Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.03.2023 – 24 ZB 22.1879
Titel:

Anordnung einer bodenschutzrechtlichen Detailuntersuchung

Normenketten:
BBodSchG § 4 Abs. 3, § 9 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 4, § 124a Abs. 4 S. 4
Leitsatz:
Ein Antrag auf Zulassung der Berufung muss sich mit der angegriffenen Entscheidung so auseinandersetzen, dass der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird. Je ausführlicher und sorgfältiger das Verwaltungsgericht seine Entscheidung begründet hat, desto substantieller muss auch die abweichende Auffassung begründet werden. (Rn. 13 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bodenschutzrecht, Anordnung einer Detailuntersuchung, Störerauswahl, Vormaliger Abfallbesitzer als bodenrechtlicher Handlungsstörer, Anforderung an die Darlegung von Berufungszulassungsgründen, Wiederverfüllung einer Kiesgrube
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 27.06.2022 – Au 9 K 21.203
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6043

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ihre in erster Instanz erfolglose Anfechtungsklage gegen die ihr auferlegte Verpflichtung zur Durchführung einer bodenschutzrechtlichen Detailuntersuchung mit Gefährdungsabschätzung weiter.
2
Die Klägerin betreibt eine Erddeponie. Mit Bescheid vom 20. November 2012 erteilte das Landratsamt A. … (im Folgenden: Landratsamt) der Klägerin die Genehmigung für einen Kies- und Sandabbau mit anschließender Rekultivierung mit Material der Güteklasse Z 0. Im Dezember 2013 wurde das Landratsamt darüber informiert, dass in der Erdgrube der Klägerin unzulässiges Aushubmaterial aus einer Baumaßnahme der Stadtwerke zum Neubau einer Fernwärmeleitung verfüllt worden sei. Daraufhin durchgeführte Untersuchungen ergaben eine entsprechende Schadstoffbelastung.
3
Mit Bescheid vom 21. Januar 2021 verpflichtete das Landratsamt die Klägerin, eine bodenschutzrechtliche Detailuntersuchung mit Gefährdungsabschätzung im Sinne des § 9 Abs. 2 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) durchzuführen.
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Die Klägerin hat gegen den Bescheid Klage erhoben und zur Begründung u.a. ausgeführt, die Störerauswahl sei nicht ermessensgerecht durchgeführt worden.
5
Mit Urteil vom 27. Juni 2022 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die Klage ab. Die Entscheidung des Beklagten, den vormaligen Abfallbesitzer nicht in die Störerauswahl miteinzubeziehen, sei nicht ermessensfehlerhaft. Nach den allgemeinen Grundsätzen der Handlungsstörerhaftung sei für die nunmehr eingetretene Bodenkontamination das Verhalten der Klägerin ursächlich, die das kontaminierte Material in Kenntnis der bestandskräftigen Auflagen zur Wiederverfüllung im Bescheid vom 12. November 2012 angenommen und in der Kiesgrube/Erddeponie verfüllt habe.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ermessensfehlerhaft sei, die vormalige Abfallbesitzerin, die Stadtwerke, noch nicht einmal in die Ermessenserwägung einzustellen. Schließlich stamme das Material von den Stadtwerken und unterfalle als Abfall dem Regime des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Der Besitzer des Abfalls sei gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KrWG u.a. verpflichtet, Abfall so zu beseitigen, dass Gewässer oder Böden nicht schädlich beeinflusst würden. Bereits durch das Abkippen des Aushubs im Betrieb der Klägerin sei die Gefahr einer schädlichen Beeinflussung des Bodens und des Grundwassers entstanden.
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Außerdem weiche das Urteil des Verwaltungsgerichts vom Urteil des 22. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Januar 2018 (Az. 22 B 16.2099) ab, der entschieden habe, dass ohne Einbeziehung sämtlicher Störer in die Ermessensentscheidung eine getroffene Auswahl für einen Störer fehlerhaft sei.
