Titel:
Erfolgloses Beschwerdeverfahren wegen Prozesskostenhilfe für Eilverfahren wegen Duldung
Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1, § 146, § 166
AufenthG § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 S. 2, § 60a Abs. 2, § 81 Abs. 3, Abs. 4, § 104c
ZPO § 114 Abs. 1
Leitsätze:
1. Hinreichende Aussicht auf Erfolg liegt stets dann vor, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung spricht, wobei das Gericht wegen der Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten bei der vorläufigen Prüfung keine überspannten Anforderungen stellen darf (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 166 Rn. 8 m.w.N.). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Abschiebung ist rechtlich unmöglich, wenn sich für die Bundesrepublik Deutschland aus einfachem Gesetzesrecht oder aus Unions-, Verfassungs- bzw. Völkergewohnheitsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot im Verhältnis zum Ausländer ergibt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Allein daraus, dass der Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geltend macht und diesen im Bundesgebiet durchsetzen will, folgt grundsätzlich kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, dem durch Aussetzung der Abschiebung für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens Rechnung zu tragen ist (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe für Beschwerde, Passunterdrückung, Passersatzpapierverfahren, Verfahrensduldung, Ausweisungsinteresse, Chancenaufenthaltsrecht, Ermessensduldung, Ausbildungsduldung, Beschäftigungsduldung, Beschwerdeverfahren, Prozesskostenhilfe, Eilrechtsschutz, Ausländerrecht, Pakistan, Asylverfahren, Ausreisepflicht, Vollziehbarkeit, Abschiebung, freiwillige Ausreise, Duldung, Chancen-Aufenthaltsrechts, Abschiebungshindernis
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 17.01.2023 – RN 9 E 22.2867
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6072
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für die vom Antragsteller beabsichtigte Beschwerde gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Januar 2023 (RN 9 E 22.2867) wird abgelehnt.
Gründe
1
Der Antrag auf Prozesskostenhilfebewilligung und Anwaltsbeiordnung für die beabsichtigte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Januar 2023 bleibt ohne Erfolg.
2
1. Der Antragsteller, pakistanischer Staatsangehöriger, am 28. Dezember 2013 mit einem pakistanischen Reisepass (gültig bis 29.9.2015) in das Bundesgebiet eingereist, dessen Asylverfahren sowie Asylfolgeverfahren erfolglos geblieben sind (Ablehnung des Asylantrags unter Androhung der Abschiebung nach Pakistan mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt – vom 15.11.2016; Klage mit Urteil des VG Regensburg vom 5.4.2018, Az.: RN 7 K 16.32991 abgewiesen; Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss des BayVGH vom 24.5.2018, Az.: 6 ZB 18.31091, abgelehnt; Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig und Ablehnung der beantragten Abänderung der Feststellung zu § 60 Abs. 5, 7 AufenthG mit Bescheid des Bundesamtes vom 7.2.2020; Klage mit Urteil des VG Regensburg vom 31.3.2022, Az.: RN 8 K 20.30390, abgewiesen), der seit dem 24. Mai 2018 vollziehbar ausreisepflichtig ist und vom 20. Juni 2018 bis 19. Oktober 2022 im Besitz einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG war, wendet sich mit der beabsichtigten Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Januar 2023, mit welchem sein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung mit einer Gültigkeit von drei Monaten mit der Nebenbestimmung „Beschäftigung erlaubt“ sowie ohne Wohnsitzauflage zu erteilen, abgelehnt wurde. Für die von ihm beabsichtigte Beschwerde begehrt der Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung.
3
Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit der Begründung abgelehnt, ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben, weil der Antragsteller keinen Anspruch auf Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG glaubhaft gemacht habe. Dem Antragsteller komme kein Anspruch auf eine Verfahrensduldung zu, da er voraussichtlich weder die Erteilungsvoraussetzungen des § 25b AufenthG noch die des § 104c AufenthG erfülle. So fehle es im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung angesichts des Ablaufs der Duldung am 19. Oktober 2022 bereits an einem Duldungsstatus. Eine faktische Duldung liege schon deshalb nicht vor, weil der Antragsgegner Duldungsansprüche eindeutig verneine und angesichts des erneuerten Schubantrags eine Abschiebung tatsächlich wie rechtlich für möglich halte. Auch der Widerruf der Duldung sei nicht erforderlich gewesen, da die Duldung infolge des Ablaufs ihrer Gültigkeitsdauer erloschen sei. Ebenso sei nichts dafür ersichtlich, dass [dem Antragsteller] ein Rechtsanspruch auf eine Duldung zustehen würde, weil seine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht unmöglich i.S.d. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG sei. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG stehe der Ausschlussgrund des § 25b Abs. 2 Nr. 1 AufenthG entgegen, da der Antragsteller (nach Aktenlage) durch die Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen seine Aufenthaltsbeendigung jedenfalls verzögert habe. So sei er mehrfach nicht nur auf seine Pflichten nach dem AsylG und dem AufenthG hingewiesen und diesbezüglich belehrt worden, sondern zur Beibringung entsprechender Identitätsdokumente aufgefordert worden. Zwar habe er (mit großem zeitlichen Abstand zu ihrer Ausstellung) eine National Identity Card vorgelegt. Jedoch sei ein Reisepass weder vorgelegt noch beantragt worden. Der (ursprüngliche) Vortrag des Antragstellers, dass eine solche Beantragung nur unter Vorlage des alten, abgelaufenen Reisepasses möglich sei und er über einen solchen nicht mehr verfüge, verfange angesichts der diesbezüglich im Internet verfügbaren Auskünfte des Generalkonsulats der Islamischen Republik Pakistan Frankfurt am Main (m.V.a. https://www.pakmissionfrankfurt.de/machine-readable-passport-mrp) nicht. Denn danach sei die Beantragung nach nachzuweisender Verlustanzeige bei der Polizei und unter Vorlage einer Kopie des verlorenen Reisepasses nebst weiterer Angaben sowie der National Identity Card möglich. Weiterhin habe der Antragsteller nach seinen eigenen und von seinem ehemals Bevollmächtigten bestätigten Angaben tatsächlich über einen gültigen Reisepass verfügt, diesen jedoch zur Vermeidung einer Abschiebung und letztlich zur „Erzwingung“ einer von ihm begehrten Aufenthaltserlaubnis der Ausländerbehörde nicht ausgehändigt. Hierdurch erfülle er nicht nur zumutbare Anforderungen nicht, sondern konterkariere diese durch wissentliches und willentliches Unterdrücken von Identitätsdokumenten. Weiter verwirkliche der Antragsteller hierdurch ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 2, 54 Abs. 2 Nr. 8b AufenthG und erfülle die Passpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht. Für ein Absehen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 AufenthG im Ermessenswege gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sei nichts ersichtlich. Unabhängig davon seien seitens des Antragstellers keine (im Rahmen des § 25b AufenthG zu fordernden) besonderen Integrationsleistungen ersichtlich. Der bloße Umstand, dass er nach Mitteilung seines Vermieters diesen gegen Gewährung einer stark verbilligten Wohnmöglichkeit unterstütze und weit überwiegend in Beschäftigung gestanden habe, reiche insofern nicht aus. Der Erteilung einer Chancen-Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG stehe entgegen, dass der Antragsteller sich zum Stichtag (31.10.2022) nicht seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten habe. Ein Abweichen hiervon sei nach der Konzeption der gesetzlichen Regelung auch im Ermessen der Ausländerbehörde nicht möglich (m.V.a. IMS v. 22.12.2022 – F4-2081-3-88-218, S. 12). Die Duldung des Antragstellers sei am 19. Oktober 2022 abgelaufen. Seine Abschiebung sei auch nicht unmöglich. Raum für eine Ermessenduldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG i.S.d. IMS vom 22. Dezember 2022 sei nicht gegeben, da die Duldung bzw. deren Voraussetzungen nicht im Zeitraum zwischen der Beschlussfassung des Bundestags am 2. Dezember 2022 und dem Inkrafttreten des Gesetzes am 31. Dezember 2022, sondern bereits im Oktober 2022 entfallen seien. Zwar sei nach den Ausführungen des IMS eine Ermessensduldung auch in den ersten drei Monaten ab Inkrafttreten des Gesetzes sorgfältig zu prüfen, dies solle jedoch nur dann gelten, wenn – wie vorliegend nicht – das Chancen-Aufenthaltsrecht nicht offensichtlich zu versagen sei (m.V.a. S. 10 des IMS v. 22.12.2022). Die Verurteilung durch das Amtsgericht R. zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen wegen unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt in Tateinheit mit Urkundenfälschung bleibe außer Betracht, denn hierbei handele es sich zu einem wesentlichen Teil um Straftaten, welche nur von Ausländern begangen werden könnten, und der insoweit gemäß § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG erforderliche Rahmen von mindestens 90 Tagessätzen sei nicht erfüllt. Auch erfülle das Verhalten des Antragstellers nicht den Tatbestand des § 104c Abs. 1 Satz 2 AufenthG, da die Passunterdrückung durch den Antragsteller sich weder als Täuschungshandlung im engeren Sinne noch als Falschangabe einordnen lasse. Ob dieses Tatbestandskriterium erweiternd auszulegen sei, könne jedoch dahinstehen, denn durch die Passunterdrückung sei mit Blick auf die Soll-Regelung des § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein atypischer Sachverhalt gegeben, der eine Ausnahme von der Regelerteilung gebiete. Ausweislich des Wortlauts der Norm sowie des Gesetzeszwecks stehe eine mangelnde Identitätsklärung eines Antragstellers der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG nicht entgegen. Die bloße unzureichende Mitwirkung bei der Identitätsklärung und der Pass- bzw. Passersatzbeschaffung in der Vergangenheit könne einen atypischen Sachverhalt nicht begründen, da der Bundesgesetzgeber diese Personen gezielt nicht aus dem Kreis der Begünstigten herausgenommen habe. Ausgehend hiervon erfordere das Vorliegen eines atypischen Falles einen Sachverhalt, der über eine nur unzureichende Mitwirkung deutlich hinausgehe, ohne aber gleichzeitig die Qualität einer Täuschung bzw. Falschangabe zu erreichen (m.V.a. IMS v. 22. Dezember 2022, S. 17/18, welches als Beispiel das Erreichen einer mehrjährigen Voraufenthaltszeit nur durch erhebliche Missachtung rechtsstaatlicher Abläufe und künstliches Hinauszögern der Ausreise, insbesondere verfahrenstaktisches, rechtsmissbräuchliches Vortäuschen von Vollstreckungshindernissen anführe). Dem Antragsteller sei nicht nur eine mangelnde Mitwirkung an der Beschaffung eines Passes bzw. Passersatzes anzulasten, sondern sogar ein vorsätzliches Unterdrücken seines vorhandenen Reisepasses zur Erlangung eines Aufenthaltstitels und zur Vermeidung seiner Abschiebung. Dieses Verhalten gehe aber offenkundig weit über ein bloßes Unterlassen von Mitwirkungshandlungen hinaus und widerspreche zudem dem mit der Neuregelung verfolgten Gesetzeszweck, das Chancen-Aufenthaltsrecht gerade solchen Menschen zugutekommen zu lassen, die sich wirtschaftlich und sozial integriert hätten, aber zum Teil noch nicht die Voraussetzungen des Voraufenthalts hinsichtlich der Bleiberechtsregelung des § 25a oder § 25b AufenthG erfüllten, bzw. die trotz ausgeprägter Bereitschaft zur Integration und entsprechenden Bemühens noch nicht in der Lage seien, die erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen (m.V.a. BT-Drs. 20/3717, S. 16). Das aktive Vorenthalten eines Identitätsdokuments gehe weit über das von dem Gesetzgeber bewusst tolerierte Untätigbleiben hinaus und dokumentiere im Gegenteil eine der Integration entgegenstehende Bereitschaft, sich im Bedarfsfall gerade nicht an geltendes Recht zu halten. Eine gleichwohl erfolgende Aufenthaltserlaubniserteilung würde den gesetzgeberischen Willen ad absurdum führen.
4
Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Antragsteller (am 30.1.2023 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) vor, er lebe seit neun Jahren in Deutschland, habe Sprachkurse gemacht und auch den deutschen Führerschein. Er habe stets gearbeitet und seine verwitwete Schwester und deren fünf Kinder sowie seine Mutter unterstützt. Seinen Pass habe er wegen der Angst vor einer Abschiebung nicht den deutschen Behörden übergeben. Er hege wegen der drohenden Abschiebung Selbstmordgedanken.
5
Ergänzend trug er mit Schreiben vom 11. Februar 2023 vor, er könne jederzeit in den (als Kopie mit einer Erklärung des Arbeitgebers, dass der Ausbildungsvertrag zum 1.3.2023 beginne, der Antragsteller aber durchaus auch früher beginnen könne, vorgelegten) Ausbildungsvertrag als Bäcker einsteigen, sofern er seine seit dem 15. November 2022 „ruhende“ Arbeitserlaubnis zurückerhalte. Da er seit November 2022 keine Einnahmen mehr habe, gingen seine finanziellen Rücklagen zu Ende. Eine Unterstützung seiner Mutter und Geschwister für medizinische oder schul- bzw. ausbildungsbedingte Erfordernisse sei ihm nicht mehr möglich. Der Vermieter des Antragstellers führte ergänzend aus, er sei zu 70% schwerbehindert mit Merkmal „G“ und bedürfe nach einem Klinikaufenthalt vom 13. Dezember 2022 bis 4. Januar 2023 mit Bypass-Operation sowie anschließendem Reha-Aufenthalt weiterhin der medizinisch-ambulanten Versorgung und der Hilfe im Haushalt. Der Antragsteller unterstütze ihn seitdem in jeder Beziehung hervorragend. Er selbst sei alleinstehend und habe sonst keine andere Bezugsperson. Für seinen laufenden Antrag auf Pflegestufe 2 sei der Antragsteller als sein Betreuer eingetragen. Dieser sei seit drei Jahren jederzeit für ihn da. Der Vermieter hoffe, dass ihm der Antragsteller als völlig integrer Mensch und voll integrierter Einwohner der Bundesrepublik Deutschland erhalten bleibe.
