Titel:
Dienstkleidungszuschuss für Teilzeitbeschäftigten Beamten der Schutzpolizei
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
BayBesG Art. 92 Abs. 1
BayPolDKlVS
Leitsätze:
1. Ein teilzeitbeschäftigter Polizeibeamter hat Anspruch auf den Dienstkleidungszuschuss wie ein vergleichbar vollzeitbeschäftigter Beamter der Schutzpolizei. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nr. 2.2.2 der PolDKlVS, wonach für Beamte, deren Arbeitszeit nach Art. 80a oder Art. 86a BayBG ermäßigt ist, der Dienstkleidungszuschuss 60 vH der jeweiligen Sätze beträgt, verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz und ist unwirksam. (Rn. 14) (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dienstkleidungszuschuss, Schutzpolizei, Teilzeitbeschäftigung, Andere Verwaltungsbereiche, Gleichbehandlungsgrundsatz, Kein sachlicher Grund für abweichende Behandlung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 06.09.2023 – 3 B 23.733
Fundstelle:
BeckRS 2023, 612
Tenor
I. Der Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger für das Jahr 2019 einen weiteren Dienstkleidungszuschuss in Höhe von 55,22 EUR zu zahlen; der Widerspruchsbescheid vom … September 2021 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger steht als Erster Polizeihauptkommissar in Diensten des Beklagten. Er ist bei der Schutzpolizei tätig und verpflichtet, Dienstkleidung zu tragen. Für den Zeitraum vom ... Januar bis … Dezember 2019 wurde dem Beamten eine Teilzeitbeschäftigung in der Form gewährt, dass seine Arbeitszeit auf 38 Stunden 28 Minuten (dezimal: 38,46) wöchentlich reduziert wurde. Er leistete in diesem Zeitraum eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden und erhielt eine Freistellung in Form von zehn zusätzlichen Familientagen (bestandskräftiger Bescheid vom …11.2018).
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Dem Kläger wurde für das Jahr 2019 entsprechend den Richtlinien über die Dienstkleidung, Dienstkleidungszuschuss und Kleidergeld für die Bediensteten der Bayerischen staatlichen Polizei (Polizeidienstkleidungsvorschrift - PolDKlVS), Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 8. Dezember 1988 (AllMBl 1988, 944) ein Dienstkleidungszuschuss in Höhe von nur 60% gegenüber dem vollen Dienstkleidungszuschuss gewährt.
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Hiergegen erhob der Kläger am ... März 2019 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom … September 2021 zurückgewiesen wurde. Während die Besoldung nur entsprechend dem Maß der Teilzeit gekürzt werde, reduziere sich nach der Polizeidienstkleidungsvorschrift der Dienstkleidungszuschuss auf 60%.
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Am 15. Oktober 2021 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger für das Jahr 2019 einen Dienstkleidungszuschuss in voller Höhe (unter Abzug des Refinanzierungsanteils) wie bei einem Vollbeschäftigten zu zahlen, was für das gesamte Jahr einen Betrag von 55,22 EUR ausmacht und den Widerspruchsbescheid vom ... März 2019 (richtig: …9.2021) aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
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Es sei nicht gerechtfertigt, bei einer nur sehr geringfügigen Reduzierung der Arbeitszeit den Dienstkleidungszuschuss um 40% zu kürzen. Die entsprechende Richtlinie stamme aus dem Jahr 1988 und erscheine nicht mehr zeitgemäß. Denn bei Inkrafttreten dieser Richtlinie sei eine Teilzeitbeschäftigung bei der Bayerischen Polizei kaum verbreitet gewesen, heute aber schon. Im Übrigen sei bei einer Dienstbesprechung im Jahr 2019 festgehalten worden, dass Familientage zusätzliche Urlaubstage darstellten, die sich zwar auf die Bezüge wie eine Teilzeitbeschäftigung auswirkten jedoch ansonsten nicht als Teilzeitbeschäftigung anzusehen seien.
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Das Polizeipräsidium … … hat für den Beklagten beantragt,
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Dem Kläger könne entsprechend der geltenden Regelung der Polizeidienstkleidungsvorschrift nur 60% des vollen Betrages des Dienstkleidungszuschusses gewährt werden. Die Familientage stellten eine Teilzeitbeschäftigung im Rahmen einer voraussetzungslosen Antragsteilzeit nach Art. 88 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) dar. Das werde in Abschnitt 11 Nr. 3.1 der Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Beamtengesetz (VV-BeamtR) weiter ausgeführt. Im Rahmen einer Arbeitstagung im Jahr 2020 sei festgehalten worden, dass Familientage als Teilzeitbeschäftigung anzusehen seien und eine Kürzung des Dienstkleidungszuschusses um 40% zur Folge hätten.