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Der Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das angefochtene Urteil.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
10
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht hinreichend dargelegt (vgl. § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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I. Das Vorbringen der Klägerin legt nicht in ausreichender Weise ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils dar (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
12
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 3.1.2023 – 8 ZB 22.1862 – juris Rn. 12). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 3.1.2023 – 8 ZB 22.1862 – juris Rn. 12). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 3.1.2023 – 8 ZB 22.1862 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 5.9.2022 – 8 ZB 20.3120 – juris Rn. 9). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 3.1.2023 – 8 ZB 22.1862 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 5.9.2022 – 8 ZB 20.3120 – juris Rn. 9).
13
2. Nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO muss der Rechtsmittelführer das Vorliegen der genannten Voraussetzungen seines geltend gemachten Zulassungsgrundes darlegen. „Darlegen“ bedeutet mehr als einen allgemeinen Hinweis zu geben, es bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 17.1.2023 – 10 ZB 21.3201 – juris Rn. 6). Der Zulassungsantrag muss sich daher mit der angegriffenen Entscheidung so auseinandersetzen, dass der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2019 – 13a ZB 17.31832 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 24.1.2019 – 13a ZB 19.30070 – juris Rn. 5; B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 4; B.v. 13.8.2013 – 13a ZB 12.30470 – juris Rn. 4 m.w.N.). Bloße Wiederholungen des Klagevorbringens ohne Eingehen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung genügen daher nicht (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2017 – 19 ZB 17.952 – juris Rn. 5).
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Stützt sich die Klägerin auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, so bedeutet dies, dass sie sich substantiell mit der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzen und erläutern muss, aus welchen Gründen sie diese für unrichtig hält. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, korreliert dabei wesentlich mit dem Gehalt und Umfang der angegriffenen Entscheidung (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 64). Erforderlich ist keine Detailkritik an den Gründen, die substantielle Auseinandersetzung kann gegebenenfalls auch dadurch geleistet werden, dass die abweichende Auffassung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht konkret erläutert wird (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 63).
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3. Die Klägerin trägt vor, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Verursachungsbeitrag des ursprünglichen Abfallbesitzers im Rahmen der Adressaten- und Störerauswahl bei Anwendung des Bodenschutzrechts zu berücksichtigen gewesen wäre. Mit Blick auf befürchtete Bodenverunreinigungen sei bei den ehemaligen Abfallbesitzern – durch die Verbringung des Abfalls in die klägerische Grube in Kenntnis der Herkunft des Materials und in Kenntnis der ausschließlichen Zulässigkeit der Anlieferung von Z 0-Material – ein Verhalten erkennbar, das sich im Rahmen einer wertenden Betrachtung als ein Überschreiten der Gefahrenschwelle darstelle. Es sei deshalb rechtswidrig, dass der Beklagte die ehemaligen Abfallbesitzer zu keinem Zeitpunkt in die Adressatenauswahl einbezogen habe.
16
Diese Ausführungen lassen keine Auseinandersetzung mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts erkennen. Je ausführlicher und sorgfältiger das Verwaltungsgericht seine Entscheidung begründet hat, desto substantieller muss auch die abweichende Auffassung begründet werden (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 64). Das Verwaltungsgericht begründet ausführlich seine Ansicht, weshalb es nicht ermessensfehlerhaft gewesen sei, den vormaligen Abfallbesitzer – die Stadtwerke A. … – nicht in die Störerauswahl einzubeziehen. Im Wesentlichen ergebe sich das aus dem Abfallrecht. Mit der Andienung des schadstoffhaltigen Materials an die Klägerin seien die Stadtwerke ihrer abfallrechtlichen Grundpflicht zur Abfallbeseitigung aus § 15 KrWG nachgekommen, so dass aus der Sicht des Bodenschutzrechts das abfallrechtliche Regime des vormaligen Abfallbesitzers ende (Rn. 39 f. des angegriffenen Urteils). Ursächlich für die eingetretene Bodenkontamination sei vielmehr das Verhalten der Klägerin, das kontaminierte Material in Kenntnis der Auflagen zur Wiederverfüllung anzunehmen und zu verfüllen. Hiermit sei die Gefahrengrenze für die maßgeblichen Schutzgüter „Boden“ und „Grundwasser“ überschritten (Rn. 41). Die Nichtberücksichtigung des Abfallerzeugers und die Reduzierung der Störerauswahl auf insbesondere die Klägerin sei außerdem auch deshalb gerechtfertigt, weil allein die Klägerin die Genehmigung und deren Bedingungen für die Verfüllungen kannte und bei der entsprechenden Sorgfalt hätte erkennen können, dass das ihr angebotene Material nicht hätte verwendet werden dürfen.
17
Keines dieser Argumente greift der Zulassungsantrag auf. Er befasst sich insbesondere nicht damit, dass das Erstgericht davon ausgeht, aus abfallrechtlichen Gründen könne der vormalige Abfallbesitzer rechtlich nicht mehr Störer sein, infolgedessen war er vom Beklagten gar nicht mehr in Betracht zu ziehen und musste konsequenterweise auch nicht im Bescheid gewürdigt werden. Unabhängig von der Auseinandersetzung mit der Entscheidung begründet er seine gegenteilige Auffassung auch nicht ausreichend.
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II. Das Vorbringen der Klägerin legt auch den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht in ausreichender Weise dar.
19
1. Die Darlegung einer Divergenz erfordert, dass ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender Rechts- oder Tatsachensatz bezeichnet wird, mit dem die Vorinstanz von einem in der Rechtsprechung eines übergeordneten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift abgewichen ist (vgl. BayVGH, B.v. 1.12.2022 – 19 ZB 22.1538 – juris Rn. 88; BayVGH, B.v. 30.8.2019 – 10 ZB 19.1519 – juris Rn. 3 m.w.N.).
20
Ein Rechtssatz in diesem Sinne ist ein abstrakter richterrechtlicher Obersatz unterhalb des Abstraktionsgrads der Norm und oberhalb der Rechtsanwendung auf den konkreten Einzelfall. Er ist Ausdruck dogmatischen Systemdenkens, das den Rechtsstoff gesetzesübergreifend strukturiert und systematisiert, die Rechtsanwendung fallübergreifend stabilisiert und so rationale Rechtsprechung sichert (so Kraft in Eyermann, VwGO, § 132 Rn. 35).
21
Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 9.4.2014 – 2 B 107.13 – juris Rn. 3). Die divergierenden Sätze sind einander so gegenüberzustellen, dass die Abweichung erkennbar wird (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2019 – 10 ZB 19.1519 – juris Rn. 3 m.w.N.).
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2. Die Klägerin nimmt Bezug auf ein Urteil des 22. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Januar 2018 (Az. 22 B 16.2099) und führt aus, der Verwaltungsgerichtshof habe entschieden, dass ein Ermessensfehler vorliege, wenn nicht alle in Betracht kommenden Störer in die Auswahl einbezogen werden oder bei einer Vielzahl von in Betracht kommenden Verursachern einer ausgewählt werde, ohne den Verursachungsbeiträgen der anderen nachzugehen. Da sich der streitgegenständliche Bescheid – trotz entsprechender Hinweise der Klägerin – nicht damit befasse, dass die befürchtete Gefahr erst durch das kausale Verhalten der ursprünglichen Abfallbesitzer entstehen konnte und dies das Gericht nicht beanstandet habe, habe es sich mit seiner hierauf beruhenden Entscheidung in Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gesetzt.
23
Mit diesen Ausführungen legt die Klägerin keine Divergenz dar, denn es werden schon keine divergierenden Rechtssätze herausgearbeitet und gegenübergestellt. Es kann offenbleiben, ob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung einen allgemeinen Rechtssatz aufgestellt hat oder ob er lediglich im konkreten Fall die Sachverhaltsermittlung des Beklagten rechtlich beanstandet, weil die Behörde in Betracht kommende Störer nicht in die Ermessenserwägung eingestellt hat. Denn jedenfalls hat das Verwaltungsgericht keinen abweichenden Rechtssatz aufgestellt; ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder über einen Rechtsgrundsatz ist nicht erkennbar. Das Gericht geht davon aus, dass der ehemalige Abfallbesitzer im konkreten Fall von vornherein gar kein Störer ist.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG und entspricht der vom Verwaltungsgericht festgesetzten und von den Beteiligten nicht in Frage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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IV. Der Beschluss ist unanfechtbar, da mit der Ablehnung des Zulassungsantrags die angegriffene Entscheidung rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).