Inhalt

VGH München, Urteil v. 13.03.2023 – 3 B 22.690, 3 B 22.692, 3 B 22.693, 3 B 22.694
Titel:

Anrechnung von Mehrleistungen auf eine Unfallrente

Normenketten:
BayBeamtVG Art. 85 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 Hs. 1
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 13a, § 63, § 94
BayVwVfG Art. 48
Satzung der Unfallkasse Baden-Württemberg § 19
Leitsatz:
Mehrleistungen nach § 94 SGB VII stellen eine auf die Beamtenversorgung gemäß Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Halbs. 1 BayBeamtVG anzurechnende Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung dar. (Rn. 19)
Schlagworte:
Hinterbliebenenversorgung, Anrechnung von Mehrleistungen, Anrechnung, Mehrleistungen, Unfallrente, Rücknahme
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 08.12.2020 – W 1 K 20.770
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6044

Tenor

I. Die Berufungen werden zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten der Berufungsverfahren.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten im vorliegenden Berufungsverfahren über die Rechtsfrage, ob Mehrleistungen eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 94 SGB VII gemäß Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Halbs. 1 BayBeamtVG auf eine Hinterbliebenenversorgung anzurechnen sind.
2
Der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der 2004, 2006 und 2010 geborenen Kläger zu 2 bis 4 stand bis zu seinem Unfalltod als Universitätsprofessor (Besoldungsgruppe C 4) im Dienst des Beklagten. Am ... 2013 hatte er seine drei minderjährigen Kinder und seine Ehefrau bei einem Gondelunfall auf dem C. G. in V. aus tödlicher Gefahr gerettet, musste diese Rettungsaktion aber selbst mit seinem Leben bezahlen. Das Landesamt für Finanzen (Landesamt) setzte mit Bescheiden vom 12. November 2013 (Klägerin zu 1) bzw. 1. April 2014 (Kläger zu 2 bis 4) erstmals den Anspruch der Kläger auf Hinterbliebenenversorgung nach dem Bayerischen Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG) ab dem 1. September 2013 auf monatlich 2.839,90 Euro brutto (Klägerin zu 1) bzw. jeweils 480,35 Euro brutto (Kläger zu 2 bis 4) fest. Mit Bescheiden vom 18. April 2018 gewährte die Unfallkasse Baden-Württemberg (nachfolgend: UKBW) der Klägerin zu 1 eine Witwenrente (mtl. zunächst 677,80 Euro) und den Klägern zu 2 bis 4 eine Halbwaisenrente (mtl. zunächst 147,87 Euro), weil ihr Ehemann bzw. Vater an den Folgen eines Versicherungsfalles im Sinne des § 63 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) verstorben war. Zuzüglich wurde der Klägerin zu 1 eine Mehrleistung zur Witwenrente in Höhe von einem Zehntel des hier maßgeblichen (Höchst) Jahresarbeitsverdienstes (mtl. zunächst 600,00 Euro) und den Klägern zu 2 bis 4 jeweils eine Mehrleistung zur Halbwaisenrente in Höhe von einem Zwanzigstel des hier maßgeblichen (Höchst) Jahresarbeitsverdienstes (mtl. zunächst 300 Euro) deshalb gewährt, weil der verstorbene Ehemann bzw. Vater bei einer Hilfeleistung im Sinne des § 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII verunfallt war (§ 19 der UKBW-Satzung i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4a des Anhangs zu § 19 der Satzung der UKBW vom 8.7.2013 im Internet abrufbar unter www.ukbw.de/informationen-service/bekanntmachungen/).
3
Das Landesamt setzte daraufhin mit Bescheiden vom 6. September 2018 den Anspruch der Kläger auf Hinterbliebenenversorgung ab dem 1. September 2013 auf monatlich 2.311,04 Euro brutto (Klägerin zu 1) bzw. jeweils 358,74 Euro brutto (Kläger zu 2 bis 4) fest (vgl. im Einzelnen jeweils Anlage E des jeweiligen Bescheides).
4
Mit den Bescheiden vom 6. September 2019 nahm das Landesamt die Bescheide vom 6. September 2018 mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und setzte die ab dem 1. September 2013 zustehenden Versorgungsbezüge auf 1.711,04 Euro (Klägerin zu 1) bzw. jeweils 58,74 Euro (Kläger zu 2 bis 4) neu fest, wobei nunmehr auch die Mehrleistungen zur Witwen- (mtl. zunächst 600 Euro) bzw. Halbwaisenrente (mtl. zunächst 300 Euro) berücksichtigt worden sind. Hiergegen erhoben die Kläger jeweils Widersprüche, die mit Widerspruchsbescheiden vom 5. Mai 2020 zurückgewiesen wurden.
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Die von den Klägern jeweils am 10. Juni 2020 erhobenen Anfechtungsklagen wies das Verwaltungsgericht Würzburg ab.
