Inhalt

VG München, Beschluss v. 24.03.2023 – M 1 SN 23.223
Titel:

Erfolgloser Nachbareilantrag wegen Genehmigung für Nebengebäude und Lagerflächen

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 80a Abs. 3
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 3, § 212a Abs. 1
BayBO Art. 6 Abs. 5 S. 1, Art. 59, Art. 60
Leitsätze:
1. Bei Vorhaben im Außenbereich beschränkt sich der Nachbarschutz auf die Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme, eine etwaige fehlender Privilegierung vermittelt keinen Drittschutz. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Belange des Naturschutzes haben keine drittschützende Wirkung. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilantrag eines Nachbarn, Unzumutbare Umwelteinwirkungen, Schutz des Waldes, Wasserhaushalt, Eilrechtsschutz, gesetzlicher Sofortvollzug, summarische Prüfung, Nachbar, Baurecht, drittschützende Normen, Außenbereich, sonstiges Vorhaben, öffentlicher Belang, rücksichtslos, Umwelteinwirkungen, Hackschnitzelheizung, Naturschutz, Abstandsflächen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.06.2023 – 1 CS 23.647
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6674

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
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Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Nebengebäudes, welche der Antragsgegner dem Beigeladenen erteilt hat.
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Die Antragstellerin ist Nießbraucherin am Grundstück FlNr. 479 Gem. …, das südlich an das Grundstück des Beigeladenen, FlNr. 479/2 Gem. … angrenzt und nach Vortrag der Antragstellerin von dieser forstwirtschaftlich genutzt wird.
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Im August 2020 wurde durch das Landratsamt festgestellt, dass auf dem Grundstück des Beigeladenen ein Nebengebäude im Außenbereich ohne baurechtliche Genehmigung errichtet wurde. Mit Bescheid vom 27. August 2020 wurden die Bauarbeiten durch den Antragsgegner eingestellt und der Beigeladene verpflichtet, einen Bauantrag einzureichen. Der entsprechende, am 26. Oktober 2020 beim Beklagten eingegangene, Bauantrag für den Ersatzbau für eine durch ein außergewöhnliches Ereignis zerstörte Scheune wurde am 11. Juli 2022 durch den Beigeladenen zurückgenommen um das Vorhaben durch eine Umplanung genehmigungsfähig zu machen.
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Unter dem 4. Oktober 2022 reichte der Beigeladene einen neuen Bauantrag für den Abbruch eines Carports und einer Holzlege und die Errichtung eines Nebengebäudes mit Garagen, Hackschnitzelheizung und privaten Lagerflächen bei der Gemeinde ein, welche mit Beschluss vom 25. Oktober 2022 ihr Einvernehmen erteilte.
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Mit Bescheid vom 14. Dezember 2022 erteilte der Antragsgegner antragsgemäß die Baugenehmigung. Das Vorhaben werde nach § 35 Abs. 2 BauGB beurteilt. Die Gemeinde habe ihr Einvernehmen erteilt.
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Mit am 29. Dezember 2022 eingegangenem Schreiben hat die Antragstellerin Klage (M 1 K 22.6535) erhoben und sucht zugleich Eilrechtsschutz mit dem Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und weitere bauaufsichtliche Maßnahmen zu erlassen.
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Die erteilte Baugenehmigung verletze nachbarschützende Vorschriften. Da es sich um ein nicht privilegiertes Vorhaben handle, sei es bereits unzulässig, wenn einer der öffentlichen Belange beeinträchtigt wird. Der Verwaltung stehe kein Ermessensspielraum zu. Sonstige Vorhaben seien grundsätzlich unzulässig. Die Hackschnitzelheizung sei brandgefährlich. Sie halte den angemessenen Abstand von 20 bis 30 Metern zum Wald nicht ein. Entgegen Art. 1 Bayerisches Waldschutzgesetz sei die Forstbehörde nicht unterrichtet worden, obschon eine Beeinträchtigung des Waldes zu erwarten sei. Dies sei bei der ursprünglichen Planung 2020 passiert und die Zustimmung sei damals verweigert worden. Durch die Verzögerung sei die Fläche zum Aufforsten mit Dornenbüschen überwuchert, diese nun mit großem finanziellen Aufwand beseitigt werden müssten. Hierdurch fielen auch Fördermittel weg. Durch die Versiegelungen und Auffüllungen für den Bau werde zudem der Wasserhaushalt gestört, das Niederschlagswasser werde nun über die Dachflächen entsorgt und fehle. Durch die Fenster zum Wald komme es zu Lichtverschmutzungen des Waldes, was die Erholung der Vogelpopulation behindere. Auch sei sie als Nießbraucherin verpflichtet, die Landwirtschaft inkl. Wald in ihrem Zustand zu erhalten.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Das Vorhaben beeinträchtige die öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB nicht. Diese Belange besäßen zudem keine drittschützende Wirkung. Das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt, denn schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB würden durch das Vorhaben weder hervorgerufen noch werde es solchen ausgesetzt. Die Abstandsflächen würden eingehalten.
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Der Beigeladene hat sich ausführlich zur Sache geäußert, jedoch keinen Antrag gestellt. Insbesondere hat er darauf hingewiesen, dass vor Baubeginn ein Brandschutznachweis erstellt werde und der Einbau der Hackschnitzelheizung in enger Zusammenarbeit mit dem Kaminkehrermeister erfolgen werde. Es sei weder beantragt, noch genehmigt, das Gebäude zum Wohnen zu nutzen. Die gesamte Zeit über sei die Baueinstellung beachtet und erst nach Genehmigungserteilung und Anzeige des Baubeginns im Januar 2023 seien weitere Bauarbeiten aufgenommen worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 1 K 22.6535, sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Die zulässigen Anträge bleiben ohne Erfolg.
