Titel:
Erfolgloser Eilantrag auf Herausgabe eines im Rahmen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung sichergestellten Hilfsmittels
Normenkette:
BayJAPO § 11 Abs. 3 S. 1, S. 3
Leitsätze:
1. Zur Bestimmtheit von § 11 Abs. 3 Satz 1 JAPO. (Rn. 4 – 15)
2. Der mit der Sicherstellung verbundene Zweck der Beweissicherung entfällt bei Hilfsmitteln, die wegen einer beanstandeten Veränderung sichergestellt werden, erst dann, wenn der Bescheid, mit dem die Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Rechtsfolgen nach § 11 Abs. 1 bis 6 JAPO bekanntgegeben wurde, in Bestandskraft erwachsen ist. (Rn. 11 – 14)
Schlagworte:
Zweite Juristische, Staatsprüfung, Herausgabeverlangen eines sichergestellten Hilfsmittels, Bestimmtheit des § 11 Abs. 3 Satz 1 JAPO (bejaht), Sanktionscharakter der Sicherstellung (verneint), Zweck der Sicherstellung, Dauer der Sicherstellung., Zweite Juristische Staatsprüfung, Hilfsmittel, Sicherstellung, Herausgabe, Bestimmtheit
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 09.03.2023 – B 3 E 23.183
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6191
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu Recht abgelehnt.
2
I. Der Antragsteller kann eine Herausgabe der am 29. November 2022 im Rahmen des schriftlichen Teils der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 2022/2 nach Beendigung der Arbeitszeit der Aufgabe 6 sichergestellten Loseblattsammlung H., Deutsche Gesetze, vor dem rechtskräftigen Abschluss des gegen den Bescheid des Beklagten vom 2. Februar 2023 gerichteten verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens nicht verlangen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers rechtfertigt § 11 Abs. 3 Satz 1 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen – JAPO – vom 13. Oktober 2003 in der hier maßgeblichen Fassung vom 30. Oktober 2020 die Sicherstellung des mutmaßlich nicht zugelassenen Hilfsmittels H., Deutsche Gesetze, über den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids vom 2. Februar 2023 hinaus.
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Besteht der Verdacht des Besitzes nicht zugelassener Hilfsmittel, so sind die Aufsichtführenden in der schriftlichen Prüfung, die vorsitzenden Mitglieder der Prüfungskommissionen für die mündliche Prüfung sowie die vom vorsitzenden Mitglied des Prüfungsausschusses beauftragten Personen befugt, diese nach § 11 Abs. 3 Satz 1 JAPO sicherzustellen.
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1. § 11 Abs. 3 Satz 1 JAPO entspricht dem aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Gebot der Klarheit und Bestimmtheit einer Norm.
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a) Eine Vorschrift entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn und soweit sich aus ihr mit ausreichender Bestimmbarkeit ermitteln lässt, was von den pflichtigen Personen verlangt wird. Vom Normgeber wird verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Notwendigkeit der Auslegung einer Begriffsbestimmung nimmt der Norm noch nicht die Bestimmtheit. Es genügt, wenn die Betroffenen die Rechtslage anhand objektiver Kriterien erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 CN 1.12 – BVerwGE 148, 133 Rn. 20 ff. m.w.N.).
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b) Gemessen hieran erfüllt § 11 Abs. 3 Satz 1 JAPO die rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität. Die Vorschrift setzt zwar ein sanktionswürdiges Verhalten des Prüfungsteilnehmers voraus, stellt selbst jedoch entgegen der Ansicht des Antragstellers keine Sanktion dar. Die in § 11 Abs. 3 Satz 1 JAPO enthaltene Befugnis zur Sicherstellung nicht zugelassener Hilfsmittel unterfällt daher nicht den strengen Anforderungen des prüfungsspezifischen Bestimmtheitsgebots (vgl. hierzu zuletzt BVerwG, U.v. 27.2.2019 – 6 C 3.18 – BVerwGE 164, 379 Rn. 15 m.w.N.; BayVGH, U.v. 19.12.2022 – 7 B 21.3133 – juris Rn. 36 m.w.N.).