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Hiergegen richten sich die vom Senat zugelassenen Berufungen der Kläger. Sie tragen im Wesentlichen vor, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Ansicht auf einer formalen Ebene stehenbleibe, ohne dem hinter der Mehrleistung der gesetzlichen Unfallrente stehenden Aufopferungsgedanken gerecht zu werden. Es verkenne, dass auf diese Art und Weise die mit der Mehrleistung allein im Interesse des Gemeinwohls prämierte besondere Opferleistung für keinen mehr sichtbar bleibe, außer für den Dienstherrn, dem die sozialpolitisch wünschenswerte Prämierung aus einer gesetzlichen Unfallkasse (hier zudem eines anderen Bundeslandes) durch eine Anrechnung in den eigenen Haushalt zufließe. Letztlich profitiere nur der Beklagte finanziell davon, dass sich der Versorgungsurheber in eine für ihn tödliche Situation begeben habe. Das könne schlechterdings nicht das Ziel einer Aufopferungsrente aus der gesetzlichen Unfallkasse sein. Dies führe letztlich auch dazu, dass einem (bayerischen) Beamten nie geraten werden könne, sich in eine Aufopferungssituation zu begeben. Angesichts dessen könne die vom Verwaltungsgericht besonders hervorgehobene Lohnersatzfunktion keine Rolle spielen; sie trete hinter dem Aufopferungsgedanken vollkommen zurück. Auch das Argument, dass die beiden Systeme in sich geschlossen seien, überzeuge vor dem Hintergrund nicht. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass der bayerische Gesetzgeber die Regelung in § 94 Abs. 3 SGB VII, wonach Mehrleistungen auf Geldleistungen, deren Höhe vom Einkommen abhängt, nicht angerechnet werden, in sein Anrechnungssystem übernommen hätte, hätte er die enorme sozialpolitische Bedeutung der Regelung erkannt. Er habe sie aber schlicht übersehen. Die Regelung sei daher auch für das bayerische Beamtenversorgungsrecht über einen Analogieschluss im Sinne der Kläger fruchtbar zu machen. Zwar habe der Bundesgesetzgeber die Mehrleistungen nicht ausdrücklich vorgegeben, er habe aber mit § 94 SGB VII eine Grundlage dafür geschaffen, dass Unfallkassen Aufopferungstaten als Mehrleistungen honorieren könnten. Soweit ersichtlich würden alle Unfallkassen der verschiedenen Bundesländer eine entsprechende Aufopferungsleistung honorieren. Mit § 94 SGB VII habe der Bundesgesetzgeber eine Regelung verabschiedet, die als solche schon in § 765 RVO enthalten gewesen sei. Der Hintergrund und damit der Sinn und Zweck des § 765 RVO sei aber letztlich die Honorierung des nicht selbstverständlichen Einsatzes der Ehrenamtlichen und jener, die sich in besonderem Maße für die Allgemeinheit aufopferten. Dass die Honorierung in Geld immer auch Lohnersatz sei, solle nicht in Abrede gestellt werden. Die ihr zugesagte Funktion sei aber nicht der Lohnersatz, sondern der Dank für die Aufopferung. Durch die Prämierung der Aufopferung stelle die Mehrleistung damit kein quantitatives Mehr, sondern ein qualitatives aliud dar, was der Beklagte verkenne. Höchstvorsorglich werde geltend gemacht, dass der Rücknahmebescheid ermessensfehlerhaft sei. Das Verwaltungsgericht und der Beklagte verwiesen lediglich darauf, dass die Klägerin die Mehrleistungen aus der Unfallrente nicht verbraucht habe, so dass das Interesse des Beklagten an der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln Vorrang habe. Dies verkenne, dass ein Verbrauch angesichts der zu klärenden Rechtsfrage grob fahrlässig gewesen wäre. Aus Gründen anwaltlicher Vorsicht sei vielmehr davon abzuraten gewesen, die gewährten Leistungen zu verbrauchen. Da das Bedürfnis des Gemeinwohls an der Beibehaltung der Sichtbarkeit der Aufopferungsleistung zwingend mit dem Interesse des Beklagten an der Sparsamkeit der öffentlichen Hand hätte abgewogen werden müssen, liege ein Ermessensausfall vor.
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Die Kläger beantragen (jeweils),
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die angefochtenen Urteile des Verwaltungsgerichts Würzburg dahingehend abzuändern, dass die Bescheide des Beklagten vom 6. September 2019 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 5. Mai 2020 aufgehoben werden.
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Der Beklage beantragt,
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die Berufungen zurückzuweisen.
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Er verteidigt die angefochtenen Urteile.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurden die jeweiligen Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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A. Die zulässigen Berufungen der Kläger haben in der Sache keinen Erfolg.
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I. Die angegriffenen Urteile weisen keinen zu ihrer Aufhebung führenden formellen Fehler auf. Finden sich – wie hier in dem Verfahren der Klägerin zu 1 (W 1 K 20.770) – unter der Rechtsmittelbelehrungdes Urteils nur die Unterschriften von zwei der drei Berufsrichter, die an der Entscheidung mitgewirkt haben, ist aber der den Entscheidungsverbund abschließende Streitwertbeschluss eine Seite später von allen drei Richtern unterschrieben worden, so kann dies nur so verstanden werden, dass auch der dritte Richter mit seiner einmaligen Unterzeichnung des gesamten Schriftstücks dessen Inhalt vollständig billigen wollte. Hinzu kommt, dass der betroffene Richter hier bereits unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung am 8. Dezember 2020 den Urteilstenor mitunterzeichnet hat, der der Geschäftsstelle im Anschluss übergeben wurde (Bl. 52 der VG-Akte W 1 K 20.770). Ein Verstoß gegen § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegt daher nicht vor (BVerwG, U.v. 5.3.1998 – 7 C 21.97 – juris Rn. 7).
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II. Die Urteile leiden zudem an keinem Verstoß gegen materielles Recht. Die Bescheide des Beklagten vom 6. September 2019 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 5. Mai 2020, mit denen das Landesamt die Bescheide vom 6. September 2018 mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zurückgenommen und die ab dem 1. September 2013 zustehenden Versorgungsbezüge auf 1.711,04 Euro (Klägerin zu 1) bzw. jeweils 58,74 Euro (Kläger zu 2 bis 4) festgesetzt hat, sind rechtmäßig.
