Titel:
Keine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen Änderung des Abschussplans für Rotwild
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
AVBayJG § 15 Abs. 3
BayJG Art. 32 Abs. 1 S. 2
BJagdG § 21 Abs. 1
Leitsätze:
1. Es ist ausreichend, wenn die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 VwGO zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet und besondere, auf den Fall bezogenen Gründe für die Anordnung angegeben werden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Jagdbehörde hat nach § 15 Abs. 3 AVBayJG auf Antrag des Revierinhabers die erforderliche Erhöhung der Abschusszahlen zu verfügen, wenn sich nach Bestätigung des Abschussplans die für die Abschussplanung maßgebenden Verhältnisse geändert haben, soweit dies zur Sicherung einer den Vorschriften des § 21 Abs. 1 BJagdG und des Art. 32 Abs. 1 S. 2 BayJG entsprechenden Abschussregelung notwendig ist. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen der Überprüfung der jagdbehördlichen Entscheidung kann das Gericht ebenso wie die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt feststellen und würdigen. Denn wie bei der Festsetzung der Abschussplanung ist zu berücksichtigen, dass die gesetzlichen Grundlagen der § 21 BJagdG, Art. 32 BayJG und § 15 AVBayJG den Jagdbehörden bei der Festlegung von Ausmaß und Art der Abschüsse weder ein planerisches Ermessen noch einen vom Gericht nicht voll nachprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ausgangspunkt und Grundlage jeglicher Abschussplanung ist das gemäß Art. 32 Abs. 1 S. 3 BayJG einzuholende Forstliche Gutachten, welches den Zustand der Vegetation und der Waldverjüngung insbesondere im Hinblick auf die Einwirkungen des Wilds auf diesen Zustand feststellen soll. Das Forstliche Gutachten ist auch einer Entscheidung über eine beantragte nachträgliche Änderung des Abschussplans als Basis zugrunde zu legen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Jagd auf Schalenwild ist in Natura2000-Gebieten eine Gebietserhaltungsmaßnahme, die keiner Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 der FFH-Richtlinie bedarf, wenn sie die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglicht und gewährleistet, dass es nicht zu Störungen kommt, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele und den Schutzzweck maßgeblichen Bestimmungen führen können. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Änderung des Abschussplans für Rotwild, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Sofortvollzug, Änderung Abschussplan, Festsetzung der Abschussplanung, Rotwild, Forstliches Gutachten
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6004
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller, eine Naturschutzvereinigung, begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner gegen den Bescheid des Landratsamts M… (im Folgenden: Landratsamt) gerichteten Klage, mit dem das im Jahresabschussplan für Rotwild festgesetzte Jahresabschuss-Soll im Eigenjagdrevier der Beigeladenen nachträglich erhöht worden war.
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Die Beigeladene ist Inhaberin des in der Hochwildhegegemeinschaft (HHG) M… gelegenen Eigenjagdreviers Staatsjagdrevier (StJR) M… Mit Bescheid vom … März 2022 bestätigte das Landratsamt den von ihr vorgeschlagenen Abschussplan für Rotwild für das Jagdjahr 2022/2023 mit einem Gesamtabschuss von 350 Stück (102 Hirsche (9 Stück Klasse I, 10 Stück Klasse IIb, 83 Stück Klasse III), 80 Alttiere, 52 Schmaltiere, 116 Kälber).
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Mit Schreiben vom … November 2022 beantragte die Beigeladene für das StJR M… beim Landratsamt u.a. die Zuteilung 39 zusätzlicher Stücke Rotwild (9 Hirsche, 30 Kälber) im Rahmen der Umverteilung in der HHG M… Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Zuteilung zusätzlicher Stücke sei zur Sicherung der waldbaulichen Ziele für die verbleibenden Wochen der Rotwildbejagung im laufenden Jagdjahr erforderlich. Mit Stand … November 2022 seien bereits 333 der 350 Stück Rotwild erlegt worden. Dieser sehr hohe Erfüllungsstand von über 95% sei neben weiteren Beobachtungen und Erkenntnisse ein deutliches Indiz dafür, dass sich die Rotwildbestände im Landkreis nach oben entwickelten. Der Abschussplan für Kälber sei bereits deutlich übererfüllt und durch Umverteilung aus höheren Klassen kompensiert worden. Die Zuteilung würde für Dezember und Januar und die anstehende Zeit der Schonzeitaufhebung einen angemessenen Handlungsspielraum ermöglichen. Eine Übersicht über die aktuelle Abschusserfüllung wurde beigefügt.
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Hierauf wurden der Beigeladenen mit – hier nicht streitgegenständlichem – Bescheid vom … Dezember 2022 für das StJR M… 10 weitere Stücke Rotwild (1 Hirsch Klasse IIb, 1 Hirsch Klasse III, 1 Alttier, 1 Schmaltier, 6 Kälber) im Rahmen der Umverteilung aus der HHG M… zugeteilt. Die Zuteilung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der aktuelle Erfüllungsstand beim Rotwild in der HHG M… eine Nichterfüllung des Abschuss-Solls in einzelnen Revieren erwarten lasse. Eine Umverteilung sei aufgrund der noch nicht erfüllten Abschüsse in der gesamten HHG M… und der teilweise noch offenen Abschüsse in den Randrevieren möglich. Die Beigeladene könne durch die Umverteilung weitere Bejagungsmöglichkeiten nutzen.
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Mit Schreiben ebenfalls vom ... Dezember 2022 beantragte die Beigeladene die Genehmigung 30 zusätzlicher Rotwildabschüsse (1 Hirsch Klasse IIb, 5 Hirsche Klasse III, 6 Alttiere, 6 Schmaltiere, 12 Kälber) für das StJR M… im laufenden Jagdjahr. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, das Abschuss-Soll sei mit 341 von 350 Stück Rotwild zum Stand … Dezember 2022 bereits zu weiten Teilen erfüllt, wobei der aktuelle Stand des Rotwildabschusses dargelegt wurde. Das (nach Umverteilung) aktuelle Abschuss-Soll von 360 Stück reiche für die Sicherstellung der waldbaulichen Entwicklung der Staatswälder bis zum Ende des Jagdjahrs im Bereich des Reviers nicht aus. Es sei davon auszugehen, dass das Abschuss-Soll innerhalb kurzer Zeit erfüllt werden könne. Es habe sich erst im Verlauf des aktuellen Jagdjahrs herausgestellt, dass der Rotwildbestand im StJR M… offensichtlich deutlich höher liege, als auf Grundlage der Rotwildzählungen im vorigen Winter zu erwarten gewesen wäre. Das decke sich mit den Einschätzungen und Beobachtungen in mehreren anderen Jagdrevieren, die von ansteigenden Rotwildbeständen in der HHG M… ausgingen. Das Forstliche Gutachten habe für die HHG M… einen zu hohen Schalenwildverbiss festgestellt und diese als rot eingestuft. Die festgesetzte Erhöhung des Rotwildabschusses auf 350 Stück liege zwar deutlich über dem Ist-Abschuss des Vorjahres, es habe sich jedoch herausgestellt, dass dieses Abschuss-Soll wider Erwarten nicht für die Gewährleistung einer konsequenten Rotwildbejagung in den kommenden Winterwochen zur Vermeidung von Schäden an der Bergwaldverjüngung genüge. Ohne die Ermöglichung weiterer Abschüsse seien über den Winter erhebliche Verbissschäden im Schutzwald zu erwarten. Für die kommende Zeit der Schonzeitaufhebung sei es wichtig, ausstehendes Rotwild auf sensiblen Schutzwaldsanierungsflächen erlegen zu können. Auf Nr. 1.2.1. der Hegerichtlinien werde verwiesen.
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Der Leiter der HHG-M… nahm mit Schreiben vom ... Dezember 2022 Stellung. Die Abschusszahlen der letzten fünf Jahre hätten einen durchschnittlichen Ist-Abschuss von 286 Stück Rotwild (Soll: 288) gezeigt. Der Fütterungsbestand im Jagdjahr 2021/2022 habe nur um 3% über dem Schnitt der letzten fünf Jahre gelegen. Die aktuelle Abschusserfüllung der privaten Jagdreviere von 72% (Stand: 7. Dezember 2022) lasse nicht zwingend auf einen deutlich höheren Rotwildbestand schließen. Er empfehle, die Abschussfreigabe mit 360 Stück zu belassen und abhängig von den Fütterungsbeständen im laufenden Jagdjahr eine Abschusserhöhung für das Jagdjahr 2023/2024 zu planen. Mit der frühzeitigen Abschusserfüllung solle gerade im Hinblick auf die Fütterungszeit dem Wild der Jagddruck genommen werden.
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Der Kreisjagdberater führte in seiner Stellungnahme vom ... Dezember 2022 im Wesentlichen aus, dass die Nachbeantragung einer Änderung des bestätigten Abschussplans nach § 15 Abs. 3 AVBayJG bedürfe. Grundvoraussetzung sei, dass sich die Verhältnisse nach dessen Bestätigung verändert hätten (z.B. erhöhte Wildschäden, Zuwanderungen etc.). Beim Einjahres-Abschussplan werde eine Änderung nur in seltenen Fällen begründet sein. Bei nachträglichen Veränderungen, die den Vorgaben des § 21 Abs. 1 BJagdG und Art. 32 Abs. 1 BayJG zuwiderliefen, habe nach seiner Einschätzung zwingend ein positiver Bescheid zu erfolgen. Er empfehle, Rechtssicherheit über eine entsprechend ergänzte Antragstellung herzustellen und zu überdenken, dass für die Schonzeitaufhebung in den Sanierungsflächen der zum … Februar 2022 noch offene Rotwildabschuss – reduziert um den durchschnittlich zu erwartenden Fallwildanteil – an die Staatsjagdreviere für den Rest des Jagdjahrs übertragen werden könne, um eine Bejagung der Schonzeitaufhebungsflächen sicherzustellen.
