Titel:
Betreuungsrecht: fehlende Beteiligtenstellung und fehlende Beschwerdeberechtigung eines Pfändungsgläubigers des unter Betreuung stehen-den Pfändungsschuldners im betreuungsrechtlichen Genehmigungsverfahren für erbrechtliche Rechtsgeschäfte - hier Erbauseinandersetzungsvertrag
Normenketten:
BGB § 1851 Nr. 1
BGB § 1822 Nr. 2, § 19081 Abs. 1 S. 1 (idF bis zum 31.12.2022)
FamFG § 7 Abs. 2 Nr. 1, § 59 Abs. 1, § 274, § 303
Leitsätze:
1. Der Pfändungsgläubiger an einem Miterbenanteil eines Betreuten ist am betreuungsrechtlichen Genehmigungsverfahren in Ansehung eines Erbauseinandersetzungsvertrag weder nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG noch nach § 274 Abs. 1 bis 4 FamFG zu beteiligen. (Rn. 13 und 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Er ist in Ansehung des Genehmigungsverfahrens auch nicht beschwerdeberechtigt, weder nach § 59 Abs. 1 FamFG noch nach § 303 FamFG. (Rn. 13 und 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Genehmigungserfordernis der § 1908i Abs. 1 S. 1, § 1822 Nr. 2 BGB aF, jetzt § 1851 Nr. 1 BGB, hat keine drittschützende Wirkung. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es soll einem Pfandgläubiger daher keine zusätzlichen Rechte verschaffen, und mögliche Beeinträchtigungen seines Pfandrechts an einem Erbteil durch Abschluss eines Erbauseinandersetzungsvertrages hat der Pfändungsgläubiger daher - wie bei fehlender Betreuung des Pfändungsschuldners - zivilrechtlich außerhalb eines betreuungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens abzuwehren. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betreuungsrecht, Miterbenanteil, Erbauseinandersetzungsvertrag, Genehmigungserfordernis, Pfändungsgläubiger, drittschützende Wirkung, Genehmigungsverfahren, Beteiligtenstellung, Beschwerdeberechtigung, Rechtsbeeinträchtigung
Vorinstanz:
AG Ebersberg, Beschluss vom 13.10.2022 – XVII 277/21
Fundstellen:
FamRZ 2023, 1226
BtPrax 2023, 75
RPfleger 2023, 282
BeckRS 2023, 604
ZEV 2023, 663
LSK 2023, 604
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ebersberg vom 13.10.2022, Az. XVII 277/21, wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
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1. Mit Beschluss vom 23.12.2021 ordnete das AG Ebersberg als Betreuungsgericht die vorläufige Betreuung von Frau ... (Betreute) an und bestellte Frau .... zur Betreuerin. Mit Beschluss vom 16.05.2022 (Bl. 315/318 d.A.) ordnete das Betreuungsgericht endgültig eine Betreuung an. Die Überprüfungsfrist wurde auf den 15.05.2024 bestimmt. Zur Betreuerin blieb Frau .... bestellt. Die Betreuung umfasst unter anderem die Aufgabenbereiche Vermögenssorge und außergerichtliche und gerichtliche Vertretung in Rechtsangelegenheiten.
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2. Die Betreute hat einen Bruder, Herrn .... Sie und ihr Bruder beerbten ihren gemeinsamen, am ....2005 verstorbenen Vater zu je 1/4. Weitere Miterbin des Vaters zu 1/2 war die gemeinsame Mutter. Der Nachlass wurde unter den Beteiligten mit Ausnahme eines hälftigen Miteigentumsanteils des Erblassers an dem Grundstück ... in P. auseinandergesetzt.
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Die Mutter ist zwischenzeitlich verstorben und wurde von dem Bruder der Betreuten allein beerbt. Die danach zwischen der Betreuten mit einem Anteil von 1/4 und ihrem Bruder mit einem Anteil von 3/4 bestehende Erbengemeinschaft besteht im Hinblick auf die noch nicht abgeschlossene Auseinandersetzung bezüglich des genannten Immobilieneigentums fort.
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Der andere hälftige Miteigentumsanteil am Grundstück ... in P. gehörte der Mutter. Nach deren Tod ging dieser Miteigentumsanteil durch Erbfolge auf den Bruder der Betreuten über. Infolgedessen standen der Betreuten 1/8 Miteigentumsanteil (in ungeteilter Erbengemeinschaft) am genannten Grundstück zu und dem Bruder 7/8 (davon 3/8 in ungeteilter Erbengemeinschaft).
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Zum Zwecke der Auseinandersetzung der Miteigentümergemeinschaft wurde vor dem AG Weilheim ein Teilungsversteigerungsverfahren geführt (Aktz.: 2 K 49/12). In diesem Teilungsverfahren wurde am 21.11.2018 Zuschlag an die Meistbietenden erteilt. Mit Beschluss vom 30.06.2021 stellte das AG Weilheim den Teilungsplan fest und ordnete an, dass der den bisherigen Miteigentümern zustehende Übererlös in Höhe von 774.829,82 € bei der Hinterlegungsstelle des AG Weilheim zu hinterlegen ist. Der Betrag wurde zur Hinterlegung an die Hinterlegungsstelle des AG Weilheim ausgezahlt (Hinterlegungssache Aktz.: 49 HL 13/19).
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Durch die ... wurde vor dem Hintergrund der Ablösung von Hypotheken an dem genannten Grundstück zugunsten der Erbengemeinschaft ein weiterer Betrag von 117.597,14 € bei der Hinterlegungsstelle des AG Weilheim hinterlegt (Aktz.: 49 HL 58/21).
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Von der Hinterlegungssumme von insgesamt 892.426,96 € gehört die Hälfte zum ungeteilten Nachlass des Vaters. Die andere Hälfte, mithin ein Betrag in Höhe von 446.213,48 €, steht dem Bruder der Betreuten zu. Von dem zum Nachlass gehörenden Betrag von 446.213,48 € stehen der Betreuten 1/4 zu, mithin ein Betrag in Höhe von 111.553,37 €, und ihrem Bruder 3/4, mithin ein Betrag von 334.660,11 €.
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3. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 13.08.2018 pfändete Herr ... aufgrund einer durch Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München II vom 18.07.2018 zu seinen Gunsten gegenüber der Betreuten titulierten Forderung in Höhe von 8.485,50 € zuzüglich Zinsen den Miterbenanteil der Betreuten an der noch nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft der Betreuten mit ihrem Bruder (vgl. PfÜB und Zustellungsnachweise in Anlage zu Bl. 426 d.A.). Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde an die Miterben zugestellt.
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4. Mit Schreiben vom 16.03.2022 (Bl. 229/230 d.A. nebst Vertragsentwurf in Anlage) beantragte die Betreuerin die Genehmigung eines Erbauseinandersetzungsvertrages zum Zwecke der Auseinandersetzung der zwischen der Betreuten und ihrem Bruder bestehenden Erbengemeinschaft, welcher zuvor mit den anwaltlichen Vertretern des Bruders ausgehandelt worden war. Mit Beschluss vom 29.04.2022 bestellte das Betreuungsgericht Herrn ... für dieses Genehmigungsverfahren als Verfahrenspfleger. Der Verfahrenspfleger nahm mit Schriftsatz vom 08.06.2022 (Bl. 332/333 d.A.) dahingehend Stellung, dass der vorgelegte Erbauseinandersetzungsvertrag nicht genehmigungsfähig sei.
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Der Auseinandersetzungsvertrag wurde daraufhin überarbeitet. Mit Schreiben vom 25.07.2022 (Bl., 358 d.A. nebst Vertragsentwurf in Anlage) legte die Betreuerin den nach Überarbeitung neu gefassten Erbauseinandersetzungsvertrag vor. Der Verfahrenspfleger erklärte mit Schreiben vom 10.08.2022 (Bl. 387 d.A.), dass der neu gefasste Auseinandersetzungsvertrag aus seiner Sicht genehmigungsfähig sei. Der Bruder der Betreuten unterzeichnete den neu gefassten Erbauseinandersetzungsvertrag am 30.09.2022. Mit Schreiben vom 07.10.2022 (Bl. 393 d.A.) beantragte die Betreuerin die Genehmigung dieses Vertrages.