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Rechtsgrundlage für die angefochtenen Rücknahmebescheide und die gleichzeitige neue Festsetzung bildet Art. 48 BayVwVfG. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die angefochtenen Rücknahmebescheide entsprechen diesen Anforderungen und sind auch sonst rechtmäßig.
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Die zurückgenommenen Bescheide vom 6. September 2018 waren rechtswidrig (1.) und nicht begünstigend im Sinne des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG (2.). Die den Rücknahmebescheiden zugrundeliegenden Ermessensentscheidungen sind rechtlich nicht zu beanstanden (3.).
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1. Bei den den Klägern zustehenden Versorgungsbezügen berücksichtigte das Landesamt in seinen Bescheiden vom 6. September 2018 zu Unrecht nicht die von der Unfallkasse gewährten Mehrleistungen i.S.v. § 94 SGB VII als Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Halbs. 1 BayBeamtVG.
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Nach Art. 85 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der in Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Gemäß Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Halbs. 1 BayBeamtVG gelten als Renten hierbei auch Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wobei ein dem Unfallausgleich (Art. 52 BayBeamtVG) entsprechender Betrag unberücksichtigt bleibt.
21
Durch Art. 85 BayBeamtVG soll sichergestellt werden, dass die Gesamtversorgung aus beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen und Renten die Höchstversorgung eines vergleichbaren „Nur-Beamten“ nicht übersteigt (LT-Drs. 16/3200 S. 508; BT-Drs. 14/7064 S. 40 zu § 55 BeamtVG; vgl. Nr. 85.0.1 Satz 1 Bayerische Verwaltungsvorschriften zum Versorgungsrecht – BayVV-Versorgung – vom 20.9.2012 – FMBl. S. 394). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass es insbesondere nicht sachwidrig ist, wenn der Gesetzgeber bei Rente beziehenden Versorgungsempfängern eine Kürzung der Versorgungsbezüge anordnet, um eine Überhöhung der Gesamtversorgung zu beseitigen, die nicht durch eine Eigenleistung des Versorgungsempfängers, sondern dadurch entstanden ist, dass Rentenrecht und Beamtenversorgungsrecht nicht hinreichend aufeinander abgestimmt sind. Anderenfalls erhielte der Beamte mit einer Mischlaufbahn grundlos eine überproportionale Versorgung (vgl. BVerfG, B.v. 16.3.2009, 2 BvR 1003/08 – juris Rn. 8 m.w.N. zu § 55 BeamtVG; BayVerfGH, E.v. 11.2.2015 – Vf. 1-VII-13 – juris Rn. 36).
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Vor diesem Hintergrund sind Mehrleistungen eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, die aufgrund einer Satzungsregelung einer bestimmten Personengruppen zustehen (hier einer Person, die gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII bei einem Unglücksfall Hilfe leistet bzw. einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit rettet), bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge zu berücksichtigen, weil auch sie „Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung“ i.S.v. Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Halbs. 1 BayBeamtVG darstellen (a). Eine abweichende Bewertung folgt nicht daraus, dass die Mehrleistungen aufgrund einer Satzungsregelung und deshalb gewährt werden, weil es dem Bundesgesetzgeber sozialpolitisch wünschenswert erschienen ist, Personen, die im Interesse des Gemeinwohls tätig geworden und dabei durch Unfall oder Krankheit zu Schaden gekommen sind, bei den Leistungen der Unfallversicherung gegenüber in einem „Normalfall“ betroffenen Personen besser zu stellen (b). Eine analoge Anwendung von § 94 Abs. 3 SGB VII kommt nicht in Betracht (c).
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a) Zu „Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung“ i.S.v. Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Halbs. 1 BayBeamtVG gehören auch die Mehrleistungen im Sinne des § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, weil nur auf diese Weise dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen wird, sicherzustellen, dass der Teil der Unfallrente, der Lohn- bzw. – bei Hinterbliebenen wie hier – Unterhaltsersatzfunktion hat, vollständig auf die Versorgungsbezüge angerechnet wird (vgl. BT-Drs. 14/7064 S. 40 zu § 55 BeamtVG; Nr. 85.1.4 Satz 1 BayVV-Versorgung). Die Mehrleistungen stellen, wie schon der Begriff „Mehrleistung“ verdeutlicht, eine Aufstockung der Unfallrente dar und sind damit im Falle ihrer Gewährung Teil der dem Verletzten bzw. dessen Hinterbliebenen von dem zuständigen Träger (monatlich) geleisteten, den Lohn/Unterhalt ersetzenden und deshalb nach Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Halbs. 1 BayBeamtVG zu berücksichtigenden Rente (OVG NW, B.v. 23.7.2010 – 1 B 426.10 – juris Rn. 12 m.w.N.; U.v. 22.12.2016 – 1 A 2407/15 – juris; B.v. 19.4.2022 – 1 A 962/20 – juris Rn. 30 zu § 55 BeamtVG, sich anschließend Palsherm in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl. 2022, § 94 Rn. 32; Köhler im Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: April 2020, § 94 Rn. 7a; vgl. aber auch Ricke in Kasseler-Kommentar, SGB VII, Stand 1.11.2022, § 94 Rn. 23; Angermaier in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 4 Rn. 77 zu § 65 BVG unter Hinweis auf BSG, U.v. 15.8.1996 – 9 RVg 5/94 – juris).