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1.1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig, insbesondere ist er statthaft, §§ 80 a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, weil der in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 14. Dezember 2022 gemäß § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt.
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1.2 Der Antrag bleibt jedoch ohne Erfolg, weil er unbegründet ist.
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Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den Erfolg des gestellten Antrags. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige, Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
Die Interessenabwägung fällt zugunsten der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aus. Die gebotene summarische Prüfung ergibt, dass die Anfechtungsklage keinen Erfolg haben wird. Die Baugenehmigung ist im Hinblick auf nachbarschützende und im Verfahren zu prüfende Vorschriften rechtmäßig und verletz die Antragstellerin daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung hat ein Nachbar nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt ein Anspruch auf Aufhebung weiter voraus, dass der Nachbar durch die Baugenehmigung zugleich in seinen Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das ist dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutze der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 6.10.1989 – 4 C 14.87 – juris Rn.9). Weiterhin ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann erfolgreich angreifen kann, wenn die Rechtswidrigkeit der Genehmigung sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die gemäß Art. 59 oder Art. 60 BayBO Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren waren.
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Danach verletzt die streitgegenständliche Baugenehmigung die Antragstellerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten.
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1. .2.1 Bei Vorhaben im Außenbereich beschränkt sich der Nachbarschutz auf die Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme, eine etwaige fehlender Privilegierung vermittelt keinen Drittschutz (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 140. EL Oktober 2020, § 35 Rdnr. 185 ff.). Das Gebot der Rücksichtnahme findet bei sonstigen Vorhaben Eingang in die Anwendung des § 35 Abs. 2 BauGB als Bestandteil der nach § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu berücksichtigenden öffentlichen Belange (vgl. BVerwG, U.v. 25.02.1977 – IV C 22.75 – juris Rn. 21). Voraussetzung für die Annahme eines Abwehrrechts unter Berufung auf das Gebot der Rücksichtnahme ist jedoch stets, dass der Nachbar in einem Maße unzumutbar betroffen ist, welches das Vorhaben als rücksichtslos erscheinen lässt.
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Es sind keine unzumutbaren Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zulasten des Grundstücks, an dem der Antragstellerin der Nießbrauch zusteht, zu erwarten. Sie hat vorgetragen, dass es durch die Fenster zu Lichtverschmutzungen des Waldes kommen würde. Die Verursachung unzumutbarer Umwelteinwirkungen zulasten des o.g. Grundstückdeshalb ist schon deshalb zu verneinen, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Bauvorhaben um ein Nebengebäude mit Garagen und Hackschnitzelheizung sowie privaten Lagerflächen im Speicher handelt und das Gebäude damit nicht dem dauerhaften Aufenthalt von Menschen dient. Es ist daher nicht vorstellbar, dass es bei ordnungsgemäßer, der Baugenehmigung entsprechender Nutzung zu Lichtemissionen derartigen Ausmaßes kommt, dass diese auf das Grundstück unzumutbar einwirken würden.
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Daneben hat die Antragstellerin auf die Brandgefahren der Hackschnitzelheizung hingewiesen. Auch diesbezüglich können unzumutbare Umwelteinwirkungen ausgeschlossen werden, wenn die Hackschnitzelheizung ordnungsgemäß eingebaut und angeschlossen sowie den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben entsprechend betrieben wird.
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Schließlich hat die Antragstellerin ausgeführt, dass im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens die Forstbehörde nicht beteiligt und die Belange des Wasserhaushaltes nicht beachtet worden seien. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die Belange des Naturschutzes nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung keine drittschützende Wirkung haben, sodass die Antragstellerin sich hierauf nicht berufen könnte. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass dieser Belang (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und Nr. 6 BauGB) durch das Vorhaben beeinträchtigt sein könnten.
1.2.2 Das Vorhaben hält die erforderlichen Abstandsflächen von H=0,4, Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO, ein.
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2. Soweit der Antrag gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen ist, dass auch der Erlass weiterer bauaufsichtlicher Maßnahmen im Wege einer einstweiligen Verfügung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO beantragt wird, ist dieser bereits unzulässig. Es fehlt bereits an einem vorangegangenen, entsprechenden Antrag bei der Bauaufsichtsbehörde, entsprechende Maßnahmen zu erlassen.
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3. Der Antrag war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen, wobei es der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO entsprach, den Beigeladenen seine außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, weil er selbst keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung folgt §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.