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aa) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist der Regelung unzweifelhaft zu entnehmen, wann die in § 11 Abs. 3 Satz 1 JAPO genannten Personen, an die sich die Norm primär richtet, zur Sicherstellung berechtigt sind. Hilfsmittel, die nach Ziffer II. Nr. 2 der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS vom 15. Oktober 2002 in der hier maßgeblichen Fassung vom 21. März 2022 nicht zugelassen sind, weil sie entweder in Ziffer I. der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS nicht aufgelistet sind, als anderes Hilfsmittel i.S.v. Ziffer II. Nr. 1 der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS nicht zugelassen sind oder den Anforderungen von Ziffer III. der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS nicht entsprechen, können dabei nach § 11 Abs. 3 Satz 1 JAPO als nicht zugelassene Hilfsmittel unmittelbar nach ihrer Entdeckung sichergestellt werden. Die Sicherstellung von Hilfsmitteln, die wegen einer Veränderung beanstandet werden (vgl. hierzu Ziffer IV. der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS), darf nach § 11 Abs. 3 Satz 3 JAPO erst mit Ablieferung der betreffenden Prüfungsarbeit, spätestens zum Ende der dafür vorgesehenen Arbeitszeit erfolgen.
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bb) Die in § 11 Abs. 3 Satz 1 JAPO normierte Sicherstellung enthält die Anordnung an den Prüfungsteilnehmer, der ihm in Satz 2 ausdrücklich auferlegten Pflicht zur Herausgabe nicht zugelassener Hilfsmittel nachzukommen, und führt gleichzeitig zur Begründung neuen Gewahrsams (zunächst) durch die in der Vorschrift genannten Personen, die dies als Beauftragte des Beklagten vornehmen. Mit der Sicherstellung eines (mutmaßlich) nicht zugelassenen Hilfsmittels ist zwar ein Eingriff in die Rechte des betroffenen Prüfungsteilnehmers verbunden. Die Sicherstellung stellt jedoch keine Sanktion dar. Denn sie bezweckt vielmehr unzweifelhaft (zunächst) die Durchsetzung des in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 3 JAPO enthaltenen Verbots, nicht zugelassene Hilfsmittel in der Prüfungsarbeit zu benutzen oder zu besitzen. Der Prüfungsteilnehmer darf die Bearbeitung seiner Prüfungsarbeit fortsetzen. Zur Wahrung der Chancengleichheit der übrigen Prüfungsteilnehmer muss er jedoch am weiteren Besitz und der Benutzung derartiger Hilfsmittel während der Prüfungsarbeit gehindert werden – entweder sofort (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 1 JAPO) oder bei Hilfsmitteln, die wegen einer Veränderung beanstandet werden, spätestens zum Ende der Bearbeitungszeit der jeweiligen Prüfungsarbeit (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 3 JAPO).
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Der Zweck der Sicherstellung, während der Prüfungsarbeit rechtmäßige Zustände herzustellen, schließt bereits begriffslogisch aus, dass es sich bei der Sicherstellung um eine Sanktion handelt. Denn gegenüber dem Prüfungsteilnehmer wird mit der Sicherstellung lediglich das durchgesetzt, was er nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 3 JAPO ohnehin zu unterlassen hätte. Zudem obliegt die Entscheidung über zu treffende Sanktionen dem nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 JAPO zuständigen Prüfungsausschuss; dessen Entscheidung ist dem Prüfungsteilnehmer nach § 11 Abs. 7 Satz 1 JAPO durch schriftlichen Verwaltungsakt bekanntzugeben. Auch dieses Normgefüge zeigt, dass es sich bei der Sicherstellung nicht um eine Sanktion handeln kann. Nach § 11 Abs. 3 Satz 4 JAPO ist eine Sanktionierung lediglich dann möglich, wenn der Prüfungsteilnehmer das dort genannte Verhalten zeigt, insbesondere die Sicherstellung eines (mutmaßlich) nicht zugelassenen Hilfsmittels verhindert.