24
Schon nach dem Wortlaut „Mehrleistungen“ [vgl. auch die Formulierung in § 94 Abs. 2 SGB VII „Mehrleistungen zu Renten“ sowie in § 1 Abs. 1 des Anhangs zu § 19 der UKBW-Satzung „Mehrleistungen zu den gesetzlichen Leistungen (Regelleistungen)“] ist von einer reinen quantitativen Ergänzung, Erweiterung oder Erhöhung der gesetzlich ohnehin vorgesehenen Regelleistungen (Witwen- bzw. Halbwaisenrenten, § 63 ff. SGB VII), deren Anrechnung zwischen den Beteiligten außer Streit steht, auszugehen. Hat ein Beamter bzw. dessen Hinterbliebener aufgrund seiner in der Regel außerdienstlichen Tätigkeit (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) sowohl einen Anspruch auf eine Regelleistung als auch auf eine Mehrleistung knüpfen beide Leistungen typischerweise an den gleichen gesetzlichen Versicherungstatbestand an (hier § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII; die Mehrleistungen über § 4 Satz 2 Nr. 9a der UKBW-Satzung i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4a des Anhangs zu § 19 der UKBW-Satzung) und teilen daher folgerichtig ihr Schicksal in Bezug auf die beamtenversorgungsrechtliche Anrechnung. Denn die Gewährung beider Leistungen beruht in diesem Fall auf dem identischen Motiv des Gesetzgebers, das im vorliegenden Fall darin liegt, die Rettung eines anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit als versicherte Tätigkeit zu honorieren. Vor diesem Hintergrund ist kein Grund ersichtlich, weshalb die beiden Leistungen nicht auch hinsichtlich ihrer (Lohn/Unterhaltsersatz-)Funktion und damit Anrechenbarkeit auf die landesrechtliche Beamtenversorgung einheitlich behandelt werden sollten.
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Für eine rein quantitative Ergänzung, Erweiterung oder Erhöhung der Witwen- bzw. Halbwaisenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung spricht zudem die Gesetzeshistorie. Dem § 94 SGB VII bzw. der Vorgängervorschrift § 765 RVO a.F. liegt die Verordnung zur Ergänzung von sozialen Leistungen vom 19. Oktober 1932 (RGBl. I S. 499) zugrunde, die mit dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I S. 241) in modifizierter Weise als § 765 RVO Gesetz geworden ist. Nach den dortigen §§ 1 und 8 durfte die Selbstverwaltung in der Renten- und Unfallversicherung bestimmen, dass neben den gesetzlichen Leistungen (Regelleistungen) widerruflich Mehrleistungen gewährt werden; diese konnten gemäß § 2 Abs. 1 die Regelleistungen „in der Dauer, Höhe und Art ergänzen“. Aus der Formulierung „ergänzen“ ergibt sich, dass nicht etwas völlig neues, sondern lediglich eine Abrundung der Regelleistungen gemeint war, also eine Vervollständigung der Anspruchsinhalte unter Beachtung des im Gesetz vorgesehenen Systems von Ansprüchen (vgl. LSG Berlin-Bbg, U.v. 24.11.2016 – L 3 U 14/15 – juris Rn. 59; SG Hannover, U.v. 13.1.1999 – S 13 U 238/97 – juris Rn. 25). Wäre eine qualitative Erweiterung der im Gesetz vorgesehenen Ansprüche beabsichtigt gewesen, hätte eine Formulierung wie „zusätzliche Leistungen“ oder „freiwillige Leistungen“ nähergelegen (Köhler in Hauck/Noftz SGB VII, Stand April 2020, § 94 Rn. 3 f.).
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Die Mehrleistungen sind daher primär – wie die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung – zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs bestimmt; sie dienen nicht etwa überwiegend – wie Unfallausgleichsleistungen (Art. 52 BayBeamtVG) – dem Ausgleich immaterieller Einbußen. Die Unfallrente und damit auch die auf demselben gesetzlichen Versicherungstatbestand beruhende Mehrleistungen sollen die unfallbedingt auf Dauer verminderten, im Todesfall weggefallenen Erwerbsmöglichkeiten ausgleichen. Obwohl ihr durchaus verschiedene Funktionen wie die des Einkommensersatzes und – zumindest in Teilen der Literatur auch – der Kompensation immaterieller Schäden zugeschrieben werden, überwiegt unterhaltsrechtlich jedenfalls die Lohnersatzfunktion. Eine eindeutige gesetzgeberische Bestimmung, aus der sich Gegenteiliges ableiten ließe, ist nicht ersichtlich. Der Ersatz eines immateriellen Schadens ist im SGB VII grundsätzlich nicht vorgesehen (Reyels in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 3. Aufl., Stand: 2.2.2023, § 1 Rn. 62; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: Oktober 2014, Einführung, E 100 unter C.II.3.b; a.A. Ricke in Kasseler Kommentar, Stand 1.11.2022, SGB VII, § 94 Rn. 3).
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Unabhängig davon belegt § 94 Abs. 2 SGB VII die primäre Lohn- bzw. Unterhaltsersatzfunktion der Mehrleistungen. Denn die Zusammenrechnung von Unfallrenten-Regelleistung und Unfallrenten-Mehrleistung und deren Ausrichtung am Höchstjahresarbeitsverdienst würde – wie der Beklagte zutreffend vorträgt – keinen Sinn machen, wenn die Mehrleistung nicht ebenso wie die Regelleistung in erster Linie Lohn- bzw. Unterhaltsersatzfunktion hätte. Wäre es demgegenüber primärer Zweck der Mehrleistung, ein im Interesse des Gemeinwohls erbrachtes Opfer zu honorieren, hätte es nähergelegen, die Mehrleistung bzw. deren Höhe nicht an das Einkommen des Betreffenden bzw. eine maximale Verdienstgrenze zu koppeln. Denn eine primäre Belohnung einer selbstlosen Tat könnte wohl kaum vom Verdienst des Betreffenden abhängen.
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Aus alldem wird deutlich, dass sich aus den Mehrleistungen – auch durch ihre Anknüpfung an die maßgeblichen Berechnungsfaktoren (Zuschlag von einem Zehntel bzw. einem Zwanzigstel des der Rente zugrundeliegenden Jahresarbeitsverdienstes vgl. § 94 Abs. 2a Satz 1 SGB VII, § 19 der UKBW-Satzung i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 des Anhangs zu § 19 der Satzung der UKBW) – überwiegend eine Lohn- bzw. Unterhaltsersatzfunktion als Leistungszweck und damit derselbe Zweck ableiten lässt, den die Regelleistung – hier die Hinterbliebenenrente nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VII – hat. Nur durch die Anrechnung der Mehrleistungen auf die beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung wird daher dem Zweck des Art. 85 BayBeamtVG hinreichend Rechnung getragen, für die Fälle des Anspruchs auf Altersversorgung aus dem Rentenversicherungssystem und der Beamtenversorgung einen Ausgleich der sog. Doppelversorgung durch Abzug des eine Höchstgrenze (Absatz 2) übersteigenden Betrags von der Beamtenversorgung zu schaffen (Zahn in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz des Bundes und der Länder, Stand August 2022, § 55 BeamtVG Rn. 1).
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Entgegen seinem klaren und eindeutigen Wortlaut besteht kein Raum, Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BayBeamtVG in einer Weise auszulegen, dass Mehrleistungen im Sinne des § 94 SGB VII insoweit anrechnungsfrei bleiben. Eine solche Auslegung widerspräche dem geltenden Beamtenversorgungsrecht, insbesondere den für verschiedene Fälle des Zusammentreffens mehrerer Altersversorgungen geltenden Ruhensregelungen. In diesen sind grundsätzlich die einzelnen Ansprüche bzw. die einzelnen Anrechnungsfälle nach Grund und Höhe durch formelle und zwingende Vorschriften stark kasuistischen Inhalts festgelegt. Eine Regelung dieser Art ist nach dem darin erkennbaren Willen des Gesetzgebers einer ausdehnenden Auslegung und Ergänzung der ausdrücklichen Regelungen durch allgemeine Grundsätze nicht zugänglich. Ebenso wenig ist eine solche Regelung einer einschränkenden Auslegung entgegen dem Wortlaut zugänglich. Gerade auch bei den Anrechnungsregelungen hat der Gesetzgeber nicht etwa nur einen Grundsatz ausgesprochen und dessen Ausfüllung der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung überlassen, sondern die Konkretisierung selbst vorgenommen und sich dabei auf eine gewisse, typisierende Differenzierung von Fallgruppen beschränkt, um die Regelung praktikabel zu halten (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.1993 – 2 C 20.91 – juris Rn. 16, OVG NW, U.v. 12.4.2002 – 1 A 192/00 – juris Rn. 16 bis 19 m.w.N., Groepper/Tegethoff, in: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand: Mai 2022, BeamtVG § 55 Rn. 93). Welche Leistungen nicht als Rente gelten bzw. welche Rententeile im Rahmen der Ruhensregelung unberücksichtigt bleiben, ist in Art. 85 BayBeamtVG abschließend geregelt (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.2019 – 3 ZB 17.1101 – juris Rn. 12; B.v. 24.1.2018 – 3 ZB 16.1962 – juris Rn. 5). Der bayerische Gesetzgeber hat mit der in Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BayBeamtVG geregelten Ausnahme (Anrechnungsfreiheit eines dem Unfallausgleich entsprechenden Betrags) eine Regelung über Leistungen getroffen, die im Zusammenhang mit Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung anrechnungsfrei bleiben sollen, weil sie keine Lohn- bzw. Unterhaltsersatzfunktion haben (vgl. BT-Drs. 14/7064 S. 40 zu § 55 BeamtVG). Dies trifft jedoch auf die Mehrleistungen im Sinne des § 94 SGB VII gerade nicht zu (hierzu bereits ausführlich unter 1.a). Da Unfallrenten-Mehrleistungen seit beinahe 90 Jahren fester Bestandteil der gesetzlichen Unfallversicherung sind, ist es auch fernliegend davon auszugehen, der bayerische Gesetzgeber hätte § 94 SGB VII, insbesondere dessen Absatz 3 sowie die sozialpolitische Bedeutung dieser Regelung „schlicht übersehen“. Die seit Jahren bestehende ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westphalen (B.v. 23.7.2010 – 1 B 426.10 – juris Rn. 12 m.w.N.; U.v. 22.12.2016 – 1 A 2407/15 – juris; B.v. 19.4.2022 – 1 A 962/20 – juris Rn. 30 zu § 55 BeamtVG) nahmen weder der Bundes- noch den Landesgesetzgeber zum Anlass, in ihren jeweiligen Beamtenversorgungsgesetzen eine entsprechende Anrechnungsfreiheit der Mehrleistungen aufzunehmen.
