Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 17.02.2023 – AN 5 E 23.00288
Titel:

Anspruch eines Kindes auf Duldung des rechtskräftig ausgewiesenen Vaters

Normenketten:
AufenthG § 25, § 33, § 60a
GG Art. 6
EMRK Art. 8
Leitsätze:
1. Beansprucht ein ausreisepflichtiger Ausländer die Erteilung einer Duldung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, ist im Hinblick auf eine ihm ausgestellte Grenzübertrittsbescheinigung vom Vorliegen eines Anordnungsgrunds auszugehen. (Rn. 22) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Das zwischen einem Ausländer und seinem minderjährigen Kind bestehende Familienleben bzw. das Kindeswohl besitzt nicht generell und ausnahmslos Vorrang vor dem öffentlichen Vollzugsinteresse an einer Ausweisung (BVerwG BeckRS 2015, 49497). (Rn. 25) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Ist ein äthiopischer Staatsangehöriger im Besitz einer italienischen Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU, ist es seinem Kind und dessen Mutter jedenfalls möglich und zumutbar, mit ihm in Italien ein gemeinsames Leben aufzubauen. (Rn. 25) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
äthiopischer Staatsangehöriger, Daueraufenthaltserlaubnis-EU, Italien, Ausweisung, Einreise- und Aufenthaltsverbot, aufenthaltsberechtigte Tochter, Duldung, Schutz des Familienlebens, vorläufiger Rechtsschutz
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 28.03.2023 – 19 CE 23.456
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6179

Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgelehnt.
3. Die Antragstellerin hat die Kosten des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert für das vorläufige Rechtsschutzverfahren wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin und Antragstellerin (im Folgenden Antragstellerin) begehrt die Erteilung einer Duldung für ihren Vater gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG, im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Beklagten und Antragsgegnerin (im Folgenden Antragsgegnerin) von Abschiebemaßnahmen gegenüber ihrem Vater abzusehen, bis über die Hauptsache erstinstanzlich entschieden wurde, und Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … zu bewilligen.
2
Der am … 1993 geborene Vater der Antragstellerin ist äthiopischer Staatsangehöriger. Er reiste nach Aktenlage am 4. August 2012 auf dem Luftweg unter Verwendung eines gefälschten Nationalpasses in das Bundesgebiet ein und beantragte am 27. August 2012 unter den Personalien … Asyl. Im Rahmen der Vorsprache gab er an, keine Aufenthaltsdokumente eines anderen Landes zu besitzen. Zudem legte er die Sterbeurkunde seiner Eltern vor. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. September 2014 wurde der Asylantrag vollumfänglich abgelehnt. Mit Bescheid vom 2. Mai 2018 ordnete die Antragsgegnerin ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 6 AufenthG für die Dauer von 12 Monaten ab dem Tag der Ausreise an. Gleichzeitig wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG für die Dauer von drei Jahren nach erfolgter Abschiebung angeordnet.
3
Am 10. August 2018 ließ der Vater der Antragstellerin durch seinen vormals Bevollmächtigten die Erteilung einer Duldung beantragen. Seine Ehefrau sei schwanger und erwarte im Februar 2019 das gemeinsame Kind.
4
Am 10. September 2018 wurde der Vater der Antragstellerin nach Äthiopien abgeschoben.
5
Am … 2019 wurde die Antragstellerin mit äthiopischer Staatsangehörigkeit im Bundesgebiet geboren. Am 19. Februar 2019 reiste der Vater der Antragstellerin in das Bundesgebiet ein und ließ am 20. Februar 2019 die Vaterschaftsanerkennung beurkunden. Die Antragstellerin ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 33 AufenthG befristet bis 15. Juni 2024. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2022 stellte das Bundesamt für die Antragstellerin Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Äthiopien fest. Die Mutter der Antragstellerin ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 1 AufenthG, da ihr die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde. Die Flüchtlingseigenschaft wurde allerdings mit Bescheid des Bundesamtes vom 26. September 2022 widerrufen, gleichzeitig wurden Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Äthiopien festgestellt.