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cc) Der Zweck der Sicherstellung erschöpft sich jedoch nicht in der Schaffung rechtmäßiger Zustände. Die Sicherstellung dient zudem der Beweissicherung, wobei auch dieser Zweck entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht explizit in der Vorschrift genannt werden muss, um von der Bestimmtheit der Norm ausgehen zu können. Denn der Beweissicherungszweck der Sicherstellung folgt aus der in § 7 Abs. 2 Nr. 4 JAPO normierten Zuständigkeit des Prüfungsausschusses für die Entscheidung nach § 11 JAPO. Ohne die Möglichkeit der Inaugenscheinnahme des sichergestellten Hilfsmittels könnte der Prüfungsausschuss seine Kompetenzen nicht hinreichend wahrnehmen. Anders als bei Hilfsmitteln, deren Nichtzulassung sich aus Ziffer I., Ziffer II. Nr. 1 oder Ziffer III. der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS ergibt, ist es bei Hilfsmitteln, die wegen einer beanstandeten Veränderung sichergestellt werden, nicht gänzlich ausgeschlossen, dass sich die während der Prüfungsarbeit festgestellten mutmaßlich unzulässigen Veränderungen bei näherer Prüfung durch den zuständigen Prüfungsausschuss als noch mit Ziffer IV. der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS vereinbar erweisen. Da ein sofortiger Abbruch der Prüfung mangels Rechtsgrundlage nicht angeordnet werden kann, ist dem betreffenden Prüfungsteilnehmer daher ein wegen Veränderungen beanstandetes Hilfsmittel bis zur Ablieferung der betreffenden Prüfungsarbeit, spätestens bis zum Ende der dafür vorgesehenen Arbeitszeit zu belassen.
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dd) Ob eine Sicherstellung aus Beweissicherungsgründen bei Hilfsmitteln, die nach Ziffer II. Nr. 2 der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS nicht zugelassen sind, über den Zeitpunkt der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts i.S.v. § 11 Abs. 7 Satz 1 JAPO (im Folgenden: Sanktionsbescheid) hinaus fortdauern kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Jedenfalls entfällt der mit der Sicherstellung verbundene Zweck der Beweissicherung bei Hilfsmitteln, die wegen einer beanstandeten Veränderung sichergestellt werden, erst dann, wenn der Sanktionsbescheid in Bestandskraft erwachsen ist.
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Anders als der Antragsteller meint, lässt die Bekanntgabe eines Sanktionsbescheids bei diesen Fallgestaltungen den Beweissicherungszweck der Sicherstellung nicht entfallen. Nicht nur der Prüfungsausschuss muss das wegen mutmaßlich nicht zulässiger Veränderungen sichergestellte Hilfsmittel in Augenschein nehmen können. Macht der betroffene Prüfungsteilnehmer von seinem Recht auf gerichtliche Überprüfung der gegen ihn verhängten Sanktion Gebrauch, muss das betreffende Hilfsmittel auch dem Gericht zu Beweiszwecken zur Verfügung stehen. Das Gericht muss das sichergestellte Hilfsmittel in dem Zustand bewerten können, wie es sich im Zeitpunkt der Sicherstellung befunden hat. Ob dabei weitere, im jeweiligen Sanktionsbescheid nicht aufgeführte „Kommentierungen“ im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens berücksichtigt werden könnten, spielt keine Rolle.
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Die Authentizität des sichergestellten Hilfsmittels ist nicht nur für den beweispflichtigen Beklagten wichtig, der mit ihm die Rechtmäßigkeit der verhängten Sanktion rechtfertigen muss. Vielmehr hat auch der betroffene Prüfungsteilnehmer, der mit der Anfechtung die Rechtswidrigkeit des Sanktionsbescheids geltend macht, regelmäßig ein besonderes Interesse daran, dass dem Gericht das sichergestellte Hilfsmittel in einem unveränderten Zustand vorgelegt wird. Denn auch der betroffene Prüfungsteilnehmer kann nur mit Hilfe des sichergestellten Hilfsmittels aufzeigen, dass die vorgenommenen Veränderungen gegebenfalls noch mit Ziffer IV. der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS vereinbar sind oder sie – in Anhängigkeit von der konkret verhängten Sanktion – jedenfalls eine mildere Sanktion rechtfertigen. Aus diesen Gründen endet die Beweismittelfunktion des Hilfsmittels, das wegen beanstandeter Veränderungen sichergestellt wird, nicht bereits mit der Bekanntgabe, sondern erst mit der Bestandskraft des Sanktionsbescheids. Denn zu diesem Zeitpunkt sind alle im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheids stehenden Fragen endgültig geklärt, das dazugehörige Verfahren abgeschlossen und die Funktion des sichergestellten Hilfsmittels als Beweismittel beendet.
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Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist § 11 Abs. 3 Satz 1 JAPO dabei nicht deshalb verfassungswidrig, weil in der Norm die Dauer der Sicherstellung nicht geregelt ist. Denn es ist der Regelung immanent, dass die Sicherstellung erst dann nicht mehr aufrechterhalten bleiben kann, wenn alle mit ihr im Zusammenhang stehenden Fragen endgültig geklärt sind. Dies ist jedenfalls bei Hilfsmitteln, die wegen einer beanstandeten Veränderung sichergestellt werden, erst mit der Bestandskraft des Sanktionsbescheids der Fall. Aus Gründen der Bestimmtheit einer Norm nicht zu beanstanden ist, dass in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen Regelungen über das durch die Sicherstellung begründete öffentlich-rechtliche Verwahrverhältnis fehlen. Denn über Art. 62 BayVwVfG sind die §§ 688 ff. BGB auf dieses Rechtsverhältnis anzuwenden, soweit es der öffentlich-rechtliche Zweck der Maßnahme zulässt.
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ee) Die Sicherstellung mutmaßlich nicht zugelassener Hilfsmittel ist auch verhältnismäßig. Sie ist letztlich lediglich Konsequenz dessen, dass der Prüfungsteilnehmer (mutmaßlich) gegen das Verbot in § 11 Abs. 1 Satz 1 und 3 JAPO verstoßen hat. Zwar greift die Sicherstellung in grundrechtliche Belange des betroffenen Prüfungsteilnehmers ein. Denn er kann auf das sichergestellte Hilfsmittel nicht mehr zurückgreifen, muss dieses in der Regel erneut beschaffen und hat unter Umständen nicht mehr die Zeit, zulässige Verweisungen und Unterstreichungen vorzunehmen. Unabhängig von der noch folgenden Sanktion kann bereits dies zu einer Verschlechterung der Gesamtprüfungsnote oder sogar zu einem Nichtbestehen der Prüfung führen. Der mit der Sicherstellung verbundene Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist jedoch gerechtfertigt. Denn auf der anderen Seite wiegen das Interesse der Mitprüflinge an der Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen sowie dasjenige der Allgemeinheit am Erhalt der Aussagekraft staatlich vergebener Prüfungsnoten nicht minder schwer. Derjenige, der ein nicht zugelassenes Hilfsmittel besitzt, setzt sich über diese legitimen Interessen aus rein eigensüchtigen Motiven hinweg. Zu berücksichtigen ist überdies, dass es jedem Prüfling ohne Vernachlässigung berechtigter eigener Belange möglich ist, auf den Besitz und/oder die Benutzung nichtzugelassener Hilfsmittel zu verzichten.
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2. Die Sicherstellung der Loseblattsammlung H., Deutsche Gesetze, über den Zeitpunkt des Erlasses des Sanktionsbescheids hinaus verstößt auch im vorliegenden Einzelfall nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
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Soweit der Antragsteller meint, die andauernde Sicherstellung stelle einen intensiven Eingriff in seine Rechte als Prüfling dar, weil seine Chancengleichheit gegenüber allen anderen Prüflingen in der mündlichen Prüfung durch das Vorenthalten seines kommentierten Gesetzes gravierend beeinträchtigt sei, übersieht er, dass er die Loseblattsammlung H., Deutsche Gesetze, so wie sie am 29. November 2022 sichergestellt wurde, wegen § 11 Abs. 1 Satz 1 und 3 JAPO wohl ohnehin während der mündlichen Prüfung nicht benutzen dürfte.
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Die Sicherstellung wird entgegen der Ansicht des Antragstellers auch aufgrund ihrer Dauer nicht zu einer – faktischen – Sanktion, sondern sie ist – weiterhin – die Konsequenz dessen, dass der Antragsteller Veränderungen an seiner Loseblattsammlung vorgenommen hat, die mutmaßlich über das hinausgehen, was nach Ziffer IV. der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS zulässig ist. Hierbei ist der Antragsteller eine bewusste Risikoentscheidung eingegangen. Denn nicht nur in Ziffer IV. Nr. 1 Satz 3 der Hilfsmittelbekanntmachung ZJS wird unmissverständlich klargestellt, dass derartige Hilfsmittel nicht zugelassen sind. Darüber hinaus sind den Prüfungsteilnehmern die restriktiven Bestimmungen zur Zulässigkeit von Eintragungen in Hilfsmittel sowie die Tatsache, dass während der Prüfung Kontrollen durchgeführt werden, regelmäßig bereits aus dem Ersten Juristischen Staatsexamen bekannt. Zudem werden sie vom Beklagten u.a. über das Merkblatt „Häufig gestellte Fragen zur Hilfsmittelbekanntmachung für die Zweite Juristische Staatsprüfung in der ab dem Termin der Zweiten Juristischen Staatsprüfung 2016/2 geltenden Fassung“ über die Grenzen zulässiger Eintragungen informiert und sensibilisiert. Das aufgrund des eindeutigen Wortlauts in § 11 Abs. 3 Satz 1 und 3 JAPO vorhersehbare Risiko, dass ein derart verändertes Hilfsmittel bei einer Kontrolle sichergestellt wird, ist der Antragsteller zumindest fahrlässig eingegangen. Da § 11 Abs. 1 JAPO gerade der Sicherung der Chancengleichheit zugunsten der ehrlichen Prüfungskandidaten dient (vgl. BayVGH, U.v. 19.12.2022 – 7 B 21.3133 – juris Rn. 37 m.w.N.), kann sich der Antragsteller, der mutmaßlich bereits mit dem Besitz des nicht zugelassenen Hilfsmittels die Chancengleichheit der anderen Prüfungsteilnehmer verletzt hat, nicht darauf berufen, er werde im Vergleich zu einem ehrlichen Prüfungsteilnehmer benachteiligt, wenn ihm das sichergestellte Hilfsmittel nicht vor der Bestandskraft des Sanktionsbescheids ausgehändigt würde.
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Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die fortdauernde Sicherstellung auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil Fotokopien oder Lichtbildaufnahmen von den im Bescheid vom 2. Februar 2023 aufgeführten Veränderungen getätigt werden könnten. Selbst Aufnahmen mit modernster Fototechnik haben nicht den gleichen Beweiswert wie das sichergestellte Hilfsmittel selbst, das im Übrigen strafrechtlich durch § 136 StGB vor Manipulationen und Veränderungen geschützt ist. Ungeachtet dessen ist Hilfsmittel nach Ziffer I. Nr. 1.1 die Loseblattsammlung H., Deutsche Gesetze, als Ganzes und nicht einzelne Seiten oder einzelne Gesetze dieser Loseblattsammlung. Insoweit kann es für die Beurteilung der Aufrechterhaltung der Sicherstellung keinen Unterschied machen, ob das Hilfsmittel eine Loseblattsammlung, eine gebundene Textausgabe oder ein Kommentar ist. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang die Vergleichsgruppenbildung des Verwaltungsgerichts rügt, er sei vielmehr „mit der Masse der Prüflinge zu vergleichen, die ihre mündliche Prüfung mit allen Hilfsmitteln bestreiten dürfen“, kann er schon deshalb nicht durchdringen, da es ihm nicht untersagt ist, an der mündlichen Prüfung mit einem anderen Exemplar der Loseblattsammlung H., Deutsche Gesetze, teilzunehmen. Auch ist es dem Antragsteller unbenommen, im Rahmen seiner Vorbereitung auf die mündliche Prüfung ein neues Exemplar mit Verweisungen zu versehen.
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II. Nach alledem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung bestimmt sich nach §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da nicht davon auszugehen ist, dass es im vorliegenden Verfahren zu einem Hauptsacheverfahren kommt, ist der Streitwert ausnahmsweise nach Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).