Titel:
Kostenerstattungsanspruch, Geschäftsgebühr, Teilweise Klagerücknahme
Normenketten:
RVG § 14
RVG Nr. 2300 VV
BayVwVfG Art. 80 Abs. 2 S. 1 und S. 3
VwGO § 92 Abs. 3
Schlagworte:
Kostenerstattungsanspruch, Geschäftsgebühr, Teilweise Klagerücknahme
Fundstelle:
BeckRS 2023, 610
Tenor
I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger steht in Diensten des Beklagten und begehrt die Übernahme seiner Kosten in einem Widerspruchverfahren in Höhe einer Rechtsanwaltsgebühr von 1,5.
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Der Kläger hatte sich im Mai 2019 erfolglos auf eine Stelle des Beklagten beworben. Gegen die Absage machte er einstweiligen Rechtsschutz geltend. Mit Beschluss vom 13. September 2019 (M 5 E 19.2936) wurde das Verfahren nach übereinstimmenden Antragserledigungserklärungen eingestellt und dem Beklagten wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt. In Folge dessen hat die Beklagte am … September 2019 das Widerspruchsverfahren gegen die Stellenbesetzung eingestellt und die Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe einer Geschäftsgebühr von 1,3 übernommen. Die Klagepartei hält eine Geschäftsgebühr von mindestens 1,5 als angemessen. Am 27. November 2019 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag, an ihn 1.266,16 EUR zuzüglich Zinsen seit 23. November 2019 zu zahlen.
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Nachdem die Kosten des Widerspruchsverfahrens unter Ansatz einer Geschäftsgebühr mit einem Satz von 1,3 der Klagepartei erstattet wurden, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2019 die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 1.100,51 EUR zurückgenommen und zuletzt beantragt,
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Der Beklagte wird verurteilt, 165,65 EUR zuzüglich Zinsen seit dem 23. November 2019 zu bezahlen.
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Die erhöhte Gebühr von 1,5 ergebe sich nicht nur auf Grund der überdurchschnittlichen Schwierigkeit der Sache, sondern auch wegen der weit überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger. Die überdurchschnittliche Schwierigkeit ergebe sich aus der Schwierigkeit des Rechtsgebietes und der Tatsache, dass die Beklagte im Eilverfahren unterlegen sei.
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Demgegenüber hat der Beklagte beantragt
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Es läge keine überdurchschnittliche Schwierigkeit sowie überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger vor. Die diesbezüglichen Ausführungen der Klagepartei würden sich auf schlagwortartige und pauschale, allgemeingültige Erklärungen beschränken.
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Mit Schreiben vom … Dezember 2020 wurde bei der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk München ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gegeben. Im Gutachten vom … Juni 2021 erachtet die Rechtsanwaltskammer zusammenfassend einen Ansatz einer Geschäftsgebühr von 1,3 als gerade noch angemessen.
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Die Klagepartei hat mit Schriftsätzen vom 26. November 2019 und 7. Juli 2021 auf eine mündliche Verhandlung verzichtet, die Beklagtenpartei mit Schriftsatz vom 13. Juli 2021.
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Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
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2. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
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Über die Klage kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, da die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung einer über den Satz von 1,3 hinausgehenden Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
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Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Erstattung der im Widerspruchsverfahren entstandenen, notwendigen Aufwendungen für die Gebühren und Auslagen des bevollmächtigten Rechtsanwaltes, Art. 80 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG).
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Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs liegen vor. Zwingende Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruches sind eine Kostenentscheidung zugunsten des vormaligen Widerspruchsführers und eine Erklärung der Behörde, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Mit Bescheid vom … September 2019 hatte der Beklagte entschieden, dass der Beklagte die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen habe und dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Widerspruchsverfahren notwendig war.
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Die Höhe des Erstattungsanspruchs gemäß Art. 80 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BayVwVfG richtet sich nach den entstandenen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwaltes.
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Der Kläger verfolgt mit seiner Klage nunmehr nur noch einen Anteil des Kostenerstattungsanspruches in Höhe von 165,65 EUR (Differenz zwischen einer 1,5 und 1,3 Geschäftsgebühr) beruhend auf der Überlegung, dass eine Geschäftsgebühr von 1,5 für seinen Aufwand gerechtfertigt sei. Dies ist nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht der Fall.
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Die Anmerkung zu Nr. 2300 VV RVG bestimmt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
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Teubel und Winkler in Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 8. Auflage 2021, Nr. 2300 VV, Rn. 10 bis 13 führen insoweit aus:
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„Bei der Entscheidung der Frage, ob die anwaltliche Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, ist zunächst zu berücksichtigen, dass entsprechend der Entstehungsgeschichte des Gesetzes es nicht darauf ankommt, ob die Tätigkeit besonders umfangreich oder besonders schwierig war. (…) Auch wenn keine besonderen Anforderungen an Umfang oder Schwierigkeit zu stellen sind, spricht der Wortlaut dafür, dass die Tätigkeit hinsichtlich Umfang oder Schwierigkeit in irgendeiner Form qualifiziert sein muss. Eine solche Qualifikation der Tätigkeit ist ersichtlich mit der Anmerkung ausgedrückt worden. Man kann schwerlich eine in jeder Hinsicht durchschnittliche Tätigkeit als umfangreiche oder schwierige Tätigkeit bezeichnen. Das würde letztlich voraussetzen, dass anwaltliche Tätigkeit im Grundsatz umfangreich oder schwierig ist; diese Vorstellung liegt ersichtlich der Anmerkung zu Nr. 2300 VV nicht zugrunde. Demgemäß geht auch der BGH davon aus, dass die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin überdurchschnittlich gewesen sein muss.“
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Dieser Auslegung der Gebührenziffer schließt sich das Gericht an, weil der Wortlaut der Anmerkung eindeutig eine in Umfang und Schwierigkeitsgrad über den Durchschnitt hinausgehende Tätigkeit verlangt, um eine - wenn auch moderate - Gebührenerhöhung zu rechtfertigen.
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Der Klägervortrag ist, was eine Begründung eines etwas erhöhten Schwierigkeitsgrades angeht, nicht hinreichend konkret und substantiiert.
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Auch das Gutachten der Rechtsanwaltskammer vom … Juni 2021 sieht zusammenfassend einen Ansatz einer Geschäftsgebühr von 1,3 als gerade noch angemessen an. Zwar sei die Angelegenheit für den Kläger von überdurchschnittlicher Bedeutung, was auch zu berücksichtigen sei. Allerdings sei die anwaltliche Tätigkeit im Vorverfahren nicht umfangreich gewesen und sei als durchschnittlich schwierig zu bewerten. Weitere besondere Bewertungskriterien seien nicht gegeben.
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Das Gericht ist daher - insbesondere mit Blick auf das Gutachten der Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk M* … - der Ansicht, dass die Tätigkeit des Klägerbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren mit einem 1,3-fachen Ansatz der Geschäftsgebühr angemessen vergütet wurde.
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3. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, trägt der Kläger die Kosten des Verfahrens, § 155 Abs. 2 VwGO. Auch im Übrigen hat der Kläger als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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Soweit das Klageverfahren nach Klagerücknahme eingestellt wurde (Nr. I Satz 1 des Tenors) ist die Entscheidung unanfechtbar (§ 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO). Im Übrigen gilt folgende