6
Der Antragsgegner tritt dem entgegen. Dem Antragsteller stehe keine sog. Verfahrensduldung zu, weil er keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG bzw. § 104c AufenthG habe. Der Antragsteller sei kein geduldeter Ausländer im Sinne des § 25b AufenthG und könne sich mangels tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit der Ausreise auch nicht auf einen materiellen Duldungsanspruch im Sinne des § 60a Abs. 2 AufenthG berufen. Zur Begründung nahm der Antragsgegner auf die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung sowie auf die Stellungnahme der ZAB Niederbayern vom 27. Februar 2023 Bezug (in welcher u.a. ausgeführt wird, dass die Zusicherung des Bayer. Landesamtes für Asyl und Rückführungen – LfAR – vom 16. Juli 2019, wonach durch die pakistanischen Behörden ein Passersatzpapier gegen Vorlage der Flugdaten ausgestellt wird, aufgrund von Personalwechseln seit dem 30. Dezember 2022 nicht mehr gegeben sei; dass es künftig für Rückführungen nach Pakistan neben der CNIC-Nummer auch einer Tracking-ID bedürfe, welche jedoch erst ab Mai 2020 generiert werde; dass für den Antragsteller, dessen Passersatzpapierverfahren bereits am 16. Juli 2019, also vor der erläuterten Umstellung auf das RCMS-Verfahren, abgeschlossen gewesen sei, noch keine Tracking-Nummer generiert worden sei, weshalb aktuell kein Passersatzpapier ausgestellt werden könne; dass aus diesem Grund der nach dem Scheitern der am 15.11.2022 geplanten Abschiebung (erneut) gestellte Schubantrag storniert worden sei; dass zur erneuten Verifizierung des Antragstellers im Wege des RCMS-Verfahrens am 19. Januar 2023 über das LfAR ein neues Passersatzpapierverfahren eingeleitet worden sei; sowie dass laut Auskunft des LfAR mit einer Rückmeldung im Passersatzpapierverfahren innerhalb von drei bis sechs Monaten zu rechnen sei). Ergänzend führte der Antragsgegner aus, dass es dem Antragsteller infolge der jahrelangen Mitwirkungsverweigerung und der aktuell anhaltenden Unterdrückung seines Reisepasses nach einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalles an der nachhaltigen Integration fehle. Sein langjährig an den Tag gelegtes Verhalten sei der alleinige Grund, warum der Antragsteller bislang noch nicht habe abgeschoben werden können und die erforderliche Aufenthaltszeit von acht Jahren überhaupt habe erreichen können (m.V.a. BayVGH, B.v. 26.10.2021 – 19 CS 21.2291, juris Rn. 14 ff.). Durch das wissentliche und willentliche Unterdrücken seines pakistanischen Reisepasses erfülle der Antragsteller auch ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Dass er dies auch weiterhin tun werde, habe der Antragsteller zur Niederschrift des Urkundsbeamten am 30. Januar 2023 ausdrücklich bekräftigt. Zuvor habe er bereits seinen alten, mittlerweile abgelaufenen Reisepass versteckt, obwohl er angegeben habe, keinen Reisepass zu besitzen. Am Bestehen eines Ausweisungsinteresses ändere auch die Tatsache nichts, dass sein ehemaliger Arbeitgeber ihn dringend benötige und ihm sogar einen Ausbildungsplatz angeboten habe. Der Antragsteller sei während seines Aufenthaltes vielfach über die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten belehrt worden und auch explizit auf ein mögliches Ausweisungsinteresse und dessen Folgen hingewiesen worden.
7
2. Das Vorbringen des Antragstellers führt nicht dazu, dass ihm für das beabsichtigte Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.
8
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Aussicht auf Erfolg liegt stets dann vor, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung spricht. Bei der dabei vom Gericht anzustellenden vorläufigen Prüfung dürfen im Hinblick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Es genügt, wenn sich die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen darstellen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 166 Rn. 8 m.w.N.).
9
Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilli-gungs- und Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, B.v. 10.1.2016 – 10 C 15.724 – juris Rn. 14 m.w.N.). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme oder Abgabe einer Stellungnahme (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. BVerwG, B.v. 12.9.2007 – 10 C 39.07 u.a. – juris Rn. 1; BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 10 C 17.2591 – juris) ein. Nach diesen Maßgaben trat die Bewilligungsreife vorliegend (nach Vorlage der PKH-Unterlagen am 14.2.2023 und Fristsetzung für den Antragsgegner zur Äußerung bis 1.3.2023) am 1. März 2023 ein.
10
Gemessen an den dargestellten Grundsätzen bietet die Beschwerde im maßgeblichen Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weshalb die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu versagen ist. Die dargelegten Gründe, auf deren Nachprüfung das Beschwerdegericht im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu Recht wegen des Fehlens eines Anordnungsanspruchs abgelehnt.
11
2.1 Der Antragsteller ist gemäß §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig. Des Weiteren ist seine Abschiebung nach § 58 Abs. 1 AufenthG erforderlich, weil die freiwillige Ausreise des Antragstellers aufgrund des Verstreichens der ihm gesetzten Ausreisefrist sowie des Fehlens seiner Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise nicht gesichert ist. Zwar hat der Antragsteller gegenüber der ZAB vortragen lassen, er bereite die Durchführung des Visumverfahrens vor, und nach den Modalitäten der Einholung einer Vorabzustimmung der örtlich zuständigen Ausländerbehörde fragen lassen (vgl. E-Mail-Verkehr vom 28./29.11.2022 – Anfrage der Antragstellerbevollmächtigten bei der ZAB –, Bl. 1749/1751 der Behördenakte, und vom 5.12.2022 – Antwort der ZAB, Bl. 1756 der Behördenakte). Der Antragsteller hat jedoch seine freiwillige Ausreise wiederholt abgelehnt und verweigert die Vorlage seines Reisepasses, weshalb der Antragsgegner zu Recht davon ausgeht, dass die freiwillige Ausreise (derzeit) nicht gesichert ist.
12
2.2 Duldungsgründe gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 oder 3 AufenthG liegen zugunsten des Antragstellers nicht vor.
13
2.2.1 Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Diese Voraussetzungen liegen zugunsten des Antragstellers nicht vor:
14
2.2.1.1 Eine Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen Gründen ist gegeben, wenn eine Abschiebung aufgrund objektiver Umstände, die in der Person des Ausländers oder in äußeren Gegebenheiten liegen, nicht bzw. nur mit unverhältnismäßigem Aufwand durchgesetzt werden kann. Unmöglichkeit der Abschiebung ist nicht schon bei jeder geringen zeitlichen Verzögerung infolge der notwendigen verwaltungsmäßigen Vorbereitungen anzunehmen, sondern nur bei dem zeitweiligen Ausschluss der Abschiebung aufgrund rechtlicher Verbote oder Hindernisse oder aufgrund tatsächlicher Umstände außerhalb der administrativen Organisation der Abschiebung. Das Rechtsinstitut der Duldung soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Ausreisepflicht eines Ausländers nicht in allen Fällen ohne Verzögerung durchgesetzt werden kann und ihre Durchsetzung auf nicht absehbare Zeit unmöglich ist. Eine Duldung ist aber grundsätzlich dann zu erteilen, wenn die Abschiebung zwar möglich ist, die Ausreisepflicht des Ausländers aber nicht ohne erhebliche Verzögerung durchgesetzt werden kann (BT-Drs. 11/6321, 76 zu § 55 Abs. 1 AuslG 1990). Der Gesetzgeber geht von der zügigen Durchführung der Abschiebung aus. Ergeben sich Hindernisse, die eine erhebliche Verzögerung der Abschiebung nach sich ziehen, ist nach § 55 Abs. 2 AuslG (jetzt: § 60a Abs. 2 AufenthG) zu verfahren. Erscheint die Abschiebung nach den Gegebenheiten des Falles nicht aussichtslos, darf andererseits ein fehlgeschlagener Abschiebungsversuch vorausgesetzt werden, bevor eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung angenommen wird. Die Ausländerbehörde hat im Rahmen der Prüfung einer Aussetzung der Abschiebung nicht nur zu untersuchen, ob die Abschiebung des Ausländers überhaupt durchgeführt werden kann, sondern auch, innerhalb welchen Zeitraums eine solche möglich ist. Dies gilt nicht nur für die Fälle, in denen eine Abschiebung grundsätzlich möglich ist, sondern auch in den Fällen, in denen eine Abschiebung derzeit unmöglich ist. In den letztgenannten Fällen ist von der Ausländerbehörde zu prüfen, wann dieses Hindernis behoben sein wird. Kommt die Ausländerbehörde zu dem Ergebnis, dass die Abschiebung nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden kann oder der Zeitpunkt der Abschiebung ungewiss ist, ist eine Duldung zu erteilen (vgl. BVerfG, B.v. 6.3.2003 – 2 BvR 397/02 – juris Rn. 37; BVerwG, U.v. 25.9.1997 – 1 C 3.97 – juris Rn. 22 f.; U.v. 21.3.2000 – 1 C 23.99 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 4.1.2016 – 10 C 15.2016 – juris Rn. 22; U.v. 4.8.2021 – 19 B 21.1268 – juris Rn. 25 ff.; BeckOK AuslR/Kluth/Breidenbach, 36. Ed. 1.1.2023, AufenthG § 60a Rn. 9; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 60a AufenthG Rn. 22 ff.).
