Titel:
Einstweilige Anordnung, Unzulässigkeit
Normenkette:
VwGO § 123
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Unzulässigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6676
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf EUR 1.000,- festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag gegen polizeiliche Maßnahmen im Oktober 2022.
2
Nach der Sachverhaltsdarstellung der Polizei wurden am 12. Oktober 2022 zwei Angehörige der PI … vom Antragsteller in die W* …Str. … in M* … zum dortigen S* … Hotel gerufen, da es ein Problem mit der Räumung seines Apartments im Hotel gebe. Der Antragsteller wendete sich dagegen, dass er vom Hotelbetreiber wegen Nichtzahlung der Miete aus seinem Zimmer verwiesen werden sollte. Zur weiteren Klärung des Sachverhalts sprachen die Beamten mit einer Angestellten des Hotels, Frau B., die ihnen erläuterte, dass der Antragsteller für die Monate September und Oktober 2022 trotz Mahnung nicht die monatlich zu entrichtende Miete gezahlt habe und nunmehr aufgefordert worden sei, das Apartment zu räumen. Ein weiteres Problem sei, dass der Antragsteller keine persönlichen Daten an die Betreiber weitergeben wolle. Die Beamten erhoben die persönlichen Daten des Antragstellers und gaben diese an Frau B. weiter, womit der Antragsteller, mit dem auf Englisch kommuniziert wurde, sich einverstanden zeigte. Im Übrigen wurde er auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
3
Am 17. Oktober 2022 rief der Antragsteller über die Einsatzzentrale der Polizei erneut zwei Angehörige der PI … in das erwähnte Hotel. Der Hotelmanager Herr A. erläuterte den Beamten den bereits bekannten Sachverhalt und führte sie zum Zimmer des Antragstellers. Dem öffnenden Antragsteller erklärte der Polizeibeamte L. mehrfach in englischer Sprache, dass er das Zimmer verlassen müsse, da er nicht bezahlt habe. Der Antragsteller weigerte sich, worauf hin die Beamten ihm erklärten, dass sie da seien, um den Hotelmanager bei der Durchsetzung des Hausrechts zu unterstützen. Auf Nachfrage wies der Antragsteller sich mit einem gültigen iranischen Reisepass und einem abgelaufen elektronischen Aufenthaltstitel aus. Daraufhin führte der Beamte L. eine Recherche im Ausländerzentralregister durch, ein aktueller Aufenthaltstitel war aber nicht hinterlegt. In einem informatorischen Gespräch gab der Antragsteller an, dass der letzte Kontakt im März 2022 bestanden habe, worüber er aber keine Nachweise habe. Da ein einsatzunabhängiges ausländerrechtliches Delikt im Zusammenhang mit dem Aufenthaltstitel des Antragstellers im Raum stand, telefonierte der Beamte S. mit dem zuständigen Fachkommissariat … Das Telefonat ergab, dass der Antragsteller anzuzeigen sei. Mit der Staatsanwaltschaft wurde nach Aussage der Polizei nicht telefoniert. Im Anschluss daran wurde der Antragsteller als Beschuldigter im Strafverfahren wegen illegalen Aufenthalts ohne Aufenthaltstitel belehrt und zur Sache vernommen. Der Antragsteller benannte einen Zustellungsbevollmächtigten.
4
Nachdem der Antragsteller seine Sachen gepackt hatte, verließ er in Begleitung der Beamten das Hotel. Da er ankündigte, das Hotel erneut zu betreten, sobald die Beamten fort seien, sprach PM L. einen mündlichen Platzverweis für das Hotel bis zum 18. Oktober 2022, 6:00 Uhr aus, welchem der Antragsteller auch nachgekommen ist.
5
Durch die Staatsanwaltschaft München I wurde dem PP M. … mit Schreiben vom 18. Oktober 2022 und 15. Januar 2023 bezüglich des Strafverfahrens wegen unerlaubten Aufenthalts ohne erforderlichen Aufenthaltstitel mitgeteilt, dass das Verfahren gemäß § 154b StPO eingestellt worden sei.
6
Der Antragsteller wendete sich in der Folgezeit wiederholt über das Kontaktformular im Internet in englischer Sprache an die Polizei. Nach Angaben der PI … waren die Angaben dort wirr und strafrechtlich nicht relevant. Das Gesundheitsreferat wurde per E-Mail verständigt.
7
Der Antragsteller erschien danach häufiger bei der PI …, um mit den an den Geschehnissen vom 17. Oktober 2022 beteiligten Polizeibeamten zu sprechen. In diesen Gesprächen beharrte der Antragsteller auf seinem Standpunkt, dass seine Unterkunft eine Wohnung gewesen sei, aus der er nicht einfach verwiesen werden könne. Der Antragsteller wurde mehrmals auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
8
Am 7. Dezember 2022 erschien der Antragsteller auf der Wache der PI … und gab an, dass Polizeibeamte im Oktober 2022 seine Wohnung gestürmt hätten, um Datenträger zu suchen. Er habe sich bereits beschwert, dies sei allerdings abgelehnt worden. Der Antragsteller wirkte sehr verwirrt, konnte auf Nachfrage nicht antworten und sprach zusammenhanglos. Der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass er einen Anwalt hinzuziehen könne.
9
Mit Antrag vom 28. Februar 2023 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München den Erlass einer „einstweiligen Anordnung“.
10
Seinem auf Englisch verfassten Antrag, den er mit einem Übersetzungsprogramm ins Deutsche übertragen hat, ist im Wesentlichen folgendes zu entnehmen:
11
Er wolle rechtliche Schritte gegen das Verfahren einleiten, das die Polizei in Bezug auf die Durchsetzung des Verlassens seiner Wohnung am 17. Oktober 2022 verfolgt habe. Räumungssachen seien von den Gerichten und nicht von der Polizei zu vollstrecken. Die Polizei habe sich im Namen der Staatsanwaltschaft in seinen zivilrechtlichen Streit mit dem Hotel eingemischt. Die Polizei habe danach den Sachverhalt vom 17. Oktober 2022 falsch dargestellt. Außerdem habe sie verhindert, Schadensersatz im Polizeipräsidium geltend zu machen und die Sachlage aus seiner Sicht in einer mündlichen Anhörung darzulegen.
12
Die Polizei habe seine Rechte in seiner Wohnung verletzt und ein zivilrechtliches Verfahren verhindert. Anschließend hätten sie im Polizeipräsidium versucht, die Sache zu vertuschen und zu verhindern, dass er Schadensersatzansprüche geltend machte. Er habe am 15. Februar 2023 auf einen Polizeibericht zugreifen können. Dieser müsse innerhalb von 14 Tagen korrigiert werden, deshalb müsse er verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.
13
Er benötige eine schnelle gerichtliche Entscheidung, da er seit der Räumung hohe Zahlungen an Polizei, Amtsgericht und Staatsanwaltschaft habe leisten müssen. Wegen der Räumung habe er seit Oktober 2022 3.680 EUR pro Monat bezahlt. Er benötige die Entscheidung auch zur Verlängerung seines Reisepasses und zur Information seiner Universität
14
Dem Antrag beigefügt sind diverse Kontaktformulare der Bayerischen Polizei, in der der Antragsteller den oben dargestellten Sachverhalt schilderte, ebenso ein Schreiben an das Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen 473 C 14612/2 sowie die Kopie eines Vermerks von PM L* … zu den Vorgängen vom 17. Oktober 2022.
15
Mit Schriftsatz vom 20. März 2023 nahm das Polizeipräsidium M* … zum Antrag Stellung.
16
Es wurde beantragt, den Antrag betreffend das gefahrenabwehrende Handeln der Polizei nach dem PAG
18
Im Übrigen seien die Anträge an die ordentliche Gerichtsbarkeit zu verweisen.
19
Der das gefahrenabwehrende Handeln der Polizei betreffende Antrag nach § 123 VwGO sei unzulässig, da unstatthaft. In der Hauptsache wäre eine Fortsetzungsfeststellungsklage zu erheben, da der Antragsteller die Feststellung begehre, dass das polizeiliche Handeln rechtswidrig gewesen sei. Ein solches Feststellungsbegehren könne in einem Eilverfahren nicht befriedigt werden.
20
Für den Antrag betreffend das strafprozessuale Handeln der Polizei sei der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet. Für den Antrag bestehe eine vorrangige abdrängende Sonderzuweisung zum Amtsgericht entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO, da der Eilantrag ein Handeln im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren zum Gegenstand habe. Für Schadensersatzansprüche gegen die Polizei sei der Verwaltungsrechtsweg ebenfalls nicht eröffnet. Das gelte sowohl für Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Handeln zur Gefahrenabwehr als auch im Zusammenhang mit repressiven Handeln der Polizei. Sofern der Antragsteller die Rückkehr in sein Apartment erzwingen wolle, liege eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vor, für die der Verwaltungsrechtsweg ebenfalls nicht eröffnet sei.
21
Hierauf nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 22. März 2023 Stellung. Hierin wird die Sachverhaltsdarstellung der Polizei in weiten Teilen bestritten. Er benötige eine eilige Entscheidung des Gerichts. Er habe aufgrund finanzieller Probleme lediglich einen geringen Teil der aktuell anfallenden Beherbergungskosten bezahlen können
22
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie den übersandten Behördenvorgang verwiesen.
23
Das in hohem Maße auslegungsbedürftige Begehren des Antragstellers hat die Kammer nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Antrags (§§ 122,88 VwGO) dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller im Rahmen eines Eilverfahrens die Feststellung begehrt, dass das polizeiliche Handeln am 17. Oktober 2022 im Zusammenhang mit der Räumung seines Apartments rechtswidrig gewesen ist. Diese Feststellung scheint er zum einen zu benötigen, um gegenüber anderen Stellen (ggf. Universität etc.) seinen erzwungenen Auszug aus seiner ehemaligen Unterkunft darzulegen bzw. zu rechtfertigen, zum anderen, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen und schließlich klingt an, dass es ihm auch um ein gewisses Rehabilitierungsinteresse geht, da er sich durch den Polizeieinsatz diskriminiert und in seinen Grundrechten verletzt sieht.
24
Der so ausgelegte Antrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
25
Ein solcher Antrag ist nach § 123 VwGO zu beurteilen, da in der Hauptsache jedenfalls eine Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft wäre, zumal sich sämtliche Maßnahmen der Polizei vom 17.Oktober 2022 jedenfalls durch Vollzug bzw. Zeitablauf erledigt haben bzw. in der Vergangenheit liegen (vgl. Art. 43 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG). Hier wäre eine gerichtliche Überprüfung nur im Rahmen einer sog. Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog bezüglich solcher als Verwaltungsakte zu qualifizierender Maßnahmen bzw. – soweit es sich um polizeirechtliche Realakte handelt – als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO, bei dem die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses inmitten steht, statthaft. In beiden Fällen wäre ein besonderes Feststellungsinteresse für eine gerichtliche Kontrolle erforderlich; die inhaltlichen Anforderungen an ein berechtigtes Feststellungsinteresse unterscheiden sich in der jeweiligen Klageart nicht (OVG RhPf, U.v. 21.4.2016 – 7 A 11108/14.OVG – beck-online Rn. 25 m.w.N.); für einen ausdrücklich als Eilverfahren gestellten Antrag bleibt insofern für ein Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO) kein Raum.
26
Unabhängig davon, dass im Wege der einstweiligen Anordnung im Regelfall ohnehin regelmäßig keine Feststellung begehrt werden kann (vgl. Dombert in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren 7. Auflage 2017, Rn. 370 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rspr.), dürfte es dem Antragsteller an einem anerkennenswerten Feststellungsinteresse im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen fehlen. Es ist nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht, welches spezifische Interesse der Antragsteller an einer solchen – eiligen – Feststellung haben sollte. Sollte es dem Antragsteller um die (Vorbereitung der) Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gehen, (was anhand seiner Darlegungen am wahrscheinlichsten erscheint) jedenfalls ist der Antragsteller nicht auf eine verwaltungsgerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des polizeilichen Handelns angewiesen, da im Rahmen des Amtshaftungsprozesses die ordentlichen Gerichte die Rechtswidrigkeit des polizeilichen Handelns eigenständig prüfen, insbesondere hier, wo Erledigung bereits eingetreten war, als um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht wurde. Für ein Rehabilitierungsinteresse aufgrund eines schwerwiegenden Grundrechtseingriffs (ggf. Unverletzlichkeit der Wohnung im Sinne des Art. 13 GG) besteht vorliegend jedenfalls kein Bedürfnis, dies gerade in einem Eilverfahren auszusprechen. Insoweit wäre der Antragsteller auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen. Schließlich ist auch eine Wiederholungsgefahr überhaupt nicht ersichtlich.
27
Darüber hinaus hat der Antragsteller aber auch den Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit seines Begehrens nicht glaubhaft gemacht. Es ist dem Gericht nicht nachvollziehbar und auch vom Antragsteller im Zusammenhang mit der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung nicht plausibel dargelegt, wie dem Antragsteller durch einen gerichtlichen einstweiligen Ausspruch der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen vom 17. Oktober 2022 eine Verbesserung seiner zivilrechtlichen Position in Bezug auf die von ihm an Dritte zu zahlenden Beherbergungskosten entstehen sollte. Diese beurteilen sich allein nach den vom Antragsteller mit den jeweiligen Hotels geschlossenen Verträgen. Das damalige und erledigte polizeiliche Handeln (auch) zur Durchsetzung der Rechte des ehemaligen Vermieters ist im Zusammenhang damit irrelevant.
28
Von einer Verweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit nach § 173 VwGO in Verbindung mit § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG wird im vorliegenden Einzelfall abgesehen, da sich aus den Antragsunterlagen ergibt, dass der Antragsteller bereits das Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen 473 C 14612/22 mit einer im wesentlichen identischen Streitsache befasst hat.
29
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.