Titel:
Aufhebung einer angeordneten Schonzeitaufhebung
Normenketten:
BJagdG § 22 Abs. 1 S. 3
BayJG Art. 33 Abs. 5 Nr. 2
Leitsätze:
1. Grundsätzlich ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass jedenfalls in Teilen der Pflegezone des Nationalparks Berchtesgaden eine Aufhebung der Schonzeit bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen grundsätzlich angeordnet werden kann. Ohne die Vorlage aussagekräftigen Kartenmaterials lässt sich aber nicht feststellen, ob ein besonderer Grund die Schonzeitaufhebungsanordnung trägt. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist aufgrund der zeitnah auslaufenden Schonzeitaufhebungsanordnung auch bei einer zeitnahen Vorlage von aussagekräftigem Kartenmaterial durch den Antragsteller eine Entscheidung des Senats vor Ablauf der Schonzeitaufhebungsanordnung nicht mehr möglich, kann von einer entsprechenden Anforderung abgesehen werden. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schonzeitaufhebung, Jagdjahr 2022/2023, Nationalpark B., Rotwild, Rehwild, Gamswild, Interessenabwägung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 22.12.2022 – M 7 SN 22.6123
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6074
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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Der Antragsteller, eine gem. § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) i.V.m. § 63 Abs. 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) anerkannte, in Bayern landesweit tätige Naturschutzvereinigung verfolgt mit der Beschwerde seinen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Einzelanordnung der Nationalparkverwaltung B. (nachfolgend Nationalparkverwaltung) vom 29. März 2022 weiter. Mit dieser Einzelanordnung (die gem. deren Nr. III nach eingehender Prüfung der Erfordernisse jeweils um ein weiteres Jagdjahr schriftlich verlängert werden könne) wurde unter I. die Schonzeit in der – in drei Gebietskulissen (Schwerpunktjagdgebiete, Waldumbaugebiete und Sonstige Pflegezone Revier Königssee) unterteilte – Pflegezone des Nationalparks B. (umfasst etwa 25% der Nationalparkfläche) für das Jagdjahr 2022/2023 – unter Berücksichtigung des in den Waldumbaugebieten und in der Sonstigen Pflegezone Revier Königssee freiwillig vom 16. Juni bis 31. Juli geltenden Ruheintervalls – wie folgt aufgehoben:
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„§ 1 – Schwerpunktjagdgebiete
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In den Schwerpunktjagdgebieten darf die Jagd im Rahmen der geltenden Abschussplanung abweichend von den gesetzlichen Schonzeiten wie folgt ausgeübt werden
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Hirsche AK III vom 1. Februar bis 31. Juli
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Kälber vom 1. Februar bis 31. März
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Schmaltiere und -spießer vom 1. April bis 31. Mai
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Gamswild (außer Böcke Klasse I) vom 16. Dezember bis 31. Januar
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Böcke (außer Klasse I), Jährlinge und
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weibliches Gamswild bis zwei Jahre vom 1. Februar bis 31. Juli
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Kitze vom 1. Februar bis 31. März
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Böcke vom 16. Oktober bis 30. April
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Kitze vom 16. Januar bis 31. März
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Schmalrehe vom 16. Januar bis 31. Januar und
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vom 1. April bis 30. April
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Geißen vom 16. Januar bis 31. Januar
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§ 2 – Waldumbaugebiete
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In den Waldumbaugebieten darf die Jagd im Rahmen der geltenden Abschussplanung abweichend von den gesetzlichen Schonzeiten und unter Beachtung der Verkürzung der Jagdzeit sowie des Ruheintervalls wie folgt ausgeübt werden:
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Hirsche AK III vom 1. Mai bis 15. Juni
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Schmaltiere und -spießer vom 1. Mai bis 31. Mai
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Gamswild (außer Böcke Klasse I) vom 16. Dezember bis 31. Januar
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Böcke (außer Klasse I), Jährlinge und
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weibliches Gamswild bis zwei Jahre vom 1. Mai bis 15. Juni
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Böcke vom 16. Oktober bis 31. Januar
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Geißen, Schmalrehe und Kitze vom 16. Januar bis 31. Januar
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§ 3 – Sonstige Pflegezone Revier Königssee
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In der Sonstigen Pflegezone des Forstreviers Königssee darf die Jagd im Rahmen der geltenden Abschussplanung abweichend von den gesetzlichen Schonzeiten und unter Beachtung der Verkürzung der Jagdzeit sowie des Ruheintervalls wie folgt ausgeübt werden:
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Hirsche AK III vom 1. April bis 15. Juni
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Schmaltiere und -spießer vom 1. April bis 31. Mai“
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Nachdem der Antragsteller am 10. Juni 2022 Klage gegen die Einzelanordnung vom 29. März 2022 (M 7 K 22.3037) mit dem Antrag erheben ließ, Nr. I § 1 der Einzelanordnung, soweit sie sich auf Hirsche AK III und Rotwildkälber, Gamswild und Rehwild beziehe, Nr. I § 2, soweit sie sich auf Hirsche AK III, Gamswild und Rehwild beziehe, Nr. I § 3, soweit sie sich auf Hirsche AK III beziehe, und Nr. III insgesamt aufzuheben, ordnete die Nationalparkverwaltung mit Bescheid vom 5. Dezember 2022 die sofortige Vollziehung der Einzelanordnung vom 29. März 2022 an.
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Das Verwaltungsgericht führt zur Antragsablehnung insbesondere aus, es könne im Ergebnis offenbleiben, ob im konkreten Fall eine Antragsbefugnis des Antragstellers gegeben sei. Der Antrag sei jedenfalls unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung der mit Bescheid vom 29. März 2022 angeordneten Schonzeitaufhebung vom 5. Dezember 2022 formell rechtmäßig sei und das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiege. Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit vom 5. Dezember 2022 sei formell rechtmäßig. Die Begründung gebe zu erkennen, dass der Antragsgegner eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet habe und die besonderen, auf den Fall bezogenen Gründe für die Anordnung angegeben worden seien. Die Nationalparkverwaltung habe unter Bezugnahme auf die im Forstlichen Gutachten 2021 festgestellte zu hohe Verbissbelastung in der Pflegezone des Nationalparks nachvollziehbar ausgeführt, dass die Verjüngung und nachhaltige Waldentwicklung des Berg- und Schutzwalds und der Erhalt dessen Schutzfunktion ohne entsprechende Regulierung des Wildbestands über die gesetzlichen Jagdzeiten hinaus gefährdet sei. Insbesondere habe die Nationalparkverwaltung hervorgehoben, dass es insbesondere im Spätwinter zu starken und übermäßigen Verbissschäden komme, sodass u.a. ein gezielter Abschuss auf Verjüngungsflächen und der damit zu erzielende Vergrämungseffekt in den kommenden Monaten für den Erhalt der Verjüngungspflanzen von entscheidender Bedeutung sei und eine Aussetzung des Vollzugs gerade in diesem Zeitraum gravierende negative Folgen auf die Waldverjüngung habe. Einer ordnungsgemäßen Begründung stehe auch nicht entgegen, dass das ebenfalls von der Sofortvollziehbarkeitsanordnung betroffene Rotwild in dem Bescheid nicht ausdrücklich genannt werde. Denn aus dem Gesamtkontext der für die Anordnung des Sofortvollzugs tragenden Gründe – im Spätwinter auftretende starke und übermäßige Verbissschäden und die nach dem Forstlichen Gutachten 2021 bestehende zu hohe Verbissbelastung – und dem Inhalt des für sofort vollziehbar erklärten Bescheids vom 29. März 2022 sei erkennbar, dass sich die Vollziehbarkeitsanordnung auf alle von der Schonzeitaufhebung betroffenen Schalenwildarten beziehe. Den Maßstab für die Erfolgsaussichten der Hauptsache bestimme § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG als eine von § 113 VwGO abweichende Sonderregelung. An der formellen Rechtmäßigkeit der angeordneten Schonzeitaufhebung bestünden keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, insbesondere dürfte eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde nicht erforderlich gewesen sein. Die Schonzeitaufhebung dürfte nach summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig sein. Vorliegend dürfte der besondere Grund des Schutzes des Bergwaldes gegeben sein. Die streitgegenständliche Schonzeitaufhebung beziehe sich vorliegend auf die Schwerpunktjagdgebiete, die Waldumbaugebiete sowie die Sonstige Pflegezone im Revier Königssee, die ausweislich der Gebietskulisse innerhalb der Pflegezone des Nationalparks lägen. Das Forstliche Gutachten 2021 für den Nationalpark B. und die ergänzende Revierweise Aussage würden die Pflegezone mit rund 70% als sehr waldreich beschreiben, wobei der hohe Schutzwaldanteil mit rund 47-68% der Waldfläche besonders hervorzuheben sei. Diese Wälder der Hoch- und Kammlagen und an Steilhängen erfüllten hier überwiegend eine Bodenschutz- (64%), Lawinenschutz- (45%) und Wasserschutzfunktion (27%). Weitere Bereiche im Randbereich hätten einen Objektschutzcharakter, z.B. die Wälder im Steinberg oberhalb von Ramsau. Soweit der Antragsteller widersprüchliche und ungenaue Angaben zum Schutzwaldanteil rüge, habe der Antragsgegner nachvollziehbar dargetan, dass die lediglich grobe Angabe des Schutzwaldanteils im Forstlichen Gutachten und in der Revierweisen Aussage auf dem Nichtvorliegen genauer Daten über die Schutzwaldprozente in der Pflegezone im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung beruht habe. Dem sei der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Im Übrigen dürfte es im Ergebnis auch nicht auf die prozentgenaue Angabe des Schutzwaldanteils ankommen, da jedenfalls auch der nach dem Forstlichen Gutachten und der Revierweisen Aussage festgestellte Schutzwaldanteil nicht unerheblich sei. Weiter dürfte der mit der streitgegenständlichen Schonzeitaufhebung angestrebte Schutz des Bergwalds darüber hinaus einen besonderen Grund der Landeskultur i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG darstellen. Die Nationalparkverwaltung dürfte zudem zu Recht angenommen haben, dass die Schonzeitaufhebung zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden erforderlich sei. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Erstellung oder Unrichtigkeit des Forstlichen Gutachtens und der ergänzenden Revierweisen Aussage dürften nach summarischer Prüfung nicht gegeben sein. Die Nationalparkverwaltung dürfte auch das ihr zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt haben. Ermessensfehler dürften nicht ersichtlich sein. Insbesondere könne entgegen der Auffassung des Antragstellers aus der langjährigen Verwaltungspraxis der Aufhebung der Schonzeit im Nationalpark nicht ohne weiteres auf das Vorliegen eines Ermessensfehlers geschlossen werden. Die Nationalparkverwaltung dürfte den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet und die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen haben. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass die Nationalparkverwaltung die Belange des Naturschutzes im Rahmen der Abwägung nicht angemessen berücksichtigt habe. Die Wildbestandsregulierungsstrategie beinhalte bereits eine Abwägung der einzelnen Belange des Natur- und Artenschutzes. Entsprechend werde auch in dem Vorspann des streitgegenständlichen Bescheids zur Schonzeitaufhebung ausgeführt, dass diese Zielsetzungen u.a. durch eine zeitlich-räumlich differenzierte Wildbestandsregulierungsstrategie mit örtlicher Schwerpunktsetzung und einer Störungsminimierung für das zu bejagende Schalenwild erreicht werden sollten. Es sei vorliegend nicht ersichtlich, dass, wie der Antragsteller bemängle, die durch die jagdlichen Handlungen in SPA- und FFH-Gebieten entstehenden Zielkonflikte, insbesondere etwaige, durch die Jagd verursachte Störungen der Balz-, Brut- und Setzzeit der besonders geschützten Raufußhühner unberücksichtigt geblieben seien. Der Antragsgegner habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Bestände der Raufußhühner durch die Nationalparkverwaltung beobachtet und kontrolliert würden und in den letzten Jahren konstant geblieben seien. Eine durch die Jagd verursachte Bestandsgefährdung dürfte daher schon nicht vorliegen. Weiter habe der Antragsgegner ausgeführt, dass im Gegenteil eine effektive Bejagung im Wege der streitgegenständlichen Schonzeitaufhebung auch naturschutzfachlich erforderlich sei, da überhöhte Schalenwildbestände zu einem Verlust der Krautschicht und damit des wichtigsten Lebensraums der Raufußhühner führten, sodass auch aus diesem Grund für die Annahme der Nichtberücksichtigung naturschutzfachlicher Belange kein Raum verbleiben dürfte. Ebenso wenig dürfte anzunehmen sein, dass der Schutzstatus des Gamswilds nach Anhang V der FFH-Richtlinie unberücksichtigt geblieben sei. Schließlich dürften auch keine Anhaltspunkte für die Unverhältnismäßigkeit der streitgegenständlichen Schonzeitaufhebung vorliegen, insbesondere dürfte es auch nicht erforderlich gewesen sein, die Anordnung der Schonzeitaufhebung örtlich auf die konkreten Sanierungsflächen zu beschränken. Maßnahmen der Waldpflege dürften schon nicht unter § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NPVO fallen, sondern dürften in § 10 Abs. 3 NPVO abschließend geregelt sein. Hierzu dürften insbesondere auch Pflanzungen zählen.