30
b) Vor diesem Hintergrund spielt auch das dem § 94 SGB VII zugrundeliegende gesetzgeberische Motiv, die sich im Interesse des Allgemeinwohls betätigenden Personen besser zu stellen (vgl. BSG, U.v. 27.4.1972 – 7/2 RU 44/69 – juris Rn. 14 zu § 765 RVO a.F.) bzw. zu belohnen und ihnen hierfür eine Prämie zukommen zu lassen (vgl. BSG, 15.8.1996 – 9 RVg 5/94 – juris Rn. 16) keine Rolle (vgl. OVG NW, B.v. 23.7.2010 – 1 B 426.10 – juris Rn. 18). Nur dadurch, dass die (Geld) Leistung des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung durch die gesetzgeberisch gewollte zusätzliche Prämierung betragsmäßig höher ausfallen, ändert dies nichts an der ihr zugrundeliegenden Lohn- bzw. Unterhaltsersatzfunktion.
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Die Kläger wenden im Wesentlichen ein, dass die Funktion der Mehrleistung nach § 94 SGB VII der Dank für die Aufopferung sei. Dieser stehe im Vordergrund, sodass die Lohn- bzw. Unterhaltsersatzfunktion dahinter vollkommen zurücktrete. Andernfalls bliebe die mit der Mehrleistung allein im Interesse des Gemeinwohls prämierte besondere Opferleistung für keinen mehr sichtbar, außer für den Dienstherrn, der durch die sozialpolitisch wünschenswerte Prämierung aus einer gesetzlichen Unfallkasse (hier zudem eines anderen Bundeslandes) finanziell profitiere.
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Dem folgt der Senat nicht. Denn ein „sichtbar bleiben“ der Prämierung der „Opferleistung“ des Versorgungsurhebers durch die Mehrleistung entspricht schon nicht dem System des Sozialversicherungsrechts. Indem der Bundesgesetzgeber mit § 94 Abs. 1 SGB VII die Entscheidung, ob und inwiefern Mehrleistungen durch Satzung gewährt werden, in die Kompetenz der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung legt, ist eine „zwingende“ Sichtbarkeit der Mehrleistung in den Regelungen des SGB VII von vornherein nicht angelegt. Aus § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 19 der UKBW-Satzung folgt darüber hinaus, dass es auch dem hier zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nicht darauf ankommt, dass die Mehrleistungen in jedem Fall sichtbar bleiben. Denn danach werden Mehrleistungen nicht gewährt, wenn und soweit andere Bezüge der Versicherten oder Hinterbliebenen wegen der Gewährung von Mehrleistungen ruhen oder entzogen würden. Dass ein „sichtbar bleiben“ nicht dem System des Sozialversicherungsrechts entspricht, ergibt sich ferner aus § 94 Abs. 2 SGB VII. Diese Regelung kann dazu führen, dass besonders gutverdienenden Versicherten, deren individueller Jahresarbeitsverdienst über dem Höchstjahresarbeitsverdienst liegt, letztlich keine Mehrleistungen ausbezahlt werden, weil die Deckelungsgrenze des § 94 Abs. 2 SGB VII von der hohen Unfallrenten-Regelleistung bereits voll ausgeschöpft wird. In Bezug auf die geforderte „Sichtbarkeit“ ist zudem zu berücksichtigen, dass der Klagepartei die Unfallrenten (einschließlich der Mehrleistungen) von der UKBW ungekürzt gezahlt werden. Lediglich ihre beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung wird in Höhe der UKBW-Leistungen nach Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BayBeamtVG zum Ruhen gebracht. Diese Anrechnung stellt sich der Klagepartei zwar wirtschaftlich wie ein Verlust der gesamten Unfallrente dar. Sie ändert aber nichts an dem Umstand, dass ihr die Mehrleistungen von der UKBW in voller Höhe ausbezahlt und damit sichtbar bleiben werden.
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c) Weder die Übertragung des Rechtsgedankens noch eine analoge Anwendung von § 94 Abs. 3 SGB VII kommen im Rahmen der Anrechnung nach Art. 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BayBeamtVG in Betracht.
34
§ 94 Abs. 3 SGB VII regelt im System der gesetzlichen Rentenversicherung die Nichtanrechnung von Mehrleistungen auf andere einkommensabhängige Geldleistungen. Die beamtenrechtliche Versorgung dürfte indes schon keine Geldleistung sein, deren Höhe – wie etwa das Arbeitslosengeld II oder die Sozialhilfe – vom Einkommen abhängt (OVG NW, B.v. 19.4.2022 – 1 A 962/20 – juris Rn. 30). Das Verwaltungsgericht hat zudem zutreffend festgestellt, dass eine direkte Anwendbarkeit im vorliegenden Verfahren schon deshalb ausscheidet, weil die bundesgesetzliche Regelung betreffend die gesetzliche Unfallrente bzw. gesetzliche Leistungen in der Regelungszuständigkeit des Bundesgesetzgebers nicht für das Bayerische Versorgungsrecht Geltung beanspruchen kann. Eine Übertragung des Rechtsgedankens auf das hiesige Verfahren oder eine Analogie kommen nicht in Betracht.
