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VG München, Urteil v. 14.03.2023 – M 5 K 17.45242
Titel:

Asylklage, Uganda, Klagefrist versäumt, Zustellungsfiktion, Postzustellungsurkunde, Homosexualität (lesbisch), unglaubhaft

Normenketten:
AsylG § 3
AufenthG § 60
AsylG § 10 Abs. 2 S. 4
AsylG § 74
ZPO § 418 Abs. 1
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Klagefrist versäumt, Zustellungsfiktion, Postzustellungsurkunde, Homosexualität (lesbisch), unglaubhaft
Fundstelle:
BeckRS 2023, 5965

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die 1974 geborene Klägerin ist ugandische Staatsangehörige, reiste nach ihren Angaben im Oktober 2014 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … Dezember 2014 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung am … Oktober 2016 trug sie vor, dass sie ausgereist sei, da sie homosexuell sei. Sie sei im Alter von 25 oder 26 Jahren zwangsverheiratet worden. Ihr Mann habe sie täglich geschlagen. Sie sei von ihrem Mann zum Sex gezwungen worden und habe zwei Kinder, aber bereits fünf Fehlgeburten erlitten. Sie habe eine Beziehung zu einer anderen lesbischen Frau unterhalten, das aber geheim gehalten. Ihr Ehemann habe 2005 und 2006 angefangen überall herumzuerzählen, dass sie lesbisch sei. 2014 sei er dann zur Polizei gegangen. Da sei sie im Juni 2014 zu einer Kirche gegangen, um dort Schutz zu suchen. Sie habe etwa einen Monat entweder bei ihrer Freundin oder ihrer Stiefmutter übernachtet. Eine Verwandte väterlicherseits habe nach Schilderung ihrer Lage ein Grundstück verkauft und so die Ausreise finanziert. Die Klägerin habe im Alter von 13 Jahren herausgefunden, dass sie lesbisch sei. Sie und weitere Freundinnen hätten in dem Alter angefangen, in den Busch zu gehen und sich einander oral zu befriedigen.
3
Sie legte einen Ausdruck einer online-Zeitung vom … Juli 2014 vor, wonach sie aufgrund ihrer unterstellten Homosexualtität das Land habe verlassen müssen. Ihr Mann und homophobe Aktivisten trachteten ihr nach dem Leben.
4
Nach einer Stellungnahme von „SOLWODI“ vom … Oktober 2016 werde sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung von ihrem Mann und Schlägertrupps bedroht. Ihre Schilderung erscheine glaubhaft.
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Mit Schreiben vom 1. Februar 2017 teilte die Klägerin dem Bundesamt ihre Adresse mit (M.-Straße 25a, 8… O.).
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Mit Bescheid vom ... Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
7
Die Postzustellungsurkunde vom ... Mai 2017, mit der der Bescheid zugestellt werden sollte, trägt den Vermerk „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“. Die Postzustellungsurkunde wurde an die von der Klägerin zuletzt angegebene Anschrift adressiert, allerdings mit dem Zusatz „KVB – O… III“. Der Bescheid wurde der Klägerin am … Juni 2017 unter Verwendung derselben Adresse wie in der Postzustellungsurkunde mit einfachem Schreiben versandt, das die Klägerin nach eigenen Angaben am … Juni 2017 erhalten hat.
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Die Klagepartei hat am 30. Juni 2017 Klage erhoben und beantragt,
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I. Der Bescheid der Beklagten vom … Mai 2017 wird aufgehoben.
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II. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen,
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III. Die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen.
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Hilfsweise beantragen wir,
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IV. Die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen.
14
Hilfsweise beantragen wir,
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V. Die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen der § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bezüglich der Klägerin vorliegen.
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Die Klage sei fristgemäß erhoben, Denn die Klägerin habe erst am … Juni 2017 den Bescheid erhalten. Der Zustellversuch gegen Postzustellurkunde am … Mai 2017 sei nicht ordnungsgemäß erfolgt, da die von der Klägerin angegebene Adresse um den Zusatz „KVB – O… III“ ergänzt worden sei. Die Klägerin verfüge unter der Adresse über einen mit ihrem Namen beschrifteten Briefkasten, den sie täglich leere. Die Klage sei auch begründet. Würde die Klägerin in Uganda auf der Straße erkannt, was sie aufgrund des Zeitungsartikels befürchte, würde sie sofort vom „Mob“ umgebracht, da sie als lesbisch bekannt sei. Ihr Mann sei erst zur Polizei gegangen, als sie bereits weggegangen sei. Er habe nicht als Verlierer dastehen wollen. Er wolle nicht, dass seine Frau woanders oder bei jemand anderem sei. Aufgrund der Verletzungen, die ihr Mann der Klägerin bei seinen Misshandlungen beigebracht habe, sei sie mehrmals in Uganda im Krankenhaus gewesen. Hier in Deutschland nehme sie regelmäßig an Treffen und Aktionen von LeTRA teil und habe hier auch eine Partnerin, die in Hamburg wohne.
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Das Bundesamt hat mit Schriftsatz vom 16. November 2017 beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Da die Zustellung mit Postzustellungsurkunde am ... Mai 2017 nicht erfolgreich gewesen sei, sei die Klage zulässig, da der Bescheid der Klägerin erst am … Juni 2017 zugegangen sei. Die Klage sei jedoch aus den im streitgegenständlichen Bescheid genannten Gründen unbegründet.
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Am 13. März 2023 fand mündliche Verhandlung statt.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 13. März 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unzulässig und auch unbegründet.
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1. Die Klage ist bereits unzulässig, da sie verfristet erhoben wurde.
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Die Klagefrist von zwei Wochen (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG) begann mit der Aufgabe des Bescheids zur Post am ... Mai 2017 und endete mit Ablauf des … Mai 2017.
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Denn es wurde versucht, den Bescheid vom ... Mai 2017 der Klägerin unter der letzten der Behörde bekannten Adresse (M.-Straße 25a, 8… O.) zuzustellen. Auf der Postzustellungsurkunde (Bl. 140 f. der Bundesamtsakte) ist vermerkt: „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“. Der Postzustellungsurkunde kommt als öffentlicher Urkunde (§ 418 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO) Beweiskraft der in ihr enthaltenen Feststellungen zu (Gehle in Anders/Gehle, ZPO, 81. Auflage 2023, § 418, Rn. 4 f.). Da es sich bei der von der Klägerin zu diesem Zeitpunkt zugewiesenen Unterkunft nach den Angaben der Klägerin um eine Wohnung mit einem Briefkasten für jede/n Bewohner/in und nicht um eine Gemeinschaftsunterkunft handelte, kommen die Möglichkeiten einer Ersatzzustellung in einer Gemeinschaftsunterkunft nicht in Betracht (vgl. hierzu: Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum AsylG, Stand: Dezember 2, Band 2022, § 10 Rn. 151 ff.).
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Die Beweiswirkung dieser Postzustellungsurkunde ist auch nicht dadurch widerlegt, dass die Klägerin die Unrichtigkeit der dort festgehaltenen Umstände bewiesen hätte (Gehle in Anders/Gehle, ZPO, 81. Auflage 2023, § 418, Rn. 11 ff.). Durch die pauschale Erklärung der Klägerin, sie unter der Adresse M.-Straße 25a, 8… O. über einen Briefkasten verfügt habe, an dem ihr Name angebracht gewesen sei, hat sie die Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsache nach Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht bewiesen. Ab welchem Zeitpunkt das geschehen ist und ob die Namensanbringung auch ohne weiteres leserlich war, ist nicht vorgetragen. Daran kann auch die bloße Behauptung, sie habe andere Post sonst immer erhalten, nichts ändern. Obwohl die Klägerin seit … Juni 2017 (Datum der Vollmacht an ihre früheren Klägerbevollmächtigten Bl. 180 der Bundesamtsakte) sind keinerlei Bemühungen ersichtlich, zeitnah irgendwelche Nachweise vorzulegen, die eine die Postzustellung ermöglichende Namensnennung auf einem Briefkasten der Wohnung belegen könnten. Im Schriftsatz vom ... Oktober 2017 ihrer früheren Klägerbevollmächtigten wird lediglich allgemein behauptet, dass die Klägerin alles ihr Zumutbare unternommen habe, dass ihr Zustellungen und Schreiben von öffentlichen Stellen zugehen können. Es ist Sache der Klägerin Umstände aus ihrem privaten Bereich schlüssig darzulegen und mit Nachweisen zu belegen. Auch der Hinweis, dass der Zusatz „KVB – O. … III“ bei der Adresse dazu geführt haben könnte, dass der Postzusteller den Namen der Klägerin auf dem Briefkasten dieser Adresse nicht gefunden haben könnte, verfängt nicht. Denn der Klägerin wurde am … Juni 2017 unter ihrer Adresse mit dem Zusatz „KVB – O. … III“ der Bescheid per einfachem Brief übermittelt (Bl. 156 der Bundesamtsakte). Durch diesen Postzugang am … Juni 2017 kann zur Überzeugung des Gerichts auch die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde vom ... Mai 2017 nicht erschüttert werden. Denn es zeigt lediglich, dass die Klägerin am … Juni 2017 an dieser Adresse postalisch bekannt war und nicht auch am ... Mai 2017.
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Die Klageerhebung am … Juni 2017 erfolgte damit nach Ablauf der Klagefrist. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Klagefrist (§ 60 VwGO) wurde nicht gestellt. Für das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
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2. Die Klage ist auch unbegründet.
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a) Ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte besteht bereits nicht, da die Klägerin nach ihren eigenen Angaben auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).
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b) Die Klägerin hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
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Der Vortrag der Klägerin ist unglaubhaft. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag, sie sei lesbisch und befürchte daher eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda.
32
Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen lesbischen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert – gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat die Klägerin nichts Überzeugendes vorgetragen. Insgesamt wirkt der Vortrag der Klägerin zu ihrer angeblichen Homosexualität sehr knapp, oberflächlich und aufgesetzt. Die Angabe, dass sie sich ihrer sexuellen Orientierung im Alter von 12 bis 13 Jahren bewusst geworden sei und sie sich ausschließlich zu Frauen hingezogen fühle, insbesondere da sie im Alter von 13 Jahren von einem Mann vergewaltigt worden sei, „was soll ich denn anderes machen, wenn ich nur Frauen liebe“ sowie, dass sie „seit ich am Leben sei, nur mit Frauen zu tun haben will“, wirkt oberflächlich und aufgesetzt. Auch wenn im Alter von 12 bis 13 Jahren noch keine intensive Auseinandersetzung mit dieser Problematik zu erwarten ist, muss doch angesichts der Rahmenbedingungen, wonach gerade in einer diese Form der Sexualität ablehnenden Gesellschaft wie der in Uganda eine lesbische Beziehung einen Verstoß gegen die Regeln darstellt, wenigstens ein Erkennen der Grundproblematik angegeben werden. Hierzu hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas vorgetragen.
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Erst recht gilt das für das angeblich spätere Ausleben ihrer homosexuellen Veranlagung. Wenn die Klägerin vorträgt, dass ihr bewusst gewesen sei, dass das „vielleicht schwer würde, aber ich habe nicht nachgedacht“ wirkt das oberflächlich und platt. Ein „inneres Ringen“ zwischen den von ihr erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung ist auch nicht ansatzweise vorgetragen worden. Ein solcher Prozess drängte sich geradezu auf, nachdem sich die Klägerin entsprechenden Erwartungen der Gesellschaft gegenübersah. Zum Zwiespalt zwischen den nach außen erwarteten Konventionen gegenüber der eigenen sexuellen Veranlagung, hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas vorgetragen (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.). Wenn die Klägerin sinngemäß wiederholt betont hat, dass sie nur Frauen liebe und eben nicht anders könne, sie habe gedacht, dass das keiner mitbekommen würde, so stellt das keine Auseinandersetzung zwischen ihrer homosexuellen Orientierung und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Uganda dar, die ihr mit fortschreitendem Lebensalter immer deutlicher vor Augen geführt wurden, insbesondere durch die angeblich erfolgte Zwangsheirat im Alter von 25 oder 26 Jahren. Gerade nach der Heirat drängt sich eine Auseinandersetzung zwischen ihrer sexuellen Orientierung und der von ihr erwarteten Rolle als Ehefrau und Mutter auf. Dazu hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas vorgetragen. Ihre Angabe, dass die Beziehung zu ihrer Freundin im Jahr 2002 begonnen und sich bis 2014 gesteigert habe, wirkt banal. Denn ihr Mann habe ab dem Jahr 2004 Verdacht geschöpft, es habe Gerüchte gegeben, dass die Klägerin eine lesbische Freundin habe. Es drängt sich geradezu auf, sich in dieser zugespitzten Situation Gedanken zu machen, die neben der Ehe bestehende homosexuelle Beziehung weiter auszuleben, insbesondere da sie auch zwei Kinder bekam. Hierzu hat die Klägerin auch nicht ansatzweise irgendwelche Gedanken angegeben. Zudem erscheint es aufgrund der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Uganda, die homosexuelle Beziehungen strikt ablehnt, völlig unplausibel und aufgesetzt, wenn die Klägerin angegeben hat, dass sie ihrer Freundin beim näheren Kennenlernen gesagt habe, dass sie Frauen möge und das nicht für gefährlich gehalten habe, da ihr die Freundin auch Zeichen gegeben habe, dass diese die Klägerin auch möge, sie auch liebe. Angesichts der ablehnenden Haltung der ugandischen Gesellschaft gegenüber Homosexualität sind entsprechende – intime – Offenlegungen gefährlich und bedürfen einer erheblichen Vergewisserung, dass solche Äußerungen weder missverstanden noch zu einer Gefährdung werden können. Hierzu hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas ausgesagt.
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Unterstrichen wird der Eindruck der Unglaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin durch den Umstand, dass sie in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass ihr Mann sie mit ihrer Freundin im Jahr 2014 erwischt habe. Das habe zu einer Zuspitzung der Situation in ihrer Ehe geführt („Ab diesem Tag war Krieg im Haus.“). Diesen wesentlichen Umstand hat die Klägerin bei der Anhörung beim Bundesamt nicht vorgetragen. Soweit die Klägerin anführt, dass die Übersetzerin bei der Anhörung Vieles nicht verstanden habe, insbesondere weil die von ihr beantragte Anhörung in der Sprache Lugganda nicht erfolgt sei, kann das diese Unstimmigkeit nicht plausibel erklären. Denn die Klägerin hat im Anhörungsprotokoll (Bl. 80 der Bundesamtsakte) ausdrücklich angegeben, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe, das Protokoll wurde ihr auch rückübersetzt. Zudem hat sie im Kontrollbogen (Bl. 100 der Bundesamtsakte) die Vollständigkeit und Richtigkeit der Niederschrift ein weiteres Mal bestätigt. Irgendwelche Unstimmigkeiten sind von der Klägerin nicht vorgetragen worden, auch nicht zeitnah nach der Anhörung. Es ist nicht plausibel, dass dieser für die Klägerin wesentliche Punkt bei der Anhörung aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten nicht im Protokoll über die Anhörung festgehalten worden sein soll.
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Auch der Umstand, dass sich die Klägerin in der Beratung und Betreuung von LeTRa befindet und an verschiedenen Veranstaltungen dieser Organisation teilgenommen hat, kann an der Bewertung des Vortrags als unglaubhaft nichts ändern. Die Anbindung an eine Organisation, die homosexuelle Menschen betreut und berät, kann die Klägerin nicht davon befreien, ihre lesbische Veranlagung glaubhaft darzulegen. Das hat die Klägerin nicht getan. Angesichts der oben dargelegten Unglaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin, insbesondere zu ihrer angeblichen lesbischen Veranlagung, kann der Kontakt zu LeTRa die massiven Umstände, die gegen die Glaubhaftigkeit sprechen, nicht ins Gegenteil verkehren. Auch die Behauptung der Klägerin, angeblich mit einer Partnerin in einer lesbischen Beziehung zu leben, bedingt nichts Anderes. Denn das Gericht hält den Vortrag der Klägerin, sie sei homosexuell und die darauf aufbauende Verfolgungsgeschichte nicht für glaubhaft. Daher kann der Klägerin nicht abgenommen werden, in einer lesbischen (Fern-)Beziehung zu leben. Ihre Beteiligung an einem Gospelchor im Rahmen eines Inklusions- und Integrationsprojekts (Bestätigung vom …7.2017, Bl. 207 der Bundesamtsakte) hat keinen Bezug zu der von ihr vorgetragenen angeblichen Homosexualität. Auch die von der Klägerin (nur schwer entzifferbaren) Behandlungsbelege aus Uganda belegen allenfalls medizinische Behandlungen, bedingen aber nicht, dass der Vortrag der Klägerin als glaubhaft einzustufen wäre. Entsprechendes gilt für die Stellungnahme von „SOLWODI“ vom ... Oktober 2016, die ersichtlich auf den eigenen Angaben der Klägerin beruht.
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Soweit die Klägerin den Bericht einer online-Zeitung vom … Juli 2014 vorgelegt hat, in dem darüber berichtet wird, dass die Klägerin unter Nennung ihres Namens Uganda habe verlassen müssen, da sie aufgrund ihrer lesbischen sexuellen Orientierung von ihrem Ehemann und anderen homophoben Personen verfolgt würde, folgt daraus nicht die Glaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin. Wie oben dargelegt, ist das Gericht aufgrund des eigenen Vortrags der Klägerin der Überzeugung, dass deren angebliche homosexuelle Orientierung nicht glaubhaft ist und entsprechend das von ihr vorgetragene Verfolgungsschicksal unglaubhaft ist. Dem Beitrag aus einer online-Zeitung kann demgegenüber kein besonderes Gewicht beigemessen werden, denn es ist dort nicht zu entnehmen, auf welchen Quellen der Bericht beruht.
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Aus diesem Bericht folgt nach Ansicht des Gerichts auch keine Verfolgungsgefahr für die Klägerin bei einer Rückkehr nach Uganda. Denn seit der Veröffentlichung des Artikels sind nahezu neun Jahre vergangen. Ebenso ist das dem Bericht beigefügte Bild der Klägerin ist nach neun Jahren nicht mehr aktuell, sodass sie mit diesem Bild nicht ohne weiteres quasi von jedermann zu erkennen wäre. Es ist auch weder etwas dafür vorgetragen noch ansonsten ersichtlich, dass die Klägerin eine populäre Person in Uganda wäre, die ohne weiteres aufgrund der Inhalte in dem online-Beitrag identifizierbar sein könnte.
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c) Der hilfsweise gestellte Beweisantrag, Frau J. K. N. als Zeugin zum Beweis der Tatsache zu hören, dass die Klägerin in einer homosexuellen Beziehung lebt, ist abzulehnen. Die Frage, ob die Klägerin homosexuell ist, beruht im Wesentlichen auf der Beurteilung des persönlichen Vortrags der Klägerin hinsichtlich dieses höchstpersönlichen Umstands. Entsprechend hat das Gericht die persönlichen Angaben der Klägerin ausführlich im Rahmen der ihm zukommenden freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu bewerten. Es wurde nicht substantiiert dargelegt, inwieweit die beantragte Beweiserhebung durch eine Zeugin andere bzw. bessere Erkenntnisse hinsichtlich der höchstpersönlichen Umstände bringen würde als die Würdigung der Einlassungen und des unmittelbaren Eindrucks der Klägerin.
39
d) Nach § 145 des Strafgesetzbuches (Penal Code Act, 1950) sind homosexuelle Handlungen sowohl zwischen Männern als auch Frauen unter Strafe gestellt („Geschlechtsverkehr wider die Natur“). Am 24. Februar 2014 unterzeichnete der Präsident Ugandas ein Gesetz, das für gleichgeschlechtliche Handlungen Strafen bis zur Todesstrafe sowie eine Strafbarkeit für „Förderung der Homosexualität“ und die „Unterstützung und Beihilfe zur Homosexualität“ vorgesehen hat (Auskunft von amnesty international vom 30.8.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof). Dieses Gesetz wurde aber vom Verfassungsgericht im August 2014 für nichtig erklärt (Länderinformationsblatt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Stand 27.9.2017, S. 17). Die Diskussion um die letztlich erfolglose Gesetzesverschärfung 2014/15 sei danach abgeflacht (Auswärtiges Amt vom 2.7.2018 an das BAMF). Eine im Oktober 2019 von Ethik- und Integritätsminister Ugandas angekündigte Einführung der Todesstrafe für einvernehmliche homosexuelle Handlungen wurde wenige Tage später von einem Regierungssprecher dementiert (Auskunft von amnesty international vom 21.10.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof).
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Die von anderen Verwaltungsgerichten in Bezug auf Homosexuelle in Uganda vertretene Ansicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 4.9.2017 – RN 1 K 17.32818 – juris S. 12 m.w.N.), dass insoweit die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG erfüllt wären, kommt für den vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen. Denn die Klägerin hat nicht glaubhaft vortragen können, lesbisch zu sein.
41
e) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten. Für eine akut bestehende Erkrankung der Klägerin ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
42
Da die Klägerin vor ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt ohne weiteres bestreiten konnte, wird ihr das auch bei einer Rückkehr nach Uganda möglich sein. Da ihr Vortrag unglaubhaft ist, dass sie angeblich lesbisch veranlagt sei, kann sie ihren Lebensunterhalt erwirtschaften. Im Übrigen kann sie hierfür – landesüblich – auch auf die Hilfe ihrer Familie verwiesen werden.
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3. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom ... Mai 2017 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
45
4. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
46
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
47
Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.