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Die in der Beschwerdebegründung angeführten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdegericht grundsätzlich zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
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Zur Begründung der Beschwerde lässt der Antragsteller vortragen, die Zweifel an der Antragsbefugnis des Antragstellers seien unberechtigt. Ein Vorhaben im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG erfordere weder Anlagen- noch Objektbezug. Vorliegend sei eine Schonzeitaufhebung (noch dazu im Nationalpark) und damit eine sonstige in Natur und Landschaft eingreifende Maßnahme gegeben. Diese Einschätzung werde auch durch das aktuelle Urteil des Gerichtshofes der EU vom 8. November 2022 (Rs. C-873/19) bestätigt: Der Sinn und Zweck der Aarhus-Konvention gebiete eine weite Anwendung der Umweltrechtsbehelfe. Jedenfalls beim Rotwild gehe der Antragsteller von einer unzureichenden formellen Begründung des Sofortvollzugs aus, welche insoweit zur Rechtswidrigkeit der Vollzugsanordnung führen müsse. Insbesondere genüge der Umstand, dass die Nationalparkverwaltung die Anordnung einer Schonzeitaufhebung für notwendig erachte (angeblich im Spätwinter vermehrt auftretende Verbissschäden), nicht aus, um das Erfordernis eines sofortigen Vollzuges zu begründen. Zu bedenken sei auch, dass der Vollzug erst sechs Monate nach Klageeinreichung angeordnet worden sei, was ebenfalls gegen die Dringlichkeit sprechen dürfte. Die Notwendigkeit, von der als Regelfall vorgesehenen aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage abzuweichen, sei damit – jedenfalls in Bezug auf das Rotwild – noch nicht tragfähig begründet. Insbesondere der Ansatz der Nationalparkverwaltung, dass rund 20% der jährlichen Jagdstrecke außerhalb der regulären Jagdzeiten erzielt würden, beziehe sich ausweislich der Anordnung vom 5. Dezember 2022 ausschließlich auf Rehwild und Gamswild und lasse keinen Bezug zu Rotwild erkennen. Eine zu hohe Verbissbelastung sei – für sich genommen – ohnehin kein ausreichender Grund für eine Sofortvollzugsanordnung. Die Aufhebung bzw. Verkürzung der Schonzeiten mit Bescheid vom 29. März 2022 erweise sich auch als materiell rechtswidrig. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Schutz des Bergwaldes innerhalb der sog. Schwerpunktjagdgebiete, der Waldumbaugebiete und in der Sonstigen Pflegezone im Revier Königsee, welche ausweislich der Gebietskulisse innerhalb der Pflegezone lägen, stelle aufgrund seiner vielfältigen Schutzfunktionen einen selbstständigen besonderen Grund dar, teile der Antragsteller nicht. Zwar sei es zutreffend, dass das Forstliche Gutachten des Jahres 2021 für das Gebiet des Nationalparks eine zu hohe Verbissbelastung ergeben habe. Die insoweit vom Antragsteller erhobenen Bedenken, die Erstellung des Gutachtens im konkreten Fall betreffend, würden im Hauptsacheverfahren zu vertiefen sein. Der Schutz des Bergwaldes und insbesondere der vom Antragsgegner für sich reklamierte aktive „Waldumbau“, durch den – so der Antragsgegner wörtlich – die Pflegezone erst „in einen nationalparkgerechten Zustand versetzt“ werden müsse, in dem dann die natürlichen Prozesse ungestört ablaufen könnten, heble den vom BNatSchG vorgesehenen Prozessschutz und die Regelungen der NPVO aus. Der Antragsgegner vertrete insoweit die – durchaus überraschende – Auffassung, der Prozessschutz, d.h. das „sich-selbst-Überlassen“ der Naturvorgänge im Nationalpark, welcher gerade Sinn und Zweck des Nationalparks sei, sei derzeit in der Pflegezone gar nicht möglich. Letztlich gestehe der Antragsgegner ein, dass ca. ¼ der Parkfläche die Voraussetzungen eines Nationalparks – und das 46 Jahre nach Gründung – nicht erfülle. Das Argument, ein Nationalpark müsse erst durch Forstfachleute „gebaut“ werden, sei für den Antragsteller daher durchaus überraschend und werde, soweit ersichtlich, von der Nationalparkverwaltung auch nicht öffentlich vertreten. Das von der Nationalparkverwaltung reklamierte Ziel des „Waldumbaus“ stehe mit § 24 BNatSchG nicht in Einklang. Richtig sei zwar, dass die Nationalparks das Ziel verfolgen, in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets den möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten – dies bedeute Prozessschutz, d.h. auch den ungestörten Ablauf z.B. von Lawinen, Erosion und die Hinnahme von Einwirkungen durch das Schalenwild und anderen Wildtieren. Die Beschränkung des strengen Prozessschutzes auf einen überwiegenden Teil des Schutzgebietes bedeute jedoch nicht, dass die übrige Parkfläche so behandelt werden dürfte, wie jeder außerhalb des Parks liegende Bergwald. Das ungestörte Ablaufen der Naturvorgänge habe nach der festen Überzeugung des Antragstellers auch hier jedenfalls Priorität bzw. sei ein abwägungsrelevanter Belang, auch wenn es keine „absolute“ Vorgabe geben möge. Aus gutem Grund sehe § 24 Abs. 2 BNatSchG vor, dass Nationalparks der wissenschaftlichen Umweltbeobachtung, der naturkundlichen Bildung und dem Naturerlebnis der Bevölkerung dienten. Die Sichtweise, die Pflegezone sei für Prozessschutz gänzlich ungeeignet, sei nicht vertretbar und begründe einen Ermessens- bzw. Abwägungsfehler. Von einem Waldumbau, insbesondere der Einbringung von Pflanzen und der Änderung der Baumartenzusammensetzung durch großflächige waldbauliche Maßnahmen, spreche § 24 BNatSchG nicht. Daher könne das Ziel, diese waldbaulichen Maßnahmen zu unterstützen, auch keine Schonzeitaufhebung im Nationalpark rechtfertigen oder diese gar zwingend erforderlich machen. Zu bedenken sei, dass durch den aktiven Umbau des Waldes in Naturvorgänge gerade massiv eingegriffen werde. Eine Abwägung habe insoweit nicht stattgefunden. Auch das Schutzregime des BayWaldG bestätige die Sichtweise des Antragstellers. Wenn nach Art. 12a BayWaldG bereits Naturwaldflächen dadurch geprägt seien, dass sie von besonderer Bedeutung für die Biodiversität seien und sich selbst zu überlassen seien, müsse das erst Recht für Nationalparks gelten. Sowohl Nationalpark- als auch Naturwaldflächen seien der Natur und den darin ablaufenden Vorgängen zu überlassen, anstatt sie dem menschlichen Eingriff preiszugeben. Dass mehr als 22% der Parkfläche als Waldumbau-, Schwerpunktjagdgebiete und als Sonstige Pflegezone ausgewiesen seien (vgl. Rn. 19 der Ausgangsentscheidung) und (so das Forstgutachten) „47-68%“, im Eilverfahren dann plötzlich über 70% der Pflegezone als Schutzwald anzusehen sein sollten, zeige jedenfalls, dass keineswegs alle von der Schonzeitaufhebung erfassten Gebiete als Schutzwald, geschweige denn als Objektschutzwald (der Gefahren für Menschen und Sachwerte verhindern soll) betrachtet werden könnten. Die von der Schonzeitaufhebung erfassten Gebiete gingen vielmehr deutlich über das hinaus, was die Nationalparkverwaltung selbst – über das Forstliche Gutachten oder auch die Einlassungen im Verfahren – als Schutzwald bezeichne. Es erscheine dem Antragsteller nicht schlüssig, in einem Nationalpark massiven Waldumbau zu betreiben, obwohl die Fläche primär dem ungestörten Ablauf von Naturvorgängen diene (mehr noch als das in Naturwäldern der Fall sei), gerade weil diese Praxis es erschwere, auf der beschränkten Fläche eines Nationalparks Erkenntnisse über den „Wald der Zukunft“ oder die Regenerationsfähigkeit des Berg- und Schutzwaldes ohne Eingriff durch den Menschen zu ziehen. Auch dass es ein Nationalpark zwingend mit sich brächte, Schonzeiten für Schalenwild aufzuheben, d.h. dieses in Phasen des Jahres zu jagen, in denen die Bejagung zu zusätzlichen Störungen und Verbiss führen könne, erschließe sich nicht. Der Antragsgegner lasse die Besonderheiten des Nationalparks vielmehr außer Betracht. Jedenfalls sei die Anordnung vom 29. März 2022 unverhältnismäßig. Eine konkrete Zuordnung, ob und wo genau sich die außerhalb gesetzlicher Jagdzeiten zu bejagenden Verjüngungsflächen oder Schutzwald befänden oder ob sich diese überhaupt mit der Pflegezone deckten, erfolge nicht. Somit sei, da die von der Schonzeitaufhebung betroffenen Flächen offenkundig nicht vollumfänglich (Objekt) Schutzwald darstellten und schon gar nicht flächig als Verjüngungsflächen anzusehen seien, auch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung gegeben. Auch seien alternative Maßnahmen, die dem Schutz von Verjüngungsflächen dienen könnten (temporärer Einzelschutz, Schwerpunktbejagung während der gesetzlichen Jagdzeit), nicht in Erwägung gezogen worden. Vielmehr hebe die Nationalparkverwaltung seit Jahren mit wortgleicher Begründung die Schonzeiten in der Pflegezone auf. Die Nationalparkverwaltung nehme die als Voraussetzung in § 10 Abs. 4 Satz 1 NPVO genannten wildbiologischen Untersuchungen nicht vor, lasse diese