierüber ausgeräumt und Rechtssicherheit mit der Folge herbeigeführt werden kann, dass weitere Prozesse sich erübrigen (BAG, Urteil v. 20.2.2018, Az. 1 AZR 361/16, Rz. 9; Urteil v. 21.04.2010, Az. 4 AZR 755/08, Rz. 21; Urteil v. 11.12.1997, Az. 8 AZR 729/96, juris Rz. 18; Becker-Eberhard in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 256 Rz. 11, 22).
89
Dies ist hier sämtlich nicht gegeben. Die Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung der noch offenen Valuta aufgrund Darlehensvertrages gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB oder aufgrund Rückabwicklungsschuldverhältnisses nach § 355 Abs. 3 S. 1, 2 BGB, § 357a Abs. 1 BGB a.F. unterscheiden sich nur insoweit, als diese in letzterem Fall nicht mehr wie vereinbart ratierlich, sondern – aufgrund des hier wirksamen Widerrufs – sogar binnen 30 Tagen und vollumfänglich zu erfolgen hat. Warum die Klägerin an der Feststellung von Ersterem ein rechtlich anerkennenswertes Interesse haben sollte, vermag sich dem Senat daher nicht einmal im Ansatz zu erschließen.
90
Schwerer wiegt aber noch, dass durch die – isolierte – Feststellung, dass die Klägerin die Tilgung nicht mehr aufgrund des mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages schuldet, keinerlei Rechtssicherheit mit der Folge herbeigeführt werden könnte, dass weitere Prozesse sich erübrigten. Dadurch wäre die Klägerin keinesfalls vor einem Folgeverfahren sicher, in dem die Beklagte die Zahlung der Restvaluta auf gesetzlicher Grundlage gemäß § 355 Abs. 3 S. 1, 2 BGB, § 357a Abs. 1 BGB a.F. geltend macht. Damit würde nur die Annahme einer bestimmten Anspruchsgrundlage – § 488 Abs. 1 S. 2 BGB – ausgeschlossen. Dies hätte daher keinen nachvollziehbaren Nutzen für die Klägerin.
91
Das Gericht würde letztendlich für eine – ihm rechtlich verbotene – Gutachtertätigkeit über die Nichteinschlägigkeit einer konkreten einzelnen Anspruchsgrundlage missbraucht, obwohl eine andere Anspruchsgrundlage der Beklagten nahezu dasselbe zugesteht (sogar noch mehr, s.o.).
92
Die Führung des hiesigen Prozesses stellt sich damit als ars gratia artis dar, ohne dass die Klägerin selbst im Falle ihres Obsiegens davon in irgendeiner Form rechtlich profitieren würde. Dem Senat drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass das Verfahren lediglich aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten durchgeführt wird – rein im Gebühreninteresse der Prozessbevollmächtigten der Klägerin.
93
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 S. 2, § 713 ZPO.
94
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht oder die Zulassung der Revision (§§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).
95
Auch wenn sich das wortlautorientierte, gemeinschaftsrechtsgerichtete Verständnis des Senats von § 357a Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BGB a.F. (jetzt: § 357b Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BGB) teils in einem Spannungsverhältnis zu den – allerdings diskrepanten – Vorgaben (s. BGH, Urteil v. 25.10.2022, Az. XI ZR 44/22, Rz. 35 einerseits, Rz. 37 andererseits) der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Tilgungs- und Zinszahlungsverpflichtung des Verbrauchers nach wirksamem Widerruf steht, ist die Zulassung der Revision nicht angezeigt.
96
Da die Klägerin nicht zur Überzeugung des Senats darlegen und beweisen konnte, dass sie den Darlehensvertrag vorliegend als Verbraucherin geschlossen hat, kommt es im Ergebnis darauf nicht an.
97
Dazu ist keine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO), da keine besonderen Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, bei denen nur die Durchführung einer mündlichen Verhandlung der prozessualen Fairness entspräche.
98
Der Streitwert des gestellten Feststellungsantrags ist nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss v. 23.11.2021, Az. XI ZR 159/21; Beschluss v. 21.09.2020, Az. XI ZR 648/18, Rz. 3; Beschluss v. 25.08.2020, Az. XI ZR 108/20) mit der Nettodarlehenssumme – hier … € – und nicht der (streitig) noch offenen Restdarlehensvaluta von … € zu bemessen (BGH, Beschluss v. 12.01.2016, Az. XI ZR 366/15, juris Rz. 10).