Titel:
Aufenthaltsrecht, Reiseausweis für Ausländer, Bemühungen um einen Nationalpass, finanzielle Möglichkeit der Beauftragung eines Vertrauensanwalts mit der Beschaffung einer Geburtsurkunde in Er.
Normenkette:
AufenthV § 5
Schlagworte:
Aufenthaltsrecht, Reiseausweis für Ausländer, Bemühungen um einen Nationalpass, finanzielle Möglichkeit der Beauftragung eines Vertrauensanwalts mit der Beschaffung einer Geburtsurkunde in Er.
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 11.08.2022 – M 27 K 18.5050
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6054
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Bevollmächtigten für das Rechtsmittelverfahren wird abgelehnt.
Gründe
1
Die Klägerin, eine eritreische Staatsangehörige, verfolgt mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung ihre in erster Instanz erfolglose Klage, die Beklagte zur Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer (§ 5 AufenthV) zu verpflichten, weiter.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerin im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 17; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Dies ist hier nicht der Fall.
4
Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass derzeit nicht angenommen werden könne, dass die Klägerin nicht auf zumutbare Weise einen eritreischen Nationalpass erlangen könne (§ 5 Abs. 1 AufenthV). Sie habe keine ausreichenden Bemühungen unternommen, um durch die Vorlage insbesondere einer Geburtsurkunde gegenüber der eritreischen Auslandsvertretung ihre eritreische Identität nachzuweisen und dadurch (erst) die Voraussetzungen zu schaffen, um einen Nationalpass zu erlangen. Sie habe nach ihrem eigenen Vorbringen bislang keinen Vertrauensanwalt in Er. beauftragt, eine solche Geburtsurkunde zu beschaffen und auch noch nicht einmal Erkundigungen über die Kosten einer solchen Beauftragung eingeholt. Es sei ihr auch zumutbar, ihren Lebensgefährten um Unterstützung auch finanzieller Art zu bitten.
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Die Klägerin trägt vor, sie habe keine Verwandten in Er., die für sie eine Geburtsurkunde beschaffen könnten. Es bestehe auch keine Möglichkeit, damit einen Rechtsanwalt in Er. zu beauftragen; sie beziehe, wie sie nachgewiesen habe, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Jobcenter. Sie könne auch nicht ihren Lebensgefährten um finanzielle Unterstützung bitten, weil sie nicht mit ihm zusammen wohne und mit ihm keine Bedarfsgemeinschaft bilde. Daher seien die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu ihren Möglichkeiten, sich durch Unterstützung von Familienangehörigen oder durch Beauftragung eines Vertrauensanwalts in Er. eine Geburtsurkunde beschaffen zu lassen, fernab jeglicher realistischen Umsetzungsmöglichkeit.
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Damit kann sie jedoch die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht mit Erfolg infrage stellen.
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Gemäß § 5 Abs. 1 AufenthV kann einem Ausländer, der keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, ein Reiseausweis ausgestellt werden. Im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Reiseausweises verbundenen Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates und die zu berücksichtigenden zwischenstaatlichen Belange, die als Bestandteil der öffentlichen Ordnung in dem vorgenannten Sinne anzusehen sind, ist der Ausländer grundsätzlich gehalten, sich bei den Behörden seines Herkunftsstaates um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen. Die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer kommt nur in Betracht, wenn solche Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind. Erfolglose Bemühungen um die Ausstellung eines Nationalpasses sind nur im Ausnahmefall entbehrlich, wobei der Ausländer die einen Ausnahmefall begründenden Umstände darzulegen hat (BVerwG, U.v. 11.10.2022 – 1 C 9.21 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 25.7.2022 – 10 C 22.906 – juris Rn. 3 m.w.N.).
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Im Fall der Klägerin hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass sie bisher keine ausreichenden Anstrengungen dargelegt hat, um einen Identitätsnachweis, insbesondere eine eritreische Geburtsurkunde, zu beschaffen, um damit erst mit Aussicht auf Erfolg einen Nationalpass beim eritreischen Generalkonsulat beantragen zu können. Die Klägerin bringt auch im Antrag auf Zulassung der Berufung lediglich pauschal vor, sie könne sich die Beauftragung eines Rechtsanwalts in Er. (gemäß der von der deutschen Botschaft in Asmara hierzu veröffentlichten Liste) nicht leisten, da sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Jobcenter beziehe. Bisher hat sie sich jedoch nicht einmal um eine Kontaktaufnahme zu einem derartigen Anwalt bemüht, um festzustellen, welche Kosten für eine derartige Beauftragung anfallen könnten. Sodann wäre zu prüfen, ob ihr eine Auftragserteilung finanziell möglich und zumutbar wäre, wobei auch zu klären wäre, ob sie hierfür – im Hinblick auf die ihr obliegende Passpflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG – Leistungen der sozialen Hilfe beantragen könnte. Weiter schließt der Umstand, dass sie mit ihrem Lebenspartner und Vater ihres Kindes nicht in einer Wohnung zusammenlebt, nicht aus, dass sie auch von diesem finanzielle Unterstützung erlangen könnte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren unter Beiordnung der Bevollmächtigten war abzulehnen, weil der Antrag auf Zulassung der Berufung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 Abs. Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).