6
Am 29. Mai 2019 wurden im Hinblick auf den Vater der Antragstellerin eine Kopie des äthiopischen Nationalpasses, ausgestellt am 13. September 2018 auf die Personalien …, geb. am … 1993, und der italienische Aufenthaltstitel (Permesso di Soggiorno), ausgestellt am 15. April 2011, auf die vorgenannten Personalien vorgelegt. Eine Anfrage der Antragsgegnerin bei der Polizei … am 17. Juli 2019 ergab, dass der Vater der Antragstellerin am 23. November 2011 mit Visum zur Familienzusammenführung zu seiner Mutter nach Italien eingereist war und im Besitz eines unbegrenzt gültigen Aufenthaltsrechtes in Italien ist. Ferner lebe die Mutter des Vaters der Antragstellerin, …, geb. am … 1973, in Italien.
7
Mit Schreiben vom 8. Mai 2020 beantragte der Vater der Antragstellerin unter Hinweis auf die italienische Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU über seinen Bevollmächtigten die Erteilung eines Aufenthaltstitels.
8
Mit Bescheid vom 21. Januar 2021 wies die Antragsgegnerin den Vater der Antragstellerin aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer I), erließ ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das auf die Dauer von drei Jahren befristet wurde (Ziffer II), lehnte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer III) und forderte den Vater der Antragstellerin auf, das Bundesgebiet bis spätestens 28. Januar 2021 zu verlassen (Ziffer IV). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung insbesondere nach Italien angedroht (Ziffer V).
9
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Vater der Antragstellerin nach der Abschiebung entgegen dem mit Bescheid vom 2. Mai 2018 angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbot am 19. Februar 2019 in das Bundesgebiet eingereist sei. Mit der unerlaubten Einreise sei der Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG verwirklicht. Auch halte er sich unerlaubt im Bundesgebiet auf, sodass auch der Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 1b AufenthG erfüllt sei. Aufgrund seines Kindes im Bundesgebiet gehe die Antragsgegnerin zu seinen Gunsten von einem schwerwiegenden Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG aus. Die vorzunehmende Interessenabwägung gehe zu Lasten des Vaters der Antragstellerin aus. Es sei insoweit einzustellen gewesen, dass dieser nach erfolglosem Asylverfahren bereits im September 2018 in sein Heimatland abgeschoben wurde. Am 19. Februar 2019 sei er wieder unerlaubt und entgegen des Einreise- und Aufenthaltsverbotes in das Bundesgebiet eingereist. Wirtschaftlich sei er im Bundesgebiet nicht integriert, er habe durchweg von Sozialleistungen gelebt. Zwar sei er nunmehr Vater einer im Bundesgebiet lebenden Tochter und sowohl die Kindsmutter als auch die Tochter seien im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 2 AufenthG und § 33 AufenthG. Die Ausweisung sei gleichwohl generalpräventiv und spezialpräventiv gerechtfertigt. Gerade an der Bekämpfung der unerlaubten Einreise in das Bundesgebiet entgegen eines bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbotes bestehe ein besonderes Interesse. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass der Vater der Antragstellerin bereits im Rahmen des Asylverfahrens falsche Angaben zu seiner Identität und zu seiner Familiengeschichte gemacht habe. Er habe wahrheitswidrig angegeben, seine Mutter sei verstorben. Hinsichtlich eines italienischen Daueraufenthaltsrechtes habe er keinerlei Angaben gemacht. Der Vater der Antragstellerin habe demnach über einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren seine tatsächlichen Personalien verschwiegen und teilweise Sozialleistungen zu Unrecht erhalten. Auch wenn dessen Tochter im Bundesgebiet lebt, sei von einem Überwiegen des öffentlichen Ausweisungsinteresses auszugehen. Nachdem die Kindsmutter und das Kind äthiopische Staatsangehörige sind und der Vater der Antragstellerin im Besitz eines Daueraufenthaltsrechts in Italien ist, sei nicht ersichtlich, weshalb die Familie nicht auch in Italien ein gemeinsames Leben aufbauen könne.
10
Mit Schriftsatz vom 25. August 2021 wurde mitgeteilt, dass die Antragsgegnerin mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. Juni 2021, rechtskräftig seit 14. August 2021, verpflichtet worden sei, beim Vater der Antragstellerin Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG bezüglich Äthiopien festzustellen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sei bereits beantragt.
11
Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2021 führte die Antragsgegnerin ergänzend aus, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG nicht erteilt werde, da die Ausreise des Vaters der Antragstellerin in einen anderen Staat möglich und zumutbar sei (§ 25 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 AufenthG). Der Vater der Antragstellerin habe in Italien ein unbefristetes Daueraufenthaltsrecht, was das Bundesamt zuletzt mit E-Mail vom 8. Oktober 2021 bestätigt habe. Dessen Ausreise nach Italien sei jedenfalls möglich. Die Tochter und die Kindsmutter könnten diesen auch nach Italien begleiten. Der Vater der Antragstellerin habe über Jahre hinweg über seine wahre Identität und das Aufenthaltsrecht in Italien getäuscht. Er habe zu Unrecht Sozialleistungen erhalten und sei entgegen dem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet eingereist.
12
Mit Schriftsatz vom 15. November 2021 führte die Antragsgegnerin ergänzend aus, dass Duldungsgründe beim Vater der Antragstellerin nicht vorlägen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot habe der Vater der Antragstellerin selbst zu verantworten, es werde aber für den Fall der freiwilligen Ausreise auf ein Jahr, für den Fall der Abschiebung auf 18 Monate reduziert. Die Kindsmutter und die Tochter könnten den Kontakt zu dem Vater der Antragstellerin aber über Besuche auch nach dessen Ausreise aufrechterhalten. Im Übrigen könne die familiäre Lebensgemeinschaft auch in Italien gelebt werden.
13
Die gegen den Bescheid vom 21. Januar 2021 erhobene Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. November 2021 abgewiesen (AN 5 K 21.00230), der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Januar 2023 abgelehnt (19 ZB 21.3066).
14
Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2022 hat die Antragstellerin Klage erhoben und beantragt,
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Vater der Klägerin, Herrn … eine Duldung gemäß § 60a AufenthG zu erteilen.
15
Gleichzeitig hat sie beantragt,
die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, von Abschiebemaßnahmen gegenüber dem Vater der Klägerin abzusehen, bis über die Hauptsache erstinstanzlich entschieden wurde.
16
Außerdem beantragt sie, für Klage und Antrag Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … zu bewilligen.
17
Der Vater der Antragstellerin habe einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Die Ablehnung einer solchen in dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 20. Januar 2023 sei zu Unrecht erfolgt. Die Mutter der Antragstellerin sichere den Lebensunterhalt der Familie durch zwei Beschäftigungsverhältnisse. Sie arbeite bei einer Zeitarbeitsfirma und verpacke dort Elektronikbauteile bei einem monatlichen durchschnittlichen Nettoeinkommen von 1.300,00 Euro und Arbeitszeiten Montag bis Donnerstag von 6.00 Uhr bis 14.00 Uhr und am Freitag von 6.00 Uhr bis 12.30 Uhr. Außerdem arbeite sie als Küchenhelferin auf 520 Euro Basis tageweise von 15.00 Uhr bis 23.00 Uhr und am Wochenende. Der Vater versorge die Antragstellerin. Er wecke sie, mache Frühstück, bringe sie in den Kindergarten und hole sie auch wieder ab. Die Antragstellerin und ihre Mutter könnten auch nicht in Italien leben, da sie die Sprache des Landes nicht sprechen und auch die finanziellen Mittel nicht hätten. Der Vater der Antragstellerin sei deshalb zu dulden. Die Antragstellerin sei erst vier Jahre alt, so dass ihr eine mindestens 12monatige Trennung vom Vater nicht zumutbar sei. Sie habe einen entsprechenden Anspruch auf Umgang mit ihrem Vater. Das Kindeswohl sei auch nach Art. 24 Abs. 2 der Grundrechtecharta der EU vorrangig zu berücksichtigen.
18
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Behörden- und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
19
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und Antragsverfahren gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO hat keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat trotz entsprechender Ankündigung die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit den entsprechenden Belegen bislang nicht vorgelegt. Aber auch bei nunmehriger Vorlage der entsprechenden Unterlagen wäre der Antrag abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung bei summarischer Prüfung aus den untenstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Infolgedessen kommt auch die Beiordnung des Bevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 121 ZPO nicht in Betracht.
20
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin untersagt wird, aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den Vater der Antragstellerin zu vollziehen, ist zulässig, aber unbegründet.
21
Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
22
Zwar ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf die ausgestellte Grenzübertrittsbescheinigung vom 16. Januar 2023 von einem Anordnungsgrund auszugehen. Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderliche Anspruch auf vorübergehende Aussetzung der Abschiebung des Vaters der Antragstellerin (Duldung) gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wurde jedoch nicht glaubhaft gemacht. Danach ist die Abschiebung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
23
Der Vater der Antragstellerin ist gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da er den gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für den Aufenthalt im Bundesgebiet erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt. Die Ausreisepflicht ist vorliegend auch vollziehbar aufgrund des rechtskräftigen Bescheids der Antragsgegnerin vom 21. Januar 2021, mit dem insbesondere auch der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und er unter Androhung der Abschiebung insbesondere nach Italien zur Ausreise aufgefordert wurde.
24
Tatsächliche oder rechtliche Gründe, die die Abschiebung unmöglich machen würden, wurden jedoch nicht substantiiert dargelegt und sind auch nicht ersichtlich. Die Antragstellerin hat insbesondere keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung ihres Vaters im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG glaubhaft gemacht.
25
Dies hat die Kammer bereits in dem Urteil vom 23. November 2021 detailliert ausgeführt. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in dem Beschluss vom 9. Januar 2023 ausführlich dargelegt, dass selbst gewichtige familiäre Belange sich nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durchsetzen und dass das zwischen dem Ausländer und seinem minderjährigen Kind bestehende Familienleben bzw. das Kindeswohl nicht generell und ausnahmslos Vorrang vor dem öffentlichen Vollzugsinteresse hat (vgl. auch BVerwG, B.v. 10.2.2011 – 1 B 22.10 – juris Rn. 4, B.v. 21.7.2015 – 1 B 26.15 – juris Rn. 5). Dies insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass der Vater der Antragstellerin, der rechtskräftig ausgewiesen ist und dem es nicht gelungen ist, sich im Bundesgebiet wirtschaftlich zu integrieren, im Besitz einer italienischen Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU ist, so dass es der Antragstellerin und ihrer Mutter jedenfalls möglich und zumutbar ist, in Italien ein gemeinsames Leben mit dem Vater der Antragstellerin aufzubauen. Entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten der Antragstellerin steht damit eine längerfristige oder gar dauerhafte Trennung der Antragstellerin von ihrem Vater schon gar nicht im Raum, zumal auch ein Visumverfahren für den Fall eines beabsichtigten Zuzugs des Vaters der Antragstellerin in das Bundesgebiet – jedenfalls nach Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots – für den Vater der Antragstellerin als Inhaber einer italienischen Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU entbehrlich ist. Zudem können sich die Antragstellerin und ihre Mutter, die gegenwärtig Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 25 Abs. 1 und § 33 AufenthG im Bundesgebiet besitzen, bis zu 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen frei im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten (Art. 21 SDÜ) bewegen und damit den Vater der Antragstellerin – insbesondere während des bestehenden Einreiseund Aufenthaltsverbotes – in Italien besuchen.
26
Im Übrigen nimmt die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen insgesamt auf die Ausführungen in dem Urteil der Kammer vom 23. November 2021 (AN 5 K 21.00230) und dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Januar 2023 (19 ZB 21.3066) Bezug und sieht diesbezüglich von einer weiteren Begründung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO analog ab.
27
Nach alldem ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
28
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
29
Hinsichtlich der Ziffer 1) gilt folgende Rechtsmittelbelehrung: