Titel:
Vorbescheid für Doppelhäuser - Außenbereich
Normenkette:
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 5, Nr. 7
Leitsätze:
1. Zur Bebauung zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, nicht aber vom Nutzungszweck dem Außenbereich zugewiesene Baulichkeiten, zB bauliche Anlagen wie kleine Wochenendhäuser, Gewächshäuser, Gartenhäuser, Kleingartenanlagen und bauliche Anlagen, die ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dienen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB schützt die Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft, um eine wesensfremde Bebauung des Außenbereichs zu verhindern. Die natürliche Eigenart der Landschaft wird geprägt von der naturgegebenen Art der Bodennutzung, einschließlich von Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnbauvorhaben im Außenbereich, Natürliche Eigenart der Landschaft, Entstehen einer Splittersiedlung, Bebauungszusammenhang, Präjudiz
Fundstelle:
BeckRS 2023, 5945
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung von zwei Doppelhäusern.
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Er ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1125/3 Gem. K… (Vorhabengrundstück), das sich nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beigeladenen befindet. Im Flächennutzungsplan ist die Fläche der Wohnbebauung zugewiesen. An der östlichen Grundstücksgrenze des westlich an das Vorhabengrundstück angrenzende Grundstück FlNr. 1125/4 und an der südlichen Grundstücksgrenze der nördlich an das Vorhabengrundstück angrenzenden Grundstücke FlNrn. 1124/5 und 1124/4 endet der Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 30 „… …“ der Beigeladenen, der in diesem Bereich ein allgemeines Wohngebiet festsetzt.
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Mit am … Juni 2020 eingegangenem Anwaltsschreiben beantragte der Kläger bei der Beigeladenen die Erteilung eines Vorbescheids u.a. zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit einer Wohnbebauung auf dem Vorhabengrundstück. Mit Beschluss vom 9. Februar 2021 lehnte die Beigeladene die Erteilung ihres Einvernehmens ab, was sie dem Bevollmächtigtem mit Schreiben vom … April 2021 mitteilte. Ebenso erfolgte die Mitteilung, dass für die Verbescheidung ein formeller Antrag erforderlich sei, der bislang den Unterlagen nicht beigefügt gewesen sei.
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Mit am … Juli 2021 beim Beklagten eingegangenem Formblatt beantragte der Kläger die Erteilung eines Vorbescheids hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung von zwei Doppelhäusern und vier Einzelgaragen.
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Nach Anhörung versagte der Beklagte die Erteilung des Vorbescheids mit streitgegenständlichem Bescheid vom … November 2021. Das Vorhaben liege im Außenbereich und beeinträchtige die natürliche Eigenart der Landschaft und deren Erholungswert. Das Grundstück sei derzeit unbebaut und mit Bäumen und Wiese bewachsen.
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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 17. Dezember 2021 Klage erhoben und beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom … November 2021 zu verpflichten, den beantragten Vorbescheid zu erteilen.
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Das Einvernehmen der Beigeladenen gelte als erteilt, weil diese erst mehrere Monate nach Antragstellung einen Beschluss gefasst habe. Dies trete nach der Rechtsprechung auch bei einem wegen unvollständiger Bauvorlagen nicht prüffähigen Antrag ein, wenn die Gemeinde den Bauwerber nicht vor dem Ablauf der Zwei-Monats-Frist auf den Mangel hingewiesen hat. Das Vorhaben befinde sich im Innenbereich. Durch die Errichtung der Wohnhäuser auf den im Bebauungsplangebiet „…“ gelegenen Grundstücken FlNrn. 1125/5 und 1125/4 sei eine durchgehende Baulinie in zweiter Reihe entstanden, welche durch die Bebauung auf FlNr. 1124/3 eingerahmt werde. Selbst wenn es sich im Außenbereich befände, beeinträchtigte das Vorhaben keine öffentlichen Belange. Eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft komme nicht in Betracht, wenn sich das Baugrundstück aufgrund seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die naturgegebene Bodennutzung noch für Erholungszwecke eigne. Dies sei vorliegend der Fall.
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Der im Zusammenhang bebaute Ortsteil ende mit der letzten Bebauung, die Grenze sei an der Hauskante der Hauptnutzungen zu ziehen. Der Innenbereich ende daher mit den Gebäuden …-Straße 16d, 6,8,10. Das Vorhabengrundstück stelle auch keine Baulücke dar, denn die benachbarten Grundstücke FlNr. 1128 und FlNr. 1124/3 seien nicht Teil des Bebauungszusammenhangs. FlNr. 1128 werde landwirtschaftlich genutzt und sei damit dem Außenbereich zuzuordnen. Dies gelte auch für den südlichen Bereich der FlNr. 1124/3, der lediglich mit Nebengebäuden bebaut sei. Damit beeinträchtige das Vorhaben auch die natürliche Eigenart der Landschaft. Der umliegende Bereich sei geprägt durch landwirtschaftliche Nutzung. Eine Bebauung wäre wesensfremd und würde die Eigenart der Landschaft negativ verändern. Des Weiteren würde es durch eine Bebauung zu einer unkontrollierten Erweiterung des Außenbereichs kommen, was im Widerspruch zum zentralen Gebot des § 35 BauGB stünde, wonach der Außenbereich vor Bebauung zu schützen ist. Zudem würde ein rechtserheblicher Bezugsfall entstehen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtssowie die beigezogene Behördenakte.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des von ihm begehrten Vorbescheids, sodass der ablehnende Bescheid vom … November 2021 ihn nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 VwGO.
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Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig. Es befindet sich im Außenbereich und beeinträchtigt als sonstiges Vorhaben öffentliche Belange, § 35 Abs. 2 BauGB.
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1.1 Für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB ist maßgebend, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung, trotz etwa vorhandener Baulücken, nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) an diesem Zusammenhang teilnimmt. Zur Bebauung zählen dabei grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, nicht aber vom Nutzungszweck dem Außenbereich zugewiesene Baulichkeiten, z. B. bauliche Anlagen wie kleine Wochenendhäuser, Gewächshäuser, Gartenhäuser, Kleingartenanlagen und bauliche Anlagen, die ausschließlich landwirtschaftlichen Zwecken dienen (BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – juris Rn. 15). Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden (zB Gartenhäuser, Geräteschuppen) sind in der Regel keine Baulichkeiten, die ein für die Siedlungsentwicklung prägendes Element bilden können (BVerwG, a.a. O.). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden. Zu berücksichtigen sind dabei nur äußerlich erkennbare Umstände, d.h. mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse. Wie weit der Bebauungszusammenhang im Einzelfall reicht, kann stets nur das Ergebnis einer Bewertung des konkreten Sachverhalts sein. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28/15 – juris Rn. 5 m.w.N.).
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Unter Beachtung dieser Grundsätze ist das Vorhabengrundstück auf Grundlage einer umfassenden Bewertung der örtlichen Gegebenheiten dem Außenbereich, § 35 BauGB, zuzuordnen, weil es nicht mehr am Bebauungszusammenhang teilnimmt. Die im südlichen Teil des östlich gelegenen Nachbargrundstücks befindlichen Nebengebäude prägen die Siedlungsstruktur nicht. Der Bürgermeister der Beigeladenen hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es sich um ein Gartenhäuschen, und damit um eine von ihrem Nutzungszweck her dem Außenbereich zugewiesene bauliche Anlage handelt. Es handelt sich daher bei dem Vorhabengrundstück nicht um eine Baulücke, hinsichtlich derer sich die Fortsetzung der Siedlungsbebauung nach der Verkehrsauffassung aufdrängt, weil sie noch als Teil des Bebauungszusammenhangs anzusehen wäre. Der Bebauungszusammenhang endet mit den westlich des Vorhabengrundstücks stehenden Gebäuden, die noch im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen. Auch ergibt sich vorliegend nicht aufgrund etwaiger topographischer Besonderheiten ein anderer Eindruck. Soweit der Klägervertreter hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, es handle sich bei dem Vorhabengrundstück um eine einfache Wiese, während die landwirtschaftlich genutzten Flächen erst südlich des klägerischen Grundstücks mit FlNr. 1128 beginnen, handelt es sich nicht im topographische Verhältnisse, sondern um die Frage der aktuellen Nutzung des klägerischen Grundstücks, welche zudem jederzeit geändert werden kann.
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1.2 Als nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben beeinträchtigt das sog. sonstige Vorhaben des Klägers (§ 35 Abs. 2 BauGB) die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) und lässt die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB).
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§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB schützt die Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft, um eine wesensfremde Bebauung des Außenbereichs zu verhindern. Die natürliche Eigenart der Landschaft wird geprägt von der naturgegebenen Art der Bodennutzung, einschließlich von Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung. Dieser Belang verfolgt den Zweck, dass der Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung für die Allgemeinheit erhalten bleibt. Die Landschaft soll in ihrer natürlichen Funktion und Eigenart bewahrt bleiben. Aus diesem Grund sollen bauliche Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft wesensfremd sind oder die der Allgemeinheit Möglichkeiten der Erholung entziehen (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 147. EL August 2022, Rn. 96 zu § 35). Eine Bebauung mit Wohngebäuden ist dem Außenbereich naturgemäß wesensfremd, sodass das Vorhaben diesen öffentlichen Belang beeinträchtigt.
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Daneben ließe die Verwirklichung auch das Entstehen einer Splittersiedlung befürchten, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB. Anliegen dieses öffentlichen Belangs ist es, eine unorganische Siedlungsstruktur und Zersiedlung des Außenbereichs zu verhindern. Dabei könnte die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens ein Präjudiz für eine Fortsetzung der Bebauung im südlichen Teil der FlNr. 1124/3 darstellen und damit eine unorganische Ausweitung der Siedlungsstrukur zur Folge haben.
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2. Die Klage war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen, wobei es der Billigkeit entsprach, die Beigeladene ihre außergerichtlchen Kosten selbst tragen zu lassen, weil sie keine Anträge gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO).
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.