Titel:
Erfolgreicher Normenkontrolleilantrag gegen Bebauungsplan - Festsetzung eines unzulässigen Summenpegels
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
BauNVO § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 2, Abs. 5, § 8 Abs. 2
BImschG § 50 S. 1
Leitsätze:
1. In einem nach § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauNVO intern durch Lärmemissionskontingente gegliederten Gewerbegebiet muss es ein Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung oder mit solchen Emissionskontingenten geben, die bei typisierender Betrachtung ausreichend hoch sind, um die nach § 8 Abs. 2 BauNVO zulässigen und nicht nach § 1 Abs. 5 BauNVO wirksam ausgeschlossenen Arten von Nutzungen zu verwirklichen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Summenpegel für mehrere Betriebe oder Anlagen ist unzulässig, weil mit ihm keine Nutzungsart, insbesondere nicht das Emissionsverhalten als „Eigenschaft“ von Anlagen und Betrieben iSd § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauNVO festgesetzt, sondern ein Immissionsgeschehen gekennzeichnet wird, das von unterschiedlichen Betrieben und Anlagen gemeinsam bestimmt wird und deshalb für das Emissionsverhalten einer bestimmten Anlage für sich genommen letztlich unbeachtlich ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. In einem unbeschränkten Gewerbegebiet muss auch der typische Nachtbetrieb eines dort zulässigen Gewerbetriebs möglich sein, ohne dass der Betrieb aufwändige Lärmschutzmaßnahmen ergreifen muss. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für eine gebietsübergreifende Gliederung gem. § 1 Abs. 4 S. 2 BauNVO muss die Gemeinde im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses tatsächlich über wenigstens ein weiteres Gewerbegebiet als Plangebiet verfügen, das entweder keine Emissionsbeschränkungen hat oder nur solche, die jeden nach § 8 BauNVO zulässigen Betrieb ermöglichen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine wirksame Gliederung nach § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauNVO setzt voraus, dass die Flächen, die mit Emissionskontingenten belegt sind, geeignet und dafür bestimmt sind, die zulässigen Nutzungen zu verwirklichen. Dabei darf die einzelne Fläche nicht zu klein sein, wenn es sich um die Fläche handelt, die jedes dort zulässige Gewerbe ermöglichen soll, sie darf aber auch nicht so groß sein, dass es sich mit dem zulässigen Emissionskontingent nicht um das Emissionsverhalten eines einzelnen Betriebs, sondern um einen unzulässigen Summenpegel handelt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erweiterung eines Gewerbegebiets, Festsetzung von Emissionskontingenten, Externe Gliederung, Unzulässiger Summenpegel, Normenkontrolleilantrag, Bebauungsplan, Abwägungsgebot, typischer Nachtbetrieb, Konfliktbewältigungsgebot, Trennungsgrundsatz
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6053
Tenor
I. Der Vollzug des zuletzt am 30. November 2022 bekannt gemachten Bebauungs- und Grünordnungsplan „L.weg II Erweiterung Nord“ wird vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Antragsteller wenden sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen den Bebauungsplan- und Grünordnungsplan „L.weg II Erweiterung Nord“, den die Antragsgegnerin zunächst am 27. Januar 2022 als Satzung beschlossen und am 22. Februar 2022 bekanntgemacht hat. Nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens erfolgte am 29. September 2022 erneut ein Satzungsbeschluss und der Bebauungsplan wurde zuletzt am 30. November 2022 rückwirkend zum 22. Februar 2022 in Kraft gesetzt.
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Mit dem ungefähr 4 ha großen Plangebiet wird das bestehende Gewerbegebiet „L.weg“ nach Norden erweitert. Unmittelbar südlich grenzt das Plangebiet „L.weg II“ an (qualifizierter Bebauungsplan in der letzten Fassung vom 17. September 2007); daran anschließend besteht ein einfacher Bebauungsplan für das „Gewerbegebiet L.weg/P.straße“ (Satzungsbeschluss vom 29.6.2017). Östlich des Plangebiets liegt getrennt durch die Bahnlinie Weilheim-Augsburg ein Wohngebiet; für den Großteil dieser Bebauung gilt der Bebauungsplan „K.straße“, der mit der 10. Änderung (Satzungsbeschluss vom 20.2.2018) dort ein allgemeines Wohngebiet vorsieht. Im Norden und Westen schließen landwirtschaftlich genutzte Flächen sowie auch Biotopflächen an. Der vorliegende Bebauungsplan unterteilt das Gebiet in ein Gewerbegebiet GE und ein eingeschränktes Gewerbegebiet GE/e; das Gewerbegebiet GE/e ist im Osten des Plangebiets festgesetzt. Für die Flächen im Gewerbegebiet werden Emissionskontingente LEK nach DIN 45691 von 62 dB(A)/47 dB(A) für den Tageszeitraum bzw. Nachzeitraum festgesetzt, für die Flächen im eingeschränkten Gewerbegebiet Emissionskontingente von 59 dB(A)/44 dB(A). In der Begründung des Bebauungsplans wird ausgeführt, dass mit dem intern gegliederten Baugebiet kein Teilgebiet bestehe, das jeden nach der Art der Nutzung zulässigen Gewerbetrieb ermögliche. Es erfolge daher eine plangebietsexterne Gliederung zu den unkontigentierten Gewerbegebieten „Gewerbegebiet T.“ sowie „Gewerbegebiet L.weg/P.straße“. Als Maß der Nutzung wird einheitlich eine Grundflächenzahl von 0,7 bestimmt (zulässige Überschreitung gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO bis zu einer GRZ von 0,8), die Wandhöhe darf maximal 7 m, die Firsthöhe 10,8 m betragen. Für die Wandhöhe wird ein unterer Bezugspunkt, für die Firsthöhe ein oberer Bezugspunkt festgesetzt. Zur Wohnbebauung ist ein begrünter Lärmschutzwall vorgesehen, im Norden und Westen sind Grün- und Pflanzstreifen als Ausgleichsflächen bestimmt. Im Westen des Plangebiets wird darüber hinausgehend eine Biotopfläche als Wasserfläche mit umgrenzender zu erhaltender Grünordnung festgesetzt.
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Die Antragsteller sind Miteigentümer einer Doppelhaushälfte auf dem Grundstück FlNr. …, das getrennt durch die Bahnlinie nordöstlich des Plangebiets liegt. Sie erhoben im Aufstellungsverfahren Einwendungen gegen die beabsichtigte Planung.
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Am 23. Februar 2022 stellten sie einen Normenkontrollantrag, den sie nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens hinsichtlich des neu bekannt gemachten Bebauungsplans aufrechterhielten. Weiter begehren sie im vorliegenden Verfahren,
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den Bebauungsplan „L.weg II Erweiterung Nord“, beschlossen am 27. Januar 2022, bekannt gemacht am 22. Februar 2022, in der Fassung, die der Bebauungsplan durch das ergänzende Verfahren erhalten hat, welches durch Beschluss vom 29. September 2022 abgeschlossen wurde, vorläufig außer Vollzug zu setzen.
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Sie machen unter Bezugnahme auf ihren Vortrag im Normenkontrollantrag geltend, dass sie mit ihrem Wohnhaus, deren Wohn- und Aufenthaltsräume in Richtung des geplanten Gewerbegebiets ausgerichtet seien, erheblichen Lärmbelästigungen ausgesetzt seien. Die erforderliche Rücksichtnahme auf ihre Belange habe nicht stattgefunden. Der Bebauungsplan sei auch nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens unwirksam. Er überplane im südwestlichen Bereich Flächen, die bereits im Bebauungsplan „L.weg II Erweiterung“ vorgesehen gewesen seien, und treffe hier teilweise abweichende Festsetzungen. Es bestehe der Rechtsschein zweier gültiger sich widersprechender Festsetzungen in zwei verschiedenen Bebauungsplänen. Weiter lägen Ermittlungs- und Bewertungsfehler gemäß § 2 Abs. 3 BauGB vor. So sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass sich aus der Darstellung der Flächen im Flächennutzungsplan keine Umsetzungspflicht ergebe. Ein weiterer Mangel liege darin, dass die Gewerbegebietsplanung einem reinen privaten Interesse entspringe. Damit fehle es bereits an der Erforderlichkeit der Bauleitplanung. Soweit die Begründung zum Bebauungsplan hinsichtlich des Bedarfs an Gewerbeflächen ergänzt worden sei, entspreche dies nicht den Tatsachen. Die Schutzwürdigkeit des benachbarten Wohngebiets sei verkannt worden. Es handle sich bei dem unmittelbar östlich angrenzenden Gebiet nicht um ein allgemeines Wohngebiet, wie es im Bebauungsplan festgesetzt worden sei, sondern um ein reines Wohngebiet. Der Konflikt Wohnen neben Gewerbe sei nicht ausreichend bewertet worden. Die Tatsache, dass die Gewerbebebauung etwas tiefer als die Wohnbebauung liege, führe aufgrund der festgesetzten Wand- und Firsthöhen nicht zu einer nennenswerten Abschirmung. Die nordöstlich gelegene Wohnbebauung könne von dem Lärmschutzwall nicht profitieren. Eine Erhebung der Lärmvorbelastung durch das bestehende Gewerbegebiet „L.weg II“ habe nicht stattgefunden, es sei zu Unrecht die Bagatellregelung der Nummer 3.2.1 TA Lärm angewendet worden. Der Bebauungsplan sei materiell rechtswidrig, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des Trennungsgebotes vor, der aus § 50 Satz 1 BImSchG abzuleiten sei. Die festgesetzten Emissionskontingente seien fehlerhaft. Der Bebauungsplan enthalte keine Regelungen, wie die Kontingente den Betrieben und Anlagen zugeordnet würden. Der Investor beabsichtige vier dreistöckige Hallen zu errichten, die er im Rahmen eines Gewerbeparks vermieten möchte. Ebenso möglich wäre allerdings auch eine Parzellierung und eine Weiterveräußerung der neu gebildeten Parzellen durch den Eigentümer. Es sei eine konkrete Zuordnung der Emissionskontingente zu bestimmten Grundstücksflächen erforderlich. Die neu vorgenommene externe Gliederung verstoße gegen die Baunutzungsverordnung. Sowohl das Plangebiet als auch das Ergänzungsgebiet müssten Gegenstand einer gliedernden Festsetzung sein. Dies sei bei den in Bezug genommenen einfachen Bebauungsplänen nicht der Fall. Das Planzeichen 15.6 der Planzeichenverordnung, das die Gebiete mit Emissionskontingenten darstellen solle, sei zu diesem Zweck nicht geeignet. Der textlichen Festsetzung zum Immissionsschutz C.13.2 fehle es an einer Rechtsgrundlage. Die Antragsgegnerin habe nicht in der Planurkunde auf die Möglichkeit der Einsichtnahme in DIN-Vorschriften hingewiesen. Durch die mehrfache Bekanntmachung werde das Gebot der Normenklarheit verletzt. Zudem werde in der letzten Bekanntmachung ein Satzungsbeschluss vom 7. Juni 2022 bekannt gemacht, der nicht existiere. Auch bestünden Zweifel, ob die vorgenommene Heilung von Fehlern ein rückwirkendes Inkraftsetzen der Satzung rechtfertigten. Es sei damit von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Erfolges in der Hauptsache auszugehen, so dass gemäß § 47 Abs. 6 VwGO der Vollzug des Bebauungsplans in seiner ergänzten Version auszusetzen sei. Das Verfahren sei auch in erheblicher Weise eilbedürftig.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Der Normenkontrollantrag sei bereits unzulässig, da die Antragsteller nicht antragsbefugt seien. Es fehle ein substantiierter Vortrag zu einer möglichen Rechtsverletzung. Im Übrigen sei der Normenkontrollantrag auch unbegründet. Mit dem ergänzenden Verfahren liege kein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB (mehr) vor. Es bestehe auch kein Bekanntmachungsfehler. In der Bekanntmachung vom 10. November 2022 sowie der erneuten Bekanntmachung vom 30. November 2022 sei darauf hingewiesen worden, dass die im Bebauungsplan genannten DIN-Vorschriften bei der Stadt eingesehen werden könnten. Formelle Fehler der Abwägung gemäß § 2 Abs. 3 BauGB lägen nicht vor. Entgegen den Ausführungen der Antragsteller habe sich der Stadtrat nicht an den Flächennutzungsplan gebunden gefühlt. Auch dürfe eine Bauleitplanung privaten Interessen dienen und durch private Interessenträger angestoßen sein. Die bauplanungsrechtliche Qualität der angrenzenden Wohnbebauung werde vorliegend durch den Bebauungsplan bestimmt, der ein allgemeines Wohngebiet festsetze. Sie habe sich mit möglichen Konflikten zwischen Wohnnutzung und hinzukommendem Gewerbegebiet auseinandergesetzt. In ihrer Abwägung sei sie zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der Topographie (die gewerblichen Grundstücke lägen tiefer als die Wohngrundstücke), des Bahndammes sowie des geplanten Walles und der Gliederung des Plangebiets in ein GE sowie GE/e ein Nebeneinander von Gewerbe und Wohnen möglich sei. Sie habe eine schalltechnische Untersuchung in Auftrag gegeben und dessen Ergebnisse, unabhängig von der Errichtung eines Walles, im Rahmen der Festsetzungen berücksichtig. Die Bezugspunkte für die festgesetzte Wandhöhe seien in dem geheilten Bebauungsplan widerspruchsfrei festgesetzt worden. Bei dem Bebauungsplan handle es sich um eine Erweiterung des bestehenden Gewerbegebiets und die Erweiterungsflächen gehörten zu den Betriebsflächen des südlich angrenzenden Gewerbebetriebs. Insofern hätten sich keine denkbaren vernünftigen Alternativen zur Ausweisung des Baugebiets an anderer Stelle angeboten. Die Emissionskontingente seien im Rahmen des ergänzenden Verfahrens wirksam festgesetzt worden, insbesondere sei die Gliederung zu den unkontingentierten Gewerbegebieten wirksam. Nicht beschränkten Gewerbegebieten sei gerade immanent, dass sie keine Festsetzungen zu den Eigenschaften von Betrieben und Anlagen treffen würden. Bei der Festsetzung der Emissionskontingente sei die Vorbelastung durch Betriebe/Anlagen mit dem 6 dB(A) Kriterium entsprechend Ziff. 3.2.1 TA Lärm angemessen berücksichtigt worden. Es bestehe keine Widersprüchlichkeit zwischen dem Bebauungsplan „L.weg II Erweiterung“ und dem vorliegenden Bebauungsplan. Der angefochtene Bebauungsplan ersetze vielmehr in diesem Teil die Festsetzungen dieses Bebauungsplans.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie im Normenkontrollverfahren und die vorlegten Aufstellungsvorgänge der Antragstellerin Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag hat Erfolg.
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1. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Wer sich als Eigentümer eines außerhalb des Bebauungsplangebiets gelegenen Grundstücks gegen einen Bebauungsplan wendet, muss aufzeigen, dass sein aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) folgendes Recht verletzt sein kann (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2013 – 4 BN 13.13 – ZfBR 2014, 159). Die Antragsbefugnis ist jedoch dann nicht gegeben, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, B.v. 28.10.2020 – 4 BN 44.20 – juris Rn. 7; B.v. 12.1.2016 – 4 BN 11.15 – ZfBR 2016, 263).
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Die Antragsteller haben hinreichend substantiiert geltend gemacht, dass ihre Belange als benachbarte Grundstückseigentümer nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Sie bezweifeln, dass die zu ihrem Schutz festgesetzten Emissionskontingente rechtswirksam sind. Zu den bei der Aufstellung eines Bebauungsplans für ein Gewerbegebiet im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigenden Belangen gehört auch das Interesse der Plannachbarn, vor den zu erwartenden Immissionen geschützt zu werden. Die Gliederung eines Gewerbegebiets mit Hilfe von Emissionskontingenten kann geeignet sein, den Konflikt zwischen gewerblicher Nutzung und schutzbedürftiger Wohnbebauung zu lösen. Dies setzt aber voraus, dass die festgesetzten Emissionskontingente den gesetzlichen Anforderungen genügen, insbesondere die Voraussetzungen für eine Gliederung des Gewerbegebiets nach § 1 Abs. 4 BauNVO vorliegen.
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2. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. § 47 Abs. 6 VwGO stellt an die Aussetzung einer Norm erheblich strengere Anforderungen als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (vgl. BVerwG, B.v. 18.5.1998 – 4 VR 2.98 – NVwZ 1998, 1065). Eine einstweilige Anordnung kann ergehen, wenn der Vollzug der Norm vor einer Entscheidung in der Hauptsache Auswirkungen befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragsteller, betroffener Dritter oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für die Antragsteller günstigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren geboten ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2022 – 1 NE 22.1687 – juris Rn. 11 m.w.N.). Dass der Normenkontrollantrag in der Hauptsache Erfolg haben wird, rechtfertigt noch nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO; hinzu kommen muss eine besondere Eilbedürftigkeit im Sinne eines Anordnungsgrundes (vgl. VGH BW, B.v. 13.5.2020 – 3 S 3137/19 – juris 2. Leitsatz). Diese kann etwa angenommen werden, wenn vollendete Tatsachen entstehen, die den von den Antragstellern nachgesuchten Rechtsschutz leerlaufen ließen (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2019 – 1 NE 18.2637 – juris Rn. 13).
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Nach diesen Maßgaben ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten. Die Antragsteller haben vorgetragen, dass ein Planvollzug unmittelbar bevorsteht und die Antragsgegnerin hat dies bestätigt. Der Normenkontrollantrag der Antragsteller ist nach Aktenlage auch begründet. Die Gliederung des Gewerbegebiets genügt nicht vollumfänglich den Anforderungen des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 BauNVO; so hat die Antragsgegnerin nicht ausreichend berücksichtigt, dass bei der Festsetzung von Emissionskontingenten ein Summenpegel für mehrere Betriebe oder Anlagen unzulässig ist (2.1.). Im Übrigen liegen die geltend gemachten Mängel nicht vor (2.2.)
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2.1. Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO können für das Gewerbegebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnisse und Eigenschaften gliedern. Das Emissionsverhalten eines Betriebes oder einer Anlage, ausgedrückt in einer Schallabstrahlung pro Quadratmeter stellt eine solche Eigenschaft dar, nach der das Gebiet gegliedert werden kann. Dem Tatbestandsmerkmal des Gliederns wird nur Rechnung getragen, wenn das Gebiet in einzelne Teilgebiete mit verschieden hohen Emissionskontingenten zerlegt wird. Es ist eine räumliche Zuteilung von Emissionsrechten möglich, nicht aber eine das gesamte Baugebiet erfassende Beschränkung. Dabei muss es in einem nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO intern durch Lärmemissionskontingente gegliederten Gewerbegebiet ein Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung oder mit solchen Emissionskontingenten geben, die bei typisierender Betrachtung ausreichend hoch sind, um die nach § 8 Abs. 2 BauNVO zulässigen und nicht nach § 1 Abs. 5 BauNVO wirksam ausgeschlossenen Arten von Nutzungen zu verwirklichen (BVerwG, U.v. 29.6.2021 – 4 CN 8.19 – BVerwGE 173, 75; U.v. 7.12.2017 – 4 CN 7.16 – BVerwGE 161, 53). Nach § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO können auch mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander nach den Eigenschaften der Betriebe gegliedert werden (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.2015 – 4 BN 26.14 – BauR 2015, 943). Die Festsetzung von Emissionskontingenten setzt allerdings voraus, dass die Emissionsgrenzwerte das Emissionsverhalten jedes einzelnen Betriebs und jeder einzelnen Anlage in dem Gebiet verbindlich regeln. Ein Summenpegel für mehrere Betriebe oder Anlagen ist unzulässig, weil mit ihm keine Nutzungsart, insbesondere nicht das Emissionsverhalten als „Eigenschaft“ von Anlagen und Betrieben im Sinn des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO festgesetzt, sondern ein Immissionsgeschehen gekennzeichnet wird, das von unterschiedlichen Betrieben und Anlagen gemeinsam bestimmt wird und deshalb für das Emissionsverhalten einer bestimmten Anlage für sich genommen letztlich unbeachtlich ist. Die durch § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO eröffnete Möglichkeit der Gliederung von Baugebieten folgt dem Gedanken der anlagen- und betriebsbezogenen Typisierung, der den Baugebietsvorschriften der §§ 2 bis 9 BauNVO insgesamt zugrunde liegt (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.2015 – 4 BN 26.14 – BauR 2015, 943; B.v. 2.10.2013 – 4 BN 10.13 – BauR 2014, 59).
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Diesen Anforderungen genügt der Bebauungsplan nur teilweise. Das Plangebiet ist vorliegend in ein Gewerbegebiet und ein eingeschränktes Gewerbegebiet unterteilt und für die Teilflächen werden unterschiedliche Emissionskontingente festgesetzt. Dabei versteht der Senat diese Unterteilung nicht als die Festsetzung unterschiedlicher Baugebiete, sondern als die Gliederung eines Baugebiets hinsichtlich der Verträglichkeit seiner Nutzungen. Nach der Begründung des Bebauungsplans (vgl. A.4) soll ein Gewerbegebiet gemäß § 1 Abs. 4 BauNVO in Teilgebiete gegliedert werden. Auf die Bezeichnung der Teilgebiete mit Nummern, Buchstaben oder wie vorliegend als GE bzw. GE/e kommt es nicht entscheidend an. Auch die zulässigen Nutzungsarten, die sich teilweise für die Gewerbegebietsflächen unterscheiden, können gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 und 8 BauNVO für Teile des Baugebiets unterschiedlich festgesetzt werden. Die Antragsgegnerin hat zutreffend erkannt, dass mit dieser internen Gliederung kein Teilgebiet vorliegt, das mit Emissionskontingenten belegt ist, das jeden dort zulässigen Betrieb ermöglicht. Zwar ist davon auszugehen, dass das Tagkontingent für die Teilfläche GE mit 62 dB(A) jeden dort zulässigen Gewerbebetrieb ermöglicht (Orientierung an Nr. 5.2.3 DIN 18005-1 vgl. BayVGH, U.v. 15.6.2021 – 15 N 20.1650 – juris Rn. 42). Das gilt aber nicht für das festgesetzte Nachtkontingent von 47 dB(A). Denn in einem unbeschränkten Gewerbegebiet muss auch der typische Nachtbetrieb eines dort zulässigen Gewerbetriebs möglich sein, ohne dass der Betrieb aufwändige Lärmschutzmaßnahmen ergreifen muss. Zu den Gewerbebetrieben, die nach § 8 BauNVO allgemein zulässig sind und auch auf der Teilfläche GE nicht ausgeschlossen sind, zählen auch solche, wie die Speditions- bzw. Logistikbetriebe und das produzierende und verarbeitende Gewerbe im Zweischichtbetrieb, die regelmäßig und typischerweise auch während der Nachtzeit Lärmemissionen verursachen (vgl. OVG NW, U.v. 17.8.2020 – 2 D 25/18.NE – BauR 2021, 494; U.v. 29.10.2018 – 10 A 1403/16 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 12.8.2019 – 9 N 17.1046 – juris Rn. 28). Die Antragsgegnerin hat daher im ergänzenden Verfahren das Gewerbegebiet extern gegliedert. Diese externe Gliederung ist nicht zu beanstanden. Soweit die Antragsteller meinen, dass eine externe Gliederung zu einem einfachen Bebauungsplan, mit dem die Art der Nutzung als Gewerbegebiet festgesetzt sei, nicht möglich sei, sondern sowohl das Plangebiet als auch das Ergänzungsgebiet Gegenstand einer gliedernden Festsetzung sein müsse, ist das nicht zutreffend. Für eine gebietsübergreifende Gliederung gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO muss die Gemeinde im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses tatsächlich über wenigstens ein weiteres Gewerbegebiet als Plangebiet verfügen, das entweder keine Emissionsbeschränkungen hat (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.2015 – 4 BN 26.14 – BauR 2015, 943) oder nur solche, die jeden nach § 8 BauNVO zulässigen Betrieb ermöglichen (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 – 4 CN 7.16 – BVerwGE 161, 53). Die 1. Alternative trifft auf die von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Bebauungsplangebiete „Gewerbegebiet T.“ sowie „Gewerbegebiet L.weg/P.straße“ zu. Sie hat auch nunmehr in der Begründung des Bebauungsplans dokumentiert, dass und wie sie von der Ermächtigung in § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 a.a.O.).
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Eine wirksame Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO setzt aber auch voraus, dass die Flächen, die mit Emissionskontingenten belegt sind, geeignet und dafür bestimmt sind, die zulässigen Nutzungen zu verwirklichen. Dabei darf die einzelne Fläche nicht zu klein sein, wenn es sich um die Fläche handelt, die jedes dort zulässige Gewerbe ermöglichen soll (vgl. BayVGH, U.v. 15.6.2021 – 15 N 20.1650 – juris Rn. 45; OVG Münster, U.v. 17.8.2020 – 2 D 25/18. NE – BauR 2021, 494), sie darf aber auch nicht so groß sein oder nach den Planvorstellungen der Gemeinde darauf angelegt sein, dass es sich mit dem zulässigen Emissionskontingent nicht um das Emissionsverhalten eines einzelnen Betriebs oder einer einzelnen betrieblichen Anlage, sondern um einen unzulässigen Summenpegel handelt. Unproblematisch ist dabei die kleine Gewerbefläche im südwestlichen Teil, die aus dem Bebauungsplan „L.weg II“ übernommen wurde. Auch die Teilfläche GE/e dürfte geeignet und bestimmt dazu sein, einen weniger lärmintensiven Betrieb als einen Betrieb bzw. eine betriebliche Anlage aufzunehmen. Dies kann aber nicht für die westlich anschließende große Teilfläche GE (in der schalltechnischen Untersuchung als GE 1 bezeichnet) angenommen werden, für die ein einheitliches Emissionskontingent festgesetzt wurde. Es handelt sich hier um eine 13.512,69 m² große Fläche innerhalb von ausgewiesenen Baugrenzen. Die Baugrenzen, die die Teilflächen von zwei Grundstücken umschließen, sind weit gezogen. Sie lassen jeweils nur schmale Grundstücksstreifen zu den Ausgleichsflächen im Westen und Norden sowie der Erschließungsfläche bzw. der Grenze des Plangebiets im Süden frei. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass auch eine große Grundstücksfläche mit einem einheitlichen Emissionskontingent belegt wird, wenn die Teilfläche nach den Planvorstellungen der Gemeinde, die sich auch in den zugelassenen Nutzungen konkretisiert haben, der Unterbringung eines großflächigen Gewerbebetriebes oder einer baulichen Anlage dienen soll. Dies kann nach den vorliegenden Unterlagen für die Teilfläche GE 1 aber nicht angenommen werden. Vielmehr dürfte die Antragsgegnerin von einem fehlerhaften Verständnis der festgesetzten Emissionskontingente ausgegangen sein. So hat sie zu dem Einwand im Aufstellungsverfahren, dass konkreter festgelegt werden müsse, welche Flächen welchen Lärm hervorrufen dürfen, in der Abwägungsentscheidung vom 20. Mai 2021 ausgeführt, dass im Planungsgebiet nur solche Gewerbebetriebe zugelassen seien, welche in Summe die festgesetzten Emissionswerte einhalten (Emissionskontingent); insoweit sei über die bestehenden Festsetzungen hinaus keine weitergehende Regelung zur flächenmäßigen Einteilung des Plangebiets geboten (vgl. Bl. 94 der Beschlussakte). Die Festsetzung von Emissionskontingenten ist aber nur zulässig, wenn diese das Emissionsverhalten jedes einzelnen von der Festsetzung betroffenen Betriebes und jeder einzelnen Anlage verbindlich regeln (vgl. BVerwG, B.v. 2.10.2013 – 4 BN 10.13 – BauR 2014, 59; OVG NRW, U.v. 30.1.2018 – 2 D 102/14.NE – juris Rn. 158). Soweit sich aus der Begründung des Bebauungsplans Anhaltspunkte zu der Anzahl der Gewerbebetriebe, die sich in dem neu ausgewiesenen Gewerbegebiet niederlassen sollen, entnehmen lassen, sind diese im Übrigen nicht eindeutig bzw. widersprüchlich. So wird auf Seite 1 der Begründung des Bebauungsplans zu der Erforderlichkeit der Ansiedlung neuer größerer Einzelbetriebe Stellung genommen, während auf Seite 12 im Umweltbericht ausgeführt wird, dass die Erweiterungsfläche zu den Betriebsflächen des südlich angrenzenden Gewerbebetriebes gehöre. Nach dem Vortrag der Antragsteller soll aber nicht der angrenzende Gewerbebetrieb erweitert werden, sondern der Eigentümer plane die Errichtung eines Gewerbeparks mit vier Gewerbehallen, die er vermieten wolle. Diesem Vortrag hat die Antragsgegnerin nicht widersprochen, entsprechende Planvorstellungen des Grundstückseigentümers waren nach den Aufstellungsunterlagen auch dem Stadtbauamt von Anfang an bekannt (vgl. Bl. 67 der Verfahrensakte) und wurden auch von mehreren Privatpersonen im Aufstellungsverfahren vorgetragen. Der Senat verkennt nicht, dass es für die Gemeinden schwierig ist, eine Emissionskontingentierung – gerade im Angebotsbebauungsplan – rechtskonform auszugestalten. Es ist aber Sache des Bundesgesetzgebers- und verordnungsgebers zu entscheiden, ob er praktische Schwierigkeiten zum Anlass nimmt, eine andere – großzügigere – Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung von Lärmemissionsbeschränkungen zu schaffen (vgl. BVerwG, U.v.18.2.2021 – 4 CN 5.19 – NVwZ 2021, 1141; BayVGH, U.v. 25.10.2022 – 15 N 22.861 – BayVBl 2023, 121). Einen konkreten Gesetzesvorschlag zur Kontingentierung von Lärmemissionen hat aktuell der Deutsche Anwaltsverein eingereicht. Die jedenfalls teilweise fehlende Regelung des Emissionsverhaltens von einzelnen Betrieben oder Anlagen berührt die Gesamtwirksamkeit des Bebauungsplans und führt zur vorläufigen Außervollzugsetzung des Bebauungsplans. Der darüber hinausgehenden Forderung der Antragsteller, dass die Emissionskontingente geschossweise zugeteilt werden müssten, hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 7. Dezember 2017 (4 CN 7.16 – BVerwGE 161, 53) eine Absage erteilt.
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Soweit vorgetragen wird, dass eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung zum Immissionsschutz in C.13.2 fehlt, ist dies zutreffend (vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2022 – 9 N 19.600 – juris Rn. 18). Dies führt vorliegend aber nur zur Unwirksamkeit dieser Festsetzung, da dem Konfliktbewältigungsgebot bzw. dem Anwohnerschutz bereits mit der Festsetzung von Emissionskontingenten genügt ist, die von dem jeweiligen Bauwerber zu beachten sind. Es empfiehlt sich, die Nachweispflicht bzw. -obliegenheit in die Hinweise aufzunehmen, wie dies in vergleichbaren Fällen auch geschieht. Soweit die Antragsteller die Verwendung des Planzeichens „Gebiete mit Emissionskontingent gemäß Festsetzung C.13.1.“ beanstanden, dürfte diesem ein Regelungsgehalt über die textlichen Festsetzungen hinaus fehlen. Aus der textlichen Festsetzung C.13.1 ergibt sich eindeutig, dass die zulässigen Emissionskontingente für die Flächen innerhalb der Baugrenzen bestimmt werden (vgl. auch Anlage 1 der schalltechnischen Untersuchung vom 7.7.2021). Dass das verwendete Planzeichen für andere Zwecke vorgesehen ist, dürfte nach § 2 Abs. 2 Satz 2 PlanZV unschädlich sein. Unabhängig von dieser vorläufigen Einschätzung wird angeregt, das Planzeichen bei einer erneuten Überarbeitung des Plans nicht mehr zu verwenden.
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2.2. Die weiter gerügten formellen und materiellen Fehler liegen nach summarischer Prüfung nicht vor. Die Ausführungen des Senats hierzu erfolgen in der gebotenen Kürze.
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2.2.1. So ist die Bekanntmachung des Bebauungsplans vom 30. November 2022 nicht zu beanstanden. Da in den textlichen Festsetzungen zum Bodenschutz und Niederschlagswasser sowie zum Immissionsschutz auf DIN-Vorschriften verwiesen wird, muss der Plangeber sicherstellen, dass die Planbetroffenen sich vom Inhalt der technischen Vorschriften verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis verschaffen können. Es genügt dabei nicht nur ein Hinweis in der Planurkunde, wie die Antragsteller meinen, sondern auch ein Hinweis in der ortsüblichen Bekanntmachung des Bebauungsplans, dass die in der Planurkunde in Bezug genommene DIN-Vorschriften bei der Verwaltungsstelle, bei der der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereit gehalten werden (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.2020 – 4 CN 5.18 – BVerwGE 169, 29). Soweit in der Bekanntmachung auf einen „Satzungsbeschluss vom 7.6.2022“ Bezug genommen wird, handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die die Wirksamkeit der Bekanntmachung des Bebauungsplans nicht berührt. Wie sich eindeutig aus dem vorhergehenden Absatz ergibt, erfolgte der Satzungsbeschluss im ergänzenden Verfahren in der Stadtratssitzung vom 29. September 2022. Das Datum „7.6.2022“ betrifft die Planfassung des Bebauungsplans und lässt sich ebenfalls klar aus dem vorhergehenden Absatz sowie dem nachfolgenden Satz ableiten. Fehler in der Auslegungsbekanntmachung werden nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens bereits nicht mehr gerügt.
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Im Wege des ergänzenden Verfahrens behebbar sind grundsätzlich alle beachtlichen Satzungsmängel. Ausgenommen sind nur Nachbesserungen, die geeignet sind, das planerische Gesamtkonzept in Frage zu stellen. § 214 Abs. 4 BauGB bietet keine Handhabe dafür, die Planung in ihren Grundsätzen zu modifizieren (vgl. BVerwG, B.v. 28.6.2021 – 4 BN 67.20 – juris Rn. 21; B.v. 15.5.2017 – 4 BN 6.17 – juris Rn.9). Dass diese Grenze mit dem durchgeführten ergänzenden Verfahren überschritten ist, ist nicht erkennbar. Das gilt zum einen für die pauschale Behauptung, dass die baugebietsübergreifende Gliederung von Gewerbegebieten nicht im ergänzenden Verfahren erfolgen könne (vgl. NdsOVG, U.v. 15.11.2018 – 1 KN 29/17 – NVwZ-RR 2019, 631). Soweit zum anderen auf die veränderte Höhenkote als unterer Messpunkt für die Wand- und Firsthöhe hingewiesen wird, hat die Antragsgegnerin zu Recht darauf hingewiesen, dass damit kein neuer Höhenbezugspunkt festgesetzt wurde, sondern nur die bestehende Diskrepanz zu der textlichen Festsetzung in C 2.2. bereinigt wurde.
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2.2.2. Der Bebauungsplan verstößt auch nicht gegen das Gebot der Erforderlichkeit der Bauleitplanung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Insbesondere hat sich die Antragsgegnerin bei der Aufstellung des Bebauungsplans nicht von unsachlichen Gesichtspunkten leiten lassen. Mit der Ausweisung der Gewerbefläche verfolgt sie städtebauliche Ziele gemäß § § 1 Abs. 6 Nr. 8a und c BauGB. Eine Planung, die durch hinreichende Gründe getragen ist, darf auch privaten Interessen dienen und durch private Interessenträger angestoßen sein (vgl. BVerwG, B.v. 30.12.2009 – 4 BN 13.09 – BauR 2010, 569; BayVerfGH, E.v. 18.2.2016 – Vf.5-VII-14 – VerfGHE BY 69, 52).
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Auch die Aufnahme eines Teilbereichs aus dem Bebauungsplan „L.weg II“ in die jetzige Planung ist nicht zu beanstanden. Die Gemeinde darf die Grenzen des Plangebiets nach ihrem planerischen Ermessen festsetzen und sich dabei auch von Zweckmäßigkeitserwägungen leiten lassen (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 – 4 BN 36.13 – BauR 2014, 57). Es besteht damit nicht der Rechtsschein zweier nebeneinander bestehender Regelungen. Wenn eine Gemeinde ihre frühere Bauleitplanung ändert, insbesondere einen Bebauungsplan oder einen Teilbereich davon durch einen neuen ersetzt, verliert der alte Bebauungsplan, auch wenn er nicht rechtsförmlich aufgehoben wurde, seine frühere rechtliche Wirkung, weil über § 10 BauGB der gewohnheitsrechtlich anerkannte Rechtssatz gilt, dass die spätere Norm die frühere verdrängt; unerheblich ist, ob ein gerade hierauf zielender Wille der Gemeinde besteht oder als bestehend zu unterstellen ist (vgl. BVerwG, B.v. 19.4.2010 – 4 VR 2.09 – juris Rn. 2; U.v. 10.8.1990 – 4 C 3.90 – BVerwGE 85, 289).
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2.2.3. Die gerügten Ermittlungsfehler (§ 2 Abs. 3 BauGB) und Abwägungsfehler (§ 1 Abs. 7 BauGB) bestehen nicht, insbesondere hat die Antragsgegnerin das östlich der Bahnlinie liegende Wohngebiet zutreffend als allgemeines Wohngebiet eingestuft. Da für dieses Wohngebiet ein Bebauungsplan besteht, ist die festgesetzte Art der Nutzung für die Schutzwürdigkeit der Bebauung maßgeblich. Mit der 10. Änderung des Bebauungsplans „K.straße“, die am 5. März 2018 bekannt gemacht wurde, wurde das Baugebiet als allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Dass die Planungsziele dieser erst kürzlichen Änderung nicht mehr erreichbar sind, ist nicht ansatzweise erkennbar. Im Übrigen könnte die Wohnbebauung auch ohne Bebauungsplan aufgrund der Randlage zum Außenbereich bzw. der Vorbelastung durch die schon bestehende gewerbliche Nutzung keinen höheren Schutzanspruch geltend machen. Die Antragsgegnerin hat auch die Vorbelastung durch die schon bestehenden Gewerbebetriebe bei der Bestimmung der Emissionskontingente sachgerecht berücksichtigt. Insoweit wird auf die Ausführungen in der schalltechnischen Stellungnahme vom 16. Februar 2023 Bezug genommen.
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Soweit geltend gemacht wird, dass die Planung unabhängig von der Festsetzung von Emissionskontingenten unter Berücksichtigung des Trennungsgrundsatzes des § 50 Satz 1 BImSchG nicht möglich sei, ist das nicht zutreffend. Im Rahmen der Abwägung hat die Gemeinde den Grundsatz des § 50 Satz 1 BImSchG zu berücksichtigen, wonach bei raumbedeutsamen Planungen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen sind, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete soweit wie möglich vermieden werden. Dabei umfasst der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen nicht nur Gefahren im sicherheitsrechtlichen Sinn, sondern auch erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft. Es handelt sich jedoch um kein zwingendes Gebot, sondern eine Abwägungsdirektive. Es sind Ausnahmen zulässig, wenn sichergestellt werden kann, dass von der projektierten Nutzung im Plangebiet nur unerhebliche Emissionen ausgehen und wenn im Einzelfall städtebauliche Gründe von besonderem Gewicht hinzutreten, die es rechtfertigen, eine planerische Vorsorge durch räumliche Trennung zurücktreten zu lassen. Bei der Planung eines neu anzulegenden, der Wohnbebauung benachbarten Gewerbegebietes hat die Gemeinde die besondere Schutzbedürftigkeit der Wohnbebauung in ihre Abwägung einzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 CN 3.11 – BVerwGE 143, 24; B.v. 7.7.2004 – 4 BN 16.04 – ZfBR 2005, 71). Nach diesen Grundsätzen kann der Trennungsgrundsatz mit der von der Antragsgegnerin beabsichtigten Planung eines „leisen“ Gewerbegebiets im Anschluss an das Wohngebiet überwunden werden. Dabei dürfte nicht zu beanstanden sein, dass nur die nächsten Anlieger mit zusätzlichen Lärmminderungsmaßnahmen, einem Lärmschutzwall, geschützt werden sollen. Bei der Abwägung konnte die Antragsgegnerin berücksichtigen, dass die Gebiete nicht unmittelbar nebeneinander liegen, sondern durch das Bahngleis getrennt sind und zu der gewerblichen Nutzung auch jenseits des Bahndammes noch ein bestimmter Abstand besteht. Weiter konnte sie in die Abwägung einstellen, dass es sich um die Erweiterung eines bestehenden Gewerbegebiets handelt. Soweit die Antragsteller die Erforderlichkeit der Ausweisung von weiteren Gewerbegebietsflächen mit der Aufzählung bestehender oder geplanter Gewerbegebiete bezweifeln, fehlt bereits ein substantiierter Vortrag.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 und 8 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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In entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO hat die Antragsgegnerin die Nummer I der Entscheidungsformel in derselben Weise zu veröffentlichen wie die streitgegenständliche Satzung.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.