15
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Abschiebung des Antragstellers ist tatsächlich möglich. Dem steht nicht entgegen, dass eine am 15. November 2022 geplante Abschiebung (kurzfristig) wegen nicht rechtzeitiger Ausstellung von Heimreisepapieren durch die Behörden des Heimatstaates des Antragstellers storniert werden musste (vgl. zu den näheren Umständen die E-Mail-Nachrichten des Bayerischen Landesamtes für Asyl und Rückführungen – LfAR – an die ZAB vom 8.11.2022, Bl. 1525, vom 11.11.2022, Bl. 1636 und vom 14.11.2022, Bl. 1639 der Behördenakte, Bd. III sowie die Ausführungen im Schreiben der ZAB Niederbayern vom 27.2.2023, S. 3, vorgelegt mit Schriftsatz der Landesanwaltschaft vom 1.3.2023). Fest steht, dass der Antragsteller von den Behörden seines Herkunftsstaates im Rahmen des Passersatzpapierverfahrens anhand seiner Fingerabdrücke sowie seiner National Identity Card (Bl. 225/226 der Behördenakte) bereits im Jahr 2019 identifiziert wurde und seine persönlichen Daten verifiziert werden konnten (vgl. Mitteilung des LfAR vom 16.7.2019, Bl. 206 der Behördenakte Bd. I). Damit steht auch fest, dass die Abschiebung weder aus einem außerhalb der administrativen Organisation der Abschiebung liegenden Grund (vorübergehend) faktisch ausgeschlossen ist, noch erhebliche zeitliche Verzögerungen zu erwarten sind. Dass Heimreisepapiere für den Antragsteller – die notwendig waren, da der Antragsteller (seinerzeit) angab, nicht über einen Pass zu verfügen, und nunmehr erklärt hat, einen Reisepass zu besitzen, diesen aber erst herauszugeben, wenn er eine Aufenthaltserlaubnis erhalte – nicht rechtzeitig zum Abschiebungstermin vorlagen, ist durch die üblichen Abläufe bei erforderlicher Beschaffung von Heimreisepapieren bedingt und liegt nicht außerhalb des Abschiebevorgangs bzw. dessen administrativer Vorbereitung. Daran ändert auch der mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 1. März 2023 (unter Verweis auf das beigefügte Schreiben der ZAB Niederbayern vom 27.2.2023) mitgeteilte Umstand, dass die Zusicherung vom 16. Juli 2019 (Bl. 206 der Behördenakte, Bd. I), wonach durch die pakistanischen Behörden ein Passersatzpapier gegen Vorlage der Flugdaten ausgestellt wird, aufgrund von Personalwechseln seit dem 30. Dezember 2022 nicht mehr gegeben ist, und dass es künftig für Rückführungen nach Pakistan neben der CNIC-Nummer auch einer Tracking-ID bedarf, welche jedoch erst ab Mai 2020 generiert wird, nichts. Zwar wurde für den Antragsteller, dessen Passersatzpapierverfahren bereits am 16. Juli 2019, also vor der erläuterten Umstellung auf das RCMS-Verfahren, abgeschlossen war, noch keine Tracking-Nummer generiert. Aus diesem Grund kann nach der Mitteilung der ZAB Niederbayern für den Antragsteller aktuell kein Passersatzpapier ausgestellt werden, weshalb der am 15. November 2022 (erneut) gestellte Schubantrag durch den Antragsgegner storniert wurde. Zur erneuten Verifizierung im Wege des sog. RCMS-Verfahrens hat der Antragsgegner am 19. Januar 2023 über das LfAR ein neues Passersatzpapierverfahren eingeleitet. Laut Auskunft des LfAR ist mit einer Rückmeldung im Passersatzpapierverfahren innerhalb von drei bis sechs Monaten zu rechnen (vgl. Schreiben der ZAB Niederbayern vom 27.2.2023, S. 4). Fest steht aber, dass der Antragsteller bereits im Jahr 2019 durch die Behörden seines Heimatstaates identifiziert wurde, weshalb der Abschiebung dorthin keine unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen, der zeitliche Rahmen, in welchem die Abschiebung stattfinden soll, (noch) klar umrissen ist (innerhalb von drei bis sechs Monaten), der Zeitpunkt der Abschiebung damit nicht ungewiss und diese folglich nicht tatsächlich unmöglich ist. Des Weiteren finden (Sammel-)Abschiebungen in das Herkunftsland des Antragstellers regelmäßig statt, weshalb bei Vorliegen eines Heimreisepapiers die Abschiebung des Antragstellers zeitnah erfolgen kann.
16
2.2.1.2 Rechtlich unmöglich i.S.v. § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG ist die Abschiebung, wenn sich im Verhältnis zum Ausländer für die Bundesrepublik Deutschland aus einfachem Gesetzesrecht oder aus Unions-, Verfassungs- bzw. Völkergewohnheitsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60a Rn. 24; Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed. 15.10.2022, AufenthG § 60a Rn. 32). Wegen der Bindungswirkung nach § 42 Satz 1 AsylG an die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG kommen vorliegend nur inlands- und nicht zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 19 CE 16.1953). Der Antragsteller macht zur Begründung eines rechtlichen Abschiebungshindernisses (sinngemäß) geltend, ihm stehe eine sog. Verfahrensduldung zur Sicherung seines behaupteten Rechtsanspruchs auf die am 26. September 2022 und (erneut) am 12. Dezember 2022 beantragte Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG bzw. auf die (nach Inkrafttreten des § 104c AufenthG am 31.12.2022) am 10. Januar 2023 beantragte (vgl. Schreiben vom 10.1.2023 an die ZAB in der Anlage zum Schriftsatz vom 10.1.2023 an das VG Regensburg, Bl. 45 der VG-Akte) Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c AufenthG (sog. Chancenaufenthaltsrecht) zu.
17
Die Voraussetzungen einer sog. Verfahrensduldung liegen jedoch zugunsten des Antragstellers nicht vor.
18
Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG, wonach ein verfahrensbezogenes Bleiberecht in Form einer Erlaubnis- bzw. Duldungs- oder Fortgeltungsfiktion nur für den Fall eines rechtmäßigen Aufenthalts vorgesehen ist, kann allein daraus, dass der Ausländer einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geltend macht und diesen im Bundesgebiet durchsetzen will, grundsätzlich kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis folgen, dem durch Aussetzung der Abschiebung für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens Rechnung zu tragen ist (NdsOVG, B.v. 22.8.2017 – 13 ME 213/17 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 27.11.2018 – 19 CE 17.550 – juris Rn. 30). Dem in § 81 Abs. 3, 4 AufenthG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Anliegen und der Gesetzessystematik widerspräche es, wenn ein Ausländer für die Dauer eines jeden (anderen) Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens die Aussetzung der Abschiebung beanspruchen könnte (BayVGH, B.v. 27.11.2018 – 19 CE 17.550 – juris Rn. 30). Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat vorliegend keine Fiktionswirkung gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 oder Abs. 4 AufenthG. Der Antragsteller hat daher grundsätzlich auch für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung.
19
Ausnahmsweise kann jedoch zur Gewährleistung effektiven Rechtschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG die Aussetzung einer Abschiebung geboten sein, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens aufrecht zu erhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen kann (NdsOVG, B.v. 22.8.2017 – 13 ME 213/17 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 27.11.2018 – 19 CE 17.550 – juris Rn. 31). Je besser insoweit die Erfolgsaussichten sind, desto eher werden die Voraussetzungen für eine Verfahrensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG oder zumindest nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG erfüllt sein (BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 30).
20
Ein solcher Anspruch auf Erteilung einer Verfahrensduldung besteht für den Antragsteller nicht im Hinblick auf § 25b AufenthG. Der Antragsteller erfüllt bereits die tatbestandliche Voraussetzung des § 25b Abs. 1 AufenthG „geduldeter Ausländer“ (wie dargelegt) nicht. Dafür wäre erforderlich, dass er aus einem sonstigen Grund zum maßgeblichen Zeitpunkt geduldet wäre oder aus einem sonstigen Grund eine Verfahrensduldung beanspruchen könnte. Dafür ist nichts ersichtlich.
21
Hinzukommt (ohne dass es im Ergebnis noch darauf ankommt):
22
Nach § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend von dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und dem Erfordernis der Einreise mit dem für den angestrebten Aufenthalt erforderlichen Visum gem. § 5 Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse in Deutschland integriert hat. Sie ist allerdings nach § 25b Abs. 2 Nrn. 1 bzw. 2 AufenthG u.a. dann zu versagen, wenn der Ausländer die Aufenthaltsbeendigung durch Täuschung über die Identität verhindert oder ein Ausweisungsinteresse i.S.v. § 54 Abs. 1 oder Abs. 2 Nrn. 1 und 2 AufenthG besteht. Ein zwingender Versagungstatbestand ist in dem Fall der von Abs. 2 Nr. 1 u.a. ausdrücklich erfassten – und hier dem Antragsteller aufgrund seiner Weigerung, seinen Reisepass vorzulegen, durch den Antragsgegner vorgeworfenen – Verletzung der Pflicht zur Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen zwar nur dann gegeben, wenn die Mitwirkungsverweigerung – wie der Wortlaut „durch … verhindert oder verzögert“ nahelegt – ursächlich für die (gegenwärtige) Verhinderung oder Verzögerung der Aufenthaltsbeendigung ist. Insoweit wird eine strenge Kausalität zwischen dem Mitwirkungsverstoß und der Aussetzung bzw. Verzögerung der Abschiebung vorausgesetzt (vgl. Kluth in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 36. Ed. 1.1.2023, AufenthG § 25b Rn. 28 m.w.N; Röcker in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 25b Rn. 32; Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 14. Ed. 15.1.2023, AufenthG § 25b Rn. 68). Ob diese Voraussetzung hier gegeben ist, kann jedoch offenbleiben. Jedenfalls kann unabhängig vom Eingreifen eines Versagungsgrundes nach § 25b Abs. 2 AufenthG schon deshalb nicht von einer nachhaltigen Integration des Antragstellers in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen werden, weil nicht alle Regelvoraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 AufenthG erfüllt sind:
23
Der Antragsteller erfüllt nicht die Regelvoraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG (i.d.F. des Art. 1 Nr. 4 a) bb) des Gesetzes v. 21.12.2022 – BGBl. I, S. 2847 – in Kraft seit 31.12.2022), nach der er sich seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten haben muss. Zeitlicher Bezugspunkt des Erfordernisses eines erlaubten, geduldeten oder gestatteten Voraufenthalts seit sechs Jahren ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts. Der geduldete, gestattete oder von einer Aufenthaltserlaubnis gedeckte Voraufenthalt muss sich auf mindestens sechs Jahre belaufen und grundsätzlich ununterbrochen bis hin zum maßgeblichen Zeitpunkt fortdauern (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 34). Dieses Erfordernis spiegelt den Zweck des § 25b Abs. 1 AufenthG wider, nachhaltig integrierten Ausländern trotz ihres gegenwärtig prekären Aufenthaltsstatus dann eine langfristige Aufenthaltsperspektive zu eröffnen, wenn ihre Abschiebung unmöglich oder aus anderen Gründen ausgesetzt ist; es bestätigt damit zugleich das Prinzip des Vorrangs der Durchsetzung der Ausreisepflicht in Fällen, in denen – ungeachtet im Bundesgebiet erbrachter Integrationsleistungen – eine Abschiebung im entscheidungserheblichen Zeitpunkt tatsächlich möglich ist (vgl. Berlit, GK-AufenthG, Stand 1.2.2023, AufenthG § 25b Rn. 35). Letzteres ist bei dem Antragsteller – wie dargelegt – der Fall.
24
Des Weiteren fehlt es vorliegend an der Regelerteilungsvoraussetzung der überwiegenden Lebensunterhaltssicherung des Antragstellers gemäß § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG lässt zwar eine Abweichung von der Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (regelmäßig) zu, wenn die Voraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG erfüllt ist, d.h. der Ausländer seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichert, wobei ein vorübergehender Bezug von Sozialleistungen für die Lebensunterhaltssicherung in der Regel unschädlich ist (§ 25b Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Überwiegend durch Erwerbstätigkeit gesichert ist der Lebensunterhalt, wenn das so erwirtschaftete Einkommen die Sozialleistungen (unter Berücksichtigung der Maßgaben des § 2 Abs. 3 AufenthG) übersteigt. Das Merkmal „überwiegend“ in der ersten Alternative bezieht sich auf das Ergebnis der Sicherung des Lebensunterhalts, denn nur bei dieser Auslegung hat die Vorschrift auch in der ersten Alternative den vom Gesetzgeber bezweckten privilegierenden Charakter gegenüber § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 52; Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed. 15.10.2022, AufenthG § 25b Rn. 41; Kluth in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, AufenthG § 25b Rn. 20 m.w.N.: Merkmal erfüllt, wenn mehr als 50% des Bedarfs des Antragstellers durch seine Erwerbstätigkeit erarbeitet wird). Ausreichend ist daher, wenn durch Erwerbstätigkeit ein Einkommen erwirtschaftet wird, das (unter Berücksichtigung der Maßgaben des § 2 Abs. 3 AufenthG) einen gegebenenfalls hinzutretenden Sozialleistungsanspruch in der Höhe übersteigt. § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG formuliert zwei Varianten, die nur alternativ erfüllt sein müssen: Sichert ein Ausländer seinen Lebensunterhalt bereits überwiegend durch Erwerbstätigkeit im Sinne des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 AufenthG, bedarf es nicht zusätzlich einer positiven Prognose künftiger vollständiger Lebensunterhaltssicherung aufgrund der bisherigen Situation im Sinne der zweiten Alternative. Ungeachtet dessen muss die aktuelle Einkommenssituation auch bei der ersten Alternative über eine bloß punktuelle Betrachtung hinaus prognostisch eine gewisse Stabilität aufweisen (BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 52; Röder a.a.O. Rn. 43). Sichert der Antragsteller seinen Lebensunterhalt im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung nicht (überwiegend) durch Erwerbstätigkeit, ist gemäß § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 AufenthG im Wege einer Prognose (vgl. Wortlaut: „zu erwarten ist“) festzustellen, ob er seinen Lebensunterhalt i.S.d. § 2 Abs. 3 AufenthG zukünftig sichern wird. Anders als bei der ersten Alternative lässt das Gesetz hier eine rückschauende Betrachtung zu, verlangt diese sogar, indem es die bisherige Schul-, Ausbildungs-, Einkommenssowie die familiäre Lebenssituation des Antragstellers ausdrücklich zur Prognosegrundlage erklärt. Im Rahmen der Prognose ist auch zu berücksichtigen, dass sich mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis die Chancen auf dem Arbeitsmarkt deutlich verbessern werden (Samel/Röcker in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, AufenthG § 25b Rn. 18; Röder a.a.O., Rn. 44; Kluth a.a.O., Rn. 21 m.w.N.).
