Inhalt

OLG München, Beschluss v. 25.01.2023 – 2 UF 813/22 e
Titel:

Kindesunterhalt – Auskunftspflicht der Eltern untereinander

Normenketten:
BGB § 242, § 313, § 1605, § 1606 Abs. 3 S. 2
FamFG § 239
Leitsätze:
1. Im Rahmen des Unterhaltsrechtsverhältnisses zu ihren Kindern sind auch Eltern untereinander zur Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen verpflichtet, wenn die Auskunft zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Dieser Anspruch folgt jedoch nicht aus § 1605 BGB, da Eltern zwar mit ihren Kindern, nicht aber miteinander verwandt sind. Der Anspruch ergibt sich vielmehr aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, als Folge der besonderen Rechtsbeziehung zwischen den Eltern. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unterhaltsrelevanten Nettoeinkünfte des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt, kann es der Billigkeit entsprechen, den betreuenden Elternteil auch den Barunterhalt für das Kind in voller Höhe aufbringen zu lassen (so auch BGH BeckRS 2013, 13361). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kindesunterhalt, Auskunftspflicht, Auskunftsanspruch, Eltern, Treu und Glauben, betreuender Elternteil, dreifaches Einkommen, Ersatzhaftung, Barunterhalt
Vorinstanz:
AG Starnberg, Beschluss vom 07.07.2022 – 005 F 736/21
Fundstellen:
FamRZ 2023, 690
BeckRS 2023, 607
FuR 2023, 331
LSK 2023, 607

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 07.07.2022 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.346 € Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller beantragt im Wege des Stufenantrags, die Antragsgegnerin zur Auskunft über ihr Einkommen und Belegvorlage zu verpflichten und nach Auskunftserteilung den durch Vereinbarung vom 11.05.2021 festgesetzten Kindesunterhalt auf 0 herabzusetzen, soweit das Einkommen der Antragsgegnerin wesentlich höher ist als das des Antragstellers, sowie die Tochter der Antragsgegnerin zu verpflichten, bereits bezahlten Kindesunterhalt zurückzuzahlen.
2
Im Verfahren 5 F 1064/20 haben die Beteiligten am 11.05.2021 eine Vereinbarung geschlossen, wonach der Antragsteller sich verpflichtet, einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 105% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes ab dem 01.06.2021 zu bezahlen.
3
Mit Beschluss vom 07.07.2022 wies das Amtsgericht den Antrag zurück und führt aus, Voraussetzung der Zulässigkeit des Auskunftsantrags sei, dass der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die nach materiellem Recht die Abänderung der Vereinbarung rechtfertigen können. Dies sei nicht der Fall. Soweit der Antragsteller vorträgt, die Einnahmen der Kindesmutter lägen voraussichtlich bei mehr als dem dreifachen des Einkommens des Antragstellers, weshalb eine Barunterhaltspflicht der betreuenden Mutter in Betracht käme, habe der Antragsteller dies bereits im Verfahren 5F 1064/20 vorgetragen. Insoweit liege keine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse vor.
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Auch sei der Antrag auf Auskunft vor Ablauf der Sperrfrist von 2 Jahren gemäß § 1605 Abs. 2 BGB gestellt worden. Die Frist beginne im Fall einer gerichtlichen Vereinbarung mit dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses, also dem 11.05.2021. Der Antrag des Antragstellers vom 14.09.2021 sei auch deshalb unzulässig.
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Gegen den Beschluss, ihm zugestellt am 12.07.2022, legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 15.07.2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Beschwerde ein.
6
Er führt aus, er habe Kenntnis von einem enormen Einkommen und auch Einkommenssprung der Antragsgegnerin, die als Managerin eines internationalen Pharmakonzerns tätig sei und seit kurzem wesentlich befördert wurde. Dennoch lehne sie ab, über ihr Einkommen Auskunft zu erteilen. Ohne Auskunft könne der Antragsteller dies nicht belegen. Die Sperrfrist des § 1605 Abs. 2 BGB greife nicht, da die Antragsgegnerin bislang noch nie Auskunft über ihr Einkommen erteilt habe. Im Verfahren 5 F 1064/20 habe das Einkommen der Antragsgegnerin keine Rolle gespielt. Auch habe das extrem luxuriöse Leben der Antragsgegnerin nach Vergleichsschluss noch zugenommen. Er selbst habe hingegen geringere Einnahmen.
7
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
8
Der Antragsteller habe bereits im Verfahren 5 F 1064/20 behauptet, dass die Antragsgegnerin über ein monatliches Bruttoeinkommen von 40.000 € verfüge. Dennoch habe er die Vereinbarung zum Kindesunterhalt geschlossen. Die Voraussetzung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Vergleich zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses liege nicht vor. Auch werde die behauptete Höhe des Einkommens der Antragsgegnerin bestritten. Die vom Antragsteller angeführten gestiegenen Lebenshaltungskosten und Energiekosten beträfen nicht nur den Antragsteller, sondern auch die Antragsgegnerin. Darüber hinaus komme der Antragsteller seiner Darlegungslast hinsichtlich seiner Einkommensverhältnisse nicht nach. Ein Auskunftsanspruch gegen die Antragsgegnerin bestehe nicht.
9
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
10
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Auskunft über ihre Einkommensverhältnisse.
11
Es kann dahinstehen, ob die Sperrfrist des § 1605 Abs. 2 BGB auch gilt, wenn - wie hier - bislang keine Auskunft erteilt wurde, da der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin schon materiell-rechtlich keinen Anspruch auf Auskunft hat.
12
1. Zwar sind im Rahmen eines Unterhaltsrechtsverhältnisses auch Eltern untereinander zur Auskunft über ihr Einkommen und Vermögen verpflichtet, wenn die Auskunft zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Dieser Anspruch folgt jedoch nicht aus § 1605 BGB, da Eltern zwar mit ihren Kindern, nicht aber miteinander verwandt sind. Der Anspruch ergibt sich vielmehr aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, als Folge der besonderen Rechtsbeziehung zwischen Eltern, die ihren gemeinsamen Kindern gleichrangig unterhaltsverpflichtet sind.
13
2. Voraussetzung auch dieses Auskunftsanspruchs ist jedoch, dass die Auskunft relevant für die Höhe des Unterhaltsanspruchs ist.
14
Dies kommt grundsätzlich im Hinblick auf die Ersatzhaftung nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB in Betracht.
15
(a) Wenn der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unterhaltsrelevanten Nettoeinkünfte des an sich barunterhaltspflichtigen Elternteils verfügt, kann es der Billigkeit entsprechen, den betreuenden Elternteil auch den Barunterhalt für das Kind in voller Höhe aufbringen zu lassen (BGH FamRZ 2013, 1558).
16
(b) Allerdings muss ein nachrangig Unterhaltsverpflichteter eine Auskunft erst erteilen, wenn feststeht, dass die vorrangig haftenden Unterhaltspflichtigen ganz oder teilweise leistungsunfähig sind (Wendl/Dose Unterhaltsrecht, 10. Aufl. § 1 Rz 1154). Der Antragsteller müsste also zunächst umfassend Auskunft über sein Einkommen erteilen, da nur dann über die Ersatzhaftung entschieden werden kann.
17
(c) Auch dies kann vorliegend aber dahinstehen, da aufgrund der von den Beteiligten geschlossenen Vereinbarung vom 11.05.2021 die Auskunft der Antragsgegnerin keine Relevanz für die Höhe des Unterhaltsanspruchs hat. Voraussetzung wäre, dass die Vereinbarung im Hinblick auf ein dreifach höheres Nettoeinkommen der Antragsgegnerin abgeändert werden könnte. Gemäß § 239 FamFG ist die Abänderung einer Vereinbarung zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen. Die Zulässigkeit des Antrags setzt den Vortrag von Tatsachen voraus, die nach den Regeln über die Störung bzw. den Wegfall der Geschäftsgrundlage § 313 BGB zu beurteilen sind. Es müssen die dem Vertrag zugrunde liegenden und dann die neuen Verhältnisse, aus denen eine Abänderung gerechtfertigt wäre, dargetan werden (st Rspr. vgl. OLG Hamburg FamRZ 2002,465; OLG Köln FamRZ 2005, 1755). Im Hinblick auf eine Ersatzhaftung der Antragsgegnerin wäre dies der neue Vortrag eines mindestens dreifach höheren Einkommens der Antragsgegnerin im Vergleich zum Einkommen des Antragstellers. Dies hat der Antragsteller jedoch bereits im Verfahren 5 F 1064/20 mehrfach vorgetragen. So hat der Antragsteller im Ausgangsverfahren 5 F 1064/20 bereits im Schriftsatz vom 07.12.2020, 13.01.2021 und 18.01.2021 vorgetragen, dass die Antragsgegnerin Direktorin einer Bio Pharmafirma mit Einkommen in Höhe von 40.000 € brutto ist und ein sieben- bis achtfach höheres Nettoeinkommen als der Antragsteller habe.
18
Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Hinblick auf die vom Antragsteller gewünschte Haftung der Antragsgegnerin liegt somit nicht vor.
19
Nachdem der Antragsteller somit an die geschlossene Vereinbarung insoweit gebunden ist, kann die Auskunft der Antragsgegnerin für die Höhe des Kindesunterhalts nicht mehr entscheidungserheblich sein, weshalb ein Auskunftsanspruch nicht besteht.
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3. Das Amtsgericht hat den Antrag auch zu Recht insgesamt abgewiesen und nicht durch Teil-Beschluss nur den Auskunftsantrag.
21
Eine Gesamtabweisung des Stufenantrags hat zu erfolgen, wenn bereits der Unterhaltsantrag aus Gründen, die nicht in der Höhe des anrechenbaren Einkommens liegen, endgültig abgewiesen werden muss (BGH FamRZ 2013, 1113). Wie dargelegt ist dies hier der Fall. Nachdem der Antragsteller bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses von dem behaupteten Einkommen der Antragsgegnerin ausging, ist keine wesentliche Änderung gegenüber dem Vergleichsabschluss eingetreten und eine Abänderung aus diesen Gründen nicht zulässig.
22
Die Beschwerde des Antragstellers war daher zurückzuweisen.
III.
23
Der Senat hat gemäß §§ 117 Abs. 3,68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden, da hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren.
24
Die Beteiligten haben sich umfassend geäußert. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 ZPO.
26
Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus §§ 40, 38, 51 FamGKG.
27
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 FamFG.