Inhalt

VGH München, Beschluss v. 16.03.2023 – 11 CE 23.60
Titel:

Verlängerung einer Genehmigung zur Ausübung des Verkehrs mit Taxen 

Normenketten:
PBefG § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1
VwGO § 123
BayVwVfG Art. 25 Abs. 2
BGB § 242
Leitsätze:
1. Nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 PBefG ("oder") genügt es, wenn der vom Unternehmer bestellte Geschäftsführer über die erforderliche Fachkunde verfügt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es sind keine personenbeförderungsrechtlichen oder sonstigen Vorschriften ersichtlich, wonach der Beförderungsunternehmer einen Geschäftsführer nur im Haupterwerb einsetzen dürfte. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Genehmigung zur Ausübung des Verkehrs mit Taxen, Verpflichtung zur Neuverbescheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, Ablauf der Genehmigung vor Wiedererteilung, rechtzeitiger Wiedererteilungsantrag, fachliche Eignung des Unternehmers oder Geschäftsführers, Treu und Glauben, Folgenbeseitigung, einstweilige Anordnung, Fachkundenachweis, Verlängerungsantrag, Wiedererteilung der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung, Geschäftsführer, Altunternehmerprivileg, Verbot widersprüchlichen Verhaltens
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 21.12.2022 – AN 10 E 22.2488
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6068

Tenor

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. Dezember 2022 wird die Antragsgegnerin verpflichtet, über den Antrag des Antragstellers auf Verlängerung seiner personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung nach den in diesem Beschluss ausgeführten rechtlichen Maßgaben, ggf. unter Mitwirkung des Antragstellers, erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat zwei Drittel, der Antragsteller ein Drittel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Genehmigung für den Gelegenheitsverkehr mit Taxen für ein Fahrzeug bis zur Entscheidung über seine darauf gerichtete Klage.
2
Am 14. Oktober 2020 beantragte er bei der Antragsgegnerin die Genehmigung der Übertragung einer bis 24. Juni 2024 gültigen Genehmigung zur Ausübung des Verkehrs mit Taxen.
3
Mit Bescheid vom 17. November 2020 erteilte ihm die Antragsgegnerin eine bis 16. November 2021 befristete Genehmigung zur Ausübung des Verkehrs mit Taxen unter mehreren Bedingungen und Auflagen. An diesem Tag unterzeichnete der Antragsteller eine Erklärung, wonach er u.a. A.K., der am 8. November 2017 erfolgreich die Prüfung zum Erwerb des Fachkundenachweises abgelegt hatte, zur Führung der Geschäfte einsetze. Er erhalte die Taxikonzession befristet für ein Jahr unter der Auflage, in diesem Zeitraum die Fachkundeprüfung für Taxiunternehmer abzulegen. Eine Verlängerung der Genehmigung könne nur beantragt werden, wenn der Antragsteller als Unternehmer fachlich geeignet sei und das Unternehmen ohne Geschäftsführer alleine führen könne. Andernfalls könne die Genehmigungsbehörde die Konzession sofort widerrufen.
4
Mit Bescheid vom 22. November 2021 nahm die Antragsgegnerin den Genehmigungsbescheid zurück und erteilte dem Antragsteller eine befristete Genehmigung bis 16. November 2022 mit gleichlautenden Nebenbestimmungen mit der Begründung, Neubewerbern sei die Genehmigung für den Taxiverkehr für die Dauer von zwei Jahren zu erteilen.
5
Am 10. Oktober 2022 beantragte der Antragsteller erneut die Genehmigung der Übertragung einer personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung zur Ausübung des Verkehrs mit Taxen. Mit E-Mail vom 9. November 2022 teilte er auf Hinweis der Antragsgegnerin vom 7. November 2022 mit, er habe die Prüfung zum Erwerb des Fachkundenachweises nicht bestanden und wolle deshalb den Taxibetrieb weiter mit dem bereits benannten Geschäftsführer betreiben, bis er die Prüfung bestehe. Dazu legte er den bis 13. November 2024 verlängerten Geschäftsführervertrag mit A.K. vor.
6
Mit Bescheid vom 14. November 2022, dem keine Rechtsbehelfsbelehrungbeigefügt war, lehnte die Antragsgegnerin die Verlängerung der Taxikonzession Nr. 86 mit der Begründung ab, der Antragsteller habe keine eigene Fachkunde nachgewiesen. Die Taxikonzession könne daher nicht verlängert werden. Der Antragsteller habe sich mit seiner Erklärung vom 17. November 2020 verpflichtet, die Fachkunde für das Taxigewerbe zu erwerben und sich damit einverstanden erklärt, dass er andernfalls keine weitere Verlängerung der Taxikonzession erhalte. Die weiteren Voraussetzungen der Taxikonzession und damit etwaige weitere Versagungstatbestände seien nicht geprüft worden.
7
Am 24. November 2022 legte der Antragsteller ein Führungszeugnis und einen Auszug aus dem Gewerbezentralregister für seinen Geschäftsführer vor.
8
Am 28. November 2022 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichts Ansbach Klage gegen den Bescheid vom 14. November 2022 erheben und im Wege der einstweiligen Anordnung beantragen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die unberechtigt eingezogene Genehmigungsurkunde der Taxikonzession Nr. 86 herauszugeben und bis zur Entscheidung in der Hauptsache den Verkehr mit Taxen zu genehmigen.
9
Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. Dezember 2022 mit der Begründung ab, ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Eine Entscheidung über das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen des § 13 Abs. 1 PBefG sei nicht möglich, da die eingereichten Unterlagen nicht vollständig seien. Es fehle an einer Auskunft aus dem Fahreignungsregister für den Geschäftsführer. Somit komme es nicht entscheidend darauf an, dass das Gericht im Hinblick auf § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PBefG Bedenken habe, ob eine Versagung der Genehmigung ausschließlich auf die vom Antragsteller abgegebene Erklärung gestützt werden könne.
10
Ein von der Bevollmächtigten des Antragstellers nachgereichter Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 3. Januar 2023 für den Geschäftsführer enthält keine Eintragungen; nach einem Auszug gleichen Datums aus dem Zentralen Fahrerlaubnisregister ist der Geschäftsführer Inhaber der Fahrerlaubnis der Klasse B einschließlich Unterklassen und zur Fahrgastbeförderung.
11
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend, zwar sei zur Verlängerung einer Taxikonzession frühzeitig ein vollständiger und prüffähiger Antrag mit den erforderlichen Unterlage zu stellen. Dies habe er jedoch am 10. Oktober 2022 getan und bis 9. November 2022 alle angeforderten und ihm vorliegenden Unterlagen eingereicht. Die Antragsgegnerin habe ihm dazu eine Frist bis 22. November 2022 nach Ablauf der Konzession gesetzt. Mit Schreiben vom 24. November 2022 habe sie erstmals auf die Erforderlichkeit einer Auskunft aus dem Fahrerlaubnis- und Gewerbezentralregister hingewiesen. Der Geschäftsführer habe diese Auskünfte schon am 15. November 2022 bei der Antragsgegnerin und beim Kraftfahrt-Bundesamt beantragt, obwohl keine pauschale Verpflichtung zu deren Vorlage bestanden habe. Es gebe keinen Pflichtenkatalog vorzulegender Dokumente. Die Behörde entscheide gemäß § 1 Abs. 3 PBZugV nach pflichtgemäßem Ermessen, welche Unterlagen sie anfordere. In dem behördlichen Formular zum Verlängerungsantrag werde lediglich die Auskunft aus dem Verkehrszentralregister (KBA) aufgezählt, nicht aber ein Auszug aus dem Fahreignungsregister. Das Fahreignungsregister gebe es seit 1. Mai 2014. Aus dem Begriff „Verkehrszentralregister“ werde nicht deutlich, welche Unterlagen damit gemeint seien. Auch die erstmalige Anforderung eines Auszugs aus dem Fahrerlaubnisregister mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 24. November 2022 lasse nicht auf einen Auszug aus dem Fahreignungsregister schließen. Es sei dem Antragsteller nicht klar ersichtlich gewesen, welche Registerauszüge er habe vorlegen sollen. Etwaige Verzögerungen im behördlichen Verfahren könnten ihm nicht zur Last gelegt werden. Inzwischen lägen der Antragsgegnerin die geforderten Unterlagen vor. Weiter könne nicht zu seinen Lasten gehen, dass die Antragsgegnerin den Ablehnungsbescheid schon am 14. November 2022 vor der ursprünglichen Fristsetzung zum 22. November 2022 erlassen habe. Auch könnten fehlende Unterlagen bei einer rechtzeitigen Antragstellung nachgereicht werden. In diesem Falle ruhe die Genehmigung nach Ablauf der Geltungsdauer bei noch nicht verbeschiedenem Wiedererteilungsantrag. Auf die Gültigkeit des rechtzeitig gestellten Antrags habe das aber keine Auswirkungen. Außerdem habe die Antragsgegnerin den Antragsteller fälschlicherweise als Neubewerber eingestuft. Ein Bewerber, der bereits im Weg der Übertragung in den Besitz einer Genehmigung mit den aus ihr erwachsenden Rechten und Pflichten nach § 2 Abs. 2 PBefG gelangt sei, sei jedoch als Altunternehmer einzustufen. Die Übertragung der Taxikonzession Nr. 86 sei mit Bescheid vom 17. November 2020 genehmigt worden und habe den Übergang sämtlicher mit der Genehmigung verbundenen Rechte und Pflichten bewirkt. Diese vermittle dem neuen Inhaber damit dieselbe Rechtsposition wie dem bisherigen. Die Befristung der Genehmigung durch Bescheid vom 17. November 2020 und die nachfolgende Befristung seien rechtswidrig gewesen, weil die ursprüngliche Genehmigung bis 27. Juni 2024 gültig gewesen sei. Der angebliche Verdacht einer Scheingeschäftsführung sei durch Vorlage des Geschäftsführungsvertrags und eines lückenlosen Nachweises aller Sozialversicherungsangaben und Gehaltsnachweise des Geschäftsführers offensichtlich widerlegt. Ferner würden die Bedenken des Verwaltungsgerichts geteilt, wonach der Anspruch des Antragstellers nicht durch die Erklärung vom 17. November 2020 beeinträchtigt werde. Ungeachtet dessen, dass diese Erklärung nicht als Auflage in die Genehmigungsbescheide aufgenommen worden und damit deren Bestandteil geworden sei, habe sie keinen Rechtsgehalt und sei in sich widersprüchlich. Eine Versagung der Genehmigung könne daher nicht auf diese Erklärung gestützt werden. Insbesondere sei dem Wortlaut der Erklärung nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller sich damit einverstanden erklärt habe, für den Fall des Nichterwerbs der Fachkunde keine Verlängerung der Taxikonzession zu erhalten. Bei Kenntnis der Sachlage und verständiger Würdigung der Rechtslage hätte sich der Antragsteller nicht zur Unterschrift dieser Erklärung verleiten lassen. Der Inhalt der Erklärung vom 17. November 2020, wonach er sich zur Ablegung der Fachkundeprüfung im März 2020 verpflichte, sei nicht nachvollziehbar.