35
Im Regelungsbereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts sind einer analogen Anwendung besonders enge Grenzen gesetzt. Nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums unterliegen Versorgungsleistungen dem Vorbehalt des Gesetzes. Sie dürfen nur zugesprochen werden, wenn und soweit sie gesetzlich vorgesehen sind (vgl. Art. 3 Abs. 1 BayBeamtVG). Durch die Gesetzesbindung ist es daher den Gerichten verwehrt, Beamten eine gesetzlich nicht geregelte Versorgung zu gewähren (BVerwG, U.v. 27.3.2014 – 2 C 2.13 – juris Rn. 18). Das schließt zwar nicht generell aus, eine im Bayerischen Beamtenversorgungsgesetz versehentlich nicht getroffene Regelung nach dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers im Wege der Analogie zu schließen. Der analogen Anwendung einer – hier sozialrechtlichen – Regelung auf versorgungsrechtliche Bestimmungen sind aber besonders enge Grenzen gesetzt. Dies gilt gleichermaßen für die Zuerkennung von Versorgungsleistungen im Wege der Analogie als auch für deren Ausschluss oder Beschränkung. Zum einen liegen planwidrige Gesetzeslücken im Bereich der geltenden Beamtenversorgung angesichts des regelmäßig abschließenden Charakters der getroffenen Bestimmungen nur ganz ausnahmsweise vor. Zum anderen darf die Analogie nicht zur Umgehung des verfassungsrechtlich fundierten Gesetzesvorbehalts im Versorgungsrecht führen. Es muss ausgeschlossen sein, dass letztlich die Gerichte durch großzügige Interpretation des mutmaßlichen Willens des Gesetzgebers Versorgungsleistungen zusprechen, ausschließen oder beschränken (BVerwG a.a.O. juris Rn. 19 bis 22).
36
Daran gemessen kommt eine analoge Anwendung des § 94 Abs. 3 SGB VII auf das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz nicht in Betracht.
37
Die Berufung auf die im Sozialversicherungsrecht bestehende Anrechnungsfreiheit genügt schon angesichts der strukturellen Unterschiede von Beamtenversorgungs- und Sozialversicherungsrecht nicht, um eine (vermeintliche) planwidrige Regelungslücke zu begründen. Das Anrechnungsverbot des § 94 Abs. 3 SGB VII kann schon deshalb nicht zur Auslegung des Art. 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BayBeamtVG herangezogen werden, weil es sich bei dem Witwen- bzw. Waisengeld nach Art. 35 Abs. 1 BayBeamtVG bzw. Art. 39 Abs. 1 BayBeamtVG nicht um eine Sozialleistung, sondern um eine von dem Dienstherrn des verstorbenen Beamten aufgrund seiner nachwirkenden Fürsorge gewährte Leistung handelt. Sie finden ihre Grundlage im Beamtenverhältnis des verstorbenen Beamten und müssen daher immer im Zusammenhang mit seiner Dienstleistung und Dienstverpflichtung gesehen werden. Die Höhe der Versorgung der Witwe und der Waisen orientiert sich daher nicht an ihrer Bedürftigkeit, sondern – vorbehaltlich der Anrechnung der Einkünfte – an dem erdienten Ruhegehalt des Beamten. Die Grundsätze, die für die der allgemeinen Fürsorgepflicht des Staates entspringenden einseitigen Sozialleistungen gelten, können daher nicht auf die beamtenrechtliche Hinterbliebenenversorgung übertragen werden (vgl. BVerfG, B.v. 11.4.1967 – 2 BvL 3/62 – juris Rn. 35; BVerwG, U.v. 24.10.1984 – 6 C 148.81 – juris Rn. 19 zu § 22 BeamtVG).
38
Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht schon deshalb anzunehmen, weil eine Analogie nach Auffassung der Klagepartei „sozialpolitisch wünschenswert“ ist. Gesamtumstände, wonach anzunehmen ist, dass diese Regelung unbedacht vom Gesetzgeber nicht getroffen worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 26.1.2016 – 2 B 17.15 – juris Rn. 11), ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch aus der vagen Gesetzesbegründung zu § 765 Abs. 3 RVO – der Vorgängerregelung des § 94 Abs. 3 SGB VII – (vgl. BT-Drs. IV/938 S. 25 zur damaligen Entwurfsregelung des § 762 Abs. 3 RVO), wonach Mehrleistungen „auf jedem Falle“ dem Berechtigten zugutekommen sollen. Denn im Rahmen der Regelung des § 94 Abs. 3 SGB VII bzw. § 765 Abs. 3 RVO hat der Bundesgesetzgeber an die bedarfsorientierten einkommensabhängigen Leistungen im engeren Sinne gedacht. Das Konkurrenzverhältnis zu Leistungen, die ihre Grundlage im Beamtenverhältnis des verstorbenen Beamten finden, behandelt die Vorschrift jedoch nicht. Dass der Bundesgesetzgeber durch § 94 Abs. 3 SGB VII Einfluss auf die Anrechnungsvorschriften der Beamtenversorgung bezwecken wollte, kann nicht angenommen werden.
39
Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 15. August 1996 (Az. 9 RVg 5/94 – juris Rn. 15 f.) folgt nichts anderes. Diese Entscheidung betraf den „Sonderfall“ (Rn. 16) des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz – BVG) als Teil des bundesgesetzlich geregelten sozialen Entschädigungsrechts (Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, Vorb. zu §§ 1 ff. Rn. 6). Dabei vertrat das Bundessozialgericht die Auffassung, dass Mehrleistungen, die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt werden, Versorgungsleistungen, die dem Begünstigten aus gleichem Grunde als Gewaltopfer gewährt werden, nicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BVG zum Ruhen bringen, weil § 765 Abs. 3 RVO, auf eine Regelung, die, wie § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BVG, bei Bezug einer anderen Sozialleistung das Ruhen der betreffenden Leistung anordnet, entsprechend anzuwenden sei. Eine Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf den sich hierzu nicht ansatzweise vergleichbaren Fall der Anrechnung der Mehrleistungen nach § 94 SGB VII auf die landesrechtliche Beamtenversorgung scheidet aus.
40
2. Eine Anwendung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG kommt nicht in Betracht, weil die zurückgenommenen Bescheide vom 6. September 2018 keine begünstigenden Verwaltungsakte darstellen (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2012 – 2 C 59.11 – juris Rn. 10). Denn aufgrund der erstmalig vorgenommenen Ruhensberechnung setzen die zurückgenommenen Bescheide vom 6. September 2018 gegenüber den Ausgangsbescheiden vom 12. November 2013 (Klägerin zu 1) bzw. 1. April 2014 (Kläger zu 2 bis 4) niedrigere Versorgungsbezüge fest. Die Bescheide vom 6. September 2018 haben damit weder ein Recht noch einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt, sondern allein belastend das Ruhen eines Teils der Versorgungsbezüge aufgrund der Unfallrente festgestellt. Die in der Festsetzung der Versorgungsbezüge liegenden Begünstigungen sind bereits Inhalt der Ausgangsbescheide vom 12. November 2013 (Klägerin zu 1) bzw. 1. April 2014 (Kläger zu 2 bis 4). Da die Betroffenen am Bestand des Bescheides vom 6. September 2018 keinerlei schutzwürdiges Interesse haben, ist ihr Rechtsschutzbegehren auf deren (ersatzlose) Aufhebung gerichtet.
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Selbst wenn man aber vor dem Hintergrund, dass der Teil des über der Höchstgrenze liegenden Ruhegehalts kraft Gesetzes ruht und die Ruhensbescheide feststellenden Charakter haben (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2016 – 2 C 9.15 – juris Rn. 18), so dass die Kläger die Bescheide vom 6. September 2018 angesichts der – auf Basis der beim Landesamt vorliegenden Unterlagen der Unfallkasse – explizit vorgenommenen (deklaratorischen) Feststellung der Höhe des Ruhensbetrages nach Treu und Glauben so verstehen durfte, dass weitergehende Belastungen aufgrund der Leistungen der Unfallkasse nicht geltend gemacht werden (vgl. auch BayVGH, U.v. 26.11.2018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 40), ändert sich – wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat – nichts am Gesamtergebnis.
42
In diesem Falle sind die Einschränkungen der Rücknehmbarkeit nach Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG zu beachten, wobei vorliegend keine Erkenntnisse dazu existieren, dass die Begünstigten auf den Bestand der Verwaltungsakte vertraut haben und ihr Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn die Begünstigten gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen haben, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen können. Dies ist hier jedoch gerade nicht der Fall. Mit der vorläufigen Rückzahlung der bis zur Klageeinreichung aufgelaufenen Ruhensbeträge und ihrem Vortrag (Berufungsbegründung S. 5), sie hätten den Betrag, der auf die Mehrleistung angerechnet wurde, nicht verbraucht, weil „die zu klärende Rechtsfrage offen“ gewesen sei und es „grob fahrlässig“ gewesen wäre, „sehenden Auges Dispositionen zu treffen“, zeigen die Kläger vielmehr, dass sie auf den Bestand der Bescheide vom 6. September 2018 gerade nicht vertraut haben.
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3. Rechtsfehlerfrei hat das Verwaltungsgericht (UA Rn. 29) schließlich angenommen, dass die von dem Beklagten auf der Grundlage des Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG (jeweils) getroffene Ermessensentscheidung („kann“) rechtlich nicht zu beanstanden ist. Er überschreitet weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens noch wird von dem Ermessen in einer dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Zu Recht stellte das Landesamt in seinen Rücknahmebescheiden vom 6. September 2019 das Vertrauen der Kläger auf den Bestand der ursprünglichen Ruhensregelung dem Interesse des Freistaats Bayern an der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln gegenüber. Entgegen der Auffassung der Kläger kann ein Ermessensausfall (gemeint wohl Ermessensdefizit) nicht daraus abgeleitet werden, dass das Bedürfnis des Gemeinwohls an der Beibehaltung der Sichtbarkeit der Aufopferungsleistung nicht berücksichtigt worden sei. Abgesehen davon, dass – wie bereits dargestellt – die Aufopferungsleistung sichtbar bleibt, ist dieser Aspekt nach Ansicht des Senats kein maßgebliches Kriterium für die Ermessensausübung des Landesamtes bei seiner Entscheidung über die Rücknahme des jeweiligen Versorgungsfestsetzungsbescheides. Vielmehr handelt es sich um einen Aspekt, der bei der gebundenen Entscheidung der Anrechnungsregelung des Art. 85 BayBeamtVG einschlägig ist. Der Gesetzgeber hat durch Art. 85 BayBeamtVG zu erkennen gegeben, ob und in welchem Umfang sich der Bezug einer Rente nachteilig auf das Ruhegehalt auswirken soll. Diese gesetzliche Wertung darf die Exekutive nicht durch eine Ermessensausübung im Rahmen der Rücknahme eines Versorgungsfestsetzungsbescheides korrigieren.
44
B. Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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C. Die Revision war zuzulassen, weil der Rechtssache im Hinblick auf die Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1, § 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG), ob Mehrleistungen nach § 94 SGB VII gemäß Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Halbs. 1 BayBeamtVG auf die Beamtenversorgung anzurechnen sind.