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Die Beteiligten haben im Erörterungstermin am 20. Dezember 2022 übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Über die Streitsache kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, da die Beteiligten übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
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1. Die zulässige Leistungsklage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Dienstkleidungszuschusses für das Jahr 2019 in Höhe von 55,22 EUR. Denn dem Kläger steht der volle Dienstkleidungszuschuss wie einem in Vollzeit beschäftigten Polizisten zu, auch wenn dessen Arbeitszeit im Jahr 2019 auf 38 Stunden 28 Minuten (dezimal: 38,46) wöchentlich reduziert war, wobei er eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden leistete, aber eine Freistellung in Form von 10 zusätzlichen Familientagen erhielt.
14
Diese Reduzierung der Arbeitszeit stellt eine Teilzeitbeschäftigung auf der Grundlage von Art. 88 BayBG dar und ist in Abschnitt 11 Nr. 3.1 der Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Beamtengesetz (VV-BeamtR) weiter im Detail ausgeführt. Soweit in Nr. 2.2.2 der PolDKlVS vorgesehen ist, dass für Beamte, deren Arbeitszeit nach Art. 80a oder Art. 86a BayBG ermäßigt ist, der Dienstkleidungszuschuss 60 v. H. der jeweiligen Sätze beträgt, abgerundet auf volle Deutsche Mark, ist diese Regelung unwirksam. Denn sie stellt sich als ermessenswidrig dar.
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a) Die Gewährung eines Dienstkleidungszuschusses beruht auf Art. 92 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) und wird durch die bereits zitierten Richtlinien über die Dienstkleidung, Dienstkleidungszuschuss und Kleidergeld für die Bediensteten der Bayerischen staatlichen Polizei (Polizeidienstkleidungsvorschrift - PolDKlVS), Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 8. Dezember 1988 (AllMBl S. 944), im Detail geregelt. Der Dienstherr hat sein Ermessen über die Gewährung einer Aufwandsentschädigung durch diese Bekanntmachung, die Richtlinien für die Verwaltung darstellen, gebunden. Die Überprüfung der Anwendung solcher Richtlinien durch die Verwaltungsgerichte hat sich an den Maßstäben des § 114 VwGO zu orientieren. Folglich kann das der Behörde eingeräumte Ermessen vom Gericht nur dahin überprüft werden, ob die Entscheidung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Insbesondere darf die Behörde den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland - Grundgesetz (GG), Art. 118 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Bayern (BV) nicht verletzen (VG Düsseldorf, U.v. 29.4.2014 - 26 K 6190/12 - juris Rn. 16, 18; OVG NW, B.v. 25.1.2016 - 3 A 1241/14 - ZBR 2016, 353, juris Rn. 3 ff.).
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b) Die pauschale Kürzung um 40% bei auch nur einem geringen Umfang einer Teilzeitbeschäftigung - wie im vorliegenden Fall einer rechnerischen Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit um 3,83% - überschreitet die Grenzen einer rechtmäßigen Ermessensausübung und verstößt mit Blick auf andere Regelungen desselben Dienstherrn über die Gewährung eines Dienstkleidungszuschusses bei Teilzeitbeschäftigung gegen den Gleichheitsgrundsatz.
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Denn derselbe Dienstherr - der Freistaat Bayern - hat für andere Verwaltungsbereiche, in denen die Bediensteten zum Tragen von Dienstkleidung verpflichtet sind und für die Beschaffung bzw. Ersatzbeschaffung der Dienstkleidung einen Dienstkleidungszuschuss erhalten, eine Regelung für Teilzeitbeschäftigte in der Weise getroffen, dass bei einem Arbeitsanteil von mehr als 50% der Regelarbeitszeit der volle Dienstkleidungszuschuss gewährt wird und bei einem Teilzeitanteil von bis zu einschließlich 50% der Dienstkleidungszuschuss in Höhe von 60% des vollen Betrages (Nr. 13.3 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 12.6.2017 über die Dienstkleidung und Dienstkleidungszuschuss für Justizbedienstete (DKlJ), JMBl 2017 82; Nr. 6.2 Sätze 1 und 2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 27.11.2017 über die Dienstkleidungsvorschrift für die Bayerische Forstverwaltung (Dienstkleidungsvorschrift - DKlV, AllMBl 2018, 571).
