Titel:
Rundfunkbeitrag, Fürzahler-Thematik, Maßgeblichkeit des objektiven Empfängerhorizonts des Zuwendungsempfängers (der Rundfunkanstalt), nicht des inneren Willens des Leistenden
Normenkette:
RBStV § 10 Abs. 3 S. 1
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag, Fürzahler-Thematik, Maßgeblichkeit des objektiven Empfängerhorizonts des Zuwendungsempfängers (der Rundfunkanstalt), nicht des inneren Willens des Leistenden
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6679
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Rückerstattung aus seiner Sicht zu Unrecht gezahlter Rundfunkbeiträge.
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Mit Festsetzungsbescheid vom 2. Juli 2019 setzte der Beklagte unter der Beitragsnummer A… … … für den Zeitraum Februar 2016 bis April 2017 für die Wohnung …weg ... in … A… rückständige Rundfunkbeiträge in Höhe von 262,50 EUR zuzüglich eines Säumniszuschlags in Höhe von 8,00 EUR, insgesamt 270,50 EUR, fest.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23. Juli 2019 erhob der Kläger zum Verwaltungsgericht Regensburg Klage mit dem Antrag, den zur Beitragsnummer A… … … ergangenen Bescheid vom 02. Juli 2019 aufzuheben und
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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 297,50 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 29. Dezember 2018 zu bezahlen.
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Der Kläger bewohne das Haus am …weg ... in A… …, das als Wohnung im Sinne von § 3 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) angemeldet sei. Zusammen mit seiner Exfrau, welche die Wohnung bis zum … Januar 2016 ebenfalls mitbewohnt habe, seien die Beiträge unter der Beitragsnummer B… … … für die Gesamtschuldner gemäß § 2 Abs. 3 RBStV vom Konto des Klägers mit einem SEPA Mandat eingezogen worden. Dieses habe von Anfang an an dem Fehler gelitten, dass es den Beklagten ermächtigt habe, Beiträge vom Konto des Klägers einzuziehen, obwohl seine Exfrau als Kontoinhaberin geführt worden sei. Das Mandat sei daher von Anfang an unwirksam gewesen. Auch nach dem Auszug der Exfrau des Klägers ab dem … Februar 2016 seien (bis 30. September 2018) mit dem bestehenden SEPA Mandat weiterhin die fälligen Beiträge für die Wohnung abgebucht worden, jedoch nicht auf die Wohnung des Klägers, sondern fälschlicherweise für die neue Wohnung seiner Exfrau verbucht worden. Seit dem … Mai 2017 wohne die neue Lebensgefährtin des Klägers in der Wohnung, so dass die Beitragspflicht über diese abgedeckt sei. Ab dem 1. Mai 2017 seien Beiträge für die Wohnung daher doppelt bezahlt worden, so dass dem Kläger ein Rückzahlungsanspruch für 17 Monate à 17,50 EUR mit insgesamt 297,50 EUR gegenüber dem Beklagten zustehe. Diesbezüglich wurde ein Schreiben des Beklagten vom 29. November 2018 vorgelegt, wonach das Beitragskonto des Klägers mit der Beitragsnummer A… … … mit Ablauf des Monats April 2017 wieder abgemeldet worden sei, da ab dem 1. Mai 2017 die jetzige Lebensgefährtin des Klägers Rundfunkbeiträge für die gemeinsame Wohnung zahle. Das Beitragskonto mit der Nummer A… … … weise einschließlich April 2017 einen offenen Betrag in Höhe von 262,50 EUR auf, der zu überweisen gebeten werde.
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Mit Schreiben vom 22. August 2019 zeigten die Bevollmächtigten des Beklagte gegenüber dem Verwaltungsgericht Regensburg dessen Vertretung an und beantragten,
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Mit Schreiben vom 10. Oktober 2019 führten die Bevollmächtigten des Beklagten aus, dass es sich vorliegend um eine sog. „Fürzahler-Thematik“ handele. Das Lastschriftmandat sei vom Kläger für die Beitragsnummer B… … …, also für die damalige Ehefrau des Klägers, Frau A…, ausgestellt worden. Dem Kläger sei also seit 3. April 2014 klar gewesen, dass von seinem Konto Abbuchungen zugunsten des Rundfunkbeitragskontos seiner damaligen Ehefrau erfolgt seien. Dies begründe weder einen Rückforderungsanspruch gegenüber dem Bayerischen Rundfunk noch eine Aufhebung des Festsetzungsbescheides für die Beitragspflicht betreffend das eigene Rundfunkbeitragskonto des Klägers.
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Seitens des Klägers wurde mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 25. November 2019 eingewandt, dass es sich vorliegend nicht um einen „Fürzahler“-Fall handele. Der Kläger sei von Anfang an der Auffassung gewesen, die Beiträge für seine eigene Beitragsnummer zu zahlen. Mit dem vorliegenden SEPA Mandat hätte eine Abbuchung von der Bank gar nicht durchgeführt werden dürfen, wenn ein Abgleich des Kontoinhabers mit den zugehörigen Kontodaten erfolgt wäre. Der Beklagte sei durch die Doppelzahlung der Beiträge bereichert, so dass sich ein Anspruch auf Rückzahlung aus§ 10 Abs. 3 RBStV ergebe.
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Mit Beschluss vom 25. Mai 2021 trennte das Verwaltungsgericht Regensburg die zunächst unter dem Az. RO 3 K 19.1309 erfasste Klage, soweit sie auf die Rückerstattung von Rundfunkbeiträgen in Höhe von 297,50 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Dezember 2018 gerichtet ist, ab und führte diese unter dem neuen Az. RO 3 K 21.991 fort. Sodann erklärte sich das Verwaltungsgericht Regensburg für das abgetrennte und unter dem Az. RO 3 K 21.991 fortgeführte Verfahren für örtlich unzuständig und verwies den nunmehr unter dem Az. RO 3 K 21.991 geführten Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München.
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Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2021 erklärte der Bevollmächtigte des Klägers sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, mit Schreiben vom 23. Juni 2021 verzichtete auch der Bevollmächtigte des Beklagten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Mit Urteil vom 18. August 2021 wurde die unter dem Az. RO 3 K 19.1309 beim Verwaltungsgericht Regensburg verbliebene Klage abgewiesen. Der Kläger habe seine Rundfunkbeiträge für die streitgegenständliche Wohnung nicht rechtzeitig geleistet. Durch die vom Konto mit der Nr. … per Lastschrifteinzug erfolgten Abbuchungen, dem ein Lastschriftmandat vom …April 2014 zugrunde liege, sei die Rundfunkbeitragspflicht für die vom Kläger genutzte Wohnung im streitgegenständlichen Zeitraum nicht erfüllt worden. Entsprechende Zahlungen seien nicht auf das Beitragskonto des Klägers unter der Beitragsnummer A… … …, sondern auf das Beitragskonto der ehemaligen Ehefrau des Klägers unter der Beitragsnummer B… … … erfolgt.
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Mit Beschluss vom 16. Februar 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 17. Juni 2021 und der Beklagte mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23. Juni 2021 klar, eindeutig und vorbehaltlos auf mündliche Verhandlung verzichtet haben.
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Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts München ergibt sich aus dem Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. Mai 2021, an den das Verwaltungsgericht München gebunden ist (§ 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 1 GVG in entsprechender Anwendung).
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Für die Entscheidung ist nach dem Übertragungsbeschluss der Kammer vom 16. Februar 2023 der Einzelrichter zuständig.
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2. Gegenstand der Klage ist eine allgemeine Leistungsklage, gerichtet auf Rückerstattung der von Mai 2017 bis September 2018 geleisteten Rundfunkbeiträge in Höhe von 297,50 EUR. Diese ist zulässig, aber unbegründet, da der Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der für 17 Monate entrichteten Rundfunkbeiträge hat.
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Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 RBStV kann, soweit ein Rundfunkbeitrag ohne rechtlichen Grund entrichtet wurde, derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt wurde, von der durch die Zahlung bereicherten Landesrundfunkanstalt die Erstattung des entrichteten Betrags fordern.
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Vorliegend wurde zwar auf Rechnung des Klägers die Zahlung von Rundfunkbeiträgen für 17 Monate in Höhe von 297,50 EUR bewirkt, jedoch wurden diese nicht ohne rechtlichen Grund entrichtet, da der Kläger als sog. „Fürzahler“ mit seinen Zahlungen die Rundfunkbeitragspflicht für seine damalige Ehefrau, Frau A…, erfüllt hat.
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2.1. Für die Beurteilung der Frage, ob durch eine Zahlung die eigene Rundfunkbeitragsschuld getilgt oder – als sogenannter Fürzahler – auf die Beitragsschuld eines Dritten geleistet wird, ist die Regelung in § 267 BGB entsprechend anzuwenden (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 01.08.2022 – 2 S 3368/21 – juris, Rn. 31 ff mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Nach § 267 Abs. 1 BGB führt die Leistung eines Dritten – hier des Klägers – nur dann zur Schulderfüllung, wenn der Dritte mit dem Willen leistet, die Verpflichtung des Schuldners – hier seiner damaligen Ehefrau – zu tilgen, und dies auch zum Ausdruck bringt; maßgeblich kommt es dabei aber nicht auf den tatsächlichen inneren Willen des Dritten an, sondern darauf, wie dessen Verhalten bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Zuwendungsempfängers zu beurteilen ist (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. etwa Urteil vom 31.01.2018 – XIII ZR 39/17 – juris Rn. 26; Urteil vom 27.09.2017 – IV ZR 39/16 – juris Rn. 17; Urteil vom 13.03.2014 – IX ZR 147/11 – juris Rn. 16; Urteil vom 08.04.2003 – VI ZR 423/01 – juris Rn. 14). Nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsscheinlehre kann es auf den Empfängerhorizont allerdings nur insoweit ankommen, als der Leistende zurechenbar einen Rechtsschein gesetzt hat (BGH, Urteil vom 13.03.2014, aaO juris Rn. 17; vgl. auch Bittner/Kolbe in Staudinger, BGB, § 267 Rn. 8 mwN). Fehlt subjektiv der Fremdtilgungswille kommt eine Drittleistung also nur in Betracht, wenn der Empfänger die Leistung als Zahlung eines Dritten auf fremde Schuld verstehen musste und der Zahlende diesen Eindruck zurechenbar hervorgerufen hat.
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2.2. Danach kommt es für die Auslegung der Tilgungsbestimmung auch im Rundfunkbeitragsrecht nicht auf den inneren Willen des Leistenden, sondern auf den objektiven Empfängerhorizont des Zuwendungsempfängers und damit der Rundfunkanstalt an, wenn der Leistende zurechenbar einen Rechtsschein gesetzt hat. Durch irrtumsbedingte Zahlung der Rundfunkbeiträge für einen anderen Rundfunkbeitragspflichtigen wird der Leistende – wenn er einen zurechenbaren Rechtsschein gesetzt hat – nicht von der eigenen Rundfunkbeitragspflicht frei (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 01.08.2022 – 2 S 3368/21 – juris, Rn. 33).
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Der Kläger hat bei der insoweit maßgeblichen objektiven Betrachtungsweise aus Sicht des Zuwendungsempfängers – hier des Beklagten – mit seinen Zahlungen die Rundfunkbeitragspflicht für seine damalige Ehefrau erfüllt. Das vom Kläger erteilte SEPA-Lastschriftmandat vom … April 2014 wurde für das Beitragskonto unter der Nummer B… … … ausgestellt, unter der lediglich die damalige Ehefrau des Klägers, nicht jedoch der Kläger, als Rundfunkteilnehmerin und damit Beitragspflichtige beim Beklagten angemeldet war. Nach dem Auszug der damaligen Ehefrau des Klägers aus der Wohnung …weg ... in A… … und deren Einzug in eine neue Wohnung in B… zum … Februar 2016 wurde vom Beklagten für die Beitragsnummer B… … … die neue Wohnung von Frau A… erfasst und die Abbuchungen von dem im SEPA-Lastschriftmandat vom … April 2014 angegebenen Bankkonto des Klägers weiterhin zu Gunsten des Rundfunkbeitragskontos von Frau A… unter der Beitragsnummer B… … … vorgenommen. Durch die Erteilung dieses Lastschriftmandats hat der Kläger den Rechtschein gesetzt, Rundfunkbeiträge auf das Beitragskonto mit der Nummer B… … … leisten zu wollen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte durfte der Beklagte auch weiterhin davon ausgehen, dass die Zahlungen per Lastschriftverfahren, die vom Bankkonto des Klägers mit der Nr. … eingezogen wurden, auf die Beitragsschuld von Frau A… erfolgten, zumal in diesem Lastschriftmandat als Kontoinhaberin Frau A… angegeben worden war. Dass der Kläger womöglich von Anfang an der Auffassung gewesen ist, die Beiträge für sein eigenes Beitragskonto zu zahlen, ändert daran nichts, da der Kläger im Hinblick auf den streitgegenständlichen Zeitraum von Mai 2017 bis September 2018 einen entsprechenden Willen dem Beklagten gegenüber nicht geäußert hat und dem durch die Erteilung des Lastschriftmandats gesetzten Rechtsschein nicht entgegengetreten ist. Erst mit Schreiben vom 24. Oktober 2018, in dem auf ein nach dem 28. September 2018 geführtes Telefonat Bezug genommen wurde, das ausweislich der Verwaltungsakte des Beklagten am 10. Oktober 2018 geführt wurde, hat der Kläger dem Beklagten gegenüber dargelegt, dass die von seinem Konto (Nr. …) seit vielen vorgenommenen Abbuchungen für die Beitragsnummer B… … … erfolgt sind, seine Exfrau jedoch zum … Februar 2016 aus seinem Haus ausgezogen sei, so dass die ab dem 1. Februar 2016 entrichteten Beiträge rechtswidrig von seinem Konto abgebucht worden seien. Da bis zum Einzug seiner Lebensgefährtin am … Mai 2017 der Kläger beitragspflichtig gewesen wäre, würde zumindest für den Zeitraum ab 1. Mai 2017 bis September 2018 die Rückerstattung der zu Unrecht eingezogenen Beiträge geltend gemacht werden.
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Da nach dem Ausgeführten die Tatbestandsvoraussetzungen des Rückerstattungsanspruchs nach § 10 Abs. 3 Satz 1 RBStV nicht erfüllt sind, für deren Vorliegen zudem der Kläger die Darlegungs- und Beweislast trägt (§ 10 Abs. 3 Satz 2 RBStV), geht auch der beantragte Verzinsungsantrag in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ins Leere, so dass die Klage abzuweisen war.
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3. Als unterlegener Teil hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff der Zivilprozessordnung (ZPO).