Titel:
Abschleppmaßnahme, Leistungsbescheid, Feuerwehranfahrtszone
Normenkette:
PAG Art. 25
Schlagworte:
Abschleppmaßnahme, Leistungsbescheid, Feuerwehranfahrtszone
Fundstelle:
BeckRS 2023, 5955
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen einen Leistungsbescheid des Beklagten wegen Kosten einer (versuchten) Abschleppmaßnahme seines Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … …
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Ausweislich in der Behördenakte befindlicher Lichtbilder stellten Polizeivollzugsbeamten des Beklagten am ... Mai 2021 fest, dass das Fahrzeug des Klägers seit spätestens 21:05 Uhr im F…S… in M… in der dortigen Feuerwehranfahrtszone, Zeichen 283 StVO mit Zusatzzeichen „auf dem gesamten Platz außerhalb der markierten Flächen“, „Feuerwehranfahrtszone“, geparkt war.
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Hierauf wurde ein Abschleppdienst durch den Beklagten mit der Abschleppmaßnahme beauftragt, der eine Leerfahrt abrechnete, da der Kläger vor Ausführung der Maßnahme zu seinem Fahrzeug zurückkehrte.
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Nach Anhörung des Klägers setzte der Beklagte mit Leistungsbescheid vom … August 2021 gegenüber diesem Kosten in Höhe von insgesamt 225,60 Euro (Auslagen in Höhe von 166,60 Euro und Gebühren für die Amtshandlung in Höhe von 59 Euro) wegen der Leerfahrt vom … Mai 2021 fest. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Rechtsgrundlage der Kostenerhebung ergebe sich aus Art. 28 Abs. 5, Art. 9 Abs. 2, Art. 7, 8 PAG, §§ 1, 2 Polizeikostenverordnung (PolKV) und Art. 1, 2 Kostengesetz (KG).
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Hiergegen erhob der Kläger am 8. September 2021 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,
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den Leistungsbescheid des Beklagten vom … August 2021 aufzuheben.
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Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, dass sein Auto nur wenige Zentimeter in das Halteverbot hineingeragt habe, so dass seine Funktion nach wie vor gesichert gewesen sei. Er sei nur wenige Minuten weg gewesen. Das Bußgeldverfahren sei eingestellt worden.
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Der Beklagte beantragte am 12. Oktober 2021,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen unter Vorlage der Behördenakte vorgetragen, dass das Fahrzeug des Klägers in unzulässiger Weise im Haltverbot und innerhalb einer Feuerwehranfahrtszone geparkt gewesen sei. Der Halteverbotsbereich sei deutlich sichtbar gewesen. Das Abschleppen von Fahrzeugen aus solchen Bereichen sei grundsätzlich als ermessensgerecht einzustufen. Die Überwachungszeit von immerhin 15 Minuten sei bei einem solch intensiven Verkehrsverstoß ausreichend.
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Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 30. Dezember 2022 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Am 10. März 2023 fand die mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
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Der Leistungsbescheid vom … August 2021st rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage des Bescheides ist Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a), Art. 28 Abs. 5 Satz 1, 9 Abs. 2 Polizeiaufgabengesetz – PAG – i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 Kostengesetz – KG –, § 1 Nrn. 1 und 2 und § 2 Polizeikostenverordnung – PolKV -. Danach setzt die Kostenerhebung voraus, dass die Polizei anstelle des Verantwortlichen eine Sache sichergestellt bzw. eine Maßnahme unmittelbar ausgeführt hat und die abgerechneten Kosten dafür angefallen sind; des Weiteren ist nach allgemeiner Meinung Voraussetzung, dass die zugrundeliegende Maßnahme im maßgeblichen Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens rechtmäßig gewesen ist (Schmidbauer/Steiner, PAG/POG, 5. Aufl. 2020, Art. 76 PAG Rn. 28, Art. 11 PAG Rn. 22; Lindner in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht, 16. Edition, Stand: 15.3.2021, Art. 9 PAG Rn. 59; BayVGH, U.v. 17.4.2008 – 10 B 08.449 – juris Rn. 12; vgl. auch Art. 16 Abs. 5 KG). Zu den Kosten gehören nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG auch die Kosten, die anderen Personen für ihre Tätigkeit zustehen. Aus der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Abschleppmaßnahme folgt grundsätzlich die Möglichkeit einer kostenrechtlichen Inpflichtnahme des Verantwortlichen. Dies gilt auch für die unmittelbar an den Abschleppunternehmer geleistete Zahlung (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2018 – 3 C 25/16 – juris Rn. 20).
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Hieran gemessen war die auf Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) PAG gestützte Abschleppanordnung im maßgeblichen Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens rechtmäßig, sodass die hierauf erfolgte Kostenerhebung nicht zu beanstanden ist.
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Nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) PAG kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung liegt vor, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht (vgl. Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 5. Aufl. 2020, Art. 11 Rn. 47). Die öffentliche Sicherheit umfasst die Unversehrtheit von Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen sowie den Bestand und das Funktionieren des Staates, seiner Rechtsordnung und der grundlegenden Einrichtungen des Staates (vgl. Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 5. Aufl. 2020, Art. 11 Rn. 57). Eine gegenwärtige Gefahr für die Rechtsordnung stellen unter anderem auch bereits eingetretene und andauernde Störungen wie Verkehrsordnungswidrigkeiten dar (vgl. Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 5. Aufl. 2020, Art. 11 PAG Rn. 47, 62 ff.).
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Ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Lichtbilder, die in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen wurden, sowie der polizeilichen Feststellungen war das streitgegenständliche Fahrzeug – komplett – außerhalb der gekennzeichneten Parkfläche abgestellt. Dies stellte eine Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 StVG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 12, § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO dar, da nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 StVO das Halten vor und in amtlich gekennzeichneten Feuerwehrzufahrten unzulässig ist. Auch legen die Lichtbilder unverkennbar dar, dass diese ordnungsgemäß gekennzeichnet war.
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An die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen im ruhenden Verkehr sind niedrigere Anforderungen zu stellen, als an solche, die den fließenden Verkehr betreffen (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2016 – 3 C 10/15 – juris Rn. 15, 17 ff.). Verkehrszeichen für den ruhenden Verkehr äußern ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht, wenn sie so aufgestellt oder angebracht sind, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt und ungestörten Sichtverhältnissen während der Fahrt oder durch einfache Umschau beim Aussteigen ohne Weiteres erkennen kann, dass ein Ge- oder Verbot durch ein Verkehrszeichen verlautbart wurde (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2016 016 – 3 C 10/15 – juris Rn.21). Das Verkehrszeichen war als solches auch durch einfache Umschau beim Aussteigen ausreichend erkennbar.
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Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 PAG kann die Polizei eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den Art. 7 oder Art. 8 PAG Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Die Voraussetzungen für eine unmittelbare Ausführung der Maßnahme nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) PAG lagen im Zeitpunkt der Anordnung der Abschleppmaßnahme vor, da der Zweck der Sicherstellung, das aus dem Haltverbot resultierende sofort vollziehbare Wegfahrgebot durchzusetzen (vgl. VGH BW, U.v. 20.1.2010 – 1 S 484/09 – juris Rn. 16), durch Inanspruchnahme des Fahrers mangels Anwesenheit und fehlender Erreichbarkeit nicht rechtzeitig erreicht werden konnte.
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Die Anordnung einer Abschleppmaßnahme war auch verhältnismäßig (Art. 4 PAG) und ermessensfehlerfrei (Art. 5 PAG, § 114 Satz 1 VWGO). Sie war geeignet und erforderlich, um die Verkehrsordnungswidrigkeit bzw. die Beeinträchtigung der Feuerwehrzufahrt zu beseitigen, sowie verhältnismäßig im engeren Sinne. Da die Benutzbarkeit einer Feuerwehranfahrtszone durch darin parkende Fahrzeuge aufgehoben wird und die Notwendigkeit eines Feuerwehreinsatzes nie vorhersehbar ist, ist eine Feuerwehranfahrtszone jederzeit und in allen Teilen freizuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2004 – 24 ZB 04.227 – juris Rn. 3; VG Augsburg, U.v. 27.11.2003 – Au 8 K 03.1084 – juris Rn. 20; VG München, U.v. 23.7.2003 – M 7 K 02.4430 – juris Rn. 17 m.w.N.; U.v. 13.4.2016 – M 7 K 15.4795 – juris Rn. 20). Es ist höchstrichterlich anerkannt, dass bei einer derartigen Funktionsbeeinträchtigung auch ohne konkrete Behinderung eines anderen Verkehrsteilnehmers der Verkehrsverstoß die Sicherstellung des Fahrzeugs ohne weiteres rechtfertigt (vgl. BVerwG, U. v. 14.5.1992 – 3 C 3/90 – juris Rn. 27). Auf die subjektive Einschätzung des Klägers, die Feuerwehr werde durch seinen parkenden Pkw ggf. nicht behindert, kann es nicht ankommen.
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Nach alledem war der Beklagte zur geltend gemachten Kostenfestsetzung für die entstandene Leerfahrt zu Lasten des Klägers berechtigt. Soweit der Kläger sinngemäß angibt, sein Fahrzeug habe nur kurzfristig in der Feuerwehrzufahrt geparkt, vermag dies nichts daran zu ändern, dass die handelnden Polizeivollzugsbeamten nach Feststellung der Ordnungswidrigkeit einen Abschleppunternehmer beauftragen durften. Im Rahmen der zuvor gemachten Ausführungen, nämlich dem erhöhten Bedürfnis, eine Feuerwehranfahrtszone stets freizuhalten, bestand im vorliegenden Einzelfall auch keine erhöhte Wartepflicht der Beamten bis zur Anordnung der Maßnahmen.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO