Inhalt

VGH München, Beschluss v. 06.02.2023 – 9 ZB 22.75
Titel:

Baugenehmigung für Umnutzung von Kleiderfabrik zur Vergnügungsstätte

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3
BauGB § 1 Abs. 3, § 34
Leitsatz:
Für einen Bebauungsplan, der der rechtssicheren Zuordnung eines Vorhabengrundstücks zu einer konkreten baulichen Nutzungsart dient, besteht ein Regelungsbedürfnis; er schafft eine Grundlage für eine geordnete städtebauliche (Fort-)Entwicklung. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baugenehmigung für (kerngebietstypische) Vergnügungsstätte, Nutzungsänderung einer ehemaligen Kleiderfabrik in Spielhalle und Schankwirtschaft, Inzidentprüfung eines Bebauungsplans, Bauleitplanung anlässlich eines Bauantrags, (keine) Verhinderungsplanung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 07.09.2021 – W 4 K 20.727
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6052

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 95.220,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Umnutzung einer Kleiderfabrik in eine Vergnügungsstätte mit Spielhalle und Schankwirtschaft (Spielhalle mit 158,70 qm und 12 Geldspielgeräten), die ihm mit Bescheid des Beklagten vom 3. April 2020 versagt wurde. Die Beigeladene hat ihr Einvernehmen mit dem geplanten Vorhaben verweigert, für den betroffenen Bereich einen Bebauungsplan aufgestellt und eine entsprechende Veränderungssperre erlassen. Der mittlerweile in Kraft getretene Bebauungsplan, der sich im Wesentlichen auf das Vorhabengrundstück bezieht, sieht dort hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet (WA) vor.
2
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung mit der Begründung abgewiesen, das Vorhaben sei nach den Festsetzungen des inzident zu prüfenden und für wirksam zu erachtenden Bebauungsplans nicht genehmigungsfähig; eine mit § 1 Abs. 3 BauGB unvereinbare Verhinderungsplanung sei nicht gegeben. Selbst bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans sei das Vorhaben nicht genehmigungsfähig, da aufgrund der trennenden Wirkung der O. Straße/B 426 der Bereich westlich der O. Straße/B 426 nicht mehr in die nähere Umgebung einzubeziehen sei, der Bereich östlich der O. Straße/B 426 ganz überwiegend durch Wohnbebauung geprägt sei und einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet entspreche. Aber auch bei Annahme einer verbindenden Wirkung der O. Straße/B 426 und eines faktischen Mischgebiets wäre das Vorhaben nicht genehmigungsfähig, da es sich um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte handle und selbst als nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte nur in den Teilen des Gebiets zulässig wäre, die überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägt sind, was vorliegend nicht der Fall sei.
3
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils sowie den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geltend. Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil; die Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert.
4
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
5
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
6
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund des von ihm durchgeführten Augenscheins davon ausgegangen, das klägerische Vorhaben sei nicht genehmigungsfähig, weil es weder den Vorgaben des ordnungsgemäßen und mittlerweile einschlägigen Bebauungsplans entspreche, noch sich gemäß § 34 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung, bei der es sich um ein allgemeines Wohngebiet handle, einfüge und im Übrigen als (nicht) kerngebietstypische Vergnügungsstätte selbst in einem Mischgebiet unzulässig wäre.
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Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen deshalb zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen Folgendes zu bemerken:
8
Der im Zulassungsverfahren wiederholte Einwand des Klägers, der aufgestellte Bebauungsplan diene ausschließlich dazu, das von ihm geplante Vorhaben zu verhindern und erschöpfe sich darin, die bislang illegale Wohnnutzung der vorhandenen, ursprünglich gewerblich genutzten Gebäude zu legalisieren und sei deshalb mit § 1 Abs. 3 BauGB unvereinbar, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. In diesem Zusammenhang hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Bebauungsplan der rechtssicheren Zuordnung des Vorhabengrundstücks zu einer konkreten baulichen Nutzungsart dient, dass insoweit ein Regelungsbedürfnis besteht und die Grundlage für eine geordnete städtebauliche (Fort-)Entwicklung geschaffen wird (UA S. 9). Diese Einschätzung teilt der erkennende Senat.
9
Soweit der Kläger darüber hinaus der Auffassung ist, der O. Straße komme tatsächlich keine trennende Wirkung zu, mit der Folge, dass sein Grundstück entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts nicht in einem allgemeinen Wohngebiet, sondern in einem Mischgebiet liege, in welchem das geplante Vorhaben genehmigungsfähig sei, verhilft dies seinem Zulassungsbegehren ebenfalls nicht zum Erfolg. Dieser Vortrag überzeugt schon deshalb nicht, weil das Verwaltungsgericht außerdem – selbstständig tragend – festgestellt hat, das klägerische Vorhaben sei unabhängig von seiner möglichen Einordnung als nicht kerngebietstypische oder als kerngebietstypische Vergnügungsstätte aufgrund seiner Lage auch in einem Mischgebiet unzulässig (UA S. 12 f.). Hierzu verhält sich das Zulassungsvorbringen nicht.
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Und schließlich dringt der Kläger auch mit seiner Einlassung, die Grundfläche der geplanten Spielhalle und Schankwirtschaft auf unter 100 qm reduzieren zu wollen, nicht durch. Denn Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die beantragte Baugenehmigung, nicht jedoch ein von ihr abweichendes Vorhaben.
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2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
12
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 4.8.2017 – 6 B 34.17 – juris Rn. 3 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (stRspr., vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72). Die Rechtssache weist keine grundsätzliche Bedeutung auf, wenn sich die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 1.4.2014 – 1 B 1.14 – juris Rn. 2; B.v. 19.1.2022 – 1 B 83.21 – juris Rn. 21 m.w.N.).
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Der Kläger meint, „wenn die Kammer im vorliegenden Fall das Vorliegen einer Negativ- oder Verhinderungsplanung ausschließt, stellt sich die Frage, wann eine solche noch angenommen werden kann“. Damit ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Denn die ersichtlich auf das individuelle Vorbringen des Klägers zugeschnittene Frage ist weder entscheidungserheblich, noch lässt sie sich unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls und damit fallübergreifend beantworten.
14
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da sich die Beigeladene im Zulassungsverfahren nicht durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigen hat vertreten lassen und keine rechtlichen Ausführungen gemacht hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO)