Titel:
Erfolgloser Eilantrag auf Untersagung aufenthaltsbeendender Maßnahmen
Normenketten:
GG Art. 6 Abs. 1
EMRK Art. 8
VwGO § 146 Abs. 4 S. 6
AufenthG § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 60a Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Im Rahmen der Prognose der voraussichtlichen tatsächlichen Trennungszeit bei Nachholung eines Visumverfahrens ist darüber wegen des erforderlichen Antrags auf Erteilung eines Visums die Wartezeit auf einen Termin zur Antragstellung ebenso zu berücksichtigen wie ein möglicherweise infolge der Abschiebung eintretendes Einreise- und Aufenthaltsverbot. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei verweigerter Mitwirkung im Visumverfahren gebietet es Art. 6 Abs. 1 GG nicht, das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Sichtvermerkverfahrens gänzlich zurückzustellen, da dies keinen schonenden Ausgleich der familiären Belange des Ausländers und der gegenläufigen öffentlichen Interessen mehr bedeuten würde (Fortführung von BeckRS 2021, 44425). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Pakistanischer Staatsangehöriger, Knapp siebenjährige ungarische Tochter, Visumnachholung, Abschiebung, Vollstreckungshindernis, familiäre Beziehungen, Visumsverfahren, Nachholung, tatsächliche Trennungszeit, Mitwirkungsobliegenheit
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 04.10.2022 – W 7 E 22.564
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6057
Tenor
I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Mit seiner Beschwerde verfolgt der am ... 1984 geborene Antragsteller, ein im Bundesgebiet mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getretener pakistanischer Staatsangehöriger, der erstmals am 5. April 2007 in das Bundesgebiet einreiste (ein Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21.6.2007 als offensichtlich unbegründet abgelehnt; seine hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 17.12.2008 als offensichtlich unbegründet ab), der im Bundesgebiet Vater zweier am ... 2009 und am ... 2012 geborener Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit sowie einer am ... 2016 geborenen Tochter mit ungarischer Staatsangehörigkeit wurde, der am 28. März 2018 in sein Heimatland abgeschoben wurde und im März 2020 unerlaubt wiederum in das Bundesgebiet einreiste, sein erstinstanzliches erfolgloses Begehren, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung über die Klageanträge zu 1 (Ausstellung einer Aufenthaltskarte-EU) sowie zu 2 (hilfsweise Ausstellung einer Duldung gem. § 60a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG) betreffend eine von ihm erhobene Klage vom 7. April 2022 (Az. W 7 K 22.563) zu untersagen, weiter.
2
Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit der Begründung abgelehnt, dem vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller stehe kein Anordnungsanspruch zu. Seine Abschiebung sei nicht tatsächlich unmöglich. Sie sei auch nicht rechtlich unmöglich. Dem Antragsteller stehe kein Freizügigkeitsrecht als Familienangehöriger einer Unionsbürgerin, abgeleitet von seiner Tochter mit ungarischer Staatsangehörigkeit, welches ihm gem. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU – bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen – das Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet garantieren würde, zu. Er sei bereits kein Familienangehöriger einer Unionsbürgerin im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU. Er erfülle nicht die Voraussetzungen eines Familienangehörigen gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3c FreizügG/EU. Auch dessen analoge Anwendung komme nicht in Betracht, da er seiner Tochter keinen Unterhalt gewähre. Des Weiteren sei auch die Freizügigkeitsberechtigung der Tochter aus eigenem Recht zweifelhaft, weshalb diese dem Antragsteller – selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nr. 3c FreizügG/EU – nicht den Status eines freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen vermitteln könnte. Es sei schon nicht dargelegt, dass die Tochter des Antragstellers im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aus eigenem Recht als nichterwerbstätige Unionsbürgerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sei. Dies würde voraussetzen, dass für sie und alle Familienangehörigen, welche zu der Bedarfsgemeinschaft gehören, ausreichende Existenzmittel im Sinne des § 4 FreizügG/EU vorhanden seien. Hierzu fehlten schlüssiger Vortrag bzw. Glaubhaftmachung. Ebenso wenig sei dargelegt, dass ausreichender Krankenversicherungsschutz der Tochter des Antragstellers – und des Antragstellers selbst – gem. § 4 FreizügG/EU vorliege. Offen könne des Weiteren bleiben, ob der Tochter des Antragstellers im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt ein von ihrer (ungarischen) Mutter abgeleitetes Freizügigkeitsrecht als Familienangehörige einer daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgerin nach Maßgabe der §§ 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 3c, 2 Abs. 2 Nr. 6 i.V.m. §§ 3 Abs. 1 und 4 FreizügG/EU zustehe. Des Weiteren könne der Antragsteller auch kein eigenes Freizügigkeitsrecht aus dem Kernbestand der Unionsbürgerschaft seiner Tochter gem. Art. 20 AEUV ableiten. Insoweit sei schon nicht ersichtlich, dass der Antragsteller seiner Tochter U. gewähre. Des Weiteren sei auch nicht substantiiert dargelegt, dass der andere Elternteil – hier die ungarische Kindsmutter – als Unionsbürgerin nicht in der Lage und bereit sei, die Personensorge für das Kind allein wahrzunehmen, auch wenn diesem Gesichtspunkt nicht allein eine ausschlaggebende Bedeutung zukomme. Im Übrigen würde es wohl nicht ausreichen, dass die Tochter als Unionsbürgerin faktisch gezwungen wäre, den Aufnahmestaat Deutschland zu verlassen bzw. auf den Umgang mit dem Antragsteller in diesem Mitgliedsstaat zu verzichten. Denn der Kernbestand der Unionsbürgerschaft werde erst dann beeinträchtigt, wenn der Unionsbürger aufgrund der beschriebenen Umstände gezwungen wäre, das Unionsgebiet als Ganzes zu verlassen. Für eine Beeinträchtigung des Kernbestandes der Unionsbürgerschaft der Tochter des Antragstellers in Folge seiner Aufenthaltsbeendigung fehle es somit an jeglichem Anhaltspunkt. Der Antragsteller könne ein rechtliches Abschiebungshindernis auch nicht aus einem Aufenthaltsrecht für nahestehende Personen nach § 3a FreizügG/EU ableiten, weil ihm ein solches Recht nicht zustehe. Abgesehen davon, dass kein auf die Verleihung eines solchen Aufenthaltsrechtes gerichteter Antrag vorliege, wäre es dem Antragsteller bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 3a Abs. 1 FreizügG/EU zumutbar, das Visumverfahren nachzuholen, von welchem drittstaatsangehörige Familienangehörige nach § 2 Abs. 4 S. 1 FreizügG/EU i.V.m. § 5 Abs. 2 AufenthG gerade nicht befreit seien. Ein Anordnungsanspruch liege auch nicht in Gestalt eines Anspruchs auf eine sogenannte Verfahrensduldung vor. Soweit ausnahmsweise zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG die Aussetzung einer Abschiebung geboten sein könnte, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Aufenthaltserlaubniserteilungsverfahrens aufrecht zu erhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zu Gute kommen könne, komme für den Antragsteller ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft nach den § 27 ff. AufenthG nicht in Betracht. Es fehle bereits an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum, § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Eine Ermessensreduzierung gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im vorliegenden Einzelfall „auf Null“ sei nicht ersichtlich. Vielmehr sei es dem Antragsteller zumutbar, das Visumverfahren nachzuholen. Unabhängig davon fehle es auch an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, weil der Antragsteller aufgrund seiner vielfachen Straftaten Ausweisungsinteressen (zumindest) im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG erfülle. Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Auffangregelung gem. §§ 29 Abs. 1, 36 Abs. 2 AufenthG sei wegen des Vorliegens von Ausweisungsinteressen sowie mangels Einreise ohne das erforderliche Visum ausgeschlossen. Ebenso wenig könne der Antragsteller aus § 25 Abs. 5 AufenthG einen zu sichernden Anspruch auf Erteilung einer Verfahrensduldung herleiten. Auch insoweit sei der Antragsteller auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen. Des Weiteren fehle es an den auch für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG grundsätzlich erforderlichen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG. Auch unter Berücksichtigung etwaiger Schutzwirkungen aufgrund Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ergebe sich vorliegend nicht, dass gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vom Erfordernis des Sichtvermerkverfahrens abzusehen sei. Der Antragsteller habe deshalb auch keinen Anspruch auf die beantragte Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 S. 1 AufenthG. In den Blick zu nehmen sei, wie lange ein Visumverfahren bei korrekter Sachbehandlung und gegebenenfalls unter Zuhilfenahme einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO voraussichtlich dauern würde und welche Auswirkungen ein derartiger Auslandsaufenthalt des Ausländers für die Familie hätte. Eine fehlende Mitwirkung des Ausländers könne auch längere Wartezeiten rechtfertigen. Zudem würde es die Erkenntnisfähigkeit von Behörden und Gerichten überfordern, bei der Prognose über die Dauer des Visumverfahrens und der damit verbundenen Trennung des Ausländers von seinem in Deutschland aufenthaltsberechtigten Kind eine präzise Vorstellung davon zu entwickeln, mit welcher Trennungszeit tatsächlich im Falle der Duldungsversagung zu rechnen wäre, wenn der Ausländer nicht das in seiner Sphäre Liegende beiträgt, um das Verfahren zu betreiben und zu einem zeitnahen Abschluss zu bringen. Der Ausländer habe es dabei durch die Gestaltung seiner Ausreise selbst in der Hand, die für die Durchführung des Visumverfahrens erforderliche Dauer seiner Abwesenheit im Bundesgebiet möglichst kurz zu halten, in dem er beispielsweise – unter Mitwirkung der zuständigen Ausländerbehörde – deren Vorabzustimmung nach § 31 Abs. 3 AufenthV einhole. Nach diesen Maßgaben sei es im vorliegenden Fall mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie nach Art. 6 GG (bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) vereinbar, den Antragsteller auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen. Im Hinblick auf die bestehende familiäre Lebensgemeinschaft sei von der grundsätzlichen Möglichkeit eines Familiennachzugs auszugehen und die zu prognostizierende Dauer des Visumverfahrens erweise sich als absehbar. Vorliegend komme ein Aufenthaltstitel aufgrund der Auffangnorm § 36 Abs. 2 AufenthG in Betracht. Soweit in die Prognose einer grundsätzlichen Möglichkeit eines Familiennachzugs einzustellen sein sollte, dass der Antragsteller ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG verwirklicht hat und ihm damit das Fehlen der negativen Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegengehalten werden könnte, so könne nach Auffassung der Kammer davon ausgegangen werden, dass die deutsche Auslandsvertretung ihr nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnetes Ermessen im Einklang mit den Grundrechten aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ausüben würde. Ausgehend von der grundsätzlichen Möglichkeit eines Familiennachzugs ergebe die im Einzelfall anzustellende Prognose über die Dauer der Abwesenheit des Antragstellers von seiner Tochter und deren Mutter (sowie einer weiteren Halbschwester seiner ungarischen Tochter), dass die Durchführung des Visumverfahrens keinen unangemessen langen Zeitraum in Anspruch nehmen werde. Auch sei dem Antragsteller und seinen Angehörigen möglich und zumutbar, dazu beizutragen, den Trennungszeitraum durch entsprechende Mitwirkung zu minimieren und diesen überschaubaren Zeitraum durch entsprechende vorbereitende Maßnahmen zu überbrücken. Nach der Auskunft der zuständigen Visastelle der Deutschen Botschaft Islamabad vom 7. Juni 2021 dauere das Verfahren, soweit die pakistanischen Personenstandsurkunden bereits geprüft worden seien und keine Zweifel an der Identität aufkämen, etwa zwei Wochen. Wenn die Urkunden keinen Überprüfungsstempel trügen, müssten vier bis fünf Monate Überprüfungsdauer eingerechnet werden. Sei die Vorabzustimmung bis dahin zeitlich abgelaufen, müsse die Behörde noch einmal beteiligt werden. Für den Antragsteller liege ein gültiger Reisepass vor. Mithin dürfte es sich beim Antragsteller nicht um einen Fall der „Spätbeurkundung“ handeln. Selbst die gegebenenfalls zu veranschlagende Bearbeitungszeit von vier bis fünf Monaten für die Urkundenüberprüfung würde aber nicht zur Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens führen. Selbst wenn die Bearbeitungszeit für ein Visum zur Familienzusammenführung entsprechend den Angaben im Internetauftritt der Botschaft Islamabad aufgrund der notwendigen Urkundenüberprüfung derzeit mindestens 12 Monate beanspruchen sollte und bis zum Eingang einer Termin-Mail mit Wartezeiten von mindestens einem Jahr zu rechnen sei, sei zu berücksichtigen, dass diese zeitliche Verzögerung maßgeblich aus der fehlenden Mitwirkung des Antragstellers und seinem Unterlassen resultiere, sich vorab um einen Termin bei der Deutschen Botschaft zu bemühen. Bei entsprechender Bereitschaft zur Nachholung des Visumverfahrens könnte die Urkundenüberprüfung im Bundesgebiet abgewartet werden. Ausgehend von der in der Auskunft vom 7. Juni 2021 genannten Bearbeitungszeit (einschließlich Urkundenüberprüfung) von vier bis fünf Monaten zuzüglich einer Wartezeit bis zum Termin von einem Jahr gehe die Kammer bei gänzlichem Unterlassen von Vorbereitungsmaßnahmen – wie hier – von einer Trennungszeit von einem Jahr und fünf Monaten aus. Wenn die durch die Nachholung des Visumverfahren einhergehende Trennung des Antragstellers von seinem Kind einen längeren Zeitraum als die reine Bearbeitungszeit des Visumverfahrens beanspruche, so beruhe dies vorliegend auf der eigenverantwortlichen Entscheidung des Antragstellers, zumutbare Mitwirkungshandlungen wie die online zu bewerkstelligende Registrierung bei der Deutschen Botschaft nicht zu erfüllen. In einem solchen Fall könne dies auch in Anbetracht des Alters der Tochter des Antragstellers längere Trennungszeiten zumutbar machen. Es liege dann in der besonderen Verantwortung des Antragstellers, zusammen mit dem anderen Elternteil die unter diesen Umständen gegebenenfalls längere Abwesenheit so familien- und kindeswohlverträglich wie möglich zu gestalten.
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Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist bereits unzulässig, wäre aber auch unbegründet. Das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren, auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Abänderung oder Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 4. Oktober 2022.
4
Zur Begründung der Beschwerde führt der Antragsteller aus, es sprächen erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Zunächst sei zur Vermeidung von Wiederholungen voll inhaltlich auf das bisherige diesseitige Vorbringen zur Begründung der eingelegten Rechtsmittel zu verweisen, welches von der erstinstanzlichen Entscheidung nicht oder nur unzulänglich berücksichtigt werde. Letztere lege zunächst ausführlich dar, warum der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltskarte-EU habe. Stattdessen verweise sie den Antragsteller auf die Einholung eines Visums bei der Deutschen Botschaft in Islamabad. Leider lasse das Gericht jedoch offen, auf welcher anderen rechtlichen Basis dieses Visum erteilt werden könnte. Ein Einreisevisum auf Basis des § 25 Abs. 5 AufenthG sei noch von keiner Deutschen Botschaft je erteilt worden, da Voraussetzung für einen derartigen Aufenthaltstitel regelmäßig ein inländisches Abschiebungshindernis sei. Gerade ein Solches werde aber von der angefochtenen Entscheidung verneint – aus diesseitiger Sicht allerdings zu Unrecht. Unterstelle man aber die Richtigkeit der Rechtsauffassung der erstinstanzlichen Entscheidung, so sei nicht erkennbar, auf welcher rechtlichen Basis der Antragsteller von der deutschen Auslandsvertretung in seinem Heimatland ein Visum zur Wiedereinreise bekommen könnte. Eine Ausreise zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde für den Antragsteller eine unabsehbar lange Trennung von seinem ungarischen Kind und dessen Mutter bedeuten. Es wäre eine Reise ohne Wiederkehr. Anders wäre die Situation, wenn der Antragsgegner dem Antragsteller eine Vorabzustimmung zur Ausstellung eines Visums auf Basis des Freizügigkeitsgesetzes/EU aushändigen könnte. Mit dieser könnte dann mit Aussicht auf Erfolg ein Sichtvermerk bei der Deutschen Botschaft in Islamabad beantragt werden. Deren Ausstellung dürfte jedoch bereits daran scheitern, dass das erstinstanzliche Gericht Zweifel am Freizügigkeitsrecht der ungarischen Lebensgefährtin und des gemeinsamen Kindes geäußert habe. Sollte der Antragsgegner die diesbezüglichen Zweifel zurückstellen und seine Bereitschaft erkennen lassen, dem Antragsteller eine Vorabzustimmung auszustellen, wäre dieser bereit, einen Vorsprachetermin bei der Deutschen Botschaft in Islamabad zu beantragen und vor Terminvergabe auszureisen. Bis dahin müsste er aber geduldet werden. Sollte der erstinstanzliche Bescheid Bestandskraft erlangen, würde dies auf die dauerhafte Trennung des Antragstellers von seinem mit ihm in Gemeinschaft lebenden ungarischen Kind bedeuten, was weder mit Art. 6 des Grundgesetzes noch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Einklang zu bringen wäre.
5
Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass der Antragsgegner entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten wäre, aufenthaltsbeendende Maßnahmen wie beantragt zu unterlassen.
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Die Beschwerde ist bereits unzulässig, weil das Beschwerdevorbringen des Antragstellers dem Darlegungsgebot (§ 146 Abs. 4 Sätze 3, 4 VwGO) nicht gerecht wird.
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In Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes sind für die Beschwerdeentscheidung nur die innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe maßgebend (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerde die Gründe darlegen, aus denen der Beschluss abzuändern oder aufzuheben ist; sie muss sich mit dem Beschluss auseinandersetzen. Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, aus welchen (rechtlichen oder tatsächlichen) Gründen der angefochtene Beschluss unrichtig sein soll. Dazu muss der Beschwerdeführer die Begründung des Verwaltungsgerichts aufgreifen und konkret aufzeigen, in welchen Punkten und aus welchen Erwägungen heraus er diese für unrichtig hält. Die Funktion des Darlegungsgebotes gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO besteht zum einen darin, den Rechtsmittelführer zu einer sorgfältigen Prüfung der Einlegung des Rechtsmittels anzuhalten, und zum anderen darin, dem Verwaltungsgerichtshof die Überprüfung des erstinstanzlichen Beschlusses zu ermöglichen, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich auf die vorgetragenen Beschwerdegründe beschränkt ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2018 – 20 CS 18.686 – juris).
8
Dieser Anforderung wird das Beschwerdevorbringen jedoch nicht gerecht. Anders als der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung pauschal behauptet, äußert sich das Verwaltungsgericht ausführlich zu der grundsätzlichen Möglichkeit der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 36 Abs. 2 AufenthG. Damit setzt sich der Antragsteller nicht auseinander. Auch behauptet der Antragsteller in seinem Beschwerdebegründung pauschal das Eintreten einer dauerhaften Trennung von der ungarischen Tochter im Falle einer Rückführung in das Heimatland. Zu den ausführlichen Darlegungen des Verwaltungsgerichts, es sei (höchstens) von einer Trennung für einen Zeitraum von einem Jahr und fünf Monaten auszugehen (mögliche kürzere Trennungszeiten hätten ohne die Verweigerungshaltung des Antragstellers angenommen werden können), was sich im vorliegenden Einzelfall auch für die Tochter als zumutbar erweise, äußert sich der Antragsteller nicht. Es fehlt daher an der im Beschwerdeverfahren erforderlichen substantiellen Auseinandersetzung mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung.
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Zu den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller sei bereits kein Familienangehöriger einer Unionsbürgerin im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU (weshalb ihm ein Freizügigkeitsrecht nicht zustehe), auch die Freizügigkeitsberechtigung der Tochter aus eigenem Recht sei zweifelhaft, offen könne bleiben, ob der Tochter des Antragstellers im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt ein von ihrer Mutter abgeleitetes Freizügigkeitsrecht als Familienangehörige einer daueraufenthaltsberechtigten Unionsbürgerin zustehe, des Weiteren könne der Antragsteller auch kein eigenes Freizügigkeitsrecht aus dem Kernbestand der Unionsbürgerschaft seiner Tochter gem. Art. 20 AEUV ableiten, hat sich der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht geäußert, so dass auch insoweit kein Anhaltspunkt für eine Überprüfung der nachvollziehbaren Darlegungen des Verwaltungsgerichts besteht.
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Soweit das Verwaltungsgericht ausführt, der Antragsteller könne ein rechtliches Abschiebungshindernis nicht aus einem Aufenthaltsrecht für nahestehende Personen nach § 3a FreizügG/EU ableiten, weil ihm ein solches Recht nicht zustehe, es wäre ihm jedenfalls zumutbar, das Visumverfahren nachzuholen, von welchem drittstaatsangehörige Familienangehörige nach § 2 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU i.V.m. § 5 Abs. 2 AufenthG nicht befreit seien, setzt sich der Antragsteller mit der pauschalen Behauptung, die Durchführung eines Visumverfahrens sei wegen der damit verbundenen dauerhaften Trennung von seiner ungarischen Tochter unzumutbar, ebenso wenig mit den dazu getätigten ausführlichen Darlegungen des Erstgerichts auseinander.
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Soweit von einer Erfüllung des Darlegungsgebots ausgegangen werden könnte, bleibt festzuhalten:
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Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf die beantragte Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Hinblick auf den verfassungsrechtlich gewährleiteten Schutz der Familie nach Art. 6 GG, Art. 8 EMRK glaubhaft gemacht, ist nicht zu beanstanden.
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Art. 6 GG vermittelt keinen unmittelbaren Anspruch auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet. Dies gilt auch für den Nachzug zu berechtigterweise in Deutschland lebenden Familienangehörigen. Allerdings sind die Ausländerbehörden verpflichtet, bei ihren Entscheidungen die bestehenden familiären Bindungen eines Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und sie entsprechend ihrem Gewicht in den behördlichen Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, B.v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 – juris). Ebenso wenig wie Art. 6 GG gewährleistet Art. 8 Abs. 1 EMRK ein Recht des Ausländers, in einen bestimmten Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten. Ein Staat ist vielmehr berechtigt, die Einreise von Ausländern in sein Hoheitsgebiet und ihren Aufenthalt dort nach Maßgabe seiner vertraglichen Verpflichtungen zu regeln (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte – EGMR –, U.v. 18.10.2006 (Üner) Nr. 46410/99 – juris). Maßnahmen im Bereich der Einwanderung können jedoch das Recht auf Achtung des Familienlebens berühren. Eingriffe sind unter den Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft und müssen ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den gegenläufigen Interessen des Einzelnen und der Gesellschaft herstellen. Dabei ist eine Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip durchzuführen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 30.3.2010 – 1 C 8.09 – juris m.w.N. zur Rechtsprechung des EGMR).
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Im Hinblick auf die Schutzwirkungen aus Art. 8 Abs. 2 EMRK ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet bislang allein auf dessen Willen beruhte und zu jedem Zeitpunkt unsicher war, was gegen die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 8 Abs. 1 EMRK sprechen kann (vgl. EGMR in seinen Entscheidungen „Ghiban“, 16.9.2004 – Nr. 11103/03 – juris, NVwZ 2005, 1046 und „Draghan“, 7.10.2004 – Nr. 33743/03 – juris, NVwZ 2005, 1043; zum geringen Gewicht von Aufenthaltszeiten wegen der Durchführung von Asylverfahren im Rahmen des Art. 8 EMRK vgl. U.v. 8.4.2008 – Nnyanzi – Bw. – Nr. 21878/06 Rn. 76).
15
Die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG entfalten sich nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen; entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 – juris Rn. 87; B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 – juris Rn. 17 ff. m.w.N; B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Rn. 16.). Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei ist grundsätzlich eine umfassende Betrachtung geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris, Rn. 12 m.w.N.).
16
Bei der vorzunehmenden Bewertung der familiären Beziehungen verbietet sich eine schematische Einordnung und Qualifizierung als entweder aufenthaltsrechtlich grundsätzlich schutzwürdige Lebens- und Erziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen, zumal auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung eines Umgangsrechts unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der damit verbundenen Elternverantwortung ist und daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG steht. Nicht entscheidend ist, ob eine Hausgemeinschaft vorliegt und ob die von einem Familienmitglied erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte. Der Annahme einer familiären Lebensgemeinschaft steht nicht entgegen, dass ein Elternteil nur ausschnittsweise am Leben teilnimmt und keine alltäglichen Erziehungsentscheidungen trifft. Der spezifische Erziehungsbeitrag eines Elternteils wird durch die Betreuung des Kindes durch den anderen Elternteil nicht entbehrlich. Die Entwicklung eines Kindes wird nicht nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt. Es kommt jedoch darauf an, ob die vorhandenen Kontakte in ihrer Bedeutung für das Verhältnis zum Kind dem auch sonst Üblichen entsprechen und auf diese Weise die Vater-Kind-Beziehung gelebt wird. Erforderlich ist daher, dass der Sorgeberechtigte nach außen erkennbar in ausreichendem Maße Verantwortung für die Betreuung und Erziehung seines minderjährigen Kindes übernimmt (BayVGH, B.v. 17.12.2018 – 10 CE 18.2177 – juris Rn. 19; B.v. 28.7.2015 – 10 ZB 15.858 – juris Rn. 5). Es kommt darauf an, ob zwischen dem Ausländer und seinem Kind auf Grund des gepflegten persönlichen Umgangs ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, das von der nach außen manifestierten Verantwortung für die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes geprägt ist (VGH BW, U.v. 20.9.2018 – 11 S 240/17 – juris Rn. 80; U.v. 5.8.2002 – 1 S 1381/01 – juris, Rn. 19). Rechtliche Schutzwirkungen entfalten Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK nur dann, wenn im konkreten Einzelfall eine tatsächliche Verbundenheit zwischen dem Elternteil und seinem Kind besteht, die eine hinreichende Konstanz der Beziehung erwarten lässt und auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 14). Die Folgen einer vorübergehenden Trennung haben insbesondere dann hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann (BVerfG, B.v. 1.12.2008 – 2 BvR 1830/08 – juris Rn. 33). Zu berücksichtigen ist, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Mutter und Vater in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (BVerfG, B. v. 9.12.2021, 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 48). Für das Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 8 EMRK gilt insoweit nichts Anderes, da auch insoweit ein tatsächlich gelebtes Näheverhältnis zwischen den Familienmitgliedern vorausgesetzt wird (EGMR, U.v. 13.6.1979 – Marckx/Belgien, Nr. 6833/74 – EuGRZ 1979, 454 Rn. 31).
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Selbst bei Annahme eines hinreichenden Maßes an wahrgenommener Elternverantwortung (das Verwaltungsgericht geht von einer familiären Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit seiner ungarischen Tochter aus; der Antragsgegner hat dem im Beschwerdeverfahren ersichtlich nicht widersprochen; offen kann bleiben, inwieweit sich die vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten Unterlagen verbunden mit der Aussage des Antragstellers, es bestehe eine „familienähnliche Lebensgemeinschaft“, als insoweit ausreichend erweisen) – wovon der Senat im hiesigen Eilverfahren mithin zu Gunsten des Antragstellers ausgeht; das Hauptsacheverfahren mag ggf. insoweit zu einer weiteren Prüfung führen –, würde sich vorliegend aber weder aus Art. 6 GG noch aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergeben, dass eine Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers zur Durchführung des Visumverfahrens unzulässig wäre:
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Es ist mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG grundsätzlich vereinbar, einen Ausländer auf die Einholung des erforderlichen Visums zu verweisen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in das Bundesgebiet begehrt, regelmäßig hinzunehmen (BVerfG, B.v. 22.12.2021 – 2 BvR 1432721 – juris Rn. 43, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris LS 2a, Rn. 47 m.w.N., B.v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 juris, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 5625/10 – juris). Allein das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft führt ebenso wenig dazu, regelmäßig von der Unzumutbarkeit der Einhaltung des Visumverfahrens auszugehen, wie der Umstand, dass ein kleines (hier: knapp siebenjähriges) Kind betroffen ist, da es im Verantwortungsbereich des Ausländers liegt, die Ausreisemodalitäten und den Ausreisezeitpunkt in Absprache mit der zuständigen Ausländerbehörde so familienverträglich wie möglich zu gestalten (vgl. BayVGH, B.v. 3.9.2019 – 10 C 19.1700 – juris Rn. 5 m.w.N., B.v. 19.6.2018 – 10 CE 18.994 – juris Rn. 5).
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Ist von einer persönlichen Verbundenheit zwischen Elternteil und Kind auszugehen, ist eine Prognose anzustellen, mit welcher Trennungszeit bei Nachholung eines Visumverfahrens tatsächlich zu rechnen wäre. In die Prognose der Trennungszeit ist insbesondere einzubeziehen, wie lange ein Visumverfahren voraussichtlich dauern würde und welche Auswirkungen ein derartiger Auslandsaufenthalt des Ausländers für die Familie hätte (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 15/12 – juris). Diesbezüglich muss die Dauer des Visumverfahrens absehbar und insbesondere auch geklärt sein, ob die grundsätzliche Möglichkeit zum Familiennachzug besteht (vgl. BayVGH, U.v. 7.12.2021 – 10 BV 21.1821 – Rn. 40 m.w.N.; OVG SH, B.v. 3.1.2022 – 4 MB 68/21 – juris). Bei dieser Prognose ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neben „einfachrechtlichen Unsicherheiten“ (bezogen auf den in Betracht kommenden familiären Aufenthaltstitel) eine eventuell fehlende Mitwirkung des Betroffenen im Visumverfahren ebenso zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 52 ff.). Denn die tatsächliche Dauer des Visumverfahrens hängt entscheidend von der Mitwirkung des Ausländers ab. Eine fehlende Mitwirkung kann daher auch längere Wartezeiten rechtfertigen. Zudem würde es die Erkenntnisfähigkeit von Behörden und Gerichten überfordern, bei der Prognose über die Dauer des Visumverfahrens und der damit verbundenen Trennung des Ausländers von seinem in Deutschland aufenthaltsberechtigten Kind eine präzise Vorstellung davon zu entwickeln, mit welcher Trennungszeit tatsächlich im Falle der Duldungsversagung zu rechnen wäre, wenn der Ausländer nicht das in seiner Sphäre Liegende beiträgt, um das Verfahren zu betreiben und zu einem zeitnahen Abschluss zu bringen (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021, a.a.O. Rn. 59). Der Ausländer hat es in diesem Zusammenhang durch die Gestaltung seiner Ausreise auch selbst in der Hand, die für die Durchführung des Visumverfahrens erforderliche Dauer seiner Abwesenheit im Bundesgebiet möglichst kurz zu halten, indem er beispielsweise – unter Mitwirkung der zuständigen Ausländerbehörde – deren Vorabzustimmung nach § 31 Abs. 3 AufenthV einholt (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2018 – 10 CE 18.993 – juris Rn. 5). Im Rahmen der Prognose der voraussichtlichen tatsächlichen Trennungszeit ist darüber hinaus wegen des erforderlichen Antrags auf Erteilung eines Visums die Wartezeit auf einen Termin zur Antragstellung ebenso zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21- juris Rn.60) wie ein möglicherweise infolge der Abschiebung eintretendes Einreise- und Aufenthaltsverbot.
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Im Rahmen der Abwägungsentscheidung (ob eine vorübergehende Trennung in Anbetracht der prognostischen Trennungszeit zumutbar ist) ist zu berücksichtigen, dass die Regelungen in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 AufenthG dem Schutz wichtiger öffentlicher Interessen dienen. Die Pflicht zur Einreise mit dem erforderlichen Visum soll gewährleisten, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug vor der Einreise geprüft werden können, um die Zuwanderung von Personen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, von vornherein zu verhindern. Dabei dürfen auch generalpräventive Aspekte Berücksichtigung finden, damit das Visumverfahren seine Funktion als wichtiges Steuerungsinstrument der Zuwanderung wirksam erfüllen kann. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wirkt dem Anreiz entgegen, nach illegaler Einreise Bleibegründe zu schaffen mit der Folge, dieses Verhalten mit einem Verzicht auf das vom Ausland aus durchzuführende Visumverfahren zu honorieren. Die bewusste Umgehung des Visumverfahrens darf nicht folgenlos bleiben, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten. Ausnahmen von der Visumpflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sind daher prinzipiell eng auszulegen (BVerwG, U.v. 10.12.2014 – 1 C 15/14, U.v. 11.1.2011 – 1 C 23/09 – jeweils juris). Auch Ausländer, die als Asylbewerber eingereist sind und deren Asylantrag erfolglos geblieben ist, müssen einen asylunabhängigen Aufenthaltstitel im Sichtvermerkverfahren einholen, wenn sie nicht aus anderen Gründen davon befreit sind oder den Aufenthaltstitel ausnahmsweise nach der Einreise einholen dürfen (BVerwG, U.v. 3.6.1997 – 1 C 1/97 – NVWZ 1998, 187; Hailbronner, AuslR, Stand: 5/2021 § 5 AufenthG Rn. 53). Auch kann sich in der Abwägungsentscheidung zu Lasten des Ausländers auswirken, dass er Einfluss darauf hat, rechtzeitig einen Termin bei der Auslandsvertretung zu vereinbaren, die Vorabzustimmung zu erreichen und durch freiwillige Ausreise dem Einreise- und Aufenthaltsverbot zu entgehen bzw. auf dessen Verkürzung nach § 11 Abs. 4 AufenthG hinzuwirken (BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 61).
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Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, es komme ein Aufenthaltstitel aufgrund der Auffangnorm des § 36 Abs. 2 AufenthG in Betracht, es bestehe mithin die grundsätzliche Möglichkeit des Familiennachzugs. Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren dargelegt, das Verwaltungsgericht habe die Durchführung eines Visumverfahrens für einen Aufenthaltstitel (u.a. nach § 36 Abs. 2 AufenthG) im Hinblick auf Art. 6 GG für zumutbar gehalten. Er hat den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht widersprochen, so dass der Senat im hiesigen Eilverfahren zu Gunsten des Antragstellers zu Grunde legt, dass auch der Antragsgegner (ersichtlich wie das Verwaltungsgericht) vom (möglichen) Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG ausgeht, zumal das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines hinreichenden Maßes an wahrgenommener Elternverantwortung durch den Antragsteller bejaht, was der Antragsgegner (jedenfalls bezogen auf das hiesige Beschwerdeverfahren) nicht explizit in Abrede stellt.
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„Einfachrechtliche Unwägbarkeiten bzw. Unsicherheiten“ vermindern die Wahrscheinlichkeit, dass dem Antragsteller tatsächlich ein Visum nach § 36 Abs. 2 AufenthG erteilt werden wird, nicht entscheidend. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, soweit dem Antragsteller (wegen der Verwirklichung eines schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG) das Fehlen der negativen Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegengehalten werden könnte, könne davon ausgegangen werden, dass die deutsche Auslandsvertretung ihr nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eröffnetes Ermessen im Einklang mit den Grundrechten aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ausüben würde. Dem hat der Antragsteller nichts entgegengesetzt.