jedenfalls nicht in die Wildbestandsregulierungsstrategie einfließen. Grundlage für die Wildbestandsregulierung in der Pflegezone sei vielmehr allein das forstliche Gutachten. Somit führe schon die Nichtbeachtung der für eine „nationalparkgerechte“ Bejagungsstrategie genannten wildbiologischen Untersuchungen zur Rechtswidrigkeit der jagdlichen Eingriffe. Dies müsse in besonderem Maße für Schonzeitaufhebungen gelten, weil sich diese – gerade im Winter – besonders negativ auf die bejagten Wildtiere und weitere Arten auswirkten, die durch die Bejagung gestört würden. Auch die Annahme des Gerichts, die in § 10 Abs. 4 Satz1 NPVO erfolgte Bezugnahme auf den in § 6 NPVO definierten Zweck des Nationalparks, die gesamte Natur zu schützen und die natürlichen und naturnahen Lebensgemeinschaften sowie einen möglichst artenreichen heimischen Tier- und Pflanzenbestand zu erhalten, wissenschaftlich zu beobachten, zu erforschen und einer natürlichen Entwicklung zuzuführen, impliziere, dass die Wildbestandsregulierungsstrategie bereits eine Abwägung der einzelnen Belange des Natur- und Artenschutzes beinhalte, sei verfehlt. Wiederum müsse auf die unzureichende Berücksichtigung wildbiologischer Untersuchungen und Erkenntnisse hingewiesen werden, die maßgeblicher Bestandteil dieser Abwägung sein müssten, es aber nie gewesen seien bzw. nicht seien. Auch der Bescheid lasse die vom Verwaltungsgericht genannte Abwägung nicht erkennen. Auch der Verweis des Verwaltungsgerichts darauf, in dem Vorspann des angefochtenen Bescheides zur Schonzeitaufhebung werde ausgeführt, dass diese Zielsetzungen u.a. durch zeitlich-räumlich differenzierte Wildbestandsregulierungsstrategie mit örtlicher Schwerpunktsetzung und einer Störungsminimierung erreicht werden solle, könne hieran nichts ändern. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handle es sich bei dem von der Nationalparkverwaltung durchgeführten Waldumbau nicht um eine „Waldpflegemaßnahme“ i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 1 NPVO. § 6 NPVO sehe den von der Parkverwaltung für selbstverständlich gehaltenen und seit Jahrzehnten (und eben nicht nur zweitweise) praktizierten Waldumbau gar nicht vor. Die Vorgabe des § 6 NPVO beschränke sich nicht auf die sog. Kernzone, sondern gelte für die Gesamtfläche des Parks, mithin auch für die Pflegezone. Lebensbereiche (Biotope) der Pflanzen und Tiere zu stören oder zu verändern, sowie Pflanzen einzubringen, sei ausdrücklich verboten. Spätestens hier gerate die Parkverwaltung mit ihrem Ansinnen, den Berg- und Schutzwald im Nationalpark aktiv – auch durch Pflanzung – umzugestalten, d.h. nach den Ausführungen des Forstgutachtens insbesondere den Anteil einzelner Baumarten gegenüber dem Ist-Zustand und unabhängig von den natürlichen Prozessen zu erhöhen, in Konflikt mit der NPVO. Das Verbot der Pflanzung sei eindeutig und unmissverständlich, ebenso wie das Verändern der Biotope, d.h. von Eingriffen in die Baumartenzusammensetzung. § 10 Abs. 3 NPVO könne hieran nichts ändern. Zum einen gelte die Regelung nur für Waldpflegemaßnahmen; der Waldumbau gehe deutlich über solche hinaus. Weiter enthalte § 10 Abs. 3 NPVO keine generelle Befugnis, von den Verboten des § 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 4 NPVO abzuweichen, sondern regle, dass auch Waldpflegemaßnahmen sich ausschließlich nach den Parkzielen zu richten hätten. Abgesehen davon, dass der Waldumbau keine Pflegemaßnahme sei, sondern auf eine grundlegende Umgestaltung des Biotops „Bergwald“ in der Pflegezone des Nationalparks abziele (der Park spreche wörtlich von „Transformation“), stünde sie auch mit den o.g. Parkzielen nicht in Einklang. Denn von Waldumbaumaßnahmen sei dort keine Rede. Das Verwaltungsgericht lese § 10 Abs. 3 NPVO letztlich als Spezialvorschrift gegenüber den Verboten des § 9 NPVO, was aber systematisch nicht überzeugend zu begründen sei. Denn dass Verbote des § 9 NPVO für die Parkverwaltung nicht gälten, soweit sie waldbaulich tätig sein wolle, gebe die NPVO nicht her. Ganz im Gegenteil: Die NPVO sehe auch für die Parkverwaltung geltende, beschränkte Ausnahme- (§ 11) und Befreiungstatbestände (§ 12) vor. Von den Verboten in § 9 NPVO blieben unberührt unaufschiebbare Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung und zur Abwehr von Gefahren für Leib und Leben von Menschen sowie für erhebliche Sachwerte (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 NPVO) und Maßnahmen der Nationalparkverwaltung, die ausschließlich dem Zweck des § 6 dienten (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 NPVO). Angesichts der fehlenden Nennung des Waldumbaus bei den Nationalparkzielen könne jedoch nicht auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 NPVO zurückgegriffen werden. Auch „unaufschiebbare“ Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung lägen jedenfalls nicht auf der gesamten Schonzeitaufhebungsfläche vor, schon weil der Schutzwaldanteil irgendwo zwischen 47% und 70% liegen solle und die Nationalparkverwaltung es sogar für unzumutbar halte, die Objektschutzwaldflächen und die dort existierenden Verjüngungsflächen überhaupt nur näher zu bezeichnen; eine Verhältnismäßigkeitsprüfung werde so gänzlich unmöglich gemacht. Zudem trage der Nationalpark nicht einmal selbst vor, dass dieser Schutzwald im o.g. Umfang dem Schutz von Menschen oder bedeutenden Sachwerten diene (Objektschutz). § 12 NPVO enthalte Befreiungstatbestände. Daraus ergebe sich bereits, dass die Nationalparkverwaltung nicht das von ihr reklamierte „weite Ermessen“ habe, sondern sich streng an den Vorgaben der NPVO – einschließlich der dortigen Verbote – orientieren müsse. Letztlich sei die Bezugnahme der Nationalparkverwaltung auf die Notwendigkeit des Waldumbaus und der Schutzwaldsanierung, zwar ein Aspekt, der – abhängig vom Einzelfall – unter das in § 12 NPVO genannte überwiegende öffentliche Interesse subsumiert werden könnte. Allerdings gebe dieses überwiegende Interesse der Parkverwaltung nicht das Recht, von den Verboten des § 9 NPVO im Rahmen eines angeblich weiten Ermessens großzügig abzuweichen. Vielmehr seien, wie die NPVO ausdrücklich vorsehe, andere Behörden einzubinden. Zuständig zur Erteilung der Befreiung sei in den Fällen des § 9 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 und Abs. 3 Nrn. 4 und 5 sowie bei Vorhaben der Landesverteidigung und des Zivilschutzes die oberste Naturschutzbehörde, im Übrigen die untere Naturschutzbehörde. Das bedeute, dass – anders als das Verwaltungsgericht annehme – von einem weiten Ermessen der Parkverwaltung allein auf Basis des § 10 Abs. 3 und § 6 NPVO nicht auszugehen sei. Insbesondere dürfe der Nationalpark nicht zum „Waldumbau“ schreiten, es sei denn, er lasse sich Maßnahmen wie Biotopveränderungen, d.h. auch die Änderung der Baumartenzusammensetzung, von der unteren Naturschutzbehörde (LRA B.) im Einzelfall bewilligen. Eine Einbringung von Pflanzen wäre von der Genehmigung der obersten Naturschutzbehörde abhängig. Weder seien die genannten Naturschutzbehörden beteiligt, noch Befreiungen erteilt worden. Der Nationalpark stelle sich vielmehr auf den nach hiesiger Einschätzung verfehlten Standpunkt, er allein habe im Rahmen eines weiten Ermessens darüber zu befinden, was zur Erreichung der Waldumbau- und der Nationalparkziele notwendig und geboten erscheine. Da somit bereits der vom Nationalpark propagierte Umbau des Berg- und Schutzwaldes unter Einbringung von Pflanzen und Änderung der Baumartenzusammensetzung nicht von der NPVO gedeckt sei, sei es auch weder vernünftigerweise geboten noch zwingend erforderlich, zur Erreichung dieser selbst gesteckten Ziele die Jagd auf Reh-, Gams- und Rotwild über die gesetzlichen Jagdzeiten hinaus nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 BayJG auf 22% der Parkfläche auszudehnen. Auch eine Abwägung zwischen dieser besonderen Situation des Nationalparks und dem Schutzstatus des Gamswildes als besonders geschützte FFH-Art habe nicht stattgefunden.
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Diese Rügen greifen nicht durch.
42
Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Die im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird wohl nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrags auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Kann – wegen der besonderen Dringlichkeit oder der Komplexität der Rechtsfragen – keine Abschätzung über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache im Sinne einer Evidenzkontrolle getroffen werden, sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen zu gewichten (BVerwG, B.v. 22.3.2010 – 7 VR 1/10, 7 VR 1/10 (7 C 21/09) – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 12.7.2010 – 14 CS 10.327 – juris Rn. 21 m.w.N.).
43
Nach dem jetzigen Erkenntnisstand (zu dem in der Beschwerdebegründung Dargelegten, auf das die Prüfung des Senats beschränkt ist) ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens, d. h. der von dem Antragsteller erhobenen Klage auf (teilweise) Aufhebung der Schonzeitaufhebungsanordnung vom 29. März 2022 offen. Zwar geht der Senat nach summarischer Prüfung und unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens davon aus, dass jedenfalls in Teilen der Pflegezone des Nationalparks B. eine Aufhebung der Schonzeit bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen grundsätzlich angeordnet werden kann. Ohne die Vorlage aussagekräftigen Kartenmaterials (auf eine entsprechende Darlegung hat der Antragsteller zurecht hingewirkt) lässt sich aber nicht feststellen, ob ein besonderer Grund nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG vorliegend die Schonzeitaufhebungsanordnung trägt. Da der Antragsgegner mit der Anordnung den „Schutz der besonders schutzbedürftigen Schutzwaldflächen (vor weiterem Schalenwildverbiss)“ anstrebt (vgl. Beschwerdeerwiderung vom 7.2.2023, S. 5), ist der Senat ohne eine entsprechende Darlegung der besonders schutzbedürftigen Schutzwaldflächen nicht in der Lage, einen solchen anzunehmen, zumal der Senat nach summarischer Prüfung von einem Schutzwaldanteil bezogen auf die gesamte Pflegezone von etwa 37% ausgeht (soweit der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren ausführt, „50,9% der Fläche der Pflegezone ist mit Schutzwald belegt“, meint er vermutlich, dass 50,9% der Fläche der Pflegezone mit Wald belegt ist, da ansonsten seine Aussage nicht mit der von ihm angegebenen Waldflächengröße in der Pflegezone <2.644 ha> und der Flächengröße der Pflegezone <25% der ca. 21.000 ha großen Gesamtfläche des Nationalparks, folglich 5.250 ha>, in Einklang zu bringen wäre; die Auskunft der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, auf die sich der Antragsteller insoweit bezieht, wurde weder im Beschwerdeverfahren noch – soweit ersichtlich – erstinstanzlich vorgelegt). Daher hält der Senat die Kenntnis der Lage der besonders schützenswerten Schutzwaldflächen v.a. im Hinblick auf die Ausdehnung der Schonzeitaufhebungsflächen nach summarischer Prüfung für erforderlich.
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Der Senat hat angesichts der zum 31. März 2023 auslaufenden Schonzeitaufhebungsanordnung von der Anforderung eines aussagekräftigen Kartenmaterials abgesehen, weil ihm selbst bei einer (eher unwahrscheinlichen) zeitnahen Vorlage durch den Antragsteller eine Entscheidung vor Ablauf der Schonzeitaufhebungsanordnung nicht mehr möglich gewesen wäre.
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Im Rahmen der unabhängig von den Erfolgsaussichten der Hauptsache vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug. Würde die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt, hätte dies zur Folge, dass – was der Antragsteller erstrebt – in den Flächen der Pflegezone des Nationalparks B. bis zum Ablauf des zeitlichen Geltungszeitraums der Schonzeitaufhebungsanordnung keine Bejagung von Rot-, Gams- und Rehwild (mehr) erfolgen und es somit zu keiner weiteren Erlegung dieser Schalenwildarten kommen würde.
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Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat aber nicht nur zur Folge, dass kein weiterer Abschuss von Schalenwild erfolgt, sondern auch, dass eine letale Vergrämung, d.h. das Fernhalten des Schalenwildes von zu schützenden Flächen durch konzentrierte und punktuelle Bejagung, nicht mehr erfolgen würde. Dies ginge mit starken, übermäßigen Verbissschäden an den Zielbaumarten in den betroffenen Gebieten bis zum Ablauf des zeitlichen Geltungszeitraums der Schonzeitaufhebungsanordnung einher, zumal der Verbissschwerpunkt im Spätwinter liegt (vgl. die Ausführungen in der angegriffenen Anordnung). Gerade in dieser Zeit ist die punktuelle, letale Vergrämung von Orten, auf denen das Schalenwild erhebliche Schäden durch Verbiss verursachen könnte, im besonderen Maße erforderlich. Keiner besonderen Erwähnung bedarf, dass der Verbiss bei Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht allein durch das nicht erlegte, sondern auch durch das – aufgrund der unterlassenen Abschüsse – nicht vergrämte Wild erfolgen würde. Die in den Flächen der Pflegezone eintretenden Schäden könnten nicht durch Nachholung von Abschüssen während der nächsten Jagdzeit wiedergutgemacht werden.
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Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass ein außerhalb der regulären Jagdzeit in der Pflegezone erlegtes Tier für die Population verloren ist. Es ist in diesem Zusammenhang aber zu berücksichtigen, dass die Anzahl der Rot-, Gams- und Rehwildabschüsse in den jeweiligen (entsprechend dem gesetzlichen Verfahren aufgestellten) Abschussplänen, die für Schalenwild erfüllt werden müssen (§ 21 Abs. 2 Satz 6 BJagdG), nach Anzahl, Geschlecht und den vorgegebenen Klassen festgesetzt werden (und folglich nicht in der angegriffenen Anordnung). Mit der Ausweitung der Jagdzeiten durch die Anordnung ist keine Erhöhung der Abschusszahlen verbunden, sondern die in den Abschussplänen festgelegten Abschusszahlen erfassen auch den Abschuss des Schalenwildes im Rahmen der Anordnung. Der plangeregelte Abschuss kann lediglich teilweise in den Anordnungszeitraum verlagert werden (weil in diesem Zeitraum auch und besonders mit Verbiss zu rechnen ist).
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Gegen die Aussetzung der sofortigen Vollziehung spricht im Rahmen der Interessenabwägung zudem, dass die das Jagdjahr 2022/2023 betreffende Anordnung am Ende des Monats ausläuft und somit die noch getätigten Abschüsse bzw. die mit den Begängen verbundenen Störungen zahlenmäßig gering sein werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).