Titel:
Erfolgloser Eilantrag gegen Veröffentlichung einer Beanstandung wegen des Inverkehrbringens trotz Überschreitens von Rückstandshöchstgehalten eines Pflanzenschutzmittels
Normenketten:
VwGO § 123
LFGB § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 40 Abs. 1a Nr. 1, § 43
Pestizid-VO Art. 18 Abs. 1 lit. a, Anh. II
Leitsätze:
1. Für die Annahme eines lebensmittelrechtlichen Verstoßes genügt es, dass in der einen untersuchten Probe der Rückstandshöchstgehalt überschritten ist, ohne dass mit triftigen Gründen an dieser Feststellung zu zweifeln wäre. (Rn. 38) (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Selbst wenn Verstöße schon nachweislich beseitigt sind, steht einer Veröffentlichung nichts entgegen, weil diese geeignet ist, zur Transparenz am Markt beizutragen und auch eine rechtliche Unzuverlässigkeit des Unternehmers in der Vergangenheit für Konsumentscheidungen des Verbrauchers in der Gegenwart und Zukunft relevant sind. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 40 Abs. 4 LFGB gebieten es nicht, Angaben zur teilweisen Beseitigung der Mängel und zur fehlenden Gesundheitsschädlichkeit zu veröffentlichen. (Rn. 61 – 62) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilantrag, Birnen, staatliche Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen im Internet, Verbot des Inverkehrbringens, Überschreitung von Rückstandshöchstgehalten an Pestiziden, Pflanzenschutzmittel, Wirkstoff Tebuconazol, Messunsicherheit von 50%, zwei unabhängige Untersuchungen, Gegenprobe mit Wert unter Rückstandshöchstgehalt bei Berücksichtigung der Messunsicherheit, Untersuchung des LGL nicht erschüttert, festgestellter Verstoß, Veröffentlichung nicht unverhältnismäßig, Veröffentlichung unverzüglich, kein Anspruch auf Hinweis auf Mängelbeseitigung, solange Mangel nicht nachweisbar vollständig beseitigt, kein Anspruch auf Hinweis in Veröffentlichung auf einzelne getroffene Maßnahmen des Lebensmittelunternehmers, Lebensmittelrecht, Veröffentlichung, Pestizide, Rückstandshöchstgehalt, Tebuconazol, Messunsicherheit, Gegenprobe, Streubereich, unverzüglich, Mängelbeseitigung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6695
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die vom Antragsgegner (vertreten durch das Landratsamt S.) beabsichtigte Veröffentlichung einer Beanstandung in Bezug auf das von der Antragstellerin vertriebene Produkt „Birnen; Sorte: Abate; Klasse: I; Ursprung: Italien“ wegen des Inverkehrbringens trotz Überschreitens von Rückstandshöchstgehalten des Pflanzenschutzmittels mit dem Wirkstoff Tebuconazol.
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1. Im Rahmen einer Probe wurde am 18. Januar 2023 durch die Lebensmittelüberwachung des Landratsamtes S. eine Probe der streitgegenständlichen Birnen entnommen. Nach dem Befund/Gutachten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vom 27. Februar 2023 wurden Pflanzenschutzmittel-Rückstände in den untersuchten Birnen gefunden, konkret Tebuconazol mit einem Gehalt von 0,94 mg/kg, die auch unter Berücksichtigung der erweiterten Messunsicherheit ± 0,47 mg/kg den zulässigen Höchstgehalt der VO (EG) 396/2005 von 0,3 mg/kg überschritten. Die angegebenen Analyseergebnisse seien auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen erhalten worden. Der Nachweis von Tebuconazol sei massenspektometisch erfolgt. Die aus Laborvergleichsuntersuchungen abgesetzte erweiterte Messunsicherheit betrage 50%. In der vorgelegten Lebensmittelprobe „Birnen“ sei unter anderem der Pflanzenschutzmittel-Wirkstoff Tebuconazol nachgewiesen worden. Grundlage für die lebensmittelrechtliche Beurteilung von Pflanzenschutzmittel-Rückständen in Lebensmitteln sei § 9 LFGB in Verbindung mit der VO (EG) 396/2005 in ihrer jeweils aktuellen Fassung. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LFGB sei es verboten, Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, wenn sie den Anforderungen des Art. 18 Abs. 1 VO (EG) 396/2005 nicht entsprächen. Für den Wirkstoff Tebuconazol sei nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) im Anhang II VO (EG) 396/2005 für Birnen ein Höchstgehalt von 0,3 mg/kg festgelegt und somit für die vorliegende Probe maßgebend. Der in der vorliegenden Probe ermittelte Tebuconazol-Gehalt von 0,94 mg/kg liege über den zulässigen Höchstgehalt. Für die Bewertung werde eine erweiterte Messunsicherheit von 50% berücksichtigt und vom Untersuchungsergebnis abgezogen. Daraus ergebe sich im vorliegenden Fall eine untere Grenze des Streubereichs von 0,47 mg/kg. Dieser Wert liege über den zulässigen Höchstgehalt von 0,3 mg/kg, so dass diese Höchstgehaltsüberschreitung für eine formelle lebensmittelrechtliche Beanstandung statistisch ausreichend sicher sei. Aufgrund der festgestellten Höchstgehaltüberschreitung dürfe das Lebensmittel nicht in den Verkehr gebracht werden. Ein Gesundheitsrisiko sei durch den nachgewiesenen Rückstand an Tebuconazol nicht zu erwarten. Nach der VO (EU) 2017/625 soll Informationen, die auf Verstöße hinwiesen, nachgegangen werden. Es werde daher gebeten, bei nächster Gelegenheit eine Verfolgsprobe/Nachprobe einer anderen Charge dieses Erzeugnisses vom selben Hersteller/Lieferanten/Importeur zu entnehmen und einzusenden.
3
Mit Schriftsatz vom 2. März 2022 hörte das Landratsamt S. die Antragstellerin gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 LFGB wegen einer Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB an. Nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB informiere die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Bezeichnung des Lebensmittels und der Nennung des Lebensmittelunternehmens, unter dessen Namen das Lebensmittel in den Verkehr gelangt sei, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine qualifizierte Stelle, hinreichend begründete Verdacht bestehe, dass in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Höchstgehalte überschritten worden seien.
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Demnach sei die Veröffentlichung folgender Informationen beabsichtigt:
Verantwortliche Behörde
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Landratsamt S.
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Datum
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Einstelldatum:
(Datum der Veröffentlichung)
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Probe genommen am:
28.01.2023
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Lebensmittelunternehmen
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Name …
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Strasse Hausnummer …
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PLZ Ort …
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Kategorie Lebensmitteleinzelhandel
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Betroffenes Lebensmittel
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Verstoß Höchstgehaltsüberschreitung Pflanzenschutzmittel
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Produkt:
Birnen; Sorte: Abate; Klasse: I;
Ursprung: Italien
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Los-/Chargennummer: 03/01
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MHD:
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Stoff:
Tebuconazol
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Grenzwert: 0,3 mg/kg
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Analyseergebnis: 0,94 mg/kg (erweiterte Messunsicherheit: ± 0,47 mg/kg)
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Anmerkungen/unternehmerische Maßnahmen
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Die Antragstellerin teilte mit E-Mail vom 8. März 2023 mit, dass die aktuelle Bestandsware desselben Erzeugers vorsorglich und umgehend gesperrt worden sei. Ebenso sei eine Untersuchung dieser Ware durch das Labor Eurofins beauftragt worden. Die zurückgelassene Gegenprobe sei dem Lieferanten zur weiteren Untersuchung überstellt worden. Die Untersuchung der Gegenprobe habe einen deutlich niedrigeren Wert an Tebuconazol ergeben (0,46 mg/kg). Unter Berücksichtigung des analytischen Streubereichs liege der untere Wert unter dem geltenden Rückstandshöchstgehalt, wie dem Prüfbericht der ILAU GmbH zu entnehmen sei. Die von ihnen selbst beauftragte Nachprobe habe einen Wert von 0,31 mg/kg Tebuconazol ergeben. Auf den Prüfbericht der E. GmbH vom 7. März 2023 werde verwiesen. In der gesamten …Gruppe seien weitere Proben zu italienischen Birnen gezogen worden. Diese seien allesamt unauffällig gewesen. Unter Berücksichtigung der angeführten Punkte sowie der Einschätzung des LGL, dass ein Gesundheitsrisiko vorliegend nicht zu erwarten sei, erachteten sie eine Veröffentlichung als nicht notwendig.
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Dem beigefügten Prüfbericht der ILAU GmbH ist unter anderem in der Beurteilung zu entnehmen: Die Probe enthalte unter anderem Rückstände an Tebuconazol in einer Menge von 0,46 mg/kg (Streubereich von 0,23 „unterer Wert“ bis 0,69 „oberer Wert“ mg/kg). Unter Berücksichtigung des analytischen Streubereichs von 50% liege der untere Wert des Streubereichs unter dem geltenden Rückstandshöchstgehalt und sei daher als nicht überhöht zu betrachten. In dem Prüfbericht der E. GmbH ist der Beurteilung zu entnehmen, dass in der vorliegenden Probe Tebuconazol in einer Konzentration von 0,31 mg/kg nachgewiesen worden sei, die über dem zulässigen Höchstgehalt von 0,3 mg/kg liege. Unter Berücksichtigung einer erweiterten Messunsicherheit von 50% sei dieser Höchstgehalt jedoch nicht eindeutig überschritten.
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Mit E-Mail vom 13. März 2023 nahm das LGL zu dem Ergebnis der Gegenprobeuntersuchung wie folgt Stellung: Im Gutachten der LGL hätten sie die betroffenen Birnen aufgrund des Gehalts von 0,94 mg/kg an Tebuconazol als nicht verkehrsfähig beurteilt, da der Höchstgehalt von 0,3 mg/kg auch unter Berücksichtigung der erweiterten Messunsicherheit von 50% sicher überschritten sei. Bei Untersuchung der hinterlassenen Gegenprobe habe das Labor ILAU einen Gehalt von 0,46 mg/kg an Tebuconazol ermittelt, der ebenfalls den Höchstgehalt von 0,3 mg/kg überschreite. Unter Berücksichtigung der erweiterten Messunsicherheit von 50% sei der Höchstgehalt in der Gegenprobe jedoch nicht sicher überschritten (untere Grenze des Streubereichs bei 0,23 mg/kg). Daraus folgere der Gegenprobensachverständige, dass die Gegenprobe den Anforderungen der VO (EG) 396/2005 entspreche. Diese Einschätzung teilten sie nicht. Allein schon durch die – wenn auch statistisch nicht sichere – Überschreitung des Höchstgehaltes in der Gegenprobe bestehe ein Hinweis auf einen Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 VO (EG) 396/2005. Trotz der verhältnismäßig starken Abweichung des Gehalts von Tebuconazol zwischen der vom LGL untersuchten Probe (0,94 mg/kg) und der Gegenprobe (0,46 mg/kg) widersprächen sich die beiden Analyseergebnisse aus statistischer Sicht nicht. Berücksichtige man die erweiterte Messunsicherheit von 50%, so besäßen beide Messwerte einen gemeinsamen, überlappenden Streubereich von 0,47 mg/kg bis 0,69 mg/kg. Unter Berücksichtigung der erweiterten Messunsicherheit bestätige das Analyseergebnis der Gegenprobe den Befund des LGL.
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Mit Schreiben vom 15. März 2023 teilte das Landratsamt S. der Antragstellerin die geplante Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB mit. Nach Auswertung der Stellungnahme der Antragstellerin sei es zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Veröffentlichung der Information gemäß § 40 Abs. 1a LFGB erforderlich sei. Nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB informiere die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich, wenn der hinreichende begründete Verdacht bestehe, dass in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten worden seien. Die Feststellung, ob diese Werte überschritten seien, sei Aufgabe des lebensmittelchemischen Sachverständigen beim LGL. Danach werde nicht jegliche Abweichung veröffentlicht, sondern es werde nur über solche Abweichungen informiert, die die in diesen Werten bereits enthaltenen Erheblichkeitsschwellen überschritten. Dann löse aber auch schon eine geringe Überschreitung die Rechtsfolge aus. Dies sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sondern liege in der Natur von Grenz- und Höchstwerten. Das LGL habe mit seinem Gutachten vom 27. Februar 2023 die Überschreitung festgestellt. Das zugrundeliegende Gutachten des LGL als Fachbehörde vom 27. Februar 2023 sei schlüssig und nachvollziehbar. Die Untersuchung der Gegenprobe widerlege nicht das Untersuchungsergebnis sowie die fachliche Beurteilung des LGL, wie in dessen Stellungnahme vom 13. März 2023 belegt sei. Bei Lebensmitteln, die wie die Birnen als lose Waren an die Endverbraucher abgegeben würden, sei nach der Rechtslage der jeweilige Inverkehrbringer zu nennen, bei dem die Probe gezogen worden sei. Im konkreten Sachverhalt existiere ein hinreichend begründeter Verdacht, da tatsächlich Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Lebensmittel vorschriftswidrig nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB sei. Die den Verdacht begründenden Tatsachen seien nach Beurteilung der zuständigen Behörde vollständig aufgeklärt und in den Überwachungsergebnissen (Gutachten des LGL vom 27.2.2023) dokumentiert. Der festgestellte Verstoß (Grenzwertüberschreitung des Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffs Tebuconazol) sei durch die geforderte Doppeluntersuchung erfolgt. Diese könne durch das gleiche Labor durchgeführt werden. Sie sei in dem Gutachten vom 27. Februar 2023 nachweislich vermerkt. In diesem Zusammenhang werde explizit darauf verwiesen, dass Grundlage für eine Veröffentlichung von Probenergebnissen ausschließlich die Ergebnisse amtlicher Probenuntersuchungen sei. Meldungen nach Art. 19 VO (EG) 178/2002 oder Eigenkontrollergebnisse des Unternehmens stellten keine Untersuchungen im Sinne des § 40 Abs. 1a LFGB dar. Zudem verpflichte § 40 Abs. 1a LFGB die zuständige Behörde zur Veröffentlichung unabhängig davon, ob ein Verstoß beseitigt sei. Auch der Umstand, dass vorliegend aufgrund der festgestellten Höchstgehaltsüberschreitung ein Gesundheitsrisiko nicht zu erwarten sei, führe im Ergebnis zu keiner anderen Sachentscheidung. Seien wie vorliegend die in § 40 Abs. 1a LFGB bestimmten Voraussetzungen erfüllt, müsse die Behörde die Öffentlichkeit informieren.
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2. Am 22. März 2023 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten beantragen,
dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, die mit Schreiben vom 15. März 2023 angekündigte Veröffentlichung der Beurteilung der bei der Antragstellerin entnommenen Probe „Birnen; Sorte: Abate; Klasse: I; Ursprung: Italien“ vorzunehmen, die mit Untersuchungsbefund des LGL Erlangen vom 27. Februar 2023 wegen einer angeblichen Höchstmengenüberschreitung in Bezug auf den Wirkstoff Tebuconazol beanstandet wurde,
dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, die mit Schreiben vom 15. März 2023 angekündigte Veröffentlichung der Beurteilung der bei der Antragstellerin entnommenen Probe „Birnen; Sorte: Abate; Klasse: I; Ursprung: Italien“ vorzunehmen, die mit dem Untersuchungsbefund des LGL Erlangen vom 27. Februar 2023 wegen einer angeblichen Höchstmengenüberschreitung in Bezug auf den Wirkstoff Tebuconazol beanstandet wurde, ohne darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin die betroffene Ware umgehend aus den Verkehr genommen hat.
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Zur Antragsbegründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen ausführen: Die Überschreitung des gesetzlichen Grenzwertes der VO (EG) 396/2005 sei nicht mit der für eine Veröffentlichung hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt. Die Einzelwerte der zwei erforderlichen Untersuchungen seien nicht mitgeteilt worden. Die Antragstellerin bestreite, dass überhaupt zwei Untersuchungen durchgeführt worden seien. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem von der Antragstellerin vorgelegten Gegenprobegutachten werde vermisst. Vorliegend verhalte es sich offensichtlich so, dass Rückstandsbestimmungen von Pflanzenschutzmitteln einer erheblichen Messunsicherheit unterlägen. Dies zeige sich an der Tatsache, dass sämtliche Labore eine erweiterte Messunsicherheit von 50% zugrunde legten. Wenn das aber der Fall sei, belege die Gegenprobenanalyse gerade, dass kein Verstoß gegen die Vorschriften VO (EG) 396/2005 vorlägen. Die von der Antragstellerin vorgelegten Untersuchungsbefunde zeigten, dass der Wirkstoff Tebuconazol zwar auf den in Rede stehenden Birnen nachzuweisen gewesen sei, bei allen Untersuchungen jedoch jeweils in einer Größenordnung, die nicht den sicheren Rückschluss darauf zulasse, dass ein Verstoß gegen die in der VO (EG) 396/2005 festgelegten Grenzwerte vorliege. Das LGL habe in dem letzten Absatz seines Gutachtens selbst erklärt, dass Informationen, die auf Verstöße hinwiesen, nachgegangen werden solle. Das LGL spreche insoweit selbst davon, dass die eigenen Untersuchungsergebnisse lediglich einen Hinweis auf einen Verstoß darstellten. Darin liege richtigerweise noch kein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestehender Verdacht. Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung zu dem Ergebnis käme, der amtliche Untersuchungsbefund bilde eine hinreichende Tatsachengrundlage für eine Veröffentlichung, müssten die von der Antragstellerin ergriffenen Maßnahmen ebenfalls berücksichtigt werden, so dass zumindest dem Hilfsantrag stattzugeben sei. Die Antragstellerin habe mit ihrer Einlassung vom 8. März 2023 darauf hingewiesen, dass die betroffenen Birnen nicht mehr in den Verkehr gebracht und vom Lieferanten bereits auch abgeholt worden seien. Bestünden Restzweifel, ob tatsächlich eine Überschreitung eines gesetzlichen Grenzwertes gegeben sei, habe eine Veröffentlichung zu unterbleiben. Sinn und Zweck einer beabsichtigten Veröffentlichung müsse die zutreffende Information für die Verbraucher und Verbraucherinnen sein, damit diese eine angemessene Konsumentscheidung treffen könnten. Dazu gehöre, Verbraucher und Verbraucherinnen umfassend und vollständig zu informieren. Bei einem Verzicht auf den Hinweis auf die von der Antragstellerin ergriffenen Maßnahmen könnten die Verbraucher den Eindruck haben, die Antragstellerin setze sich unabhängig von der Frage, ob eine Grenzwertüberschreitung vorliege, mit den Untersuchungsbefunden nicht auseinander. Es könne sogar der Eindruck entstehen, dass sich die beprobten Birnen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch im Verkauf befänden. Dies sei aber tatsächlich nicht der Fall. Auch wenn der ermittelte Gehalt keine Gesundheitsgefahr darstelle, handele es sich gleichwohl um eine wichtige Information, die einer eventuellen Veröffentlichung in jedem Fall beizufügen sei. Im Übrigen bestimme § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB, dass in der Information der Öffentlichkeit unverzüglich darauf hinzuweisen sei, wenn der in der Veröffentlichung zugrundeliegende Mangel beseitigt worden sei. Das sei vorliegend mit der Sperrung der Rückgabe der Ware durch die Antragstellerin der Fall.