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Der Jagdbeirat sprach sich in der Jagdbeiratssitzung am … Dezember 2022 mit 5:1 Stimmen für die nachträgliche Änderung des Abschussplans aus. Ausweislich des Protokolls habe der Vertreter der Beigeladenen – teilweise auf Nachfragen – im Wesentlichen ausgeführt, der aktuelle Abschussstand liege derzeit bei 355 Stück. Es hätten sich wesentliche Änderungen beim Rotwildbestand ergeben. Es herrsche ein starker Anstieg, was im Frühjahr noch nicht vorhersehbar gewesen sei, obwohl schon 50 Stück mehr beantragt worden seien. Die Entwicklung sei erst im laufenden Jagdjahr wahrgenommen worden. Das Wild solle an die Fütterungen gebracht werden. Es solle um Einzelsteher im Schutzwald gehen, die Kälber seien bereits ausreichend bejagt worden. Die Erlegung der Zuwachsträger sei dieses Jagdjahr nicht so erfolgreich, die Abweichung beim Kälberabschuss sehr hoch. Die Rotwildbejagung zeige eine gute Entwicklung, ebenso wie die waldbauliche Entwicklung. Der Fokus solle in Zukunft auf Alt- und Schmaltiere gesetzt werden. Der Kälberabschuss zeige die Tendenz der Rotwildentwicklung. Für die Beigeladene habe der (Mutter-)Tierschutz einen hohen Stellenwert. Auf Nachfrage, wie viele Stücke in welcher Klassifizierung für die Schonzeitaufhebung zurückgehalten werden sollen, habe der Vertreter der Beigeladenen angegeben, dass in den letzten Jahren meistens 10 Stücke geschossen worden seien. Der Vertreter des AELF habe u.a. ausgeführt, der Bestand des Rotwilds nehme stark zu. Eine Erhöhung des Abschussplans werde empfohlen. Alttiere und Schmaltiere würden zu wenig erlegt und dennoch müssten die Bestände reduziert werden. Die Zählbestände seien in den letzten Jahren gestiegen. Der Hegegemeinschaftsleiter habe in der Jagdbeiratssitzung u.a. darauf hingewiesen, dass die Abschusszahlen nicht die einzige Option seien, um den Verbiss in den Griff zu bekommen. Die Zählzahlen zeigten, dass die Bestände gleichblieben. Auf Frage des Vertreters des AELF, weshalb aufgrund der (noch) Nichterfüllung des Abschusses in der Hochwildhegegemeinschaft nicht mehr umverteilt worden sei, gab der HHG-Leiter an, dass die Abschusserfüllung in den Privatrevieren inzwischen über 80% liege.
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Mit – hier streitgegenständlichem – Bescheid vom … Dezember 2021 wurde der durch das Landratsamt gegenüber der Beigeladenen am … März 2022 bestätigte, durch Bescheid vom ... Dezember 2022 geänderte Abschussplan für Rotwild im StJR M… dahingehend geändert, dass der Rotwildabschuss um 30 Stück Rotwild (1 Hirsch Klasse IIb, 5 Hirsche Klasse III, 6 Alttiere, 6 Schmaltiere, 12 Kälber) erhöht wurde, wobei die Soll- und Ist-Zahlen im Einzelnen tabellarisch dargestellt wurden (Nr. 1). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 2). Der Bescheid ergehe kostenfrei (Nr. 3). Zur Begründung wurde nach Sachverhaltsdarstellung im Wesentlichen ausgeführt, nach § 15 Abs. 3 AVBayJG habe die Jagdbehörde bei einer Änderung der für die Abschussplanung maßgebenden Verhältnisse nach Bestätigung des Abschussplans auf Antrag des Revierinhabers die erforderliche Änderung des Rotwildabschussplans zu verfügen, soweit dies zur Sicherung einer den Vorschriften des § 21 Abs. 1 BJagdG und des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG entsprechenden Abschussregelung notwendig sei. Gründe für eine solche Veränderung nach der Bestätigung seien z.B. erhöhte nicht zu erwartende Wildschäden oder Zuwanderungen. Dabei werde davon ausgegangen, dass eine Abschussplanänderung bei einjährigen Abschussplänen die Ausnahme sei. Gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG sei bei der Abschussplanung neben der körperlichen Verfassung des Wilds vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung, zu berücksichtigen. Nach den Ergebnissen des Forstlichen Gutachtens 2021 werde die Verbissbelastung in der HHG M… als zu hoch bewertet. Um die Situation auf den Problemflächen zu verbessern, empfehle auch das AELF H…, den Abschuss zu erhöhen. Die Beigeladene habe ihrem Antrag mündlich hinzugefügt, dass insbesondere die Wildkameras eine klare Zuwanderung zeigten. Es stünde mehr Rotwild im Revier, als bei der Abschussplanung im Frühjahr zu erwarten gewesen sei. Die Abstimmung des Jagdbeirats sei eindeutig gewesen und es seien alle vorliegenden Argumente bewertet worden. Eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse sei aufgrund der Schilderungen anzunehmen gewesen. Eine Änderung sei in der Folge im überwiegenden öffentlichen Interesse zur Wahrung des § 21 Abs. 1 BJagdG und des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG zu verfügen gewesen. Es handele sich um eine gebundene Entscheidung. Die sofortige Vollziehung sei im öffentlichen Interesse gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO anzuordnen gewesen. Der Abschuss des Wilds sei so zu regeln, dass die berechtigen Ansprüche der Land- und Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt blieben. Innerhalb dieser Grenzen solle der Abschussplan zum Erhalt eines gesunden Wildbestands aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleiben. Der Gesetzgeber habe mit den Regeln der Abschussplanung dem Schutz der Vegetation und insbesondere der Waldverjüngung klaren Vorrang eingeräumt, der seinen Ursprung in der überragenden Bedeutung des Walds für das Klima, den Wasserhaushalt, die Sauerstoffproduktion und die biologische Vielfalt habe. Erhöhter Wildverbiss durch Schalenwild sei auf Dauer der geforderten Waldverjüngung naturnaher Wälder und standortgemäßer Baumarten abträglich. Nach dem Forstlichen Gutachten 2021 sei die Verbissbelastung in der HHG M… zu hoch bei unveränderter Tendenz, was die Revierweise Aussage für das gegenständliche Revier erläutere. Das AELF unterstütze den Antrag und habe die prekäre Situation und den hohen Verbiss im Revier bestätigt. Eine Aussetzung des Rotwildabschusses in Gestalt der Nachbeantragung würde dagegen die Gefahr bergen, dass die massiven Verbissschäden von Schutzwäldern der betroffenen Bereiche weiter zunähmen. Die Abschussplanung beruhe auf einer prognostischen Einschätzung anhand der gegebenen Informationen, welche nicht davon abhängig sein dürfe, dass sich diese später als überholt, unzutreffend oder unrealistisch herausstelle. Die gesetzlich normierten Ziele des Art. 32 Abs. 1 BayJG, insbesondere eine ausreichende Waldverjüngung, könnten unter den gegebenen Voraussetzungen nicht im erforderlichen Umfang erreicht werden, wenn eine Aussetzung des Rotwildabschusses aufgrund eines Klageverfahrens erfolge. Die erforderliche Erhöhung des Abschussplans würde ins Leere laufen. Bei Berücksichtigung aller Belange, auch des sehr hohen Schutzwaldanteils im Staatsjagdrevier, sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung im öffentlichen Interesse geboten und zur Verhinderung negativer Auswirkungen einer aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs auf die Abschussvorgaben und die Länge des Rechtsstreits durch ggf. mehrere Instanzen in diesem Einzelfall erforderlich. Die Änderung des Abschussplans sei nach § 16 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 AVBayJG gebührenfrei.
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Am … Dezember 2022 erhob der Bevollmächtigte des Antragsstellers Klage sowohl gegen den Bescheid vom … Dezember 2022 als auch den Bescheid vom … Dezember 2022 (M 7 K 22.6453). Das Landratsamt teilte der Beigeladenen auf Nachfrage mit E-Mail vom … Dezember 2022 im Wesentlichen mit, dass die 10 Stück aus der Umverteilung nicht erlegt werden dürften, da kein Sofortvollzug angeordnet worden sei. Die nach der Umverteilung bereits erlegten Stücke seien auf die 30 Stücke anzurechnen, um dem Rechtsschutz des Eilverfahrens nicht entgegenzuwirken.
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Am … Januar 2023 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage (M 7 K 22.6453), soweit diese gegen den Bescheid vom … Dezember 2022 gerichtet ist.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Erhöhung sei offensichtlich rechtswidrig und verletze umweltrelevante Rechtsvorschriften. Da mit einer Entscheidung in der Hauptsache bis zum Ende des Jagdjahrs am … März 2023 nicht zu rechnen sei, sei die Schaffung vollendeter Tatsachen durch Erfüllung des erhöhten Abschuss-Solls zu befürchten. Die Beigeladene habe den im Jagdjahr 2021/2022 festgesetzten Rotwildabschuss von 300 Stück mit 326 Stück um fast 10% überschossen. Die HHG M… habe sich mit Stellungnahme vom ... Dezember 2022 gegen eine Erhöhung ausgesprochen. Der Kreisjagdberater habe in seiner Stellungnahme vom ... Dezember 2022 ausgeführt, eine Erhöhung käme nur bei einer Veränderung der Verhältnisse nach Bestätigung des Abschussplans in Betracht. Aus dem Protokoll der Jagdbeiratssitzung vom … Dezember 2022 ergebe sich, dass die Beigeladene auch dort keine Zahlen, die eine wesentliche Veränderung nach der Bestätigung des Abschussplans plausibel gemacht hätten, genannt habe. Die Erhöhung der am ... Dezember 2022 aus dem regulären Abschussplan noch offenen 22 Stück Alttiere um weitere 6 Stück entbehre einer vernünftigen Entscheidungsgrundlage, da das Erlegen alleinstehender Alttiere zum einen mit dem Risiko von Tierschutzverstößen verbunden sei und zum anderen diese nach der Verordnung zur Verlängerung der Jagdzeiten im Bezirk Oberbayern in den zum StJR M… gehörenden Schonzeitaufhebungsgebieten nicht über den 31. Januar 2023 hinaus bejagt werden dürften. Dass die Beigeladene bis dahin noch 28 Alttiere erlegen müsse, sei angesichts des ausgeschöpften Abschuss-Solls für Kälber tierschutzrechtlich bedenklich und unrealistisch. Hinzu komme, dass der niedrige Erfüllungsgrad bei den Alttieren (58 von 80, d.h. 72,5%) und Schmaltieren (38 von 52, d.h. 73,1%) gegen einen plötzlichen und unerwarteten Anstieg der Population spreche. Auch in anderen Revieren sei angesichts eines Erfüllungsgrads von 72% keine Zunahme ersichtlich. Die Antragsbefugnis ergebe sich aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG, wozu weiter ausgeführt wurde. Nach § 21 Abs. 1 BJagdG sei der Abschuss des Wilds so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt blieben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt würden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen solle die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibe und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert sei, deren Bestand bedroht erscheine. Das Landratsamt habe den von der Beigeladenden eingereichten Abschussplanvorschlag von 350 Stück Rotwild für das Jagdjahr 2022/2023 am 22. März 2022 bestätigt. Grundlage für die Entscheidung, die einen Anstieg des Abschuss-Solls gegenüber dem Vorjahr von 50 Stück beinhalte, seien das Forstliche Gutachten 2021 sowie die Revierweise Aussage gewesen. Die Bezugnahme auf die zu hohe Verbissbelastung und die Schutzbedürftigkeit des Bergwalds im Rahmen des Erhöhungsantrags sei verfehlt, weil diese Parameter bereits in den ursprünglichen Abschussplanvorschlag eingeflossen seien. Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 AVBayJG komme eine Erhöhung der ursprünglichen Abschusszahlen in Betracht, wenn sich die ursprünglichen Angaben zum betroffenen Jagdrevier als unzutreffend erwiesen. Dies sei nicht der Fall. Unter den „ursprünglichen Angaben“ seien vor allem die im Abschussplan enthaltenen Daten zur tatsächlichen Situation zu verstehen. Dazu gehörten die Größe des Jagdreviers, die spezielle Wildfläche, die Wald-Feldverteilung, beim Abschussplan für Rot-, Dam- und Muffelwild auch das Ergebnis der Winter- und Frühjahrszählungen und der Wildbestand zur Abschussbemessung. Bei diesen Parametern habe es keine nachvollziehbare Veränderung gegeben. Insbesondere sei der bei der Abschussplanung bereits berücksichtigte Wildbestand, d.h. die Zählergebnisse aus dem Winter 2021/2022, nicht zu korrigieren; dies wäre z.B. der Fall, wenn Übertragungsfehler vorlägen. Auch für eine nachträgliche Veränderung der für die Abschussplanung maßgeblichen Verhältnisse spreche nichts Belastbares. Die Waldverjüngungssituation sei bereits in die Abschussplanung eingeflossen, wofür auch die Anhebung des Abschuss-Solls spreche. Eine unerwartete Zunahme des Verbisses oder unerwartete Schälschäden im laufenden Jagdjahr seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Ein nachträglicher Anstieg der Rotwildpopulation werde nicht plausibel gemacht. Der Forstbetriebsleiter spreche selbst nur von „offensichtlich deutlich höheren“ Rotwildbeständen und bewege sich im Bereich der Vermutung. Angaben zu Beobachtungen würden weder zeitlich noch örtlich spezifiziert. Die Rotwildzählungen aus dem Winter 2021/2022 würden nicht durch neuere Zählergebnisse in Frage gestellt oder relativiert. Es werde offengelassen, bei welchen Geschlechtern und Altersklassen es die Zunahmen gegeben haben solle. Soweit einzig auf die Kälber eingegangen werde, sei dieser Ansatz verfehlt, weil die Zunahme des Abschuss-Ists bei den Kälbern von 133 Stück im Jagdjahr 2021/2022 auf 154 Stück im Jagdjahr 2022/2023 (Stand: 6. Dezember 2022) nur maßvoll gestiegen sei. Dieser Anstieg von 21 Stück sei nicht geeignet, einen erheblichen Anstieg oder eine gravierende Fehleinschätzung der Bestände im März 2022 zu belegen. Ein Vergleich zwischen dem Kälberbestand im Winter 2021/2022 und jenem im Dezember 2022 sei nicht möglich, da die Beigeladene weder die Kälber im Winter 2021/2022 gezählt noch die einjährigen Stücke, die die Kälber des Vorjahres darstellten, bei der Zählung erfasst habe. Vor allem die Vergleiche zwischen Kälberzählungen und Erfassung von Einjährigen im darauffolgenden Jagdjahr erlaubten mit Bezug auf die Zahl der gesichteten Alttiere sowie den getätigten Abschüssen und Abgängen einen Schluss auf die Entwicklung des Gesamtbestands. Aus den vorgelegten Zählstatistiken sei nicht ersichtlich, ob die Zählungen in demselben Jagdjahr oder in zwei aufeinanderfolgenden Jagdjahren durchgeführt worden seien. Das entsprechende Feld „Kälber“ im Abschussplanformular sei gestrichen. Es sei nicht nachvollziehbar, ob die im Winter als „Schmaltiere“ gezählten Tiere in einer Frühjahrszählung nach dem ... April als Alttiere gezählt worden seien oder ob die dann gezählten Schmaltiere die Kälber des Vorjahres gewesen seien. Die Erfüllung des Abschusses bei den Alttieren und Schmaltieren von jeweils knapp über 70% spreche gegen einen deutlichen Anstieg der Population. Auf die Stellungnahme der Hochwildhegegemeinschaft werde verwiesen. Zu den „für die Abschussplanung maßgebenden Verhältnissen“ gehörten vor allem der Zustand der Vegetation, insbesondere die Situation der Waldverjüngung (Verbiss-, Fege- und Schälschäden), Wildschadensschwerpunkte, Höhe und Verteilung des Wildbestands einschließlich der konzipierten jahreszeitlich bedingten Wildbestandsbewegungen, Größe und Beschaffenheit der Jagdreviere und gegebene Jagdmöglichkeiten. So stellten beispielsweise unerwartet aufgetretene Schälschadensschwerpunkte eine nachträgliche Änderung der für die Rotwildabschussplanung maßgebenden Verhältnisse dar, die die Anwendung des § 15 Abs. 3 AVBayJG rechtfertigen könnten. Hierfür sei nichts ersichtlich. Selbst ein plötzlich auftretender, anhaltender und wirtschaftlich relevanter Sommerverbiss oder die deutliche Verschlechterung der zu Beginn des Abschussplans vorliegenden Verbisssituation werde weder vorgetragen oder sei sonst ersichtlich. Angesichts der großen räumlichen Ausdehnung des Staatsjagdreviers sei nicht klar, ob die Zunahme des Rotwildbestands auf der gesamten Fläche oder an einzelnen Schwerpunkten beobachtet worden sei. Eine Änderung des Abschussplans müsse zur Sicherung einer den Vorschriften des § 21 Abs. 1 BJagdG und des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG entsprechenden Abschussregelung notwendig sein. Bei der Prüfung dieser Frage stehe der Behörde ein Beurteilungsspielraum zu, ob und inwieweit unter dem Gesichtspunkt des vorrangig zu berücksichtigenden Vegetationszustands eine Änderung notwendig sei. Beim Einjahres-Abschussplan werde eine Änderung nur in seltenen Ausnahmen begründet sein, da – worauf der HHG-Leiter zutreffend hinweise – im Rahmen der anstehenden Abschussplanung 2023/2024 kurzfristig auf Bestandsänderungen reagiert werden könne. Die derzeit eher vage Annahme, die Bestände seien gestiegen, könne dann im Rahmen der diesjährigen Winterzählungen auf ein belastbares Fundament gestellt werden. Das Landratsamt stütze seine Entscheidung allein auf Mutmaßungen der Beigeladenen und der land- und forstwirtschaftlich ausgerichteten Mitglieder des Jagdbeirats. Auch die Stellungnahme des AELF, die Bestände nähmen deutlich zu, werde weder konkretisiert noch sei sie durch Zahlenmaterial belegt. Die im Rahmen der Verbissinventur 2021 ermittelten Daten beinhalteten keine stichhaltigen Argumente für eine deutliche Erhöhung des Abschusses. Aus dem Forstlichen Gutachten 2021 ergebe sich ein insgesamt rückläufiger Verbiss. Dies betreffe auch Tanne und Edellaubhölzer, lediglich die sonstigen Laubhölzer seien leicht gestiegen. Es stelle sich die Frage, warum anstelle einer flächigen Anhebung des Abschusses keine nach Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BayJG ausdrücklich vorgesehene Schwerpunktbejagung in den Sanierungsflächen angeordnet worden sei, um den Abschuss auf diese Flächen zu konzentrieren, wozu weiter ausgeführt wurde. Im Jagdjahr 2022/2023 sei offenbar kein Fokus auf die Zuwachsträger gelegt worden, bei denen der Stand der Abschusserfüllung mit knapp über 70% deutlich unter dem Soll liege. Weiter hätte die vorliegende Abschussplanung, auch deren Erhöhung, angesichts des tangierten FFH- und Vogelschutzgebiets Mangfallgebirge eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde erforderlich gemacht. Das Staatsjagdrevier M… sei dem Natura2000-Netz zugehörig, Teile seiner Flächen lägen im FFH-Gebiet 8336-371 (Mangfallgebirge) und im Vogelschutzgebiet (SPA) Mangfallgebirge (8336-471). Die nachträgliche Anhebung des Rotwildabschusses sei mit den – im Einzelnen aufgezählten – Erhaltungszielen im SPA-Gebiet aufgrund der damit verbundenen Störung nicht in Einklang zu bringen, sie beinhalte Zielkonflikte. Diese lägen nicht nur in der Störung durch die Jagd selbst, sondern auch in den Folgen einer stärkeren Bejagung. So benötige das Auerhuhn lichte Waldbestände, während die aktuelle forstliche Wunschvorstellung eher in Richtung eines dichten Bergmischwalds tendiere. Die Zielkonflikte seien von der Behörde in der Abschussplanung zu berücksichtigen und abzuwägen. Auf das Urteil der Kammer vom 29. März 2017 (M 7 K 16.3638, Rn. 54) werde verwiesen. Das Landratsamt habe auf eine Ermittlung des Zielkonflikts vollständig verzichtet. Dies widerspreche der Vorgabe des § 21 BJagdG. Die von der Beigeladenden erwähnten „Einzelsteher“ auf Schonzeitaufhebungsflächen könnten im Rahmen von Einzelabschussanordnungen erlegt werden. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass die Bejagung angesichts ihrer Einflüsse im FFH- und im SPA-Schutzgebiet eine Verträglichkeitsprüfung nach der RL 2001/42/EG erfordern könne. Schon die Vorprüfung sei unterblieben. Auch bei offenem Ausgang der Hauptsache ende die dann vorzunehmende Interessenabwägung mit Überwiegen des Aussetzungsinteresses. Das ursprüngliche Abschuss-Soll von 350 Stück werde von dem Rechtsstreit nicht tangiert. Durch die Erfüllung des ursprünglichen Solls seien die waldbaulichen Ziele und der Schutz des Bergwalds hinreichend gesichert. Zu berücksichtigen sei weiter, dass der Verbiss gegenüber 2018 rückläufig sei und zeitnah eine Abschussregelung für das Jahr 2023/2024 mit Berücksichtigung des aktuellen Winterbestands erfolgen könne. Erlegte Tiere seien endgültig als Umweltbestandteile verloren. Dieser Aspekt zwinge zu einer Aussetzung bis zur Klärung der Rechtsfragen im Hauptsacheverfahren. Interessen des Grundeigentümers oder der Allgemeinheit seien angesichts des Umstands, dass ein Sofortvollzug nicht der gesetzliche Regelfall sei und keine besonderen Gründe für die Unaufschiebbarkeit der Umsetzung sprächen, nicht ersichtlich.
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Der Antragsteller beantragt:
Die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller unter dem Aktenzeichen M 7 K 22.6453 geführten Klage gegen Nr. 1 des Bescheids des Landratsamts vom … Dezember 2022, Az.: 24.1-7533.01, betreffend die Änderung des am 22. März 2022 bestätigten Abschussplans für Rotwild für das Staatsjagdrevier M… für das Jagdjahr 2022/2023 (Erhöhung des Rotwildabschusses um 30 Stück, aufgeteilt in 1 Hirsch Klasse II b, 5 Hirsche Klasse III, 6 Alttiere, 6 Schmaltiere und 12 Kälber), wird wiederhergestellt.
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Der Antragsgegner beantragt:
Der Antrag wird abgelehnt.
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Zur Begründung wurde mit Schreiben vom … Februar 2023 im Wesentlichen ausgeführt, zum Stand 2. Februar 2023 liege der Abschuss bei 379 Stück (9 Hirsche Klasse I, 10 Hirsche Klasse IIb, 82 Hirsche Klasse III, 65 Alttiere, 44 Schmaltiere, 172 Kälber). Da die Umverteilung nicht der sofortigen Vollziehung unterliege, hätten sich die Abschusszahlen auf in Summe 380 Stück zu beschränken. Es sei noch ein Abschuss im Rahmen der Nachbewilligung offen. Der Antrag sei unbegründet, da das bestehende Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse überwiege. Der gegenständliche Abschussplan sei rechtmäßig und verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. In die Würdigung seien alle vorliegenden Argumente einbezogen worden. Die Abstimmung im Jagdbeirat habe eine eindeutige Mehrheit für das neue Abschuss-Soll gezeigt. Die Argumente der Beigeladenen, des Jagdberaters, des HHG-Leiters und des AELF seien gehört worden. Es sei nicht ausschlaggebend, dass das AELF seine Stellungnahme ohne zahlenmäßige Belege vorgetragen habe. Das AELF und dessen fachkundige Meinung nehme einen nicht unerheblichen Stellenwert in der Abschussplanung ein, da es sich um das Fachamt bezüglich des Zustands des Walds handele. Das „Überschießen“ der Kälber und ein geringerer Abschuss der Zuwachsträger könne zwar jagdpraktisch in Frage gestellt werden, jedoch sei zunächst erst einmal nicht von einer Widerrechtlichkeit im Hinblick auf § 16 AVBayJG auszugehen. Konsequenterweise sei die Erhöhung des Abschusses der Kälber erforderlich, wenn ein Abschuss von Alt- und Schmaltier, wie gefordert, fokussiert werden solle. Die Anordnung einer Schwerpunktbejagung nach Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BayJG sei der Unteren Jagdbehörde nicht möglich gewesen. Detailwissen über die Bejagung im Forstbetrieb, insbesondere der örtlichen Besonderheiten, der Abschussverteilung im Revier und der konkreten Verbissbelastung in Teilbereichen liege nicht vor. Die Informationen seien derzeit der Beigeladenen vorbehalten und würden bislang nicht offengelegt. Im Übrigen werde, insbesondere hinsichtlich der nachträglich geänderten Verhältnisse, auf die Stellungnahme der Beigeladenen vom … Januar 2023, das Protokoll der Sitzung vom 19. Dezember 2022 und den Antrag der Beigeladenen vom ... Dezember 2022 verwiesen. Bei offenen Erfolgsaussichten sei das öffentliche Interesse mit dem Interesse des Antragstellers abzuwägen. Die Aussetzung der sofortigen Vollziehung berge grundsätzlich große Gefahren für die Naturverjüngung.
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Die Beigeladene trug mit Schriftsatz vom … Januar 2023 im Wesentlichen vor, sowohl die tabellarische als auch die grafische Darstellung des Futterwildbestands im StJR M… zeigten eine kontinuierliche, teils sprunghafte Zunahme des Rotwildbestands in den Jahren 2005 bis 2022. Im Durchschnitt habe sich der Bestand jedes Jahr um etwa 3,5% erhöht. Deshalb habe der Forstbetrieb, ausgehend von dem Ist-Abschuss des Jagdjahres 2021/22 von 334 Stück, einen Abschuss von 350 Stück für das Jagdjahr 2022/23 beantragt. Es sei zu berücksichtigen, dass an den Fütterungen und Wintergattern nur ein Teil der tatsächlich vorhandenen Rotwildpopulation erfasst werde. Abhängig vom Witterungsverlauf im Winter, entscheidend sei insbesondere die Schneelage, zögen 20% bis 40% des Rotwildbestands nur tageweise oder gar nicht an die Fütterungen. Es sei zu vermuten, dass der tatsächliche Rotwildbestand im StJR M… deutlich höher liege als dies der Futterwildbestand vorgebe. Weitere Bestandserhebungen, insb. Frühjahrszählungen, gebe es nicht. Diese wären in einem bewaldeten Gebirgsrevier wie dem StJR M… nicht praktikabel umsetzbar. Tatsächlich habe sich im Laufe des Jagdjahres 2022/23 über Beobachtungen im Jagdbetrieb und über Aufnahmen von Wildkameras der Eindruck verfestigt, dass deutlich mehr Rotwild im StJR M… stehen müsse, als bei der Abschussplanung im Frühjahr vermutet worden sei. Hierfür spreche die weitgehende Erfüllung des Abschussplans zum … Dezember 2022 mit 341 Stück Rotwild (97,4%). Weiteres Indiz seien die bis zum … Januar 2023 erlegten 172 Kälber, die eindeutig zeigten, dass im Jagdjahr 2022/23 im StJR M… weit mehr Alttiere vorhanden sein müssten, als der im Februar 2022 erfasst Kahlwildbestand vom 270 Stück (Alttiere, Schmaltiere und Kälber) habe vermuten lassen. Für den unterschätzten Rotwildbestand spreche auch, dass nach Beobachtungen der für den Futterbetrieb verantwortlichen Personen trotz des bis Anfang Januar sehr milden und schneearmen Winters aktuell annähernd gleichviel Rotwild an den Fütterungen und Wintergattern stehe wie im Vorjahr. Die Ergebnisse der Winterzählungen seien unter den aktuell gegebenen klimatischen Verhältnissen nur noch wenig aussagekräftig. Daraus folge, dass der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldvegetation, für die Planung von Abschüssen mehr berücksichtigt werden müsse. Wegen der besonderen Bedeutung des Schutzwalds, wozu aus Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 7.4.2005 – 19 B 99.2193 – juris Rn. 53; U.v. 16.9.2022 – N 19.1368, Rn. 259) zitiert wurde, insbesondere bei derart hohen Schutzwaldanteilen wie im StJR M…, sei für die Landeskultur eine möglichst ungehinderte Verjüngung dieser oft überalterten Wälder sicherzustellen, was nur mit angepassten Schalenwildbeständen gelinge. Ein übermäßiger Verbiss oder neue Schälschadensschwerpunkte müsste nicht abgewartet werden, es reiche, dass die nicht mögliche Bejagung des Rotwilds im Winter ein echtes Risiko für Verbissschäden an der Verjüngung des Schutzwalds darstelle. Die Befürchtung des Eintritts übermäßiger Schäden an der Verjüngung habe die Mehrheit der Jagdbeiräte in der Besprechung am … Dezember 2022 geteilt. Die Werte des Leittriebverbisses der Baumarten Buche und Edellaubholz aus dem Forstlichen Gutachten 2021 lasse im Flachland eine normale, halbwegs ungestörte Verjüngung erwarten. Für den Berg- bzw. Schutzwald treffe dies nicht zu. Hier seien die Verjüngungszeiträume deutlich länger. Daher liege hier weiterhin ein erhebliches Risiko der Entmischung vor. Bei der Baumart Tanne sei eine gesicherte Verjüngung bei einem Leittriebverbiss von 16% sogar im Flachland fraglich. Im Berg- bzw. Schutzwald sei eine Verjüngung der Tanne bei dieser Verbissbelastung mehr als ungewiss. Die Jagd sei von der Beigeladenen als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Aufgabe, den Staatsforst zu verwalten, nach Art. 4 Abs. 1 Satz 2 StFoG vorbildlich auszuüben. Dazu trage maßgeblich die Aufteilung der Jagdfläche im Gebirge durch eine verwaltungsinterne Vorgabe (Jagdnutzungsanweisung Anlage 6 „Maßnahmenkatalog Schalenwildjagd im Hochgebirge“) in Zonen von unterschiedlicher jagdlicher Intensität bei. Damit werde der Jagddruck auf die im Hinblick auf Verbissschäden kritischen Flächen konzentriert. Die Regiejagd werde in drei Zonen eingeteilt, die im Folgenden beschrieben wurden. Die Zonierung erfolge durch die Forstbetriebe, wildbiologische Aspekte würden berücksichtigt. Die vom Antragsteller eingeforderte Schwerpunktbejagung werde von der Beigeladenen mit der Zonierung bereits umgesetzt. So sei im StJR M… in den Jagdjahren 2019/20 bis 2021/22 der überwiegende Anteil des Rotwilds in den Sanierungsgebieten und überalterten Schutzwäldern (Zone 1) erlegt worden (2019/20: 61%, 2020/21: 58%, 2021/22: 57% der Rotwildstrecke). Der Rest der Strecke werde überwiegend in der Zone 2 (Bergwald) erlegt. Auf die Zone 3 (Almflächen, Fels- und Latschenbereiche) entfielen so gut wie keine Abschüsse. Dort herrsche im Wesentlichen Jagdruhe. Dieses Bejagungsmodell sei der Unteren Jagdbehörde bekannt. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG seien die Belange des Naturschutzes in die Abwägung bei der Abschussplanung lediglich einzustellen. Eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde nach Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG sei weder erforderlich noch müsse sie nachgeholt werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U.v. 11.12.2017 – 19 N 14.1022) habe festgestellt, dass die Jagd auf Schalenwild in Natura2000-Gebieten eine Gebietserhaltungsmaßnahme sei, die keiner Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie bedürfe und diese Auffassung in seinem Urteil vom 16. September 2022 (19 N 19.1368) bestätigt. Zudem könne es allenfalls darum gehen, inwieweit die Bejagung des Rotwilds im Zeitraum ... August bis … Januar eine erhebliche Störung darstellen könne. In diesen Zeitraum fielen aber weder Balz- noch Brut- oder Aufzuchtzeit. Auch ein Zielkonflikt zwischen den Erhaltungszielen im Natura2000-Gebiet „Mangfallgebirge“ und dem Ziel, mit dem beantragten Abschussplan den Erhalt bzw. die Wiederherstellung des Bergwalds zu sichern, könne nicht erkannt werden. Der Erhalt und die Sicherung des Bergwalds seien die wesentlichen Voraussetzungen für die Erreichung der Erhaltungsziele. Das mit der Abschussplanung 2022/23 und der nachträglichen Erhöhung verfolgte Ziel sei nicht die Begründung eines dichten, dunklen Bergwalds, sondern die Erhaltung und Wiederherstellung der Lebensraumkomplexe aus großflächigen, reich strukturierten Laub-, Misch- und Nadelwäldern mit naturnaher Struktur und Zusammensetzung. Die streitgegenständliche Erhöhung sei nicht auf einen vollständigen Ausschluss des Wildverbisses ausgerichtet. Dieser solle lediglich so weit eingedämmt werden, dass bei den standortgemäßen Baumarten die natürliche Waldverjüngung im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen aufkomme. Schon deshalb würden auch in Zukunft licht überschirmte Waldteile existieren. Soweit die Renaturierung des Walds mit einem gewissen Grad zur Verdichtung (Kronenschluss) verbunden sei, sei eine erhebliche Beeinträchtigung des Auerwilds bereits deshalb auszuschließen, weil es sich bei der Renaturierung um eine moderate und Jahrzehnte dauernde Entwicklung handele. Bezüglich der Frage einer tierschutzgerechten Bejagung von „allein stehenden“ Alttieren im Winter sei einzuwenden, dass auch die „Wildtier Stiftung“ in ihren Ausführungen zur waid- und tierschutzgerechten Alttierbejagung diese sogar bei Riegeljagden ausdrücklich empfehle. Voraussetzung sei, dass zuvor bereits in nennenswertem Umfang Kälber erlegt worden seien. Eine Erlegung von Alttieren könne bei der Einzeljagd, bei der in aller Ruhe abgeklärt werden könne, ob sich ein Kalb zeige, tierschutzgerecht erfolgen. Außerdem könnten für die bis zum … Januar noch nicht erlegten Alttiere weitere Schmaltiere oder Kälber im Rahmen der Schonzeitverordnung erlegt werden.
17
Der Bevollmächtigte des Antragstellers führte mit Schriftsatz vom 2. Februar 2023 weiter aus, die Zunahme des Rotwildbestands in den Jahren 2005 bis 2022 sei bereits in der Abschussplanung für das Jagdjahr 2022/2023 berücksichtigt worden, ebenso wie die Ergebnisse der Zählung im Februar 2022. Der gegenüber 2021 deutlich gestiegene Bestand an den Fütterungen im Februar 2022 könne nicht für eine weitere Erhöhung des Abschuss-Solls herhalten. Ein schwankender Fütterungsbestand sei ausweislich der Zeitreihe ein häufiges Phänomen und fließe immer in die Abschussplanung ein. Dass an den Rotwildfütterungen nicht der gesamte Bestand erfasst werden könne, sei zutreffend, aber keine Besonderheit. Dunkelziffern bei den Zählungen seien der Normalzustand. Da die Abschussplanung auch von einer Dunkelziffer ausgehe, sei die Tatsache, dass der Rotwildbestand im StJR M… höher sei als der bei den Fütterungen gezählte, nicht zur Begründung einer Abschussplanänderung geeignet. Die Argumentation, die hohe Erfüllungsquote bei den Abschüssen spreche für einen höheren Wildbestand, sei unzutreffend. Die Erfüllungsquote sei nur durch ein systematisches Überschießen der Kälber nach oben geschraubt worden, weder bei Alt- noch bei Schmaltieren sei der ursprüngliche Abschuss auch nur annähernd erfüllt. Dies spreche gegen eine höhere Zahl der Zuwachsträger. Vermehrtes Auftreten von Rotwild an bestimmten Wildkameras müsse nicht für einen gestiegenen Rotwildbestand im Revier sprechen, sondern könne seinen Grund auch in geändertem Einstandsverhalten einer gleichbleibenden Population innerhalb des über 20.000 ha großen Jagdreviers haben – etwa dann, wenn im Bereich von Wildkameras Ruhe gehalten oder gekirrt werde. Der Beigeladenen komme es augenscheinlich nur auf die absolute Zahl geschossener Stücke an, die Aufteilung nach dem Abschussplan und die Vorgaben der Hegerichtlinien, an die die Beigeladene gebunden sei, spielten keine Rolle mehr. Es werde hierbei nicht verkannt, dass Kälber anstelle von Stücken einer älteren Klasse erlegt werden dürften, die Strategie der Beigeladenen, das Abschuss-Ist über das systematische Überschießen einzelner Klassen nach oben zu treiben, sei aber unübersehbar. Der Kahlwildbestand der Winterzählung im Frühjahr 2022 (270) habe nach den Zahlen der Beigeladenen deutlich höher als im Jahr 2021 (189) gelegen. Folglich sei der Abschussplan 2022/2023 auf Grundlage dieser Erhöhung beantragt und auch bestätigt worden. Die hohe Zahl erlegter Kälber könne ebenso gut durch verstärkte Jagdbemühungen herrühren. Die Behauptung, es stehe annähernd gleich viel Rotwild an den Fütterungen, sei weder zeitlich noch örtlich näher spezifizierbar. Das Ansinnen der Beigeladenen, aus einer nach dem Forstgutachten 2021 zu hohen Verbissbelastung im Revier die Möglichkeit ableiten zu wollen, den Abschussplan unterjährig immer dann nachträglich anzuheben, wenn die Erfüllungsquote hoch sei, trete offen zu Tage. Die AVBayJG gebe das nicht her. Denn bei Einjahres-Abschussplänen könne ohne weiteres im folgenden Jagdjahr auf festgestellte höhere Wildbestände reagiert werden. Die von der Beigeladenen zitierten Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs befassten sich nicht mit einer nachträglichen Anpassung eines Jahresabschuss-Solls. Zudem sei die Entscheidung vom 11. Dezember 2017 (19 N 14.1022) vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben worden und die aktuelle Entscheidung vom 16. September 2022 (19 N 19.1368) nicht rechtskräftig. Die Mehrheit des Jagdbeirats sei bei der Abstimmung dem Irrtum unterlegen, ein festgestellter hoher Verbiss genüge, um beliebig von der Vorschrift des § 15 Abs. 3 AVBayJG Gebrauch zu machen. Dass die Stellungnahme des HHG-Leiters von der Beigeladenen mit keinem Wort erwähnt und von der Behörde auch nicht berücksichtigt worden sei, komme hinzu. Die Ausführungen der Beigeladenen zu den von ihr vorgenommenen Zonierungen sei für die hier zu klärenden Rechtsfragen ohne Relevanz. Das Gericht habe bereits im Parallelverfahren in Bezug auf Gamswildabschusspläne geäußert, dass die Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde erforderlich sei. Für Rotwild gelte nichts anderes, schon weil die Bejagung in einem Natura2000-Gebiet stattfinde.
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Hierauf ergänzte die Beigeladene mit Schriftsatz vom … Februar 2023 ihren Vortrag. Winterzählungen stellten aufgrund der nicht fassbaren Dunkelziffer keine zuverlässige Basis mehr für die Berechnung der Abschusshöhe dar. Maßgebliche Grundlage sei daher der Zustand der Vegetation. Hinzu träten Weiser, die Rückschlüsse auf den Wildbestand zuließen, wie z.B. der Trend an den Wildfütterungen, Beobachtungen im Jagdbetrieb, Wildkameras sowie die Auswertung der tatsächlich erfolgten Abschüsse. Die Zunahme des Rotwildbestands an den Winterfütterungen sei bei der Abschussplanung 2022/2023 berücksichtigt worden. Maßgeblich für die Beantragung einer weiteren Erhöhung seien Beobachtungen im Jagdbetrieb gewesen, worin eine nachträgliche Änderung der für die ursprüngliche Abschussplanung maßgebenden Verhältnisse gesehen werde. Deutliches Indiz hierfür seien die 150 Kälber, die bis zum … November 2022 (Datum der beantragten Umverteilung) bzw. die 172 Kälber, die bis zum Ende der regulären Jagdzeit am … Januar 2023 erlegt worden seien. Diese zeigten deutlich, dass weit mehr Alttiere vorhanden sein müssten, als der Alttierbestand, der im Februar 2022 an den Fütterungen und Wildgattern erfasst worden sei, vermuten ließe. Da ein Alttier in der Regel nur ein Kalb setzte, hätten zum ... August 2022 mindestens 172 Alttiere im Jagdrevier sein müssen. Zudem stehe jetzt, Stand Februar 2023, wieder eine ähnliche Anzahl an Kälbern an den Fütterungen (Februar 2022: 90 Stück, Februar 2023: 83 Stück). Das Jagdrecht ermögliche das Erlegen von Kälbern anstelle der im Abschussplan freigegebenen Hirsche, Alttiere und Schmaltiere. Der Gesetzgeber habe dem Schutz der Vegetation und insbesondere der Waldverjüngung einen klaren Vorrang eingeräumt. Wenn bei einer Schonzeitaufhebung nach dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (U.v. 16.9.2022 – 19 N 19.1368) die Befürchtung übermäßiger Wildschäden ausreiche, dürfte dies analog auch bei einer nachträglichen Änderung der Abschusshöhe gelten. Vorgelegt wurde das Ergebnis der Winterzählung 2021/2022.
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Mit Schriftsatz vom … Februar 2023 (fälschlicherweise ... Februar 2023), führte der Antragsteller weiter aus, die Dunkelziffer an den Fütterungen sei heute genauso fassbar wie früher. Ein gestiegener Wildbestand könne durch Zählung im Jahresverlauf ermittelt werden. Die von der Beigeladenen bezeichneten „Weiser“ blieben unkonkret. Der Ansatz, man müsse Schäden nicht abwarten, führe die Abschussplanung ad absurdum. Wie die Untere Jagdbehörde in ihrem Bescheid äußere, sei die Abschussplanung eine Planentscheidung, deren Richtigkeit nicht davon abhängen könne, ob sie sich nachträglich als unzutreffend erweise. Wie man hier sehe, gelte das aber nicht mehr, wenn die Beigeladene mehr schießen wolle. Die Zahl der erlegten Rotkälber sei nicht geeignet, den Bestand an Zuwachsträgern nach oben zu rechnen. Der im Februar 2022 erfasste Bestand an Zuwachsträgern betrage 180 Stück, da zu den 131 Alttieren weitere 49 reproduktionsfähige Schmaltiere zu zählen seien, sodass die Zahl von 172 Kälbern plausibel erscheine. Da nur ein Teil der Bestände erfasst werde, spreche auch ein annähernd gleicher Fütterungsbestand an Kälbern im Februar 2023 nicht für einen unerwarteten Zuwachs.
20
Die Beigeladene führte mit Schriftsatz vom … Februar 2023 im Wesentlichen weiter aus, nach Nr. 7 der Hegerichtlinien setzten 70-90% der Alttiere ein Kalb. Nach den Daten der Winterzählung sei zum … April 2022 ein Bestand von 180 Alttieren (inklusive der bei der Zählung erfassten Schmaltiere) anzunehmen gewesen. Hiernach hätte der Zuwachs an Kälbern zwischen 126 und 162 Kälbern liegen müssen. Ausgehend von tatsächlich 172 bis zum … Januar 2023 erlegten Kälbern hätten rechnerisch am ... April 2022 zwischen 246 und 191 Alttiere vorhanden seien müssen, was einer Dunkelziffer zwischen 11 und 66 entspreche. Beziehe man die 83 Kälber ein, die im Februar 2023 an den Fütterungen ständen, ergebe sich ein Ausgangsbestand zwischen 364 und 283 Alttieren, sodass deren Bestand zum … April 2022 zwischen 160% und 200% des Winterzählbestands betragen haben dürfte. Winterzählungen erschienen daher nicht mehr zur Abschätzung der tatsächlichen Bestandshöhe geeignet, woran auch exaktere und häufigere Zählungen nichts ändern könnten. Da die Voraussetzungen für die nachträgliche Anpassung des Abschussplans vorlägen, habe die Untere Jagdbehörde kein Ermessen. Die Überprüfung des jagdlichen Handelns der Beigeladenen sei nicht Verfahrensgegenstand.
21
Der Antragsteller erwiderte mit Schriftsatz vom ... März 2023. Die Beigeladene habe in ihrer Stellungnahme vom 30. November 2022 allgemein ausgeführt, es gebe Indizien, dass sich die Rotwildbestände im Landkreis nach oben entwickelten und ihre Argumentation erst nach Beschränkung der gewünschten Umverteilung auf 10 Stück dahingehend angepasst, dass sich die Rotwildbestände im Staatsjagdrevier nach oben entwickelt hätten. Es sei verfehlt, die Winterzählung als völlig wertlos darzustellen. Die Beigeladene könne weitere Zählungen veranlassen. Die Beispielsrechnung der Beigeladenen sei nicht aussagekräftig, da die Dunkelziffer bei einem angenommenen Ansatz von 180 Alttieren außen vorgelassen werde. Der jetzt angenommene Bestand könne sich auch schon bislang im Staatsjagdrevier befunden haben. Wenn von angenommenen 255 Kälbern 172 erlegt worden seien, sei dies weit mehr als die Hälfte des Zuwachses, den die Hegerichtlinien vorsehe. Es sei unverständlich, dass die Beigeladene versuche, den Bestand an Zuwachsträgern hochzurechnen, die Jagd aber nicht auf diese Zuwachsträger konzentriere. Da Alttiere auch in den Schonzeitaufhebungsflächen nach dem … Februar nicht mehr bejagt werden dürften, werde das Argument, Kapazitäten für die Phase der Schonzeitaufhebungen frei zu haben, ad absurdum geführt. Es sei jagdpraktisch unbestreitbar, dass Alttiere mit jedem verlorenen Kalb heimlicher würden, wodurch die Jagd erschwert werde und Wildschäden zunähmen. Dass von der Unteren Naturschutzbehörde ein Zielkonflikt mit dem Natura2000-Gebiet für möglich gehalten werde, werde bei der Entscheidungsfindung nicht gewürdigt. Das Begehren der Beigeladenen führe die gesamte Jahresabschussplanung ad absurdum, wozu weiter ausgeführt wurde.
22
Im Klageverfahren führte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom … März 2023 über das bereits im Eilverfahren Vorgetragene hinaus aus, weder die Untere Jagdbehörde noch das AELF H… hätten eigene Sachverhaltsermittlungen zu einer etwaigen Verschlechterung der Verbisssituation vorgenommen. Für die Einschätzung, ob die Rotwildbestände auf der gesamten Fläche oder nur an einzelnen Flächen zugenommen hätten, sei die auf die einzelnen Forstreviere des StJR M… entfallenden Zähl- und Streckendaten herauszugeben. Die Untere Naturschutzbehörde habe im Nachgang zur Entscheidung ausdrücklich festgehalten, dass bei einer Abschusserhöhung ein Zielkonflikt zwischen den forstwirtschaftlichen Zielen und dem Naturschutz bestehen könne. Insbesondere sei ein Abgleich der Jagdstrategien auf größerer Fläche nicht erfolgt.
23
Die Untere Naturschutzbehörde teilte dem Landratsamt mit E-Mail vom … Februar 2023 im Rahmen der mit E-Mail vom … Januar 2023 erfolgten Beteiligung mit, dass der vom Antragsteller beschriebene Zielkonflikt zwischen forstwirtschaftlichen Zielen und Zielen des Naturschutzes zwar prinzipiell bestehen könne, allerdings könne auch eine stärkere räumliche Differenzierung bezüglich der Jagdintensität hier weiterhelfen. Bisher gebe es nur eine Abstimmung mit dem Forstbetrieb Schliersee zu den Kernlebensräumen des Auerhuhns im Mangfallgebirge bezüglich Störungen und forstlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen (zeitliche Beschränkungen). Eine Angleichung der Jagdstrategien sei bislang nicht erfolgt, sodass derzeit keine fundierte Stellungnahme zu einer beantragten jahrweisen Erhöhung der Abschusszahlen abgegeben werden könne.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten in diesem und im Klageverfahren (M 7 K 22.6453) Bezug genommen.
25
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die vom Landratsamt mit Bescheid vom … Dezember 2022 verfügte Änderung des Abschussplans für Rotwild im StJR M… 2022/2023 durch Erhöhung des Jahres-Abschusssolls um 30 Stück (M 7 K 22.6453) hat keinen Erfolg.
26
Der zulässige Antrag ist nicht begründet.
27
Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller, eine nach § 3 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 63 Abs. 2 BNatSchG im Freistaat Bayern anerkannte landesweit tätige Naturschutzvereinigung, ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UmwRG antragsbefugt. Bei der Erhöhung des Jahres-Abschusssolls dürfte es sich um ein Vorhaben i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG handeln, da von einer sonstigen, in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme auszugehen sein dürfte (vgl. zur Maßnahme der Schonzeitaufhebung BayVGH, U.v. 16.9.2022 – 19 N 19.1368 – juris Rn. 187; VG München, B.v. 30.3.2022 – M 7 S 22.1686 – juris Rn. 20 f.; B.v. 30.3.2022 – M 7 S 22.1688 – juris Rn. 20 f.; B.v. 30.3.2022 – M 7 S 22.1695 – juris Rn. 18 f.; vgl. auch VG Regensburg, B.v. 13.4.2022 – RO 4 S 22.1162, BayVBl. 2022, 563).
28
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung bezüglich der Nr. 1 des Bescheids vom … Dezember 2022 formell rechtmäßig ist und das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
29
Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung (Nr. 2 des Bescheids) ist formell rechtmäßig.
30
Die vom Antragsgegner vorgebrachte Begründung – an die keine besonders hohen Anforderungen zu stellen sind – genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Es ist ausreichend, wenn die Begründung zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet und die besonderen, auf den Fall bezogenen Gründe für die Anordnung angegeben werden (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall. Das Landratsamt hat unter Bezugnahme auf die im Forstlichen Gutachten 2021 und der zugehörigen Revierweisen Aussage festgestellte zu hohe Verbissbelastung im StJR M… ausgeführt, dass eine Aussetzung des genehmigten höheren Rotwildabschusses die Gefahr berge, dass die massiven Verbissschäden in den Schutzwäldern der betroffenen Bereiche weiter zunähmen. Zudem dürfe die auf einer prognostischen Einschätzung beruhende Abschussplanung nicht davon abhängig sein, dass sie sich später als überholt, unzutreffend oder unrealistisch herausstelle. Hervorgehoben wurde zudem der sehr hohe Schutzwaldanteil in dem streitgegenständlichen Revier. Damit hat das Landratsamt klar dargelegt, weshalb es im konkreten Fall in Anbetracht der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller erhobenen Klage die Anordnung des Sofortvollzugs zur Verhinderung negativer Auswirkungen für erforderlich gehalten hat.
31
Der Antragsteller hat nach der vorzunehmenden Interessensabwägung keinen Anspruch auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der streitgegenständlichen Erhöhung des Rotwildabschusses um 30 Stück im Wege einer Änderung des Abschussplans für Rotwild 2022/2023 überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
32
Nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eines Dritten die aufschiebende Wirkung seiner Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
33
Den Maßstab für die Erfolgsaussichten der Hauptsache bestimmt § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG als eine von § 113 VwGO abweichende Sonderregelung (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 2 UmwRG Rn. 18). Der Erfolg eines (zulässig erhobenen) Rechtsbehelfs nach § 2 Abs. 1 UmwRG setzt hiernach voraus, dass die angegriffene Entscheidung gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind und der Verstoß Belange berührt, die zu den satzungsgemäßen Zielen der Vereinigung gehören. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist insoweit grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses. Zugunsten der beigeladenen Revierinhaberin sind nachträgliche Änderungen zur Vermeidung erneuter Genehmigungsverfahren auch im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 23.4.1998 – 4 B 40/98 – juris Rn. 3 m.w.N.).
34
Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt die summarische Prüfung, dass der Bescheid vom … Dezember 2022 rechtmäßig sein dürfte.
35
Rechtsgrundlage für die Änderung der Abschussplanung ist § 15 Abs. 3 AVBayJG i.V.m. § 21 Abs. 1 BJagdG und Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG.
36
An der formellen Rechtmäßigkeit der verfügten Erhöhung des Rotwildabschusses bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
37
Ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften dürfte nicht gegeben sein. Die vom Antragsteller gerügte Nichtbeteiligung der Unteren Naturschutzbehörde wurde zwischenzeitlich nachgeholt (vgl. Art. 45 Abs. 1 Nr. 5 BayVwVfG), sodass vorliegend dahinstehen kann, inwieweit eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde im konkreten Fall erforderlich gewesen wäre (vgl. Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG). Die Untere Naturschutzbehörde wurde vom Landratsamt mit E-Mail vom ... Januar 2023 beteiligt und hat sich mit E-Mail vom ... Februar 2023 geäußert. Da Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG lediglich die Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde, nicht jedoch deren Einvernehmen erfordert, dürfte eine verfahrensrechtliche Nachbesserung (vgl. Schneider in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: 3. EL 2022, § 45 Rn. 102) damit erfolgt sein.
38
Die Erhöhung der Abschusszahlen für Rotwild dürfte nach summarischer Prüfung auch materiell rechtmäßig gewesen sein.
39
Nach § 15 Abs. 3 AVBayJG hat die Jagdbehörde auf Antrag des Revierinhabers die erforderliche Erhöhung der Abschusszahlen zu verfügen, wenn sich nach Bestätigung des Abschussplans die für die Abschussplanung maßgebenden Verhältnisse geändert oder sich ursprüngliche Angaben als unrichtig erwiesen haben, soweit dies zur Sicherung einer den Vorschriften des § 21 Abs. 1 BJagdG und des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG entsprechenden Abschussregelung notwendig ist. Nach § 21 Abs. 1 BJagdG ist der Abschuss des Wilds so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint. Gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG ist bei der Abschussplanung zudem neben der körperlichen Verfassung des Wilds vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen.
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Im Rahmen der Überprüfung der jagdbehördlichen Entscheidung kann das Gericht ebenso wie die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt feststellen und würdigen. Denn wie bei der Festsetzung der Abschussplanung ist zu berücksichtigen, dass die gesetzlichen Grundlagen der § 21 BJagdG, Art. 32 BayJG und § 15 AVBayJG den Jagdbehörden bei der Festlegung von Ausmaß und Art der Abschüsse weder ein planerisches Ermessen noch einen vom Gericht nicht voll nachprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumen. Vielmehr kann das Gericht die in den Vorschriften gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffe daraufhin untersuchen, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet hat, ob sie die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat und ob die Höhe des Abschusses sich noch in einem vertretbaren Zahlenrahmen befindet. Auch bei einem Änderungsantrag ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Abschusszahl nicht mathematisch-logisch, etwa anhand einer bestimmten Formel, zu bestimmen ist, sodass der Behörde eine gewisse Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt ist (vgl. VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 – Au 4 K 13.2005 u.a. – juris Rn. 67 m.w.N.; vgl. zur Abschussplanung BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 13 m.w.N.).
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Nach diesen Maßstäben dürften die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 3 AVBayJG für die Erhöhung der Abschusszahlen vorgelegen haben.