25
Gemessen daran kann der Antragsteller seinen Lebensunterhalt im maßgeblichen Zeitpunkt nicht zumindest überwiegend sichern. Nach der ersten Alternative des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG scheidet dies schon deshalb aus, weil der Antragsteller im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht über die gemäß § 4a Abs. 4 Alt. 2 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV erforderliche Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (Beschäftigungserlaubnis) verfügt. Es ist auch – im Sinne der zweiten Alternative von § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG – weder nachvollziehbar vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsteller künftig seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit wird sichern können. In Anbetracht der vollziehbaren Ausreisepflicht des Antragstellers und des Fehlens von Duldungsgründen – wie dargelegt – kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner ihm eine Beschäftigungserlaubnis – welche nach § 32 Abs. 1 BeschV einen geduldeten, gestatteten oder erlaubten Aufenthalt voraussetzt – rechtswidrig vorenthält (vgl. § 4a Abs. 4 Alt. 2 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV).
26
Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass und inwiefern vorliegend – trotz der vorhandenen Integrationsdefizite, wie sie durch das Nichterfüllen einzelner Regelerteilungsvoraussetzungen nach § 25b Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 AufenthG deutlich werden – in einer gegebenenfalls anzustellenden Gesamtschau von einer nachhaltigen Integration des Antragstellers in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland i.S.d. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG auszugehen wäre. Ohnehin ist eine nachhaltige Integration des Ausländers i.S.d. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach der Auffassung des Senats nur dann anzunehmen, wenn die Regelvoraussetzungen des § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG vorliegen und keine Integrationsdefizite ersichtlich sind (BayVGH, B.v. 26.10.2021 – 19 CS 21.2291, Rn. 14). Maßgebend ist somit, ob die bei Erfüllung der in § 25b Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 AufenthG normierten Voraussetzungen eingreifende Regelvermutung der nachhaltigen Integration widerlegt ist, weil im Einzelfall Integrationsdefizite festzustellen sind, die dazu führen, dass den erzielten Integrationsleistungen bei wertender Gesamtbetrachtung ein geringeres Gewicht zukommt (BayVGH, B.v. 26.10.2021 – 19 CS 21.2291, Rn. 15; B.v. 15.10.2019 – 19 CS 18.164 – juris Rn. 12 m.V.a. OVG NW, B.v. 21.7.2015 – 18 B 486/14 – juris Rn. 10). Unabhängig davon, dass es vorliegend bereits am Vorliegen aller Regelerteilungsvoraussetzungen fehlt, sodass eine wertende Gesamtbetrachtung schon im Ausgangspunkt nicht veranlasst ist, ist aber darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller auch Integrationsdefizite im o.g. Sinne aufweist, denn seine vorhandenen Integrationsleistungen beruhen auf einem durch langjährig unterbliebene Mitwirkungshandlungen erreichten Aufenthalt im Bundesgebiet.
27
Mit seiner langjährigen und anhaltenden Weigerung, seinen Reisepass der ZAB vorzulegen, kam bzw. kommt der Antragsteller seiner gesetzlichen Pflicht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, seinen Pass, Passersatz oder Ausweisersatz auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist, nicht nach. Der Antragsteller hatte im Laufe des Verwaltungsverfahrens zur Aufenthaltsbeendigung zunächst geleugnet, seinen (abgelaufenen) Reisepass noch zu besitzen – zunächst hatte er bei der Erstregistrierung nach der Einreise gegenüber der Regierung von Oberbayern angegeben, er habe den Pass zurück nach Griechenland an einen Freund geschickt, um mit der Hilfe des Schleusers in Griechenland zu klären, ob das darin enthaltene Visum gefälscht sei (vgl. Protokoll der Erstbefragung durch die Regierung von Oberbayern am 12.2.2014, Bl. 61 der Behördenakte, Bd. I); im Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des Asylverfahrens gab der Antragsteller demgegenüber an, der Pass sei von seinem Zimmergenossen verwahrt worden, der ihn bei seiner Abschiebung (vermutlich) mitgenommen habe (vgl. Aktenvermerk vom 19.8.2021, Bl. der Behördenakte) –, nach seinen aktuellen Angaben befindet sich der Antragsteller allerdings im Besitz eines Reisepasses, will diesen jedoch nur herausgeben, falls ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird (vgl. Gesprächsvermerk vom 21.11.2022, Bl. 1682 der Behördenakte). Ein entsprechendes Verlangen der Passvorlage wurde gegenüber dem Antragsteller mehrfach ausgesprochen, zuletzt – nach entsprechender (erneuter) Belehrung über seine dahingehenden Pflichten – durch die Sachbearbeiterin der ZAB in einem Telefonat am 21. November 2022 (vgl. Gesprächsvermerk v. 21.11.2022, Bl. 1682 der Behördenakte).
28
Das Verlangen der Passvorlage durch den Antragsgegner war auch nach dem Maßstab des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG berechtigt, weil die Vorlage des Reisepasses zur Sicherung aufenthaltsbeendender Maßnahmen (§§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 AufenthG) erforderlich war (vgl. Beiderbeck in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 13. Ed. 15.10.2022, AufenthG § 48 Rn. 14). Die vorübergehende Einbehaltung des Passes kann gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zur Durchsetzung der Ausreisepflicht und Sicherung der Abschiebung erforderlich sein. Dies bestätigt die Regelung in § 50 Abs. 6 AufenthG, wonach der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers bis zur Ausreise in Verwahrung genommen werden soll. Insoweit wird die Erforderlichkeit für den Regelfall gesetzlich unterstellt, weil die Gefahr besteht, dass der Ausländer durch Vernichtung des Passes seine Ausreise oder Abschiebung zu vereiteln sucht (vgl. Berlit, GK-AufenthG, Stand April 2006, AufenthG § 48 Rn. 23 f. m.V.a. BT-Drs. 11/6321 S. 71 zur wortgleichen Vorgängervorschrift des § 42 Abs. 6 AuslG 1990). Konkrete Anhaltspunkte hierfür müssen im Einzelfall deshalb nicht bestehen (vgl. Berlit, GK-AufenthG, Stand April 2006, § 48 Rn. 24). Dies birgt für den Ausländer keine unzumutbaren Folgen, die (erhebliche) verfassungsrechtliche Zweifel begründen könnten, zumal besonderen Härten – wie hier nicht vorliegend – durch Ausnahmen, die die Sollvorschrift ermöglicht, begegnet werden kann (vgl. Berlit a.a.O.). Eine besondere Härte wäre für den Antragsteller mit der geforderten Mitwirkung durch Vorlage des Reisepasses nicht verbunden gewesen, weil er aufgrund seiner vollziehbaren Ausreisepflicht ohnehin mit seiner Abschiebung rechnen musste und Abschiebungshindernisse – wie dargelegt – nicht bestehen. Mit seiner fortgesetzten Mitwirkungsverweigerung hat der Antragsteller gezeigt, dass er bereit ist, sich zu seinen Gunsten über ihn treffende Rechtspflichten hinwegzusetzen. Damit verdeutlicht er seine mangelnde Integration in die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland.
