Titel:
Relevanz der Vorsteuerabzugsberechtigung bei Minderwertberechnung
Normenkette:
BGB § 249
Leitsatz:
Zwar sind wegen Wertminderung von einem Geschädigten vereinnahmte Beträge grundsätzlich in steuerrechtlicher Hinsicht steuerneutral. Anderes gilt aber, wenn gutachterlich der Betrag als Wertminderung errechnet wurde, der im Falle einer fiktiven Veräußerung unmittelbar nach Fertigstellung der Reparatur einen Verkaufsverlust zur Folge gehabt hätte gegenüber dem Verkauf des unbeschädigten Fahrzeuges. Bei einer derartigen Ermittlung der Wertminderung kommt der Frage, ob der Berechtigte vorsteuerabzugsberechtigt ist, entscheidende Bedeutung zu. Schadensrechtlich betrachtet ist nämlich dem Geschädigten, der zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, nur derjenige Betrag zu erstatten, der ihm verbliebe, wenn er aktuell die Wertminderung durch Veräußerung des reparierten Kraftfahrzeuges realisieren würde. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Minderwert, Vorsteuerabzug, Leasing
Vorinstanz:
AG Schweinfurt, Endurteil vom 11.01.2023 – 3 C 664/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6180
Tenor
1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Schweinfurt vom 11.01.2023, Az. 3 C 664/22, gemäß S 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
1
Die Parteien streiten um restliche Schadensposten aus einem Verkehrsunfall.
2
Der Verkehrsunfall ereignete sich am 25.03.2022 in Am Eschenbach 4 auf dem Parkplatz des L. Marktes in W. zwischen dem vom Kläger bei der Fahrzeug der Marke Audi A6 mit amtlichen Kennzeichen ... geleasten und dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug mit amtlichen Kennzeichen Die Haftung dem Grunde nach ist unstreitig. Die Leasinggeberin gab dem Kläger die Schadensregulierung, hinsichtlich des Schadensbetrags mit Ausnahme der Wertminderung in Auszahlung an sich, frei. Der Kläger ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Die Leasinggeberin hingegen ist zum Vorsteuerabzug berechtigt.
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Der Kläger ließ sein Fahrzeug durch das Sachverständigen- und Ingenieurbüro begutachten und ermittelte Reparaturkosten in Höhe von 4.886,36 € netto sowie eine Wertminderung in Höhe von 900,00 €.
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Hierfür stellte der Sachverständige einen Betrag in Höhe von 929,99 € in Rechnung, worauf die Beklagte 645,18 € zahlte.
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Auf Basis des Gutachtens ließ der Kläger das Fahrzeug reparieren, wofür Kosten in Höhe von 6.853,82 € brutto entstanden. Hierauf regulierte die Beklagte 6.824,07 €. Auf die Wertminderung regulierte die Beklagte 756,30 €, weshalb sich die Klageforderung des Klägers wie folgt darstellt:
Reparaturkosten
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6.853,82 €
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./. Zahlung
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6.824,07 €
29,75 €
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Sachverständigenkosten
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929,99 €
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./,. Zahlung
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645,18 €
284,81 €
314,56 €
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Wertminderung
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900,00 €
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./. Zahlung
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756,30 €
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Der Kläger hat erstinstanzlich vortragen lassen, die Wertminderung sei umsatzsteuerneutral und daher ohne Abzug zu begleichen. Im Übrigen sei das Sachverständigenhonorar ordnungsgemäß abgerechnet worden sowie ortsüblich und angemessen. Auch Coronadesinfektionskosten seien zu erstatten.
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Der Kläger hat vor dem Amtsgericht beantragt, die Beklagten mit Klageantrag Ziff. 1.) zur Zahlung von 314,56 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2022 an den Kläger sowie mit Klageantrag Ziff. 2.) zur Zahlung von 143,70 € unter Angabe der Vertragsnummer nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2022 an sowie mit Klageantrag Ziff. 3.) zur Zahlung außergerichtlichen Anwaltshonorars in Höhe von 86,63 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2022 an den Kläger zu veruneilen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, bei einem Vorsteuerabzugsberechtigten sei hinsichtlich der Wertminderung die Umsatzsteuer in Abzug zu bringen. Im Übrigen seien Coronadesinfektionskosten betriebliche Arbeitsschutzmaßnahmen und unterlägen daher den Allgemeinkosten, wobei auch deren Höhe nicht ortsüblich sei. Auch die Sachverständigenkosten werden bestritten.
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Im Übrigen wird auf den Tatbestand des Endurteils vom I I .OI .2023 (Blatt 97 der Akte) Bezug genommen.
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Das Amtsgericht Schweinfurt hat der Klage in Höhe von 299,69 € (14,88 € + 284,81 €) stattgege33 4/23 – ben. Im Hinblick auf die geltend gemachte Wertminderung in Höhe von noch 143,70 € wurde die Klage abgewiesen.
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1. a) Hinsichtlich der geltend gemachten Reparaturkosten hätten sich die Parteien in Bezug auf die Coronadesinfektionskosten darauf geeinigt, dass die Beklagte den hälftigen eingeklagten Betrag von 29,75 € und damit 14,88 € unstreitig stellt. Im Übrigen sei die Klage damit hinsichtlich des Restbetrages als zurückgenommen zu verstehen.
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b) Die Sachverständigenkosten seien in Höhe von 284,81 € und damit in vollem Umfang ersatzfähig.
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2. Das Amtsgericht hat hinsichtlich der geltend gemachten Wertminderung zur Begründung im Kern ausgeführt, dass dem Kläger diesbezüglich kein weiterer Anspruch zustehen würde.
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Richtigerweise werde die Wertminderung für die Leasinggeberin eingeklagt. Sie sei, soweit nach Vertragsende kein Kauf des Fahrzeugs erfolge, weiterhin Eigentümerin. Da die Wertminderung unmittelbar an das Eigentumsobjekt anknüpfe, stehe die Wertminderung somit auch der Eigentümerin und damit der Leasinggeberin zu. Insoweit sei die Schadensregulierung gemäß S. 249 BGB konsequenterweise hinsichtlich dieses Postens jedoch auch für die Leasinggeberin, zu beurteilen.
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Unstreitig sei, dass diese als GmbH zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Insoweit stehe ihr der Anspruch auf die Mehrwertsteuer nicht zu, denn sie müsse sich diese im Rahmen der Vorteilsangleichung anrechnen lassen. Richtig sei zwar, dass die Wertminderung im Gutachten nicht mit und ohne Mehrwertsteuer ausgeschrieben sei; nichts anderes als der vorgenannte Grundsatz könne jedoch auch für die Wertminderung gelten, trotz einer nicht ausgewiesenen MehrwertsteuEs sei daher aus der unstreitig zugestandenen Wertminderung in Höhe von 900 € noch ein Betrag für die Mehrwertsteuer in Höhe von 19% abzuziehen. Dieser sei von der Beklagten in Höhe von 143,70 € berechtigterweise einbehalten worden.
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Dies ergebe sich aus folgender Erwägung: Der Wiederbeschaffungswert des klägerischen Fahrzeugs betrage 44.900 € brutto und die Wertminderung 900 €. Es werde dabei zugrunde gelegt, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Unfalls also ein Wert von 44.900 € brutto gehabt habe. Davon sei seine Wertminderung abzuziehen, denn um diesen Betrag sei das Fahrzeug unfallbedingt weniger wert, sodass ein Betrag von 44.000 € übrig bleibe.
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Vor dem Unfall hätte der Kläger das Fahrzeug damit für 44.900 € brutto verkaufen können. Davon seien nach Abzug der Mehrwertsteuer in Höhe von 19% noch 37.731,09 € verblieben. Nach dem Unfall hingegen würde man nur noch 44.000 € erhalten, was nach Abzug der Mehrwertsteuer einem Betrag von 36.974,79 € entsprechen würde. Könne der Berechtigte nun die volle Wertminderung beanspruchen, hätte er vermögensmäßig insgesamt einen Betrag in Höhe von 37.874,79 € zur Verfügung. Dieser Betrag ermittle sich aus dem unfallbedingten Nettobetrag zuzüglich der Wertminderung i.H.v. 900,00 €. Damit hätte der Berechtigte einen Mehrbetrag in Höhe von 143,70 € aufgrund des Unfalls zur Verfügung. Dieser Differenzbetrag entspreche auch der in dem Betrag von 900 € enthaltenen Mehrwertsteuer.
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3. Aus diesem Grund bestehe auch kein Anspruch auf weitere Rechtsverfolgungskosten, da die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nur in der Höhe geltend gemacht werden könnten, die der berechtigten, d. h. der letztlich festgestellten Forderung entsprechen würden. Die Rechtsverfolgungskosten könnten daher vorliegend aus dem Gegenstandswert von 8.874,44 € geltend gemacht werden, was bei einer 1,3 Geschäftsgebühr, der Auslagenpauschale und der Mehrwertsteuer einen Gesamtanspruch an Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € ausmachen würde. Diesen Betrag habe die Beklagte unstreitig bereits reguliert, weshalb kein weiterer Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten bestünde.
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Der Kläger wendet sich gegen die Klageabweisung im Übrigen und verfolgt seinen erstinstanzliChen Klageantrag Ziff. 2.) hinsichtlich der Wertminderung sowie der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten [Klageantrag Ziff. 3.)] fort.
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1. Er trägt vor, das Amtsgericht hätte bei zutreffender Würdigung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass dem Kläger hinsichtlich Klageantrag Ziff. 2.) auch ein Anspruch auf Wertminderung in Höhe von weiteren 143,70 € in Form des abgezogenen Mehrwertsteueranteils zustehe. Der Abzug der Mehrwertsteuer von der steuerneutralen Wertminderung sei rechtsfehlerhaft. Bei der merkantilen Wertminderung handele es sich um ein Schadensersatzanspruch des Geschädigten gemäß S. 251 BGB. Die Wertminderung sei die Kompensation dafür, dass auf dem Gebrauchtwagenmarkt für ein Unfallfahrzeug trotz des technisch gleichwertigen Zustands nur ein niedrigerer Kaufpreis zu erzielen sei. Aufgrund dessen widerspreche sich bereits der Wortlaut des Gesetzes mit dem Abzug der Mehrwertsteuer von der Wertminderung.
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2. Da die berechtigte Forderung damit in Höhe von 9.018,14 € bestehe, stünde dem Kläger im Hinblick auf Klageantrag Ziff. 3.) auch ein Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten in Höhe von insgesamt 973,66 € und damit ein nicht zugesprochener Betrag in Höhe von weiteren 86,63 € zu.
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Die sowohl form- und fristgerecht eingelegte als auch entsprechend begründete Berufung des Klägers hat nach übereinstimmender Auffassung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (S. 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).
24
Die Berufung zeigt keine erheblichen Rechtsfehler des erstinstanzlichen Urteils auf. Die durch das Erstgericht vollständig und ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellungen rechtfertigen keine andere als die getroffene Entscheidung.
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Die Kammer ist gemäß S. 529 Abs. I ZPO in ihrer Verhandlung und Entscheidung an die vom Erstgericht festgestellten Tatsachen gebunden, da sich für die Kammer konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen nicht ergeben. Solche Zweifel bestehen insbesondere nicht schon deshalb, weil eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür bestehen würde, dass die Beweiserhebung des Erstgerichts keinen Bestand haben wird (vgl. dazu BGH, NJW 2014, 74 [75]), diese also unrichtig wäre (vgl. BGH, NJW 2003, 3480 [3481]; BT-Drs. 14/6036 S. 124).
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Das Amtsgericht ist frei von Rechtsfehlern und gut vertretbar zur Überzeugung gelangt, dass dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in geltend gemachter Höhe von 143,70 € [Klageantrag Ziff. 2.)] nebst Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von weiteren 86,63 € [Klageantrag Ziff. 3.)] wegen des Verkehrsunfalls vom 25.03.2022 zustehe.
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Bei der hier nach SS 249 ff. BGB gebotenen schadensrechtlichen Betrachtung ist der Kläger auf Grund der Vorsteuerabzugsberechtigung der Leasinggeberin wegen der am verunfallten Fahrzeug eingetretenen Wertminderung nur ein Schaden in Höhe von 756,30 € entstanden.
28
Zwar sind wegen Wertminderung von einem Geschädigten vereinnahmte Beträge grundsätzlich in steuerrechtlicher Hinsicht steuerneutral. Schadensrechtlich ist aber zu beachten, dass der hier beauftragte Sachverständige wie üblich den Betrag als Wertminderung errechnet hat, der im Falle einer fiktiven Veräußerung unmittelbar nach Fertigstellung der Reparatur einen Verkaufsverlust zur Folge gehabt hätte gegenüber dem Verkauf des unbeschädigten Fahrzeuges. Dies hat der Sachverständige auf Seite 13 seines Gutachtens vom auch so klargestellt. Bei einer derartigen Ermittlung der Wertminderung kommt der Frage, ob der Berechtigte, hier die Leasinggeberin, vorsteuerabzugsberechtigt ist, entscheidende Bedeutung zu (AG Remscheid, Urteil vom 10.11.2017, Az. 8a C 190/16, BeckRS 2017,144236 mit weiteren Nachweisen). Denn schadensrechtlich betrachtet ist dem Geschädigten, der zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, nur derjenige Betrag zu erstatten, der ihm verbliebe, wenn er aktuell die Wertminderung durch Veräußerung des reparierten Kraftfahrzeuges realisieren würde.
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Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei dem vom Sachverständigen ermittelten Betrag von 900,00 € um den Betrag handelt, um den der Bruttoverkaufspreis wegen der Beschädigung gemindert ist. Der Sachverständige hat auch die Reparaturkosten mit Mehrwertsteuer ausgewiesen.
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Wie sich aus der vorgenommenen Berechnung des Amtsgerichts daher zutreffend ergibt, hat die Beklagte demgemäß zu Recht einen Betrag i.H.v. 143,70 € von der Position Wertminderung in Abzug gebracht.
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Wie durch das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, besteht daher im Übrigen auch kein Anspruch auf weitere Rechtsverfolgungskosten, da die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nur in der Höhe geltend gemacht werden können, die der berechtigten, d. h. der letztlich festgestellten Forderung (d. h. ausgehend von einem Gegenstandswert i.H.v. 8.874,44 €) entsprechen würden. Die sich aus diesem Gegenstandswert ergebenden Rechtsanwaltskosten sind beklagtenseits unstreitig bereits reguliert worden, weshalb kein weiterer Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten besteht.
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Der Rechtssache kommt weder eine grundsätzliche Bedeutung zu noch ist eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts erforderlich (S. 522 Abs. 2 S. 1 Nrn. 2 und 3 ZPO).
33
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt die Kammer aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 GKG-KV).