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Eine Änderung der maßgebenden Verhältnisse liegt vor, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse nachträglich geändert haben oder sich die ursprünglichen Angaben als unrichtig erweisen. Die nachträgliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse kann z.B. den Zustand der Vegetation, die Höhe und Verteilung des Wildbestands oder eine unerwartete Zu- oder Abnahme des Wildbestands betreffen, während sich die Unrichtigkeit der ursprünglichen Angaben auf die Revierverhältnisse und den Wildbestand bezieht, d.h. insoweit müssten die Daten zur Reviergröße oder die Wald-Feld-Verteilung fehlerhaft gewesen sein oder bei Rotwild auch die Ergebnisse der Winter-/Frühjahrszählungen Unrichtigkeiten ergeben haben (vgl. VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 – Au 4 K 13.2005 u.a. – juris Rn. 69 m.w.N).
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Vorliegend dürfte im Hinblick auf die Größe des Rotwildbestands eine nachträgliche Änderung der für die Abschussplanung maßgebenden Verhältnisse eingetreten sein.
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Die Beigeladene hat plausibel dargelegt, dass der tatsächliche Rotwildbestand deutlich höher sein muss, als er nach dem Ergebnis der Winterzählung 2022 zu erwarten gewesen wäre und im Zeitpunkt der Bestätigung des Abschussplans 2022/2023 am … März 2022 angenommen worden war. So spricht nicht nur die weitgehende Erfüllung des Abschussplans bereits zum … Dezember 2022 mit 341 Stück – mithin 97,4% – für einen deutlich höheren Rotwildbestand als angenommen, sondern auch die Beobachtung der Beigeladenen, dass trotz des bis Anfang Januar sehr milden und schneearmen Winters annähernd gleichviel Rotwild an den Fütterungen und Wildgattern stehe wie im Vorjahr. Maßgebliches Indiz für einen deutlich höheren Rotwildbestand dürfte indes die hohe Zahl von 172 Kälbern sein, die die Beigeladene bis zum … Januar 2023 erlegt hat und anhand der die Größe des im Zeitpunkt der Abschussplanung vorhandenen Bestands an Alttieren errechnet werden kann. Die Beigeladene hat unter Heranziehung der sich aus Nr. I.7 der Richtlinien für die Hege und Bejagung des Schalenwildes in Bayern vom 9. Dezember 1988 (AllMBl 1989 S. 73, zuletzt geändert durch Bek. v. 31.8.2012, AllMBl. S. 596 – Hegerichtlinien) ergebenden Erfahrungswerte für Zuwachs bei Rotwild von 70-90% der Alttiere ohne Schmaltiere zum 1. April des Jahres nachvollziehbar dargelegt, dass nach den Daten der Winterzählung zum ... April 2022 ein Bestand von 180 Alttieren anzunehmen gewesen war. Von diesem Bestand ausgehend hätte der Zuwachs von Kälbern im Jagdjahr 2022/2023 zwischen 126 und 162 Kälbern liegen müssen. Diese Zahl wird bereits durch die erlegten 172 Kälber deutlich überschritten. Hingegen hätte nach der von der Beigeladenen vorgenommenen Rückrechnung – ausgehend von 172 Kälbern – zum … April 2022 ein Alttierbestand in Höhe von 191 bis 246 Stück vorhanden sein müssen. Hinzu kommen weitere 83 Kälber, die im Frühjahr 2023 an den Fütterungen gezählt worden sind, was einen Ausgangsbestand zum ... April 2022 zwischen 283 und 364 Alttieren ergibt. Diese Zahlen lassen deutlich erkennen, dass sich aufgrund neuerer Erkenntnisse – insbesondere der Zahl der erlegten Kälber – die für die Abschussplanung maßgebenden Verhältnisse nach Bestätigung des Abschussplans geändert haben.
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Das Vorhandensein eines deutlich höheren Rotwildbestands ist auch plausibel. Zum einen entspricht ein höherer Rotwildbestand dem aus der von der Beigeladenen vorgelegten Übersicht zu der Entwicklung des Futterwildbestands im StJR M… in den Jahren 2005 bis 2022 ersichtlichen langjährigen Trend einer insgesamt ansteigenden Rotwildpopulation. Zum anderen hat die Beigeladene nachvollziehbar dargelegt, dass die Ergebnisse der Winterzählungen unter den aktuell gegebenen klimatischen Verhältnissen und insbesondere abhängig von der Schneelage hinsichtlich der tatsächlichen Höhe des Rotwildbestands nur noch bedingt aussagekräftig sind, sodass das Eintreten neuerer Erkenntnisse nicht unwahrscheinlich ist.
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Dem ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. So vermag an dem Ergebnis der Hochrechnung weder der Einwand, dass in dem streitgegenständlichen Abschussplan lediglich ein Abschuss von 116 Kälbern festgesetzt worden sei noch der Einwand, dass die Beigeladene mit den Abschüssen bei Alt- und Schmaltieren erheblich zurückliege, etwas zu ändern. Denn die 172 Kälber sind tatsächlich erlegt worden und waren damit taugliche Basis für die erfolgte Hochrechnung des Bestands. Bezüglich der Aussagekraft der Ergebnisse der Winterzählungen ist dem Antragsteller zwar zuzugeben, dass eine – allerdings auch von ihm nicht näher quantifizierte – Dunkelziffer jeder Zählung immanent ist und daher auch in die Abschussplanung einfließt. Der Antragsteller verkennt jedoch, dass der Abschuss vorliegend nicht aufgrund einer unbekannten Dunkelziffer erhöht worden ist, sondern deshalb, weil sich nachträglich konkrete Erkenntnisse für die Existenz eines deutlich höheren Rotwildbestands als bei der Abschussplanung zugrunde gelegt ergeben haben. Sinn und Zweck der Regelung des Art. 15 Abs. 3 AVBayJG besteht gerade darin, der Jagdbehörde eine Möglichkeit zu eröffnen, die Abschusszahlen bei nachträglich gewonnenen näheren Erkenntnissen entsprechend anpassen zu können. Dies muss insbesondere auch die Konstellation erfassen, in denen aus dem tatsächlich erfolgten Abschuss plausible Rückschlüsse auf die im Zeitpunkt der Abschussplanung angenommenen Bestandsgröße gezogen werden können.
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Die Erhöhung der Abschusszahlen dürfte auch zur Sicherung einer den jagdrechtlichen Vorschriften entsprechenden Abschussregelung i.S.d. § 15 Abs. 3 letzter Halbsatz AVBayG erforderlich gewesen sein.
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Ausgangspunkt und Grundlage jeglicher Abschussplanung ist das gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 3 BayJG einzuholende Forstliche Gutachten, welches den Zustand der Vegetation und der Waldverjüngung insbesondere im Hinblick auf die Einwirkungen des Wilds auf diesen Zustand feststellen soll (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 95). In der Konsequenz ist das Forstliche Gutachten auch einer Entscheidung über eine beantragte nachträgliche Änderung des Abschussplans als Basis zugrunde zu legen (vgl. VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 – Au 4 K 13.2005 u.a. – juris Rn. 71 f.).
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Vorliegend ist daher das Forstliche Gutachten 2021 und die ergänzende Revierweise Aussage maßgeblich.
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Nach dem Forstlichen Gutachten 2021 ist die HHG M… zu 65% bewaldet, wobei der hohe Schutzwaldanteil von rd. 62% der Waldfläche besonders hervorstechend sei. Die Verbissbelastung wird aufgrund der deutlichen Entmischung der Verjüngung zu Ungunsten von Edellaubholz und Tanne insgesamt als „zu hoch“ beurteilt. Bei den Verjüngungspflanzen kleiner als 20 cm sei der Verbiss im oberen Drittel gegenüber 2018 beim Edellaubholz von 29% auf 30% und bei Buche von 17% auf 21% gestiegen, bei der Fichte habe es eine Abnahme von 2% auf 1% und bei der Tanne von 15% auf 11% gegeben. Bei Verjüngungspflanzen ab 20 cm bis zur maximalen Verbisshöhe sei der Leittriebverbiss gegenüber 2018 an der Fichte bei 2% gleichgeblieben, bei der Tanne von 23% auf 16%, bei der Buche von 20% auf 15% und beim Edellaubholz von 34% auf 26% gesunken, beim sonstigen Laubholz von 32% auf 34% gestiegen. Insbesondere bei der wichtigen Mischbaumart Tanne reiche der etwas gesunkene Leittriebverbiss noch nicht aus, um der deutlichen Entmischungstendenz zu Ungunsten dieser Baumart entgegenzuwirken. Obwohl der relative Anteil der Tanne als ausgeprägte Schattbaumart an der Verjüngung über die einzelnen Höhenstufen – wie bei der Buche zu beobachten sei – eigentlich zunehmen müsse, nehme ihr Anteil von 24% bei den Pflanzen unter 20 cm auf weniger als 5% bei den Pflanzen zwischen 80 cm und der maximalen Verbisshöhe sehr deutlich ab. Der Verbiss im oberen Drittel weise höhere Werte auf als der Leittriebverbiss: 10% bei der Fichte, 42% bei der Tanne, 47% bei der Buche, 68% beim Edellaubholz und ebenfalls 68% beim sonstigen Laubholz. Weiter wird ausgeführt, dass ein hoher Anteil an Mischbaumarten (Tanne und Laubhölzer) zur Stabilisierung der Wälder, insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel, dringend erforderlich sei. Der Tanne komme als Ergänzung zur Fichte auch eine wichtige Funktion für die Erhaltung der wirtschaftlichen Ertragskraft und die Optimierung der Schutzfunktion der Bergwälder zu. Tanne, Buche, Edellaubholz und sonstige Laubhölzer hätten maßgeblichen Anteil an der Waldverjüngung und spielten daher eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Verjüngungssituation. Der festgestellte Leittriebverbiss bei der Buche liege insgesamt noch im tragbaren Bereich, beim Edellaubholz sowie vor allem bei der Tanne werde diese Grenze jedoch überschritten, was sich an der deutlichen Entmischung zeige. Der Anteil des Edellaubholzes sinke in der Schicht 80 cm bis maximale Verbisshöhe auf weniger als die Hälfte, bei der Tanne auf weniger als ein Viertel des Ausgangswerts. Verbissschwerpunkte bestünden auch in Teilen des StJR M…, so in den Bereichen A…, W…, T…, D… und B… sowie in nahezu allen Sanierungsgebieten. Da die jagdlichen Bemühungen im Durchschnitt der Hochwildhegegemeinschaft nicht ausgereicht hätten, eine ausreichende Verjüngung der vorhandenen Bergmischwälder sicherzustellen, sei der Abschuss mit Schwerpunkt auf den in den ergänzenden Revierweisen Aussagen mit „zu hoch“ oder „deutlich zu hoch“ eingestuften Revieren sowie den aufgeführten Verbissschwerpunkten zu erhöhen. Nach der ergänzenden Revierweisen Aussage 2021 für die Staatsjagdreviere der Beigeladenen M…, K… und L…n ist das erfolgreiche Aufwachsen der Naturverjüngung von Fichte, Buche und Edellaubbäumen möglich, der Tanne nicht möglich. Der Leittriebverbiss der Tanne liege mit gut 14% etwas niedriger als im Durchschnitt der Hochwildhegegemeinschaft, in der Verjüngung bestehe vielerorts eine deutliche Entmischung zuungunsten der Tanne. In nahezu allen Sanierungsgebieten bestünden deutliche Verbissschwerpunkte. Eine Verjüngung der häufig stark verlichteten Wälder und damit eine Wiederherstellung der Schutzfunktionen sei daher in vielen Fällen nicht gesichert. Besonders starke Verbissschäden träten in fünf im Einzelnen aufgezählten Sanierungsgebieten auf. Die Verbissbelastung sei zu hoch. An stärker verbissgefährdeten Baumarten sei starker Schalenwildverbiss festzustellen. Sie gerieten ins Hintertreffen und würden von weniger verbissgefährdeten Baumarten überwachsen. Eine Entmischung der Verjüngung sei gegeben bzw. zu erwarten. Die Verbisssituation habe sich gegenüber der vorangegangenen ergänzenden Revierweisen Aussage nicht verändert. In dem Forstlichen Gutachten 2018 war die Verbissbelastung ebenfalls als „zu hoch“ eingestuft und die Abschussempfehlung mit „erhöhen“ angegeben worden.
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Die Forstlichen Gutachten bieten eine objektive und hinreichend umfassende Ermittlung der Schadenssituation (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 96; U.v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 56). Das System, die Methodik und die Durchführung der Forstlichen Gutachten sind nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 29 ff.). Die in dem Forstlichen Gutachten 2021 und in der ergänzenden Revierweisen Aussage getroffenen Feststellungen wurden von der Antragsgegnerin zutreffend zur Grundlage der Entscheidung gemacht und werden vom Antragsteller auch nicht substantiiert in Frage gestellt. Soweit der Antragsteller auf den im Vergleich zum Forstlichen Gutachten 2018 insgesamt rückläufigen Verbiss verweist, hat die Beigeladene nachvollziehbar dargelegt, dass im Berg- bzw. Schutzwald aufgrund des langsameren Wachstums und der deutlich längeren Verjüngungszeiten (vgl. hierzu auch Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 für die HHG M…, S. 2; vgl. auch Nr. I.1.2.1 Hegerichtlinien) gleichwohl ein erhebliches Risiko der Entmischung besteht. Aufgrund dieser längeren Entwicklungszeiten dürfte es auch nicht hinnehmbar sein, den Eintritt weiterer Schäden insbesondere am Schutzwald abzuwarten (vgl. zu dem Erhalt von Schutzwaldflächen BayVGH, U.v. 16.9.2022 – 19 N 19.1368 – juris Rn. 273).
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Auch der Einwand des Antragstellers, der im Forstlichen Gutachten 2021 für die HHG M… ausgewiesene zu hohe Schalenwildverbiss sowie die Schutzbedürftigkeit des Bergwalds seien bereits in die Abschussplanentscheidung eingeflossen, stellten somit keine neue Tatsache dar und könnten daher bei der Entscheidung über eine Änderung des Abschussplans nicht mehr berücksichtigt werden, geht fehl. Der Antragsteller verkennt, dass vorliegend die Abschusserhöhung nicht mit dem im Forstlichen Gutachten 2021 festgestellten zu hohen Verbiss als solchem begründet wurde, sondern damit, dass sich nachträglich ein höherer Rotwildbestand als im Rahmen der Abschussplanung angenommen herausgestellt hat. Hierin ist die Änderung der maßgeblichen Verhältnisse zu sehen, die dann konsequenterweise wegen der festgestellten zu hohen Verbissbelastung eine Erhöhung des Abschusses erforderlich macht. Da es i.R.d. Art. 15 Abs. 3 AVBayJG in zeitlicher Hinsicht ausschließlich auf eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse nach der Bestätigung des Abschussplans ankommt, ist es entgegen der Auffassung des Antragstellers unerheblich, dass die im Abschussplan 2022/2023 bestätigte Abschusszahl von 350 Stück bereits eine Erhöhung des Abschusses gegenüber dem Vorjahr dargestellt hat. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Beigeladene bei Kenntnis der tatsächlichen Bestandshöhe eine höhere Abschusszahl beantragt hätte.
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Unter Berücksichtigung des Forstlichen Gutachtens 2021 und der ergänzenden Revierweisen Aussage dürfte das Landratsamt den maßgeblichen Sachverhalt richtig ermittelt und gewertet und die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen haben. Die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege dürften angemessen berücksichtigt worden sein.
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Das Landratsamt hat bei seiner Entscheidung zunächst nicht verkannt, dass bei einjährigen Abschussplänen eine Änderung nur in Ausnahmefällen begründet sein dürfte, da auf Bestandsänderungen grundsätzlich im Rahmen der nächsten Abschussplanung kurzfristig reagiert werden kann (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 8.10.2014 – Au 4 K 13.2005 u.a. – juris Rn. 72 m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall dürfte vorliegend gegeben sein. Aufgrund der hohen Erfüllung des Abschuss-Solls mit 341 von 350 Stück Rotwild im Zeitpunkt der Antragstellung am ... Dezember 2022 war die vollständige Erfüllung des Abschusssolls absehbar – wie auch die weitere Entwicklung der Abschusszahlen (379 zum Stand ... Februar 2023) gezeigt hat. Ohne zusätzliche Abschussfreigaben wäre daher eine Bejagung – auch in den von der Verordnung über die Änderung der Jagdzeiten für Schalenwild in Sanierungsgebieten im Regierungsbezirk Oberbayern vom … Februar 2019 (OBABl. 2019, S. 40) betroffenen Sanierungsgebieten – nicht mehr möglich gewesen, sodass bei einem Abwarten bis zur nächsten regulären Abschussplanung zum … April 2023 eine nicht hinzunehmende Gefahr des Eintritts zunehmender Verbissschäden gerade auch in den besonders gefährdeten Schutzwäldern bestanden hätte.
55
Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers dürfte es auch nicht erforderlich gewesen sein, anstelle einer flächigen Anhebung des Abschusses eine Schwerpunktbejagung in den Sanierungsflächen anzuordnen. Wie sich aus der Stellungnahme der Beigeladenen ergibt, übt diese eine solche Schwerpunktbejagung im Wesentlichen bereits aus. Denn durch die Einteilung der Jagdfläche in drei Zonen mit unterschiedlicher jagdlicher Intensität wird der Jagddruck im Hinblick auf die Verbissschäden kritischer Flächen bereits konzentriert. So konzentriert sich die Zone 1, in der in den vergangenen drei Jagdjahren 61%, 58% und 57% der Rotwildstrecke erlegt wurden, auf Sanierungsgebiete (insbesondere Bereiche mit Schonzeitaufhebung) und weitere für die Schwerpunktbejagung notwendige Flächen.
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Nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung dürfte die Erhöhung des Jahres-Abschusssolls auch nicht gegen naturschutzrechtliche Vorschriften verstoßen. Die Untere Naturschutzbehörde hat in ihrer Stellungnahme vom … Februar 2023 u.a. ausgeführt, das zwar prinzipiell ein Zielkonflikt zwischen forstwirtschaftlichen Zielen und Zielen des Naturschutzes bestehen könne, eine stärkere räumliche Differenzierung bezüglich der Jagdintensität hier aber weiterhelfen könne. Eine etwaige Unvereinbarkeit der Maßnahme aufgrund unauflösbarer Zielkonflikte lässt sich dieser Stellungnahme jedenfalls nicht entnehmen, nach Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG ist ein Einvernehmen der Unteren Naturschutzbehörde auch nicht notwendig. Im Übrigen dürfte weiter zu berücksichtigen sein, dass die Beigeladene als Anstalt des öffentlichen Rechts nicht nur die Jagd gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 2 StFoG vorbildlich auszuüben hat, sondern nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 StFoG auch den Staatswald unter Beachtung der Grundsätze einer naturnahmen Forstwirtschaft vorbildlich zu bewirtschaften und dabei in besonderem Maße die Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege, des Klimaschutzes und der Wasserwirtschaft zu berücksichtigen hat (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 StFoG). Substantielle Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend ein Verstoß gegen naturschutzrechtliche Vorschriften gegeben sein könnte, hat der Antragsteller auch nicht vorgetragen.
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Auch eine Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie dürfte vorliegend nicht erforderlich gewesen sein. Denn die Jagd auf Schalenwild ist in Natura2000-Gebieten eine Gebietserhaltungsmaßnahme, die keiner Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 der FFH-Richtlinie bedarf, wenn sie die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglicht und gewährleistet, dass es nicht zu Störungen kommt, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele und den Schutzzweck maßgeblichen Bestimmungen führen können (vgl. ausführlich BayVGH, U.v. 16.9.2022 – 19 N 19.1368 – juris LS. 5, Rn. 296 ff. m.w.N.).
58
Schließlich bestehen auch gegen die Verhältnismäßigkeit der Erhöhung des Abschuss-Solls um 30 Stück Rotwild keine durchgreifenden Bedenken. Die Erhöhung beträgt, ausgehend von dem im Abschussplan 2022/2023 festgesetzten 350 Stück Rotwild, nur rund 8,5% und erscheint damit schon aufgrund des errechneten Ausgangsbestands an Alttieren im Höhe von rund 160% bis 200% des (gezählten) Winterbestands nicht unvertretbar hoch.
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Im Übrigen würde auch unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage bei einer reinen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der streitgegenständlichen Anordnungen das Interesse des Antragstellers überwiegen.
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Zwar ist zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass bei der Vollziehung des um den Abschuss von 30 Stück erhöhten Abschussplans die erlegten Stücke auch im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache unwiederbringlich verloren sind. Diesem Interesse steht jedoch das gewichtige öffentliche Interesse an dem Schutz des Walds, insbesondere des Schutzwalds, vor durch Rotwild verursachte Schäden gegenüber. Dieses Interesse wiegt vorliegend umso schwerer, als einerseits die HHG M… ausweislich des Forstlichen Gutachtens 2021 mit 62% einen besonders hohen Schutzwaldanteil aufweist, der neben den reinen Boden- und Wasserschutzfunktionen auch eine besondere Bedeutung für den Schutz von Infrastruktureinrichtungen hat (vgl. S. 2 des Forstlichen Gutachtens für die HHG M… 2021), und andererseits der im Revier vorkommende Rotwildbestand deutlich höher ist, als er im Zeitpunkt der Abschussplanung angenommen worden war. Auch in Teilen des StJR M… bestehen in nahezu allen Sanierungsgebieten Verbissschwerpunkte mit teilweisen starken Verbissschäden. Für dieses Rechtsgut würde ein erhebliches Gefährdungspotenzial geschaffen, wenn der weitere Abschuss des Rotwilds bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorläufig vollständig unterbleiben müsste. Denn es droht der Eintritt weiterer massiver Verbissschäden in den Schutzwäldern der betroffenen Bereiche, die aufgrund des langsamen Wachstums der Verjüngung in höheren Lagen (vgl. Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 für die HHG M…, S. 2; vgl. auch Nr. I.1.2.1 Hegerichtlinien) auch im Falle des Obsiegens des Antragsgegners nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt hat und somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt war (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.