29
Des Weiteren verwirklicht der Antragsteller – mit der dargestellten Mitwirkungsverweigerung durch Passunterdrückung – ein Ausweisungsinteresse, welches nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis entgegensteht (vgl. zur Anwendbarkeit der allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nrn. 1a bis 4 und Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Rahmen des § 25b Abs. 1 AufenthG: BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 58).
30
Unabhängig von der Frage, ob ihm unter dem Gesichtspunkt des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG die beiden Verurteilungen durch das AG Rosenheim vom 10. Dezember 2013 (Geldstrafe 70 Tagessätze wegen unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt in Tateinheit mit Urkundenfälschung) bzw. durch das AG Passau vom 29. März 2017 (Geldstrafe 20 Tagessätze wegen Sachbeschädigung) trotz Ablauf der fünfjährigen Tilgungsfrist gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 1 a) BZRG (bei Verurteilungen zu Geldstrafe von – wie vorliegend – nicht mehr als neunzig Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist) und des damit eingetretenen Verwertungsverbots gemäß § 51 BZRG (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 23) noch entgegengehalten werden können, verwirklicht der Antragsteller jedenfalls mit seiner Weigerung, seinen Reisepass herauszugeben, ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 8 b) AufenthG. Danach wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG schwer, wenn der Ausländer in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde. Der Antragsteller wurde mehrfach auf seine Passpflicht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, auf seine Pflicht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, seinen Pass der Ausländerbehörde auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, sowie auf ein mögliches Ausweisungsinteresse bei fehlender Mitwirkung hingewiesen und aufgefordert, seinen Pass der Ausländerbehörde vorzulegen (vgl. z.B. die Belehrung vom 13.6.2018 und Aufforderung zur Passvorlage bis 13.7.2018, Bl. 908 ff. der Behördenakte, sowie die Belehrungen anlässlich der Duldungsverlängerungen vom 5.11.2019, Bl. 661 der Behördenakte, vom 7.4.2020, Bl. 522 der Behördenakte und vom 28.3.2021, Bl. 488 der Behördenakte, sowie die Belehrungen in den Telefonaten mit dem Antragsteller vom 21.11.2022 und seinem Bevollmächtigten vom 15.11.2022, vgl. Gesprächsvermerk, Bl. 1682 der Behördenakte). Mit seiner Weigerung, den Reisepass der ZAB vorzulegen, kommt der Antragsteller – wie dargelegt – seiner Pflicht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, seinen Pass, Passersatz oder Ausweisersatz auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist, nicht nach. Gründe, welche eine Atypik im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG begründen und damit eine Abweichung von dem Regelerfordernis, dass kein Ausweisungsinteresse besteht, rechtfertigen würden, legt der Antragsteller nicht dar und sind auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr entspricht es der gesetzgeberischen Wertung, dass einem Ausländer, der durch seine fortgesetzte Verweigerung der Mitwirkung an der Ausreise bzw. Aufenthaltsbeendigung trotz bestehender Ausreisepflicht seine mangelnde Bereitschaft zeigt, sich an die Rechtsordnung zu halten, keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.
31
Dem Antragsteller steht auch keine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG zu. Unabhängig von der Frage, ob der Eilantrag auch insoweit – trotz des Fehlens eines entsprechenden Antrags bei der Ausländerbehörde im Zeitpunkt der Antragstellung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei dem Verwaltungsgericht (der entsprechende Antrag der Antragstellerbevollmächtigten wurde erst am 10.1.2023 und damit zeitlich nach der Antragstellung gemäß § 123 VwGO bei dem Verwaltungsgericht am 14.12.2022 gestellt) – zulässig ist, hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Aufenthaltserlaubniserteilung auf dieser Rechtsgrundlage.
32
Da § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG (sog. Chancen-Aufenthaltsrecht) seit dem 31. Dezember 2022 und damit zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats in Kraft ist (vgl. Art. 2 Nr. 13 des Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts vom 21.12.2022, BGBl. I, S. 2847), kann dahinstehen, ob Vorwirkungen vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift im vorliegenden Fall dem Antragsteller einen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung gegeben hätten.
33
Es fehlt bereits am Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG zugunsten des Antragstellers, weshalb die von dem Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage, ob aufgrund der Passunterdrückung von einer Ausnahme von der für den Regelfall („soll“) vorgesehenen Rechtsfolge der Aufenthaltserlaubniserteilung greift, offenbleiben kann. Bei dem Antragsteller handelt es sich bereits nicht (mehr) um einen geduldeten Antragsteller im Sinne der Norm.
34
Ausgehend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 25b AufenthG (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 – juris Rn. 24), die insoweit aufgrund des identischen Wortlauts der Normen („geduldeter Ausländer“ bzw. <seit der ab 31.12.2022 gültigen Fassung des § 25b AufenthG nunmehr> „Ausländer, der geduldet ist“) im Rahmen des § 104c AufenthG herangezogen werden kann, ist ein Ausländer geduldet, wenn ihm eine rechtswirksame Duldung erteilt worden ist oder wenn er einen Rechtsanspruch auf Duldung hat (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2023 – 19 CE 22.2647, Rn. 24). Ein Rechtsanspruch auf Duldung ist jedenfalls dann ohne weiteres ausreichend, wenn die Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Da die Behörde bei Vorliegen dieser Voraussetzungen verpflichtet ist, dem Ausländer eine Duldung von Amts wegen zu erteilen, kann es diesem nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie dieser Pflicht im Einzelfall trotz Vorliegens der Voraussetzungen nicht nachkommt und den Aufenthalt lediglich faktisch duldet. Umgekehrt bedarf es im Falle einer ausdrücklich erteilten Duldung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zusätzlich eines materiellen Duldungsanspruchs. Eine Duldung entfaltet als Verwaltungsakt Bindungs- und Tatbestandswirkung und ist damit auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit zu beachten, solange sie weder nichtig noch aufgehoben noch durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (Art. 43 Abs. 2 f. BayVwVfG).
35
Eine ausdrückliche Regelung, wann der Ausländer i.S.d. § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG geduldet sein muss, enthält die Norm nicht. Nach Auffassung des Senats spricht viel dafür, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzung „geduldeter Ausländer“ i.S.d. § 25b AufenthG (Zeitpunkt der Erteilung, im gerichtlichen Verfahren mithin der allgemein maßgebliche Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz) auch auf § 104c AufenthG übertragbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2023 – 19 CE 22.2647, Rn. 25 m.V.a. Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 14. Ed. 15.1.2013, AufenthG § 104c Rn. 19). Soweit vertreten wird, dass für das Vorliegen der Voraussetzung „geduldeter Ausländer“ i.S.d. § 104c AufenthG insoweit auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen sei (Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 36. Ed. 1.1.2023, AufenthG § 104c Rn. 7; Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts, S. 3; Vollzugshinweise des Bayer. Staatsministeriums des Innern zum Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechtes i.d.F. vom 27.1.2023, Az.: F4-2081-3-88-218, S. 9), vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Der Gesetzeswortlaut enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber für das Tatbestandsmerkmal „geduldeter Ausländer“ vom allgemein maßgeblichen Zeitpunkt hätte abweichen wollen. Auch den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 20/3717 S. 44 ff.) ist – soweit ersichtlich – kein Anhaltspunkt zu entnehmen, der auf eine konzeptionell ebenfalls in Betracht kommende Vorverlagerung des Duldungserfordernisses auf den Zeitpunkt der Antragstellung hindeutet. Ebenso wie bei § 25b AufenthG erfordern Normzweck und -struktur jedenfalls nicht zwingend, dass die Duldung bzw. der Duldungsgrund schon bei Antragstellung vorliegen muss (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2023 – 19 CE 22.2647, Rn. 25).
36
Letztendlich kann die Frage, welcher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzung „geduldeter Ausländer“ i.S.d. § 104c AufenthG maßgeblich ist, vorliegend offenbleiben, wenn der Antragsteller bereits vor seiner Antragstellung am 10. Januar 2023 nicht mehr geduldet war (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2023 – 19 CE 22.2647, Rn. 26). Dies ist vorliegend der Fall.
37
Denn der Antragsteller war nur bis 19. Oktober 2022 im Besitz einer Duldung. Ein darüber hinaus gehender Duldungsanspruch stand dem Antragsteller – wie dargelegt – nicht zu. Überdies fehlt es im Falle des Antragstellers an der Voraussetzung des ununterbrochenen geduldeten, gestatteten oder erlaubten Aufenthaltes im Bundesgebiet seit fünf Jahren zum maßgeblichen Stichtag 31. Oktober 2022 gemäß § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG (vgl. zur Maßgeblichkeit des Stichtags BT-Drs. 20/3717, S. 2, 17; BayVGH, B.v. 11.1.2023 – 19 CE 22.2584, Rn. 16; B.v. 27.2.2023 – 19 CE 22.1955, Rn. 45). Überdies spricht manches dafür, dass der Antragsteller nicht die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (dass kein Ausweisungsinteresse gegeben sein darf) erfüllt, von welcher die Spezialregelung des § 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG keine Abweichung zulässt. Denn jedenfalls erfüllt der Antragsteller – wie dargelegt – ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 8 b) AufenthG. Letztlich kann dies offen bleiben.
38
2.2.2 Des Weiteren liegen auch keine Gründe für die Erteilung einer Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG vor. Nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Abgesehen davon, dass das Begehren des Antragstellers in der Hauptsache erkennbar auf einen dauerhaften und nicht nur vorübergehenden Verbleib im Bundesgebiet abzielt – welcher von einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG nicht gedeckt ist –, hat der Antragsteller auch keine dringenden persönlichen oder humanitären Gründe, wie etwa die vorübergehende Betreuung eines schwer erkrankten Familienangehörigen (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60a Rn. 42; Kluth/Breidenbach in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 36. Ed. 1.1.2023, AufenthG § 60a Rn. 24; Röder in Decker/Bader/Kothe, Migrations- und Integrationsrecht, 14. Ed. 15.1.2023, AufenthG § 60a Rn. 91) dargelegt. Die geltend gemachte Unterstützung seiner Mutter und seiner Schwester (sowie deren Kinder) bzw. die Unterstützung seines Vermieters genügen nicht zur Darlegung eines dringenden humanitären oder persönlichen Grundes im dargestellten Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG.
39
Eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich des dem Antragsgegner nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG eingeräumten Ermessens (im Sinne der Vollzugshinweise des Bayer. Staatsministeriums des Innern zum Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechtes i.d.F. vom 27.1.2023, Az.: F4-2081-3-88-218, S. 9 – an die der Senat, wie das Verwaltungsgericht, nicht gebunden ist –), um einem potentiell von der Neuregelung begünstigten Ausländer in den ersten drei Monaten ab Inkrafttreten des Gesetzes im Wege der Duldungserteilung die Gelegenheit zur Antragstellung bei der Ausländerbehörde zu geben, kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil der Antragsteller aus den dargelegten Gründen kein potentiell Begünstigter der Neuregelung ist.
40
Da der Antragsteller somit vor dem Beschluss des Bundestages über das Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts am 2. Dezember 2022 weder im Besitz einer Duldung war noch einen Anspruch auf Duldung gehabt hat, kommt es – unab-hängig davon, ob eine solche Auffassung mit dem Gesetzeswortlaut des § 104c AufenthG überhaupt in Einklang gebracht werden könnte – auf die Ausführungen unter Nr. 1.2.2 im IMS vom 22. Dezember 2022 (IMS Anwendungs- und Vollzugshinweise, F4-2081-3-88-218, aktualisierte Fassung vom 27.1.2023, S. 9), wonach in Fällen, in denen eine Duldung bzw. deren Voraussetzungen im Zeitraum zwischen der Beschlussfassung des Bundestags und dem Inkrafttreten des Gesetzes (31.12.2022) oder in den ersten drei Monaten ab Inkrafttreten des Gesetzes, aber noch vor Antragstellung entfällt, die Erteilung einer Ermessenduldung gem. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG besonders sorgfältig geprüft werden soll, nicht mehr an.
41
2.2.3 Dem Antragsteller kommt auch kein Anspruch auf die – mit Schreiben vom 18. Januar 2023, also nach Ergehen des erstinstanzlichen Beschlusses – beantragte Beschäftigungsduldung gemäß § 60d AufenthG zu. Abgesehen davon, dass der geltend gemachte Duldungsanspruch – angesichts der mit Schreiben vom 11. Februar 2023 geäußerten Absicht des Antragstellers, eine Ausbildung als Bäcker zu beginnen – vorrangig auf § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG (Ausbildungsduldung) zu stützen wäre, erfüllt der Antragsteller weder die Erteilungsvoraussetzungen nach § 60d Abs. 1 AufenthG noch diejenigen des § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Insbesondere ist er nicht, wie in § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vorausgesetzt, seit drei Monaten (bzw. nach § 60d Abs. 1 Nr. 2 AufenthG seit mindestens zwölf Monaten) im Besitz einer Duldung und er erfüllt den Ausschlussgrund des Vorliegens hinreichend konkreter Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gemäß § 60c Abs. 2 Nr. 5 c) bzw. d) AufenthG, weil der Antragsgegner (nach gescheitertem Abschiebeversuch am 15.11.2022) Passersatzpapiere für den Antragsteller beantragt hat. Die Voraussetzung der dreimonatigen Vorduldungszeit nach § 60c Abs. 2 Nr. 2 AufenthG bzw. der zwölfmonatigen Vorduldungszeit nach § 60d Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bezweckt, den grundsätzlichen Vorrang der Aufenthaltsbeendigung des vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers durch freiwillige Ausreise oder Abschiebung (§ 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) zu gewährleisten. Nur wer innerhalb von drei bzw. zwölf Monaten nicht ausreisen und nicht zwangsweise rückgeführt werden kann, ist nach § 60c Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 60d Abs. 1 Nr. 2 AufenthG berechtigt (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 60c Rn. 32; § 60d Rn. 15).
42
3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Im Verfahren über Prozesskostenhilfeanträge werden weder Gerichtskosten erhoben noch dem Gegner entstandene Kosten erstattet (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
43
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).