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Die konkrete Berechnung der prognostischen Dauer des Visumverfahrens des Antragstellers im Herkunftsland durch das Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nicht substantiiert angegriffen. Das Verwaltungsgericht geht – Unwägbarkeiten zugunsten des Antragstellers auslegend – von einer (mit der Trennungszeit übereinstimmenden) Dauer von einem Jahr und 5 Monaten aus, die es in Anbetracht der „völligen Weigerungshaltung des Antragstellers“ für zumutbar hält (beruhend auf der Auskunft der zuständigen Visastelle der Deutschen Botschaft Islamabad vom 7. Juni 2021 Bearbeitungszeit – einschließlich evtl. erforderlicher Urkundenüberprüfung – vier bis fünf Monate; beruhend auf den Internetangaben der deutschen Botschaft, https://pakistan.diplo.de/pk-de/service/-/2370756 Wartezeit bis Termineingang mindestens ein Jahr; der Senat geht davon aus, dass sich der Antragsteller nach einer Rückführung in seinem Interesse zeitnah um einen Termin bemüht). Zudem nimmt das Verwaltungsgericht eine Bearbeitungszeit von mindestens 12 Monaten (gemäß Internetangaben der deutschen Botschaft) in den Blick. Auch hierzu äußert sich der Antragsteller nicht. Selbst eine daraus ggf. resultierende Trennungszeit im Bereich von zwei Jahren erweist sich im vorliegenden Einzelfall im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK unter Berücksichtigung des Wohles der im Jahr 2016 geborenen Tochter als zumutbar. Unter Berücksichtigung des Alters der Tochter des Antragstellers (knapp 7 Jahre), die bereits damit umzugehen hatte, dass der Vater während ihrer besonders sensiblen Kleinkindphase drei Jahre abwesend war, und der Möglichkeit des Führens und der Aufrechterhaltung eines medialen Kontaktes zu ihr, ist in dieser Zeit nicht zu erwarten, dass die Tochter des Antragstellers diese Trennung nicht begreifen und als endgültigen Verlust erfahren könnte. Die Tochter kann vielmehr erfassen, dass es sich bei der Abwesenheit des Antragstellers zur Nachholung des Visumverfahrens um eine vorübergehende Abwesenheit handelt. Der Antragsteller ist seit Jahren vollziehbar ausreisepflichtig. Er hatte es bereits seit geraumer Zeit durch die Gestaltung seiner Ausreise selbst in der Hand, die für die Durchführung des Visumverfahrens erforderliche Dauer seiner Abwesenheit im Bundesgebiet möglichst kurz zu halten, indem er sich vorab für einen Termin für die Visumbeantragung hätte registrieren lassen sowie sich gegebenenfalls um eine Vorabzustimmung der zuständigen Ausländerbehörde nach § 31 Abs. 3 AufenthV hätte bemühen können. Soweit Trennungszeiten im Bereich von zwei Jahren nicht ausgeschlossen sind, ist zu berücksichtigen, dass zeitliche Verzögerungen maßgeblich aus der fehlenden Mitwirkung des Antragstellers und seinem Unterlassen, sich vorab aus dem Bundesgebiet um einen Termin bei der Deutschen Botschaft zu bemühen, resultieren.
24
Es liegt nahe, dass sich der Antragsteller durch die Mitwirkungsverweigerung erhofft, dass sich die Trennungszeit von seiner ungarischen Tochter verlängert, damit diese ggf. dann als unzumutbar eingestuft wird. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller etwa einen unersetzbar notwendigen Beitrag zur Bewältigung eines familiären Alltags leisten würde, auf den seine Tochter auch nicht temporär verzichten könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich; im Übrigen ist in den Blick zu nehmen, dass der mehrfach delinquente (u.a. vorsätzliche Körperverletzung sowie Betäubungsmittelkriminalität) Antragsteller schwerlich als erzieherisches Vorbild für die ungarische Tochter bezeichnet werden kann (zumal er über zwei weitere Kinder in Deutschland verfügt, inwieweit er mit diesen in Kontakt steht, kann offen bleiben, insoweit trägt der Antragsteller nichts vor).
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Es liegt mithin in der besonderen Verantwortung des Antragstellers, zusammen mit dem anderen Elternteil die ggf. aufgrund seiner Verweigerungshaltung längere Abwesenheit familien- und kindeswohlverträglich (so wie es grundsätzlich auch Eltern tun müssen, die eine berufsbedingte Trennung eines Elternteils vom Kind bewältigen müssen, wie z.B. Soldaten im Auslandseinsatz, Seeleute, Entwicklungshelfer) zu gestalten (vgl. Dietz, NVwZ-Extra 2022, 1 ff.). Wenn die durch die Nachholung des Visumverfahrens einhergehende Trennung des Antragstellers von seinem Kind einen längeren Zeitraum als die reine Bearbeitungszeit des Visumverfahrens beansprucht, so beruht dies (und eine dadurch etwaig eintretende bzw. stärkere Beeinträchtigung des Kindeswohls) vorliegend auf der eigenverantwortlichen Entscheidung des Antragstellers, zumutbare Mitwirkungshandlungen wie die online zu bewerkstelligende Registrierung bei der Deutschen Botschaft nicht zu erfüllen. Bei verweigerter Mitwirkung im Visumverfahren gebietet es Art. 6 Abs. 1 GG nicht, das öffentliche Interesse an der Einhaltung des Sichtvermerkverfahrens gänzlich zurückzustellen, da dies keinen schonenden Ausgleich der familiären Belange des Ausländers und der gegenläufigen öffentlichen Interessen mehr bedeuten würde (vgl. BayVGH, U.v. 7.12.2021 – 10 BV 21.1821 – juris Rn. 42; B.v. 30.7.2021 – 19 ZB 21.738 – juris).
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
27
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).