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Mit hier angefochtenem Beschluss vom 13.10.2022 (Bl. 396/397 d.A.) erteilte das Betreuungsgericht die Genehmigung zu diesem Erbauseinandersetzungsvertrag. Der Beschluss wurde der Betreuten am 19.10.2022 zugestellt.
12
Mit Schreiben vom 30.11.2022 (Anlage zu Bl. 422 d.A.), bei dem Betreuungsgericht eingegangen am 01.12.2022, erhob Herr ... gegen den Beschluss vom 13.10.2022, welcher das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 05.12.2022 (Anlage zu Bl. 422 d. A.) nicht abhalf. Mit Schreiben vom 08.12.2022 (Bl. 423 nebst Anlagen) trug Herr ... weiter zu seiner Beschwerde vor.
13
Die Beschwerde ist nicht zulässig. Der Beschwerdeführer ist nicht Beteiligter des betreuungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Ihm fehlt daher eine Beschwerdeberechtigung im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG. Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen (vgl. Obermann, in BeckOK FamFG, 44. Edition, Stand 01.10.2022, § 59 Rn. 3).
14
Die Beschwerdeberechtigung setzt voraus, dass der Beschwerdeführer durch eine Entscheidung unmittelbar in einem ihm aufgrund Gesetzes zustehenden subjektiven Recht beeinträchtigt ist. Dass rechtliche oder wirtschaftliche Interessen des Beschwerdeführers lediglich berührt werden, ist demgegenüber nicht ausreichend (vgl. Obermann, in BeckOK FamFG, 44. Edition, Stand 01.10.2022, § 59 Rn. 9 ff. m.w.N.).
15
Das Genehmigungserfordernis der §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1822 Nr. 2 BGB (in der bis 31.12.2022 geltenden Fassung, jetzt § 1851 Nr. 1 BGB) dient dem Schutz der Betreuten im Hinblick darauf, dass der Abschluss eines Erbauseinandersetzungsvertrages regelmäßig erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat und mit finanziellen Risiken verbunden sein kann. Es sollen die Rechte und Interessen der Betreuten unter Berücksichtigung ihres Wohlergehens gewahrt werden (vgl. Schneider, MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 1908i Rn. 22 m.w.N.; Kroll-Ludwigs, in MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 1822 Rn. 1, 10).
16
Das Verfahren dient demgegenüber nicht den rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen dritter, außerhalb des Betreuungsverfahrens stehender Personen. Der Beschwerdeführer wird daher durch den Genehmigungsbeschluss nicht unmittelbar in eigenen Rechten beeinträchtigt. Dies wird anhand der Überlegung deutlich, dass ein Pfändungsgläubiger eines Erbteils, dessen Pfandrecht durch den Abschluss eines Erbauseinandersetzungsvertrages beeinträchtigt wird, bei dem die Vertragsschließenden nicht unter Betreuung stehen, gegen die Beteiligten lediglich zivilrechtlich, nötigenfalls durch Klage vorgehen kann. Das betreuungsrechtliche Genehmigungsverfahren dient nicht dazu, einem Pfandgläubiger zusätzliche Rechte zu verschaffen.
17
Der Beschwerdeführer gehört nicht zu den nach § 274 Abs. 1 bis 4 FamFG am Betreuungsverfahren zu beteiligenden Personen. Er ist auch nicht nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zu beteiligen, da er aus den genannten Gründen durch das Genehmigungsverfahren nicht unmittelbar in eigenen Rechten betroffen wird. Ihm steht auch ein Beschwerderecht nach § 303 Abs. 1 bis 4 FamFG nicht zu.
18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
19
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 1 und 2 FamFG) liegen nicht vor.