Inhalt

AG Günzburg, Beschluss v. 23.01.2023 – VI 1306/22
Titel:

Örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichtes bei Heimaufenthalt des Erblassers

Normenkette:
FamFG § 343 Abs. 1
Leitsatz:
Der Ort des Pflegeheims ist jedenfalls dann der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers isd § 343 Abs. 1 FamFG, wenn dieser fähig war einen Bleibewillen zu bilden und diesen hatte; auf die Frage der Geschäftsfähigkeit kommt es insofern nicht an. (Rn. 4 – 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachlassverfahren, gewöhnlicher Aufenthalt, Pflegeheim, Bleibewille
Fundstellen:
ErbR 2023, 657
LSK 2023, 6093
BeckRS 2023, 6093

Tenor

1. Das Amtsgericht Günzburg erklärt sich im Hinblick auf den Beschluss des Amtsgerichts Sonthofen vom 05.09.2022 ebenfalls für örtlich unzuständig.
2. Das Verfahren wird dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt.

Gründe

1
Gemäß § 343 Abs. 1 FamFG ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
2
Ein gewöhnlicher Aufenthalt liegt dann vor, wenn der Erblasser tatsächlich und nicht nur vorübergehend dort verweilt und somit hier den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse hat. Es kommt daher auf den umgesetzten Willen an einen bestimmten Ort bis auf Weiteres zu seinem Lebensmittelpunkt zu machen, Hält sich der Erblasser zur Zeit des Erbfalls in einem Pflegeheim auf, weil sein Gesundheitszustand eine auf nicht begrenzte Dauer angelegte medizinische und pflegerische Betreuung erfordert und spricht nichts dafür, dass eine Rückkehr des Erblassers in die zuletzt von ihm bewohnte, an einem anderen Ort befindliche Wohnung in Betracht zu ziehen ist, so ist der für die örtliche Zuständigkeit maßgebliche letzte Wohnsitz des Erblassers am Ort des Pflegeheimes.
3
Aus der Nachlassakte VI 1306/22, die nunmehr bei dem Amtsgericht in Günzburg geführt wird, geht hervor, dass sich die Erblasserin bereits im Jahr 1992 im Fachpflegeheim Mariabrunn in 8. O. (Amtsgerichtsbezirk K.) befand (siehe Blatt 24). Nach einem Brand in diesem Pflegeheim wurde die Erblasserin am 30.03.2011 in das Heim der Allgäu Pflege in Sonthofen verlegt.
4
Das für örtlich unzuständig erklärte Gericht begründet die Unzuständigkeit mit der fehlenden Geschäftsfähigkeit der Verstorbenen. Jedoch kommt es auf die Geschäftsfähigkeit nicht an, sondern lediglich darauf, ob der Erblasser fähig war, einen Bleibewillen zu bilden. Somit kann grundsätzlich in Heimen ein Aufenthalt begründet werden.
5
Weiterhin stellt die Betreuerin in mehreren Schreiben, die aus der Nachlassakte hervor gehen klar, dass die Erblasserin zu einer freien Willensbildung in der Lage war (Blatt 24, 72). Zudem wurde sie mehrmals gefragt, ob sie im Heim in Sonthofen bleiben möchte und dies beantwortete sie immer eindeutig mit „Ja“. Daraus lässt sich schließen, dass die Erblasserin sehr wohl fähig war, ihren eigenen Willen zu bilden und auch im Heim der Allgäu Pflege bleiben wollte.
6
Somit ist das Amtsgericht Günzburg örtlich unzuständig.