12
Die Antragsgegnerin erwidert, der Antragsteller habe die Verlängerung seiner Genehmigung am 10. Oktober 2022 mit unvollständigen Angaben beantragt. Es sei kein Geschäftsführer benannt worden, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass ohne Fachkunde oder Geschäftsführer eine Verlängerung nicht in Betracht komme. Erst am 9. November 2022 habe er weitere, wiederum nicht vollständige Unterlagen eingereicht. Die Auskunft aus dem Fahreignungsregister sei erst am 4. Januar 2023 nach Ablauf der Taxikonzession übersandt worden. Hierzu bestehe zwar keine ausdrückliche Pflicht. Es liege jedoch im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin, die eine Auskunft aus dem Fahreignungsregister immer verlangt habe und dabei bleibe. Ebenso liege es im pflichtgemäßen Ermessen, diese auch von einem Geschäftsführer zu verlangen. Die Gleichbehandlung des Unternehmers und des Geschäftsführers sei nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 PBefG geboten. Der Begriff „Verkehrszentralregister“ sei zwar nicht mehr aktuell, jedoch nicht unverständlich. So habe der Antragsteller auch die richtigen Unterlagen für sich selbst besorgt. Die E-Mail der Antragsgegnerin vom 24. November 2022 sei zwar unpräzise. Gemeint sei nicht die Auskunft aus dem zentralen Fahrerlaubnisregister, sondern das Fahreignungsregister gewesen. Dies sei aber zu dem Zeitpunkt nicht mehr relevant gewesen, weil auch das Führungszeugnis und der Auszug aus dem Gewerbezentralregister für den Geschäftsführer erst am 23. November 2022 und damit nicht rechtzeitig eingegangen seien. Nach Ablauf der Genehmigung könne das Altunternehmerprivileg nicht mehr in Anspruch genommen werden. Ein nicht rechtzeitig gestellter vollständiger Antrag habe zur Folge, dass die Genehmigung erlösche. Eine Fortführung des Taxenbetriebs sei dann nicht mehr nahtlos möglich. Die Konzession wäre deshalb an den ersten Bewerber der Vormerkliste zu vergeben. Ein Antrag müsse so frühzeitig gestellt werden, dass eine nahtlose Fortführung des Taxenbetriebs möglich sei und der Behörde noch die Zeit verbleibe, den Antrag zu prüfen und die erforderlichen Unterlagen rechtzeitig auszustellen. Dies sei hier nicht der Fall gewesen. Der Antragsteller sei auch nicht deshalb als Altunternehmer anzusehen, weil die Bescheide vom 17. November 2020 und 22. November 2021 eventuell rechtswidrig gewesen seien. Sie hätten jeweils eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrungenthalten und seien nicht beklagt worden. Damit seien sie bestandskräftig und wirksam geworden. Ohne dass es noch darauf ankomme, sei auch der Verdacht einer Scheingeschäftsführung nicht ausgeräumt. Der Geschäftsführer habe für die Tätigkeit beim Antragsteller ab Februar 2022 die Lohnsteuerklasse VI angegeben, die üblicherweise nur für Nebenjobs vorgesehen seien. Es frage sich was A.K. neben angeblich ca. 150 Stunden monatlich als Hauptbeschäftigung gemacht habe. Ebenso wenig komme es wegen der Unvollständigkeit des Antrags noch darauf an, ob die Erklärung vom 17. November 2020 hier von Bedeutung sei. Es werde aber nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller die inhaltliche Bedeutung dieser Erklärung bekannt sei. Unschädlich sei, dass in der Erklärung versehentlich ein falsches Datum aufgetaucht sei. Es habe sich um einen offensichtlichen Schreibfehler gehandelt. Sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin hätten gewusst, dass März 2021 und nicht 2020 gemeint gewesen sei.
13
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
14
Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.
15
Aus den in den Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich, dass die den Erlass einer einstweiligen Anordnung ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts dahin zu ändern ist, dass die Antragsgegnerin über die Verlängerung der dem Antragsteller zuletzt erteilten Genehmigung zur Ausübung des Verkehrs mit Taxen nach den unten ausgeführten Maßgaben erneut zu entscheiden hat.
16
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile, Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund und -anspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ist der Antrag auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten (BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – NVwZ-RR 2014, 558 = juris Rn. 5 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 123 Rn. 14 m.w.N.).
17
In diesem Fall steht das Verbot der Erteilung vorläufiger Genehmigungen oder von Genehmigungen mit Widerrufsvorbehalt gemäß § 13 Abs. 4 des Personenbeförderungsgesetzes vom 8. August 1990 (PBefG, BGBl I S. 1690), zuletzt geändert durch das teilweise zum 1. Juli 2022 in Kraft getretene Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), nach verfassungskonformer Auslegung (Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 GG) dem Erlass einer Regelungsanordnung nicht entgegen (vgl. BayVGH, B.v. 30.6.2021 – 11 CE 20.2844 – juris Rn. 11; VGH BW, B.v. 30.7.2018 – 9 S 1272/18 – juris Rn. 7; OVG Hamburg, B.v. 16.5.2012 – 3 Bs 5/12 – VRS 123, 111 = juris Rn. 14; B.v. 3.11.2011 – 3 Bs 182/11 – VRS 122, 244 = juris Rn. 6 bei Verlängerung bestehender Genehmigungen; als befristete endgültige Genehmigung zulässig: OVG Bremen, B.v. 22.3.2018 – 1 B 26/18 – juris Rn. 12; Fromm/Sellmann/Zuck, PBefG, 5. Aufl. 2022, § 15 Rn. 7; Bidinger, PBefG, Stand Oktober 2021, § 15 Rn. 253; a.A. OVG LSA, B.v. 23.10.2007 – 1 M 148/07 – juris Rn. 4; NdsOVG, B.v. 1.9.2003 – 7 ME 156/03 – juris Rn. 4; Fielitz/Grätz, PBefG, Stand August 2022, § 15 Rn. 17).
18
1. Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen nicht. Insbesondere ist unschädlich, dass der Antragsteller nach Aktenlage keinen Widerspruch als nach § 55 PBefG i.V.m. Art. 12 Abs. 3 Satz 2 AGVwGO allein statthaften Rechtsbehelf (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2021 – 8 C 32.20 – BVerwGE 173, 18 Rn. 9 ff.; BayVGH, B.v. 22.12.2009 – 11 CS 09.2081 – juris Rn. 25 ff.) eingelegt hat, da der Ablehnungsbescheid vom 14. November 2022 mangels Rechtsbehelfsbelehrung(vgl. § 74, § 58 VwGO) ohnehin noch nicht bestandskräftig ist. Im Übrigen ist die zwischenzeitlich erhobene Klage wegen der sachlichen Einlassung der Antragsgegnerin im Klageverfahren sowie ihres Klageabweisungsantrags aus Gründen der Prozessökonomie und unter dem Gesichtspunkt der Zweckerreichung auch nicht wegen fehlender Durchführung eines Widerspruchsverfahrens unzulässig. Dies ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn wie hier dem Zweck des Widerspruchsverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder sein Zweck ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.2021 a.a.O. Rn. 12; U.v. 15.9.2010 – 8 C 21.09 – BVerwGE 138, 1 Rn. 24; U.v. 20.4.1994 – 11 C 2.93 – BVerwGE 95, 321 = juris Rn. 18).
19
2. Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch hat.
20
Die begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Herausgabe der eingezogenen Genehmigungsurkunde und zur Erteilung einer auf das Ende der Hauptsache befristeten personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung kommt im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1988 – 7 C 94.86 – BVerwGE 79, 208 = juris Rn. 13) jedoch nicht in Betracht, weil die Spruchreife im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach Aktenlage nicht hergestellt werden kann. Denn die Antragsgegnerin hat die „Verlängerung“, d.h. die Wiedererteilung der Genehmigung mit Bescheid vom 14. November 2022, allein wegen des fehlenden Fachkundenachweises für den Antragsteller und ausdrücklich ohne abschließende Prüfung der übrigen Genehmigungsvoraussetzungen abgelehnt. Daher erscheint offen, ob sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen und damit ein Verlängerungsanspruch besteht. Jedoch hat der Antragsteller wegen der rechtlich nicht haltbaren Begründung in dem angefochtenen Bescheid einen Anspruch darauf, dass über seinen Verlängerungsantrag unter Berücksichtigung der nachfolgenden Maßgaben zeitnah neu entschieden wird. Dieses Rechtsschutzziel ist als Minus in seinem weitergehenden Antrag enthalten (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.2022 – 6 B 22.22 – juris Rn. 20; U.v. 31.3.2004 – 6 C 11.03 – BVerwGE 120, 263 = juris Rn. 43; zur Anordnung einer Neubescheidung im Rahmen einer einstweiligen Anordnung vgl. Funke-Kaiser in Bader/ Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 123 VwGO Rn. 61; Dombert in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO, Rn. 219; Bostedt in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 123 Rn. 86; SächsOVG, B.v. 25.7.2022 – 6 B 16/22 – DVBl 2023, 41 = juris Rn. 28; OVG NW, B.v. 28.1.2019 – 15 B 624/18 – juris Rn. 67 ff.). Nach § 122 Abs. 1, § 88 VwGO ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
21
a. Bei der erneuten Entscheidung über die Wiedererteilung der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung darf dem Antragsteller nicht entgegengehalten werden, dass er selbst fachlich nicht geeignet ist. Denn nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PBefG („oder“) genügt es, wenn – wie hier – der vom Unternehmer bestellte Geschäftsführer über die erforderliche Fachkunde verfügt (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.1995 – 11 B 83.95 – Buchholz 442.01 § 13 PBefG Nr. 34 = juris Rn. 3 f.; Fielitz/Grätz, PBefG, § 13 Rn. 22).
22
Durch die vom Antragsteller am 17. November 2020 unterzeichnete Formularerklärung konnte insoweit keine über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Genehmigungsvoraussetzung geschaffen werden. Abgesehen davon, dass eine Verpflichtung zum höchstpersönlichen Erwerb des Fachkundenachweises im Gegensatz zu den sonstigen Auflagen keinen Eingang in die Bescheide vom 17. November 2020 und 22. November 2021 gefunden hat, kann eine personenbeförderungsrechtliche Genehmigung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 PBefG nur unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden, sofern sich diese Nebenbestimmungen im Rahmen des Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen halten. Damit war die „Auflage“ in der Erklärung vom 17. November 2020, innerhalb eines Jahres den Fachkundenachweis zu erwerben, rechtswidrig und unwirksam. Auch die Erteilung einer Genehmigung unter entsprechendem Widerrufsvorbehalt wäre gemäß § 15 Abs. 4 PBefG unzulässig.
23
b. Die Antragsgegnerin hat auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass es sich bei dem eingesetzten Geschäftsführer um einen Scheingeschäftsführer handelt. Es ist zwar richtig, dass die Vorlage einer Lohnsteuerkarte der Klasse VI darauf hindeuten kann, dass der Geschäftsführer dieser Tätigkeit nicht hauptberuflich nachgeht, nicht aber, dass er ihr nur zum Schein, d.h. in Wahrheit gar nicht nachkommt, jedenfalls nicht, wenn es sich wie hier um einen Taxenbetrieb mit nur einem Fahrzeug handelt. Von einer Scheingeschäftsführung könnte dann die Rede sein, wenn ein Geschäftsführer so viele Geschäftsführungen übernimmt oder sonstigen Erwerbstätigkeiten nachgeht, dass er die Geschäftsführung in dem betreffenden Unternehmen nach der Lebenserfahrung nicht bewältigen kann, oder wenn sonstige Zweifel daran auftauchen, dass er die Geschäfte tatsächlich führt, z.B. weil er den Betrieb nicht kennt und ihn auch nie betreten hat. Derartige Sachverhalte sind hier nicht ersichtlich.
24
Es sind auch keine personenbeförderungsrechtlichen oder sonstigen Vorschriften ersichtlich, wonach der Beförderungsunternehmer einen Geschäftsführer nur im Haupterwerb einsetzen dürfte. Nach § 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 PBefG wird ein Antragsteller bei der Erteilung der Genehmigung nachrangig behandelt, wenn er das Taxengewerbe nicht als Hauptbeschäftigung zu betreiben beabsichtigt oder es in der Vergangenheit nicht hauptberuflich betrieben hat. Der Vorschrift liegt die Annahme zugrunde, dass ein hauptberuflich tätiger Taxiunternehmer grundsätzlich besser geeignet ist, die öffentlichen Verkehrsinteressen zu befriedigen (Fielitz/Grätz, PBefG, § 13 Rn. 63). Allein letzteres rechtfertigt Zugangsbeschränkungen zum Beruf des Taxiunternehmers (vgl. BVerwG, U.v. 7.9.1989 – 7 C 44/88 u.a. – BVerwGE 82, 295 = juris Rn. 9). Als Hauptbeschäftigung betreibt das Taxigewerbe, wer den überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit und Arbeitskraft dem Taxigeschäft widmet und dabei als Unternehmer den Pflichten nachkommt, die sich für ihn aus den Regelungen des Personenbeförderungsrechts ergeben (BayVGH, U.v. 19.4.2021 – 11 B 21.491 – juris Rn. 25; Bidinger, § 13 PBefG Anm. 91 j; Fielitz/Grätz, a.a.O. § 13 Rn. 63). § 13 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und 2 PBefG stellt seinem Wortlaut nach auf den Bewerber um die Genehmigung, d.h. den Unternehmer ab, unabhängig davon, ob dieser auch die Geschäftsführung innehat und in welchem Umfang er Angestellte einsetzt. Damit ist die Anstellung von nebenberuflich tätigen Kräften und eine betriebliche Gestaltung, wonach der Unternehmer selbst (hauptberuflich) Beförderungsleistungen erbringt und die Geschäftsführung einem Angestellten mit nachgewiesener Fachkunde überlasst, nicht ausgeschlossen, solange die Wahrnehmung der Aufgaben durch den fachkundigen Geschäftsführer gewährleistet ist.
25
Da folglich dahinstehen kann, ob der eingesetzte Geschäftsführer hauptberuflich im Betrieb des Antragstellers tätig ist, kommt es auf den mit Schriftsatz vom 2. März 2023 nachgereichten Vortrag des Steuerberaters des Antragstellers zur Verwendung der Lohnsteuerkarte der Klasse VI durch den Geschäftsführer nicht an.
26
c. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass die Geltungsdauer der ursprünglich bis zum 24. Juni 2024 gültigen Genehmigung zur Ausübung des Verkehrs mit Taxen mit Bescheiden vom 17. November 2020 und 22. November 2021 rechtswidrig verkürzt worden ist, kann er daraus nichts für sich herleiten. Richtig ist zwar, dass die Übertragung einer personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 PBefG einen Übergang der gesamten Rechtsstellung des vormaligen Unternehmers einschließlich deren Geltungsdauer bewirkt (vgl. BVerwG, U.v. 19.10.2006 – 3 C 33.05 – BVerwGE 127, 42 = juris Rn. 44) und dass gemäß § 13 Abs. 7 PBefG die Vorschrift des § 13 Abs. 5 Satz 5 PBefG, wonach Neubewerbern die Genehmigung für zwei Jahre zu erteilen ist, im Fall der Übertragung nicht anwendbar ist. Unabhängig davon, ob die Bescheide vom 17. November 2020 und 22. November 2021 als konkludente Ablehnung der beantragten Übertragung der Taxigenehmigung verbunden mit der Neuerteilung einer befristeten Taxigenehmigung an einen Neubewerber oder aber – entgegen dem Wortlaut der Bescheide – als genehmigte Übertragung der ursprünglichen Taxigenehmigung verbunden mit einer nachträglichen Befristung auszulegen sind, ist die dem Antragsteller erteilte Genehmigung jedenfalls am 16. November 2022 abgelaufen, weil beide Bescheide in Bestandskraft erwachsen sind, nachdem der Antragsteller sie nicht angefochten hat. Wegen des jeweils unzutreffenden Verweises auf den Klageweg betrug die Rechtsbehelfsfrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr seit Zustellung des jeweiligen Bescheids. Mit seiner – mehr als ein Jahr nach Erlass dieser Bescheide erhobenen – Klage hat der Antragsteller ausschließlich den Ablehnungsbescheid vom 14. November 2022 angefochten. Dahinstehen kann deshalb auch, ob eine – nach der Begründung des Bescheids vom 22. November 2021 (Punkt II., zweiter Absatz) – vollständige Rücknahme der Genehmigung ex tunc bei einem im Verantwortungsbereich der Behörde liegenden Fehler ermessensgerecht war (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 48 Rn 107).
27
d. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin scheidet eine Wiedererteilung der Genehmigung unter Inanspruchnahme des Altunternehmerprivilegs des § 13 Abs. 3 PBefG nicht deshalb aus, weil die zuvor erteilte Genehmigung am 16. November 2022 abgelaufen ist, ohne dass der Antragsteller alle aus behördlicher Sicht erforderlichen Unterlagen für die Wiedererteilung beigebracht hatte. Dies kann ihm jedenfalls im Hinblick auf den zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts gehörenden Grundsatz von Treu und Glauben (entsprechend § 242 BGB) bzw. das hieraus abgeleitete Verbot widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium; vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2014 – 4 C 11.13 – BVerwGE 149, 211 Rn. 29 ff.) sowie den Rechtsgedanken der Folgenbeseitigung rechtswidrigen Verwaltungshandelns (vgl. Hönig in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 6. Aufl. 2021, § 25 Rn. 92 ff.; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 212 ff.; Engel/Pfau in Mann/Sennekamp/ Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 25 Rn. 58 ff.; Adolph in Giehl/Adoplh/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand November 2022, Art. 25 BayVwVfG Rn. 39 ff.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 25 Rn. 25) nicht entgegengehalten werden. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns ergibt sich hier aus einer ungenügenden Erörterung und Auskunft im Sinne von Art. 25 Abs. 2 BayVwVfG in Verbindung mit der rechtlich nicht haltbaren Auslegung von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PBefG.
28
aa. Der Antragsteller hat die Verlängerung der ihm erteilten Genehmigung am 10. Oktober 2022 mehr als einen Monat vor deren Ablauf und damit rechtzeitig beantragt. Da der Antragsgegnerin hiermit nach Überzeugung des Senats ein für die Prüfung und Entscheidung ausreichender Zeitraum zur Verfügung stand, besteht kein Anlass zu klären, bis wann der Antrag als noch rechtzeitig gestellt gelten kann (vgl. dazu Fielitz/Grätz, PBefG, § 16 Rn. 24; BayVGH, B.v. 7.12.2016 – 11 ZB 16.1703 – juris Rn. 22). Diese Frage hat der Gesetzgeber offengelassen. Deshalb und wegen der weitreichenden Folgen einer verspäteten Antragstellung kann aus § 15 Abs. 1 Satz 2 PBefG nach Auffassung des Senats nicht gefolgert werden, dass der Wiedererteilungsantrag mit einem Vorlauf von mindestens drei Monaten zu stellen ist (so aber Fielitz/Grätz, PBefG, § 16 Rn. 24), mit der Folge, dass es bei einem später gestellten Antrag in der Hand der Genehmigungsbehörde läge, ob sie über diesen noch vor Ablauf der Genehmigung entscheidet, und der Antragsteller bei Nichtentscheidung sein Altunternehmerprivileg verliert. Aus der in Fiktionsfällen üblichen (vgl. auch Art. 42a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG) Dreimonatsfrist mag zu schließen sein, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ein Verwaltungsverfahren in der Regel in drei Monaten abgeschlossen werden kann, nicht aber, dass die tatsächliche Bearbeitungsdauer einer personenbeförderungsrechtlichen Verwaltungssache mindestens drei Monate betragen soll. Im Einzelfall kann die Bearbeitung eines Genehmigungsantrags wesentlich weniger, aber auch mehr Zeit erfordern und daher die Frist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 PBefG bis zu sechs Monaten verlängert werden (vgl. auch § 42a Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG). Hinge das Vorliegen eines rechtzeitigen Wiedererteilungsantrags davon ab, ob bis zum Ablauf der erteilten Genehmigung bei Untätigkeit der Behörde die Genehmigungsfiktion eintreten könnte, müsste der Genehmigungsbewerber in diesem Fall wohl einen Antrag sechs Monate vor Ablauf seiner aktuellen Genehmigung stellen. Die tatsächliche Bearbeitungsdauer ist für Genehmigungsbewerber ebenso wenig vorhersehbar wie die aus behördlicher Sicht im Einzelnen erforderlichen Unterlagen. Welche Unterlagen beizubringen sind, damit ein Genehmigungsantrag als vollständig angesehen werden kann, ist nicht abschließend geklärt (vgl. BVerwG, U.v. 8.11.2018 – 3 C 26.16 – BVerwGE 163, 321 Rn. 22 m.w.N.; BayVGH, B.v. 5.9.2022 – 11 CE 22.1606 – juris Rn. 16) und hängt auch vom jeweiligen Einzelfall ab. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Stellung des Beförderungsunternehmers im Genehmigungsverfahren von derartigen Unwägbarkeiten abhängig machen wollte.
29
Vor Ablauf der Genehmigung lag auch ein prüffähiger Antrag vor. Auf das Schreiben der Antragsgegnerin vom 7. November 2022 über noch ausstehende Unterlagen hat der Antragsteller mit Schreiben vom 9. November 2022 und damit noch rechtzeitig angegeben, den bisherigen fachkundigen Geschäftsführer weiterbeschäftigen zu wollen, und dessen Fachkundenachweis, die Verlängerung des Anstellungsvertrags bis 13. November 2024 und die Nachweise über für ihn entrichtete Sozialversicherungsabgaben und das an ihn gezahlte Gehalt vorgelegt. Ein Führungszeugnis, ein Auszug aus dem Gewerbezentralregister und die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Berufsgenossenschaft lagen der Antragsgegnerin am 10. November 2022 vor. Ein Führungszeugnis und einen Auszug aus dem Fahreignungsregister für den Geschäftsführer hatte die Antragsgegnerin in ihrem Hinweisschreiben vom 7. November 2022 nicht verlangt.
30
bb. Es erscheint treuwidrig, wenn sie bemängelt, ihr seien wesentliche Unterlagen erst nach Ablauf der Genehmigung vorgelegt worden, namentlich das Führungszeugnis und der Auszug aus dem Gewerbezentralregister für den Geschäftsführer am 23. November 2022 und die Auskunft aus dem Fahreignungsregister am 4. Januar 2023, wenn sie selbst insoweit nicht ihrer Verpflichtung aus Art. 25 Abs. 2 BayVwVfG nachgekommen ist, die zu erbringenden Nachweise und Unterlagen mit dem Antragsteller, soweit erforderlich, rechtzeitig zu erörtern und auf die Unvollständigkeit der eingereichten Unterlagen und ggf. den Zeitpunkt, bis zu dem diese einzureichen sind, hinzuweisen. Die Auskunftspflicht besteht auch dann, wenn normativ bestimmt ist, welche Nachweise und Unterlagen für einen Genehmigungsantrag vorzulegen sind (Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 25 Rn. 59), also auch hinsichtlich der von § 17 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 8, § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4, Abs. 2 PBefG i.V.m. §§ 2, 3 der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr vom 15. Juni 2000 (PBZugV, BGBl I S. 851), zuletzt geändert durch Verordnung vom 7. Juli 2021 (BGBl I S. 2363), geforderten Angaben. Erst recht gilt dies hinsichtlich der darüber hinaus für erforderlich gehaltenen Unterlagen. Das verwendete Antragsformular, das hinsichtlich eines Geschäftsführers lediglich den „Nachweis des Beschäftigungsverhältnisses der zur Führung bestellten Person (nicht bei Verlängerung)“ forderte, war insoweit missverständlich und nicht eindeutig (vgl. Hönig in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 25 Rn. 98 zur Gestaltung von Formularen). Nachdem der Antragsgegnerin bekannt war, dass der Antragsteller zuletzt einen Geschäftsführer bestellt hatte, weil er persönlich nicht über einen Fachkundenachweis verfügte, hätte sich auch eine entsprechende Nachfrage aufgedrängt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 25 Rn. 12). Ferner wäre die Antragsgegnerin, nachdem ihr noch vor Ablauf der Genehmigung bekannt geworden war, dass der bisherige Geschäftsführer weiterhin bestellt werden und dem Unternehmer die Fachkunde vermitteln sollte, verpflichtet gewesen, vom Antragsteller die von ihr für erforderlich gehaltenen weiteren Unterlagen zu dessen Person im Einzelnen zu bezeichnen.
31
Kam es aus ihrer Sicht hingegen gar nicht darauf an, ob der Antragsteller erneut einen Geschäftsführer bestellt, weil sie – wie es mit Bescheid vom 14. November 2022 dann auch geschah – die Wiedererteilung der Genehmigung wegen des fehlenden Erwerbs der Fachkunde ohnehin abzulehnen beabsichtigte, mag fraglich erscheinen, ob insoweit eine Erörterung und Auskunft im Sinne von Art. 25 Abs. 2 BayVwVfG „erforderlich“ war (zur Maßgeblichkeit der behördlichen Sicht vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 25 Rn. 16a; Herrmann in BeckOK VwVfG, Stand 1.1.2023, § 25 Rn. 32; OVG NW, B.v. 14.4.2011 – 15 A 592/11 – juris Rn. 17). Aus den Akten wird nicht deutlich, weshalb die Antragsgegnerin den Antragsteller zum Abschluss eines möglicherweise undurchführbaren, erhebliche wirtschaftliche Verpflichtungen generierenden Anstellungsvertrags veranlasst und ihm diesbezüglich Kosten sowie organisatorischen Aufwand verursacht hat, obwohl sie die Rechtsansicht vertrat, ein Geschäftsführer könne einem Beförderungsunternehmer die erforderliche Fachkunde nicht oder allenfalls vorübergehend vermitteln. Da sie, wie sich aus ihrem Vermerk auf dem Antragsformular, dem E-Mail vom 24. November 2022 und ihrem Vortrag im gerichtlichen Verfahren ergibt, aber dennoch erwartet hat, dass der Antragsteller Angaben zu dem künftigen Geschäftsführer macht und entsprechende Unterlagen und Nachweise beibringt, wäre sie auch gemäß Art. 25 Abs. 2 BayVwVfG verpflichtet gewesen, dies mit ihm zu erörtern und ihn rechtzeitig auf die Unvollständigkeit seines Antrags hinzuweisen.
32
Sie konnte nicht erwarten, dass der Antragsteller ohne entsprechende Hinweise die richtigen Schlüsse aus den Verwaltungsverfahren der vergangenen Jahre zieht und die aus ihrer Sicht erforderlichen Unterlagen und Nachweise von sich aus beibringt, da die einschlägigen Rechtsvorschriften zu komplex sind und es sich um eine größere Anzahl vorzulegender Dokumente handelt. An die Sachkunde des (künftigen) Antragstellers sind keine überhöhten Anforderungen zu stellen (Pautsch in Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2. Aufl. 2021, § 25 VwVfG Rn.14). Dies gilt umso mehr, als die Unterlagen im Antragsformular zum Teil ungenau bezeichnet waren und das Verhalten der Antragsgegnerin widersprüchlich wirken mussten. Durch das Hinweisschreiben vom 7. November 2022 und die dem Antragsteller abverlangte Erklärung zum Erwerb des Fachkundenachweises hatte sie den Eindruck erweckt, er habe die Fachkunde persönlich nachzuweisen und könne daher sein Ziel nur im Wege eines Rechtsbehelfs erreichen. Trotzdem erwartete sie die Beibringung von Unterlagen zu einem Geschäftsführer, der in einem Betrieb mit nur einem Fahrzeug – wie ihr bekannt war – allein deshalb eingesetzt werden sollte, um die dem Antragsteller fehlende Fachkunde einzubringen. In dieser Situation kann dem Antragsteller nicht vorgehalten werden, er hätte von sich aus und auf Verdacht möglicherweise unnötige Unterlagen beibringen müssen.
33
cc. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf den Zweck der Folgenbeseitigung und den Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG hindert der Ablauf der dem Antragsteller erteilten Genehmigung am 16. November 2022 nicht die Inanspruchnahme des Altunternehmerprivilegs bei einer erneuten Entscheidung über seinen rechtzeitig eingereichten Wiedererteilungsantrag.
34
Dem steht insbesondere nicht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Übertragung von Rechten und Pflichten aus einer Personenbeförderungsgenehmigung (BVerwG, U.v. 9.6.2021 – 8 C 32.20 – BVerwGE 173, 18 Rn. 24) entgegen, wonach die Übertragung nur genehmigt werden kann, wenn die Rechte und Pflichten aus der Genehmigung im Zeitpunkt der Erteilung der Übertragungsgenehmigung noch bestehen, auch wenn der Übertragungsantrag vor dem Erlöschen der Genehmigung gestellt worden ist. Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass die gesetzlichen Regelungen über die Befristung von Genehmigungen und deren Verlängerung oder Wiedererteilung nicht unterlaufen und die Verpflichtung, im Fall eines Bewerberüberhangs die Auswahlkriterien des § 13 Abs. 5 PBefG zu beachten, nicht durch beliebig perpetuierte rückwirkende Übertragungsgenehmigungen zweckwidrig beschränkt werden sollen. Die Privilegierung von Übertragungsempfängern gemäß § 13 Abs. 7 PBefG ist vor Art. 12 Abs. 1 GG nur gerechtfertigt, weil die Rechte und Pflichten aus der Genehmigung allein für deren restliche Geltungsdauer übertragen, aber nicht darüber hinaus verlängert oder gar rückwirkend jenseits der gesetzlichen Beschränkung der Geltungsdauer neu geschaffen werden (vgl. Keller, jurisPR-BVerwG 1/2022 Anm. 1). Vorliegend geht es jedoch nicht um die Übertragung einer Genehmigung im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 PBefG, die hier möglicherweise sogar nie stattgefunden hat, und auch nicht um eine rückwirkende Erteilung der Genehmigung für eine bereits vorher begonnene Personenbeförderung. „Verlängert“ die Genehmigungsbehörde auf rechtzeitigen Antrag hin die Genehmigung des Beförderungsunternehmers, handelt es sich um eine Wiedererteilung, wobei eine neue Genehmigung entsteht (vgl. Fielitz/Grätz, PBefG, § 16 Rn. 24).
35
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
36
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 47.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
37
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).