18
Die Regelung in Nr. 2.2.2 der PolDKlVS, dass für Beamte, deren Arbeitszeit nach Art. 80a oder Art. 86a BayBG ermäßigt ist, der Dienstkleidungszuschuss nur 60 v. H. der jeweiligen Sätze beträgt, stellt sich als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) dar. Wenn der Freistaat Bayern in anderen Bereichen, in denen die Bediensteten eine übereinstimmende und differenzierte Regelung über eine anteilige Gewährung eines Dienstkleidungszuschusses bei Teilzeitbeschäftigung getroffen hat, so stellt sich die andere und wohl auch zeitlich überholte Regelung in der Polizeidienstkleidungsvorschrift als rechtswidrig dar. Denn es ist kein sachlicher Differenzierungsgrund ersichtlich (und auch von Beklagtenseite nicht vorgetragen), warum bei der Bayerischen Polizei eine abweichende Gewährung des Dienstkleidungszuschusses gerechtfertigt sein könnte. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beanspruchung der Dienstkleidung bei Teilzeitbeschäftigten bei der Polizei - was einen entsprechenden Ersatzbedarf bedingt, der mit dem Zuschuss abgegolten wird - von der Beanspruchung der Dienstkleidung von Teilzeitbeschäftigten im Justizdienst wie auch im Forstdienst wesentlich abweichen würde. Das wird dadurch unterstrichen, dass gerade im vorliegenden Fall einer äußerst geringfügigen Verringerung der Arbeitszeit die Beanspruchung der Dienstkleidung gegenüber einem in Vollzeit beschäftigten Beamten praktisch gleich ist. Eine pauschale Kürzung um 40% ist daher sachlich nicht gerechtfertigt und ermessenswidrig.
19
Daher kann auch die Ansicht des Verwaltungsgerichts Augsburg (VG Augsburg, GB.v. 26.11.2002 - Au 2 K 02.520 - juris Rn. 14 unter Verweis auf Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Art. 83 BayBG a.F. Erl. 8; in der aktuellen Kommentierung von Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: August 2022, Art. 75 BayBG Rn. 10 ist diese Meinung nicht wiedergegeben) nicht mehr überzeugen, dass es mit Blick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Dienstherrn rechtlich nicht zu beanstanden sei, wenn Teilzeitbeschäftigte einen Dienstkleidungszuschuss von mehr als der Hälfte erhielten. Denn mittlerweile hat der Dienstherr - wie dargestellt - eine differenzierte Regelung über die Kürzung des Zuschusses bei Teilzeitbeschäftigung in anderen Verwaltungsbereichen getroffen.
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Es kann auch nicht eingewendet werden, dass der Gesamtbetrag der Kürzung für das Jahr 2019 lediglich 55,22 EUR beträgt und damit nur wenige Promille des Jahreseinkommens ausmacht, was keine unangemessene Schlechterstellung der Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten darstelle (so: VG Augsburg, GB.v. 26.11.2002 - Au 2 K 02.520 - juris Rn. 14). Denn diese Argumentation lässt außer Acht, dass es mit den Regelungen im Justiz- und Forstbereich abweichende Regelungen über eine differenzierte Kürzung des Dienstkleidungszuschusses bei Teilzeit desselben Dienstherrn gibt. Da sich die Beanspruchung der Dienstkleidung bei der Polizei nicht von der im Justizbereich oder Forstbereich wesentlich unterscheidet, sind die Beschäftigten beim Dienstkleidungszuschuss entsprechend gleich zu behandeln. Das gilt auch für - isoliert betrachtet - relativ geringe Beträge, die sich allerdings über mehrere Jahre aufsummieren.
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c) Dem Kläger steht daher mit Blick auf die Regelungen für den Dienstkleidungszuschuss im Justizwie Forstbereich für das Jahr 2019 der volle Dienstkleidungszuschuss zu, sodass der noch nicht ausgezahlte Differenzbetrag hierzu von 55,22 EUR vom Beklagten an den Kläger zu zahlen ist. Das ist der von den Beteiligten übereinstimmend als Differenz zwischen gewährtem und erstrebtem Dienstkleidungszuschuss für 2019 benannte Betrag für das Jahr 2019.
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Die Klagepartei hat sich ausdrücklich nicht gegen die Höhe des Dienstkleidungszuschusses als solche gewendet. Daher hatte das Gericht keine Veranlassung zur Prüfung, ob die Höhe des Dienstkleidungszuschusses noch angemessen ist. Es fällt dabei auf, dass der maßgebliche Satz für den Dienstkleidungszuschuss bei der Schutzpolizei nach dem Vortrag des Beklagten zuletzt im Jahr 1998 angepasst wurde (auf 44,- DM bei Vollzeit).
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2. Der Beklagte hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.