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Mit Schriftsatz vom 6. April 2023 ließ die Antragstellerin ihr Vorbringen vertiefen. Die Vornahme zweier Untersuchung sei weiter fragwürdig. Das LGL möchte das Gegenprobeergebnis unzulässiger Weise umdeuten. Die Grenzwertüberschreitung müsse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Dies sei bei der Gegenprobe nicht der Fall. Jedenfalls sei der Hilfsantrag begründet. Die Voraussetzungen für einen Rückruf hätten nicht vorgelegen und ein Rückruf sei auch vom Antragsgegner nicht verlangt worden. Eine Unsicherheit nach Art. 14 VO (EG) 178/2002 sei nicht behauptet worden. Die von der Antragstellerin getroffenen Maßnahmen stellten eine für den Verbraucher wesentliche Information dar und müssten mit veröffentlicht werden.
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3. Das Landratsamt S. beantragte für den Antragsgegner mit Schriftsatz vom 31. März 2023:
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Der Antrag sowie der Hilfsantrag werden abgelehnt.
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Zur Begründung der Antragserwiderung ist unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des LGL im Wesentlichen ausgeführt: Der Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB lägen vor. Die nach § 40 Abs. 1a LFGB verlangten mindestens zwei Untersuchungen seien erfolgt. Sie seien ausdrücklich in dem Gutachten des LGL vom 27. Februar 2023 vermerkt. Hierbei gelte insbesondere zu berücksichtigen, dass das LGL die von den Kreisverwaltungsbehörden eingereichten Proben standardmäßig mehrmals unabhängig voneinander untersuche, um Laborfehler auszuschließen. Die vorliegende Erst- und die Zweituntersuchung entsprächen sich hinsichtlich ihres Untersuchungsgegenstandes und im Hinblick auf die Art der Untersuchung. Auch seien seitens des LGL besondere Vorkehrungen getroffen, die systematische Fehler ausschlössen. Eine generelle Verpflichtung, die jeweils festgestellten Untersuchungsergebnisse als Einzelwerte mitzuteilen, bestehe nicht. Zu Beginn der Untersuchung sei die Probe durch das LGL mit einer Screening-Methode untersucht worden, bei der ein überhöhter Gehalt als Tebuconazol festgestellt worden sei. Daraufhin sei die Probe durch das LGL mit dem Verfahren der Standardaddition in Mehrfachbestimmung abgesichert worden. Die Werte der Mehrfachbestimmung beruhten nach den Ausführungen des LGL in seiner Stellungnahme vom 24. März 2023 wiederum auf vier separaten Einwaagen. Die zur Beurteilung der Proben herangezogenen Werte der Mehrfachbestimmungen (Absicherung mittels Standardaddition) betrugen 0,93 mg/kg (± 0,47 mg/kg) und 0,96 mg/kg (± 0,48 mg/kg). Die Abweichung zwischen den im Gutachten angegebenen Werten und dem Mittelwert und der obenstehenden, gerundeten Einzelergebnisse sei laut LGL auf das Runden zugunsten des Herstellers zurückzuführen. Dem Erfordernis der hinreichenden Absicherung des Untersuchungsergebnisses von Proben sei mit der Durchführung einer Zweituntersuchung durch dasselbe Labor Genüge getan. Dass die Untersuchungen mit dem erforderlichen fachlichen Sachverstand objektiv und unvoreingenommen durchgeführt worden seien, werde bereits dadurch gewährleistet, dass nur Befunde akkreditierter amtlicher Labore nach Art. 37 Abs. 4 Buchst. e) VO (EU) 2017/625, die den Qualitätsanforderungen der technischen Vorschriften entsprächen, zur Grundlage einer Veröffentlichung gemacht werden dürften. Es bestehe grundsätzlich kein generelles Erfordernis, vor einer Veröffentlichung das Abwarten einer Analyse einer am Ort der Probenahme zurückgelassenen Gegen- oder Zweitprobe abzuwarten, sofern der Befund, auf den sich die Veröffentlichung stütze, durch zwei amtliche Untersuchungen abgesichert sei. Grundlage der Veröffentlichung von Probenergebnissen sei ausschließlich das Ergebnis amtlicher Probenuntersuchungen. Das Landratsamt habe unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Antragstellerin sorgfältig abgewogen, ob ein – hinreichend auf festgestellte Tatsachen gestützter – Verdacht für den Eintritt der Überschreitung eines Grenzwertes wahrscheinlich und im Hinblick auf die Folgen für den betroffenen Lebensmittelunternehmer verhältnismäßig sei. Die den Verdacht begründenden Tatsachen müssten nach Beurteilung der zuständigen Behörde vollständig aufgeklärt und in den Überwachungsergebnissen dokumentiert sein. Diese Voraussetzungen erfülle das zugrundeliegende Gutachten des LGL vom 27. Februar 2023 sowie die entsprechende fachliche Beurteilung am 13. März 2023 im Nachgang zur Stellungnahme. Die Feststellung, ob Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten seien, sei Aufgabe des lebensmittelchemischen Sachverständigen, wie dem LGL. Dessen Gutachten bzw. Stellungnahmen seien schlüssig und nachvollziehbar. Dass im vorliegenden Sachverhalt die Untersuchung der Gegenprobe sowie die durch die Antragstellerin beauftragte Nachprobe einen deutlich niedrigeren Befund an Tebuconazol ergeben habe, widerlege nicht das Untersuchungsergebnis sowie die fachliche Beurteilung des LGL. Nach der Stellungnahme des LGL vom 24. März 2023 sei eine statistisch nicht sichere Höchstgehaltsüberschreitung – wie sie in der Gegenprobe (0,46 mg/kg) vorliege – kein Beleg dafür, dass der Höchstgehalt (0,3 mg/kg) eingehalten werde. Betrachte man nur den in der Gegenprobe ermittelten Gehalt, so liege dieser oberhalb des zulässigen Höchstgehaltes von 0,3 mg/kg. Beziehe man allerdings die Messunsicherheit mit ein, könne laut LGL nicht mit der erforderlich statistischen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Gehalt eventuell unter dem Höchstgehalt liege. Aus diesen Gründen würde das LGL bei einer solchen statistisch nicht sicheren Höchstgehaltsüberschreitung einer Probe eine Probe noch nicht beanstanden, sondern nur auf den überhöhten Gehalt hinweisen – vorausgesetzt das Ergebnis einer solchen Probe stehe für sich alleine. Im vorliegenden Fall stehe das Ergebnis der Gegenprobe jedoch nicht alleine. Grundsätzlich müsse die erweiterte Messunsicherheit nicht nur vom Messwert subtrahiert, sondern auch addiert werden. Beim Wert der am LGL untersuchten Probe (0,94 mg/kg) handele es sich um eine statistisch sichere Höchstgehaltsüberschreitung, da der gesamte Streubereich (Messwert ± erweiterte Messunsicherheit) über dem zulässigen Höchstgehalt von 0,3 mg/kg liege. Beim Wert der Gegenprobe (0,46 mg/kg) reiche der Streubereich von 0,23 mg/kg bis 0,69 mg/kg. Somit sei bezogen auf die Gegenprobe statistisch wahrscheinlicher, dass der Höchstgehalt überschritten worden sei, als dass er eingehalten worden sei. Es liege bei der Gegenprobe aber keine statistisch sichere Höchstgehaltsüberschreitung vor, da ein geringerer Anteil des Streubereichs unterhalb des Höchstgehalts liege. Betrachte man den Wert der Gegenprobe in Kombination mit dem Wert des LGL, so überlappten sich die Streubereiche der beiden Ergebnisse (0,47 bis 0,69 mg/kg). Dies sei kein Widerspruch zwischen den beiden Ergebnissen. Die Gegenprobe sei nicht geeignet, das Ergebnis des Gutachtens des LGL zu widerlegen. Aus diesem Grund bestünden vorliegend keine Zweifel an der aufgrund von zwei unabhängigen Untersuchungen amtlichen Grenzwertüberschreitung des Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffs Tebuconazol. Soweit sich die Antragstellerin auf den letzten Absatz der Empfehlung zum Ziehen einer Verfolgsprobe/Nachprobe seitens des LGL beziehe, solle damit nicht der Eindruck erweckt werden, dass es sich lediglich um einen Hinweis auf einen Verstoß handele. Stattdessen legten die Ausführungen des LGL nahe, dass durch die festgestellte Höchstgehaltsüberschreitung in der untersuchten Probe ein Hinweis darauf vorliege, dass auch andere Chargen dieses Erzeugnisses von einer erhöhten Pestizidbelastung betroffen sein könnten.
15
Hinsichtlich des Hilfsantrags werde darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt der schriftlichen Anhörung am 2. März 2023 keinerlei konkrete und vor allem nachweislich belegte Informationen zu ergriffenen unternehmerischen Maßnahmen, gerade auch in Bezug auf Beseitigung der der Veröffentlichung zugrundeliegenden Mängel, vorlagen. Die Antragstellerin habe mitgeteilt, dass die aktuelle Bestandsware vorsorglich und umgehend gesperrt worden sei. Da im zugrundeliegenden Sachverhalt allerdings Fehler in der Ware bestanden hätten, könne von einer Beseitigung nur dann ausgegangen werden, wenn die Ware vollständig zurückgerufen worden sei. Den Nachweis für die Beseitigung müsse der betroffene Lebensmittelunternehmer erbringen. Dies treffe nicht zu, weil die Chargen der betroffenen Birnen vom Probenahmetag bereits in den Verkehr gebracht und aufgrund der Zeitspanne auch verbraucht worden seien, so dass die konkret beprobten Birnen mit der entsprechenden Chargennummer nicht mehr vollständig hätten zurückgerufen werden können und demnach auch nicht vollständig zurückgerufen worden seien. Ergänzend sei anzumerken, dass die auswählbaren Textbausteine auf der Homepage des LGL bezüglich der unternehmerischen Maßnahmen auf die folgenden Möglichkeiten beschränkt seien: „Ware nicht in den Verkehr gelangt“, „Ware wurde zurückgenommen“, „Ware ist nicht an den Endverbraucher gelangt“ und „Ware wurde öffentlich zurückgerufen“. Für die konkret beprobte Ware sei gerade keine dieser Aussagen zutreffend. Die auf der Homepage des LGL auswählbaren Textbausteine beschränkten sich auf solche unternehmerischen Maßnahmen, die den der Veröffentlichung zugrundeliegenden Mangel beseitigten (§ 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB). Nicht erfasst seien solche Maßnahmen, die Aussagen zu einer möglichen Gesundheitsgefährdung träfen, weswegen auch keine entsprechende Aufnahme erfolgen könne.
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Auf die beigefügte Stellungnahme des LGL vom 24. März 2023, die vorstehend schon in der Antragserwiderung referiert worden ist, wird im Einzelnen Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
19
Der Antragstellerin steht kein (durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu sichernder) Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung gegenüber dem Antragsgegner zu, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB bei summarischer Prüfung vorliegen. Denn nach Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die streitgegenständlichen Birnen den Rückstandshöchstgehalt an Tebuconazol gemäß VO (EG) 396/2005 überschritten.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund einer im Verfahren des Eilrechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung ein Anordnungsgrund, also ein Grund für die erhöhte Eilbedürftigkeit der Entscheidung besteht und eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht wird (vgl. § 920 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO).
21
Da die Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB unverzüglich zu erfolgen hat und diese nach § 40 Abs. 4a LFGB nach sechs Monaten wieder zu löschen ist, findet ein Hauptsacheverfahren, in dem die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung umfassend geprüft wird, oftmals nicht statt, so dass der gerichtliche Rechtsschutz regelmäßig in das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlagert wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2019 – 20 CE 19.1634 – juris Rn. 20).
22
Die begehrte einstweilige Anordnung würde damit – jedenfalls teil- bzw. zeitweise – die Hauptsache vorwegnehmen. Eine solche eingeschränkte Vorwegnahme der Hauptsache ist im Hinblick auf den Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 123 Abs. 1 VwGO nur dann zulässig, wenn eine bestimmte Regelung zur Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn sonst die zu erwartenden Nachteile unzumutbar wären und eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen in der Hauptsache besteht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 28. Aufl. 2022, Rn. 13 und 14).
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Die dargestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da die Antragstellerin in der Hauptsache nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Gerichts voraussichtlich nicht obsiegen wird.
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Die Antragstellerin hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn es liegt auf der Hand, dass die geplante Veröffentlichung im Internet für die Antragstellerin ganz erhebliche negative Konsequenzen haben kann, die auch bei einem späteren Obsiegen in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Das Verwaltungshandeln durch amtliche Informationen ist irreversibel. Bei Fehlinformationen ändern daran auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts, da die faktischen Wirkungen von Informationen regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden können. Eine Verbraucherinformation zu angeblichen Rechtsverstößen eines Unternehmens kann für dieses existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend sein. Der Antragstellerin kann nicht zugemutet werden, die Bekanntgabe des Kontrollergebnisses zum Vorhandensein eines nicht zugelassenen Stoffes in dem Lebensmittel im Internet bis zu einer Klärung der streitigen Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren hinzunehmen (vgl. VG Würzburg, B.v. 16.11.2021 – W 8 E 21.1399 – juris Rn 18 mit Bezug auf VGH BW, B.v. 28.11.2019 – 9 S 2662/19 – juris; B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – LMuR 2019, 170; HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – ZLR 2019, 281). Der Antragsgegner hat die unmittelbar beabsichtigte Veröffentlichung angekündigt und ausdrücklich bestätigt.
25
Die Antragstellerin hat jedoch einen Anordnungsanspruch, den materiell-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Leistung, nicht glaubhaft gemacht. Es ist im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner Informationen zu dem streitgegenständlichen Produkt und dessen Beanstandung auf die Internetseiten des LGL einstellen will. Der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch setzt – ungeachtet seiner dogmatischen Herleitung – jedenfalls einen rechtswidrigen Eingriff in ein Recht der Antragstellerin, etwa in das Grundrecht der Berufsfreiheit, voraus (vgl. NdsOVG, B.v. 24.3.2023 – 14 ME 16/23 – BeckRS 2023, 6012 Rn. 7; OVG Bremen, B.v. 25.2.2022 – 1 B 482/21 – juris Rn. 15; VGH BW, B.v. 21.5.2019 – 9 S 584/19 – LMuR 2019, 170; HessVGH, B.v. 8.2.2019 – 8 B 2575/18 – ZLR 2019, 281). Daran mangelt es hier, denn die beabsichtigte Veröffentlichung ist von § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB gedeckt.
26
Nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB informiert die zuständige Behörde die Öffentlichkeit unverzüglich unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 38 Abs. 2a Satz 2 LFGB auf der Grundlage von mindestens zwei Untersuchungen durch eine Stelle nach Art. 37 Abs. 4 Buchst. e) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625, hinreichend der begründete Verdacht besteht, dass in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden.
27
Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, verstößt § 40 Abs. 1a LFGB – in der heute geltenden Fassung mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Befristung von sechs Monaten – nicht gegen das Grundgesetz (siehe BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40). Die Vorschrift ist auch mit dem Europäischen Unionsrecht vereinbar (VGH BW, B.v. 28.11.2019 – 9 S 2662/19 – juris).
28
Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB sind erfüllt.
29
Ein durch Tatsachen hinreichend begründeter Verdacht eines Verstoßes gegen das Lebensmittelrecht – hier infolge der Überschreitung des Rückstandshöchstgehalts von Tebuconazol in den streitgegenständlichen Birnen – liegt vor. Dafür genügen konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, dass die jeweiligen Voraussetzungen des Gesetzesverstoßes erfüllt sind, wobei bloße Vermutungen oder theoretische Überlegungen nicht ausreichen (vgl. Boch, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, 8. Online-Auflage 2019, § 40 LFGB Rn. 39 ff.). Die Begründung des Verdachts, also die Feststellung der für den Verdacht maßgeblichen Tatsachen, muss hinreichend sein; es muss also durch tatsächliche Feststellungen hinreichend begründet werden, dass der Verdacht eines Verstoßes besteht, wobei eine Einzelfallabwägung vorzunehmen ist (Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL, Juli 2022, § 40 LFGB Rn. 92). Die Voraussetzungen sind hier erfüllt.
30
Die Antragstellerin verstieß durch das Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Birnen gegen das Lebensmittelrecht.
31
Denn nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LFGB ist es verboten, Lebensmittel in den Verkehr zu bringen, die den Anforderungen nach Art. 18 Abs. 1, auch in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, VO (EG) 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der RL 91/414/EWG des Rates (ABl. L 70 vom 16.3.2005, S. 1), die zuletzt durch die VO (EU) 2020/192 (ABl. L 40 vom 13.2.2020, S. 4) geändert worden ist, nicht entsprechen. Nach Art. 18 Abs. 1a VO (EG) Nr. 396/2005 dürfen Lebensmittel nicht in den Verkehr gebracht werden, die die in den Anhang II festgelegten Rückstandshöchstgehalte für diese Erzeugnisse überschreiten. Nach Anhang II VO (EG) 396/2005 ist der Rückstandshöchstgehalt von Tebuconazol in Birnen auf 0,3 mg/kg festgelegt.
32
Rückstandshöchstgehalte sind Grenzwerte für Rückstände in Lebensmitteln, die für jeden Wirkstoff aufgeschlüsselt nach Erzeugnissen festgelegt werden. Bei der Festsetzung der Rückstandshöchstgehalte werden die in Versuchen auf der Grundlage der guten Agrarpraxis ermittelten Rückstände sowie Daten zur Toxikologie und Verzehrmengen berücksichtigt. Rückstandshöchstgehalte werden dabei in der Regel nicht auf den toxikologisch gerade noch akzeptablen Wert gelegt, sondern eher darunter, und zwar so niedrig, wie nach der guten fachlichen Praxis zur Bekämpfung des Schaderregers nötig (ALARA-Prinzip). Dadurch liegt die Mehrzahl der festgesetzten Rückstandshöchstgehalte weit unter der gesundheitlich vertretbaren Grenze. Rückstandshöchstgehalte regeln zu allererst die Verkehrsfähigkeit. Eine Überschreitung des Rückstandshöchstgehaltes in einem Lebensmittel ist nicht zwingend mit einem gesundheitlichen Risiko verbunden (Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL, Juli 2022, § 9 LFGB Rn. 34d).
33
Dass die Höchstgehaltsüberschreitung in der vom LGL untersuchten Probe der Birnen vorlag, steht zweifelsfrei fest. Denn der für Birnen festgelegte Rückstandshöchstgehalt von 0,3 mg/kg bei Tebuconazol ist überschritten, weil das zugehörige Messergebnis einschließlich des in der entsprechend validierten Methode angegebenen Vertrauensbereichs mit 0,47 mg/kg oberhalb des betroffenen Grenzwerts liegt. Damit ist als feststehend anzunehmen, dass die Höchstgehaltsüberschreitung zumindest in der untersuchten Probe vorlag. Das genügt, um die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1a Nr. 1 LFGB zu erfüllen, weil jedenfalls insoweit ein hinreichend begründeter Verdacht einer Überschreitung der gesetzlich festgelegten Höchstgehalten zu bejahen ist und jeder solcher Verdacht der Öffentlichkeit mitzuteilen ist (vgl. Kühne/Preuß, § 40 Abs. 1a LFGB – Augen zu und durch? in ZLR 2012, 284, 293 unter Nr. 7).
34
Auf die aktenkundigen Gutachten und Stellungnahmen des LGL kann Bezug genommen werden. Denn im Lebensmittelrecht ist es zulässig und üblich, sich auf Gutachten der jeweiligen Fachstelle zu stützen. Es ist nicht nur möglich, sich auf die Fachgutachten zu stützen, sondern dies ist ausdrücklich vorgesehen. Das LGL ist die zentrale Fachbehörde des Freistaats Bayern für Lebensmittelsicherheit, Gesundheit, Veterinärwesen sowie Arbeitsschutz und Produktsicherheit (vgl. Art. 4 GVVG i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 2 GesVSV) sowie Laboratorium im Sinne des Art. 37 VO (EU) 2017/625. Das in Bayern für Lebensmittelkontrollen zuständige LGL beschäftigt unter anderem Ärzte, Tierärzte, Lebensmittelchemiker, Apotheker, Juristen und Fachkontrolleure. Das LGL führt primär wissenschaftliche Untersuchungen durch und erstattet für die Kreisverwaltungsbehörden Gutachten (vgl. Streinz/Lamers in Streinz/Kraus, Lebensmittelrecht-Handbuch, Werkstand 41. EL Juli 2020; IV. Aufbau, Vollzug und Praxis, Lebensmittelüberwachung, Rn. 30). Die Landesuntersuchungsämter unterstützen dabei nicht nur die lokale Lebensmittelüberwachung vor Ort. Sie untersuchen die vorgelegten Proben und begutachten die ihnen von den lokalen Behörden unterbreiteten Sachverhalte sowohl rechtlich als auch tatsächlich, z.B. durch analytische Untersuchungen oder Prüfung der ordnungsgemäßen Kennzeichnung (vgl. schon VG Würzburg, B.v. 16.12.2020 – W 8 S 20.1841 – juris Rn. 37 mit Bezug auf Meisterernst, Lebensmittelrecht, 1. Aufl., § 6 Rn. 44). Den Äußerungen des LGL als kraft Gesetzes eingesetzter zentraler Fachstelle kommt – unter Berücksichtigung weiterer Erkenntnisse – besonderes Gewicht zu.
35
Das LGL hat schon in seinem Gutachten vom 27. Februar 2023 ausdrücklich vermerkt, dass die von Gesetzes wegen vorgeschriebenen zwei Untersuchungen vorliegen, und hat diese Untersuchungsmethoden auch noch konkret spezifiziert. Die Untersuchungen durch eine akkreditierte Stelle wie das LGL, das gleichzeitig ein amtliches Laboratorium im Sinne des Art. 37 VO (EU) 2017/625 ist, auf der Basis von validierten Analysemethoden ist ausreichend, um qualitativ und quantitativ abgesicherte Befunde zu erlangen (vgl. Pache/Meyer in Meyer/Streinz, LFGB – Basis VO, 2. Aufl. 2012, § 40 LFGB Rn. 34). Dass die beiden Untersuchungen durch eine Stelle erfolgen dürfen, insbesondere auch durch die amtlichen Laboratorien, hat der Gesetzgeber mittlerweile eindeutig klargestellt (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL, Juli 2022, § 40 LFGB Rn. 95 ff.).
36
Das Landratsamt hat in seiner Antragserwiderung vom 31. März 2023 ausdrücklich die von Gesetzes wegen vorgesehene Stellung des LGL sowie die angewandten Methoden und weiteren Vorkehrungen zur Qualitätssicherung hervorgehoben. Darauf kann Bezug genommen werden. Das Landratsamt hat plausibel und zutreffend konkret ausgeführt: Die nach § 40 Abs. 1a LFGB verlangten mindestens zwei Untersuchungen seien erfolgt. Sie seien ausdrücklich in dem Gutachten des LGL vom 27. Februar 2023 vermerkt. Hierbei gelte insbesondere zu berücksichtigen, dass das LGL die von den Kreisverwaltungsbehörden eingereichten Proben standardmäßig mehrmals unabhängig voneinander untersuche, um Laborfehler auszuschließen. Die vorliegende Erst- und die Zweituntersuchung entsprächen sich hinsichtlich ihres Untersuchungsgegenstandes und im Hinblick auf die Art der Untersuchung. Auch seien seitens des LGL besondere Vorkehrungen getroffen, die systematische Fehler ausschlössen. Eine generelle Verpflichtung, die jeweils festgestellten Untersuchungsergebnisse als Einzelwerte mitzuteilen, bestehe nicht. Zu Beginn der Untersuchung sei die Probe durch das LGL mit einer Screening-Methode untersucht worden, bei der ein überhöhter Gehalt als Tebuconazol festgestellt worden sei. Daraufhin sei die Probe durch das LGL mit dem Verfahren der Standardaddition in Mehrfachbestimmung abgesichert worden. Die Werte der Mehrfachbestimmung beruhten nach den Ausführungen des LGL in seiner Stellungnahme vom 24. März 2023 wiederum auf vier separaten Einwaagen. Die zur Beurteilung der Proben herangezogenen Werte der Mehrfachbestimmungen (Absicherung mittels Standardaddition) betrugen 0,93 mg/kg (± 0,47 mg/kg) und 0,96 mg/kg (± 0,48 mg/kg). Die Abweichung zwischen den im Gutachten angegebenen Werten und dem Mittelwert und der obenstehenden, gerundeten Einzelergebnisse sei laut LGL auf das Runden zugunsten des Herstellers zurückzuführen. Dem Erfordernis der hinreichenden Absicherung des Untersuchungsergebnisses von Proben sei mit der Durchführung einer Zweituntersuchung durch dasselbe Labor Genüge getan. Dass die Untersuchungen mit dem erforderlichen fachlichen Sachverstand objektiv und unvoreingenommen durchgeführt worden seien, werde bereits dadurch gewährleistet, dass nur Befunde akkreditierter amtlicher Labore nach Art. 37 Abs. 4 Buchst. e) VO (EU) 2017/625, die den Qualitätsanforderungen der technischen Vorschriften entsprächen, zur Grundlage einer Veröffentlichung gemacht werden dürften.
37
Das Vorbringen der Antragstellerseite führt zu keiner anderen Beurteilung.
38
Zunächst ist festzuhalten, dass weder von der Antragstellerseite vorgebracht worden noch sonst ersichtlich ist, dass die Probennahme nicht ordnungsgemäß nach § 43 LFGB erfolgt sein sollte. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass die Probe wie auch die Gegenprobe nicht repräsentativ für die Charge sein sollte. Die entnommene Probe, die einen lebensmittelrechtlichen Verstoß ergeben hat, ist für sich ein Beweismittel. Gleichermaßen ist auch die Gegenprobe ein Beweismittel. Gegebenenfalls daraus resultierende Zweifel an der Richtigkeit des amtlichen Gutachtens sind dabei zu berücksichtigen. Abzustellen ist dabei auf die Umstände des Einzelfalles (Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL, Juli 2022, § 43 LFGB Rn. 51 ff.). Dabei kann schon aus einer einzelnen Probe der Rückschluss auf einen Verstoß gegen das Lebensmittelrecht gezogen werden, gerade bei der Überschreitung eines Grenzwertes, der sich auf die einzelne Probe bezieht (Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL, Juli 2022, § 43 LFGB Rn. 55).
39
Mangels triftiger gegenteiliger Anhaltspunkte, etwa für Fehler bei der Probenentnahme sowie bei der Durchführung der amtlichen Begutachtung, ist von einer Rückstandshöchstgehaltsüberschreitung im vorliegenden Fall zweifelsfrei auszugehen. Die Antragstellerin hat die Untersuchung und auch die Methoden des LGL nicht substantiiert angegriffen, geschweige denn das vorgelegte Gutachten erschüttert. Sie hat lediglich auf die Ergebnisse der Gegenprobe bzw. der Nachprobe verwiesen, die aber ihrerseits Auffälligkeiten aufweisen. Die vorliegenden zwei unabhängigen Untersuchungen durch eine akkreditierte Stelle wie das LGL mit anerkannten Methoden bieten für sich eine hinreichende Richtigkeitsgewähr. Das pauschale Infragestellen des Vorliegens zweier Untersuchungen und deren Ergebnisse überzeugt nicht.
40
Die Gegenprobe vermag nichts daran zu ändern. Insoweit ist schon festzuhalten, dass die Gegenprobe der ILAU GmbH mit 0,46 mg/kg des Tebuconazols den Grenzwert von 0,3 mg/kg ebenfalls überschreitet. Erst unter Berücksichtigung des analytischen Streubereichs von 50% kommt dieses Gutachten zu dem Ergebnis, dass der untere Wert des Streubereichs unter dem geltenden Rückstandshöchstgehalt liegt. Selbst das Gutachten von Eurofins kommt in seiner Beurteilung vom 7. März 2023 zunächst zu dem Ergebnis, dass Tebuconazol in einer Konzentration von 0,31 mg/kg nachgewiesen ist, der über den zulässigen Höchstgehalt von 0,3 mg/kg gemäß VO (EG) 396/2005 liegt. Unter Berücksichtigung einer erweiterten Messunsicherheit von 50% sei dieser Höchstgehalt jedoch nicht überschritten. Danach ist schon festzuhalten, dass beide von der Antragstellerseite vorgelegten weiteren Untersuchungen zunächst (vor Einbeziehung der Messunsicherheit) ebenfalls eine Überschreitung des zulässigen Höchstgehaltes dokumentieren und damit das Ergebnis der streitgegenständlichen Probe nicht widerlegen, sondern im Gegenteil dafür sprechen, dass die Höchstgehalte überschritten werden. Das Gericht verkennt nicht, dass unter Berücksichtigung des analytischen Streubereichs von 50% jeweils der untere Wert deutlich unter diesem Höchstgehaltswert liegt. Insofern hat der Antragsgegner, unter Beteiligung des LGL, indes nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass der Streubereich in beide Richtungen geht, so dass unter Berücksichtigung der untersuchten Probe (0,94 mg/kg) und der Gegenprobe (0,46 mg/kg) sich die beiden Analyseergebnisse aus statistischer Sicht nicht widersprechen, denn beide Messbereiche haben einen gemeinsamen überlappenden Streubereich von 0,47 mg/kg bis 0,69 mg/kg (vgl. LGL, Stellungnahme von 13.3.2023). In der weiteren Stellungnahme vom 24. März 2023 erläutert das LGL vertiefend, dass die erweiterte Messunsicherheit nicht nur vom Messwert subtrahiert, sondern auch addiert werden muss. Beim Wert der Gegenprobe von 0,46 mg/kg reicht der Streubereich von 0,23 mg/kg (untere Grenze) bis 0,69 mg/kg (Obergrenze). Somit ist bezogen auf die Gegenprobe statistisch wahrscheinlicher, dass der Höchstgehalt überschritten wurde, als dass er eingehalten wurde. Lediglich ein geringer Anteil des Streubereichs liegt unterhalb des Höchstgehalts. Damit ist die Gegenprobe nicht geeignet, das vom LGL festgestellte Ergebnis zu erschüttern.
41
Des Weiteren ist zu beachten, dass Gegenstand der anderen Untersuchungen – logischerweise – andere Birnen sein mussten. Für die Gegenprobe reicht, dass das zweite Stück von gleicher Art und von demselben Hersteller ist (vgl. § 43 Abs. 1 LFGB). Von gleicher Art ist ein Erzeugnis, wenn es nach seiner Kennzeichnung und seiner wahrnehmbaren Beschaffenheit aus den gleichen Rohstoffen und Zutaten sowie in gleicher Weise hergestellt wurde wie das Erzeugnis der Hauptprobe/Erstprobe. Daher muss das Erzeugnis nicht nur aus dem gleichen Herstellungsbetrieb, sondern auch aus dem gleichen Lot stammen (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL, Juli 2022, § 43 LFGB Rn. 39). Insofern erscheint es nicht fernliegend, dass verschiedene Birnen, selbst wenn sie aus derselben Charge stammen, unterschiedliche Rückstandshöchstgehalte aufweisen können.
42
Wie schon erwähnt, reicht aber aus für die Annahme des lebensmittelrechtlichen Verstoßes, dass in der einen, vom LGL untersuchten Probe der Birnen der Rückstandshöchstgehalt überschritten ist, ohne dass mit triftigen Gründen an dieser Feststellung zu zweifeln wäre. Damit steht der für § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB erforderliche Verstoß gegen das Lebensmittelrecht zweifelsfrei fest Ergänzend wird noch angemerkt – ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt –, dass die Antragstellerin auch nicht den Nachweis geführt hat, dass die anderen Lebensmittel der Charge sicher (zwar nicht gesundheitsschädlich, aber mangels Verkehrsfähigkeit nicht für den menschlichen Verzehr geeignet) wären, so dass es bei der Chargenvermutung des Art. 14 Abs. 6 VO (EG) 178/2002 bleibt. Die Beweislast für die Widerlegung dieser Vermutung liegt bei der Antragstellerin als Lebensmittelunternehmerin (siehe Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL, Juli 2022, Art. 14 EG-Lebensmittel-Basisverordnung Rn. 26).
43
Eine Gesundheitsgefahr oder ein Gesundheitsrisiko sind nicht Voraussetzung für die Annahme eines Rechtsverstoßes, weil die Rückstandshöchstgehalte – wie schon ausgeführt – Grenzwerte für die Rückstände in Lebensmitteln sind, die sich nicht an einer Gesundheitsgefahr orientieren; vielmehr liegen die festgesetzten Rückstandshöchstgehalte im Regelfall weit unterhalb der gesundheitlich vertretbaren Grenze (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL, Juli 2022, § 9 LFGB Rn. 534d). Eine mögliche Gesundheitsgefährdung ist infolgedessen auch nicht relevant für eine darauf bezogene Information nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB.
44
Die Überschreitung einer sonstigen Erheblichkeitsschwelle ist kein Tatbestandsmerkmal des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Erforderlichkeit von besonders nachteiligen Folgen für den einzelnen Verbraucher (BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 54) beziehen sich auf § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB in der Fassung vom 3. Juni 2013.
45
Weiter steht auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer Veröffentlichung nicht entgegen. § 40 Abs. 1a LFGB verpflichtet die zuständige Behörde – im Gegensatz zu § 40 Abs. 1 LFGB – zwingend zu einer Veröffentlichung von nach dieser Norm festgestellten Verstößen. Mit § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB ist klargestellt, dass bei Überschreiten der Grenzwerte, hier der Rückstandshöchstgehalte, eine Verpflichtung zur Veröffentlichung besteht, ohne dass noch Ermessen eingeräumt wäre.
46
Wegen der erheblichen Grundrechtsrelevanz einer derartigen Veröffentlichung wird diese zwingende Verpflichtung durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL Juli 2022, § 40 LFGB Rn. 81). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde vorliegend aber nicht verletzt. Zunächst ist der Grundrechtseingriff hier bereits von vorneherein dadurch relativiert, dass die Antragstellerin negative Öffentlichkeitsinformationen durch ihr rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst hat, umgekehrt also den Eingriff durch rechtstreues Verhalten hätte verhindern können, und dass ihr Fehlverhalten angesichts der Konsequenzen für die Verbraucherinnen und Verbraucher einen Öffentlichkeitsbezug aufweist (BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – NJW 2018, 2109 Rn. 36). Weiterhin stellt sich die Veröffentlichung auch im Hinblick auf eine Beeinträchtigung von Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 3 GG als angemessen dar. Die geplante Veröffentlichung greift lediglich in die Art und Weise der Berufsausübung ein, die durch vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden kann (st. Rspr. seit BVerfG, U.v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56 – BVerfGE 7, 377). Solche Allgemeinwohlerwägungen liegen hier im öffentlichen Interesse der Verbraucher an der Information über Verstöße gegen das Lebensmittelrecht – auch im Hinblick auf die Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen – vor. Die Information nach § 40 Abs. 1a LFGB hat auch einen generalpräventiven Zweck (Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL Juli 2022, § 40 LFGB Rn. 123). Für ein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung spricht zudem, dass nicht ausgeschlossen ist, dass schon alle Birnen der betroffenen Charge wirklich restlos verzehrt sind, und dass sich aus der vorliegenden Beanstandung – laut LGL-Gutachten vom 27. Februar 2023 – möglicherweise Hinweise auf Verstöße auch in anderen Chargen ergeben könnten (vgl. zum umgekehrten Fall OVG NRW, B.v. 15.1.2019 – 13 B 1587/18 – ZLR 2019, 287). Für die Veröffentlichung ist – wie bereits ausgeführt – ferner nicht nötig, dass eine Gesundheitsgefahr von dem fraglichen Produkt ausgeht (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 49).
47
Des Weiteren verdeutlicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 21. März 2018 – 1 BvF 1/13 – (juris) nicht, dass die Veröffentlichung ohne Vorliegen von Gesundheitsrisiken unverhältnismäßig ist (vgl. VG Würzburg, B.v. 6.11.2021 – W 8 E 21.1399 – juris Rn. 46).
48
Ergänzend wird angemerkt, dass sich auch im Lichte der aktuellen Rechtsprechung des OVG Lüneburg (NdsOVG, B.v. 24.3.2023 – 14 ME 16/23 – BeckRS 2023, 6012) nicht Gegenteiliges ergibt, weil die dortige – ebenfalls eine Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB betreffende – Fallkonstellation nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist. Vorliegend ist weiter von der Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung auszugehen. Denn abgesehen von den differierenden Zeit- und Verwaltungsabläufen steht zum einen nicht nur der Verstoß bei der gezogenen Probe eindeutig fest, sondern sind auch bei den anderen vorgelegten Untersuchungen zur Gegenprobe und zur Nachprobe wie schon ausgeführt Auffälligkeiten aufgetreten. Zum anderen wurde seitens des LGL ausdrücklich aufgrund der streitgegenständlichen Hinweise um eine Beprobung anderer Chargen gebeten. Infolgedessen besteht weiterhin ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse, um dem Verbraucher sachgerechte Konsumentscheidungen zu ermöglichen.
49
Schließlich bestehen gegen die Art und Weise der geplanten Veröffentlichung keine Bedenken.
50
Die Veröffentlichung erfordert vorliegend keinen Hinweis zur Mängelbeseitigung gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 LFGB. Denn es wurden nicht alle Mängel vollständig beseitigt. Der Antragsgegner hat schon zu Recht ausgeführt, dass bei den vorliegenden Birnen der Mangel im Fehler der Ware besteht, so dass von einer Beseitigung nur ausgegangen werden kann, wenn die Ware vollständig zurückgerufen wurde. Ein Nachweis für die vollständige Mängelbeseitigung, der vom betroffenen Lebensmittelunternehmer zu erbringen ist (vgl. Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL Juli 2022, § 40 LFGB Rn. 77), fehlt vorliegend. Falls in Zukunft noch nachweislich eine vollständige Beseitigung der Mängel erfolgen sollte, so wäre der Antragsgegner zur Prüfung verpflichtet, ob insoweit eine ergänzende Veröffentlichung gemäß § 40 Abs. 4 Satz 2 LFGB infolge der nunmehr erfolgten Mängelbeseitigung veranlasst ist (siehe SächsOVG, B.v. 8.12.2022 – 3 B 304/22 – juris Rn. 9).
51
Abgesehen davon, dass die Antragstellerin eine vollständige Mängelbeseitigung durch von ihr getroffene Maßnahmen nicht nachgewiesen hat – sie hat nicht einmal mitgeteilt, in welcher Größenordnung Birnen der betroffenen Charge überhaupt in den Verkehr gelangt sind und an den Endverbraucher abgegeben wurden –, ändert sich auch nichts dadurch, dass die Mängel sich möglicherweise anderweitig erledigt haben. Der Antragsgegner hat zwar angemerkt, dass bei dem konkreten Produkt der Birnen wohl mittlerweile aufgrund des Zeitablaufs schon alle verbraucht sind. Jedoch ist anzumerken, dass gleichwohl nicht auszuschließen ist, dass alle Birnen auch tatsächlich verzehrt wurden. Denn es ist nicht auszuschließen, dass Gerichte durch Weiterverarbeitung der Birnen hergestellt und in länger haltbarer Weise aufbewahrt wurden (z.B. durch Einfrieren), z.B. Kuchen mit Birnen, Birnenkompott, eingeweckte Birnen usw., so dass Birnen der streitgegenständlichen Charge – mit überschrittenen Rückstandshöchstgehalten – noch nicht alle verzehrt wurden. Dies spricht zusätzlich für ein fortbestehendes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit.
52
Selbst wenn die Verstöße schon nachweislich beseitigt wären, stünde einer Veröffentlichung nichts entgegen, weil diese geeignet ist, zur Transparenz am Markt beizutragen und auch eine rechtliche Unzuverlässigkeit des Unternehmers in der Vergangenheit für Konsumentscheidungen des Verbrauchers in der Gegenwart und Zukunft relevant sind. Nach dem Gesetz soll dem Verbraucher überlassen werden, welche Schlüsse er aus den Verstößen gegen das Lebensmittelrecht zieht. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den generalpräventiven Zweck. Die Publikation – selbst behobener Verstöße – erhöht die abschreckende Wirkung der Informationsregelung und fördert damit die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften (NdsOVG, B.v. 15.11.2022 – 14 ME 339/22 – juris Rn. 6 mit Bezug auf BVerfG, B.v. 21.8.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 38 sowie auf VG Würzburg, B.v. 31.8.2021 – W 8 E 21.1045 – juris Rn. 55).
53
Des Weiteren bestehen auch keine rechtlichen Bedenken, dass die beabsichtigte Veröffentlichung nicht unverzüglich im Sinne von § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB erfolgt. Anhaltspunkte für ein „schuldhaftes Zögern“ (vgl. § 121 Abs. 1 BGB) seitens des Antragsgegners sind nicht ersichtlich (vgl. NdsOVG, B.v. 20.10.2022 – 14 ME 304/22 – juris Rn. 21 ff.).
54
Auch wenn man dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v. 4.11.2022 – 20 CE 22.2069 – juris) folgt, dass das Wort „unverzüglich“ bedeutet, dass eine Verzögerung auf sachlichen Gründen beruht und es auf ein zurechenbares Verschulden nicht ankommt (a.A. VGH BW, B.v. 9.11.2020 – 9 S 2421/20 – juris), so dass auch eine überlange Verfahrensdauer im Vorfeld einer Veröffentlichung dazu führen kann, dass der Zweck der Information in der Öffentlichkeit nicht mehr erreicht werden kann und die Veröffentlichung deshalb gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt, weil die betroffenen Unternehmer Interessen aus Art. 12 Abs. 1 GG unangemessen benachteiligt sind, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat unter Rückgriff auf Entstehungsgeschichte und den Gesetzeszweck dargelegt, dass es sich bei dem Begriff „unverzüglich“ nicht um eine nach subjektiven, sondern einen nach objektiven Kriterien zu bemessende Zeitspanne zwischen dem festgestellten Verstoß und seiner Veröffentlichung handelt. Eine Veröffentlichung ist nur dann unverzüglich, wenn die Verzögerung auf sachlich gerechtfertigten Gründen beruht. Denn die Behörde ist, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs. 1a Satz 1 LFGB vorliegen und die notwendigen Ermittlungen abgeschlossen sind, zur Information der Öffentlichkeit verpflichtet, ohne dass Ermessen eröffnet ist. Die Gründe, die nach Abschluss der notwendigen Ermittlungen zu einer Verzögerung im Verfahren führen, sind angesichts des Informationsbedürfnisses der Öffentlichkeit nach dem Zweck und der Entstehungsgeschichte der Norm unbeachtlich. Zur Bestimmung des Zeitkorridors zieht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als Orientierung die Wertung des § 5 Abs. 2 VIG heran, wonach die Behörde binnen eines Monats bzw. zwei Monaten über den Anspruch auf Information entscheiden soll. Abzustellen ist aber auf die Umstände des Einzelfalles, wie die behördlich notwendige Dauer bis zur Vorlage der Untersuchungsergebnisse, die erforderliche Anhörung des Betroffenen. Unschädlich dürften des Weiteren das Eilrechtsschutzverfahren sein und auch sonstige Verfahrensverzögerungen, die nicht der Sphäre der Behörde, sondern derjenigen des Lebensmittelunternehmers zuzurechnen sind.
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Zwar erscheint der Rückgriff auf § 5 Abs. 2 VIG nicht zwingend (vgl. auch Riemer, LMuR 2023/89 S. 93 f., der den Verweis auf § 5 Abs. 2 VIG für nachvollziehbar hält), weil die Interessenkonstellation dort eine andere als bei § 40 Abs. 1a LFGB ist. Beim VIG begehrt der Bürger als Verbraucher eine Information seitens des Staates, etwa über vorhandene Erkenntnisse über lebensmittelrechtliche Verstöße eines Lebensmittelunternehmens, während sich im Fall des § 40 Abs. 1a LFGB das Lebensmittelunternehmen gerade gegen eine Veröffentlichung seiner lebensmittelrechtlichen Verstöße seitens des Staates wehrt. Zudem ist eine Missachtung der Frist des § 5 Abs. 2 VIG nicht unmittelbar sanktioniert (Heinicke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL Juli 2022, § 5 VIG Rn. 9); der Anspruch auf Erteilung der Information bleibt bestehen und ist gerade auch noch nach Fristablauf zu erfüllen. Des Weiteren enthält § 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e) VIG eine Fünfjahresfrist, deren Ablauf erst einen Anspruch auf Informationserteilung im Regelfall ausschließt. Bis dahin geht der VIG-Gesetzgeber von einem bestehenden überwiegenden Informationsinteresse des Verbrauchers auch zur Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen aus, ohne dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder Grundrechte des betroffenen Lebensmittelunternehmens entgegenstünden, selbst wenn eine Veröffentlichung auf einer Internetplattform erfolgt (vgl. VG Würzburg; U.v. 14.9.2020 – W 8 K 19. 1375 – juris Rn. 41. ff. mit Bezug auf BVerwG, U.v. 29.8.2019 – 7 C 29/ 17 – juris Rn. 41. Ff., 47 sowie mit noch weiteren Nachweisen).
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Letztlich geht es aber bei § 40 Abs. 1a LFGB – im Lichte der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – um den verhältnismäßigen Interessenausgleich zwischen Veröffentlichungspflicht des Verstoßes als gesetzlicher Auftrag einerseits und der Wahrung der Grundrechte des Lebensmittelunternehmens andererseits. Die Behörde muss den Spagat schaffen, zum einen rechtliches Gehör vor der Veröffentlichung zu gewähren, gleichzeitig aber zum anderen nicht auf jedes Argument eingehen zu müssen, weil sie letztlich zur unverzüglichen Veröffentlichung verpflichtet ist (vgl. Riemer, LMuR 2023/89 S. 93 f.; vgl. aber auch kritisch Roffael/Wallau, ZLR 2023, 123, die auch Fristverlängerungen aus der Sphäre des Lebensmittelunternehmens infolge der Ausblendung jeglicher „Schuld“ normativ korrigieren wollen).
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Ausgehend davon ist nach Überzeugung des Gerichts die Unverzüglichkeit vorliegend gewahrt. Auch wenn die Probenentnahme am 18. Januar 2023 erfolgte, dauerte die nachfolgende Untersuchung bis 27. Februar 2023. Das Gutachten des LGL datiert ebenfalls auf den 27. Februar 2023. Durch die gesetzliche Vorgabe der „unverzüglichen“ Veröffentlichung ist die zuständige Vollzugsbehörde nach der abschließenden Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet, die erforderliche Veröffentlichung ohne Zeitverzug vorzunehmen (vgl. BT-Drs. 19/8349, S. 19). Abzustellen ist damit auf den 27. Februar 2023 als Zeitpunkt der – erstmaligen – Feststellung des Verstoßes, hier des Überschreitens des gesetzlich vorgegebenen Rückstandshöchstgehalts im streitgegenständlichen Produkt. Die Anhörung der Antragstellerin erfolgte am 2. März 2023; deren Stellungnahme datiert auf den 8. März 2023. Am 13. März 2023 nahm das LGL dazu Stellung. Am 15. März 2023 teilte das Landratsamt S. der Antragstellerin mit, dass die Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB nunmehr beabsichtigt ist. Der betreffende Antragsschriftsatz ging bei Gericht am 22. März 2023 ein. Am 24. März 2023 nahm das LGL dazu Stellung. Die Antragserwiderung des Ladratsamtes erfolgte schließlich am 31. März 2023 sowie eine vertiefende Antragsbegründung der Antragstellerin am 6. April 2023.
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Die vorstehend skizzierten Abläufe belegen, dass das Gebot der Unverzüglichkeit nicht verletzt ist, da die Abläufe auf sachlichen Gründen beruhen (notwendige Dauer bis zur Vorlage von Untersuchungsergebnissen, Gewährleistung der Verfahrensrechte des Betroffenen im behördlichen sowie auch im gerichtlichen Verfahren, wechselseitige Würdigung des Vorbringens der Gegenseite; vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2022 – 20 CE 22.2069 – juris Rn. 24). Zudem dient die Veröffentlichung trotz des Zeitablaufs weiterhin den Verbraucherschutzinteressen. Hinzu kommt, dass bislang keine vollständige Mängelbeseitigung nachgewiesen ist. Infolgedessen ist die Veröffentlichung weiterhin geboten und auch unverzüglich möglich, weil der objektive Informationswert mit Blick auf die Steuerung des Konsumverhaltens des Verbrauchers und auf die Transparenz am Markt fortbesteht.
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Infolgedessen besteht weiterhin ein vom Regelungszweck des § 40 Abs. 1a LFGB gedeckter Informationswert im vorliegenden konkreten Einzelfall, sowohl jetzt bei Erlass des vorliegenden Beschlusses als auch noch für einige Zeit in die Zukunft (vgl. OVG Bremen, B.v. 25.2.2022 – 1 B 487/21 – juris Rn. 30).
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Schließlich bestehen gegen die Art und Weise der geplanten Veröffentlichung keine Bedenken. Der Inhalt der Veröffentlichung ist nicht einheitlich vorgegeben. Die Information nach § 40 Abs. 1a LFGB wird einschließlich zusätzlicher Informationen sechs Monate nach der Veröffentlichung gemäß § 40 Abs. 4a LFGB automatisch entfernt. Im Übrigen hat der Gesetzgeber außer der Bezeichnung des Lebensmittels und der Nennung des Lebensmittelunternehmens keine weiteren konkreten Vorgaben gemacht, so dass die Ausgestaltung der Darstellung im Wesentlichen dem Antragsgegner obliegt. Eine Veröffentlichung ist nicht zu beanstanden, wenn sie inhaltlich richtig ist und möglichst schonend für den Betroffenen erfolgt sowie dem Zweck der Vorschrift dient. Einzelne Normen müssen nicht zwingend bezeichnet werden (vgl. NdsOVG, B.v. 16.1.2020 – 13 ME 394/19 – juris; VGH BW, B.v. 28.11.2019 – 9 S 2662/19 – juris; BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 20 CE 19.1995 – juris; VG Freiburg, B.v. 30.4.2019 – 4 K 168/19 – juris; vgl. auch BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – BVerfGE 148, 40). Die Umschreibung des Verstoßes mit der am Gesetzes- bzw. Verordnungswortlaut angelehnten Formulierung „Höchstgehaltsüberschreitung Pflanzenschutzmittel“ ist auch für den juristischen Laien hinreichend verständlich (vgl. VG Würzburg, B.v. 16.11.2021 – W 8 E 21.1399 – juris Rn. 51 mit Verweis auf OVG NRW, B.v. 14.3.2019 – 13 B 67/19 – LMuR 2019, 178).
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Der Antragsgegner ist auch nicht von Gesetzes wegen verpflichtet, Angaben zur teilweisen Beseitigung der Mängel zu veröffentlichen. Denn weder § 40 Abs. 4 Satz 2 noch § 40 Abs. 4 Satz 3 LFGB enthalten eine Regelung zum Umfang der Veröffentlichung der Mängelbeseitigung sowie eine Verpflichtung zur Veröffentlichung einzelner Maßnahmen der Mängelbeseitigung. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck noch verfassungsrechtliche Aspekte bieten eine dahingehende Auslegung. Demnach ist es nicht geboten, unter „Maßnahmen des Unternehmens“ im Einzelnen aufgeführte Maßnahmen der Antragstellerin als Reaktion auf die festgestellten Mängel näher und im Einzelnen zu umschreiben, weil eine dahingehende Veröffentlichungspflicht erst bei einer vollständigen Beseitigung der Mängel besteht (siehe SächsOVG, B.v. 8.12.2022 – 3 B 304/22 – juris Rn. 6 ff.). Ob die in der Antragserwiderung angesprochenen Textbausteine auf der Homepage des LGL bezüglich der unternehmerischen Maßnahmen von Rechts wegen als abschließend zu betrachten sind, kann dahingestellt bleiben, weil jedenfalls kein subjektiv-rechtlicher Anspruch der Antragstellerin auf Aufnahme der gewünschten weiteren Informationen besteht.
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Des Weiteren besteht auch kein Anspruch nach § 40 Abs. 1a bzw. Abs. 4 LFGB darauf, einen Hinweis auf die fehlende Gesundheitsschädlichkeit bei der Veröffentlichung aufzunehmen. Abgesehen davon, dass dies von Gesetzes wegen nicht vorgesehen ist, ist es auch der Sache nach nicht erforderlich, weil sich die Rückstandshöchstgehalte nicht an der Gesundheitsgefahr orientieren, sondern die Mehrzahl der festgesetzten Rückstandshöchstgehalte weit unter der gesundheitlich vertretbaren Grenze liegt (Rathke in Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, Werkstand 184. EL Juli 2022, § 9 LFGB 34d).
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Anhaltspunkte dafür, dass die Grundrechte der betroffenen Lebensmittelunternehmerin im Einzelfall einen Anspruch auf Mitveröffentlichung einer eigenen Stellungnahme bzw. sonstiger getroffener Maßnahmen erzwingen könnte, sind nicht ersichtlich; auch aus Art. 8 Abs. 5 VO (EU) 2017/625 folgt nichts anderes, weil die Veröffentlichung ohne Eröffnung von Ermessen zwingend zu erfolgen hat (vgl. Rützler in Streinz/Kraus, Lebensmittelrechts-Handbuch, Werkstand 44. EL November 2022, II. Grundlagen des Lebensmittelrechts, Rn. 27 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 4.8.2020 – 20 CE 20.719 – juris Rn. 9; VGH BW, B.v. 19.11.2020 – 9 S 2421/20 – juris Rn. 13 ff.).
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Nach alledem waren der Hauptantrag sowie der Hilfsantrag abzulehnen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Sie richtet sich nach dem Auffangstreitwert, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen der Veröffentlichung nicht im Einzelnen beziffert werden können (vgl. Nr. 25.2 des Streitwertkatalogs). Der Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR war nicht gemäß Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs zu halbieren, weil der Eilantrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt (vgl. ebenso BayVGH, B.v. 4.11.2022 – 20 CE 22.2069 – juris Rn. 31).