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OLG Bamberg, Hinweisbeschluss v. 06.03.2023 – 12 U 84/22
Titel:

Keine Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Motor EA 288 (hier: VW Touran)

Normenketten:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
ZPO § 148 Abs. 1, § 522 Abs. 2
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
Leitsätze:
1. Zu – jeweils verneinten – (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Fahrzeugs, in das ein Diesel-Motor des Typs EA 288 eingebaut ist, vgl. auch BGH BeckRS 2022, 11891; BeckRS 2022, 18404; OLG Bamberg BeckRS 2022, 32236; BeckRS 2023, 3168; OLG München BeckRS 2022, 24992; BeckRS 2022, 36082; BeckRS 2023, 754; OLG Nürnberg BeckRS 2021, 52232; OLG Koblenz BeckRS 2022, 25180; BeckRS 2022, 25178; BeckRS 2022, 25176; BeckRS 2022, 25174; BeckRS 2022, 25157; BeckRS 2022, 25155; BeckRS 2022, 25138; BeckRS 2022, 25151; BeckRS 2022, 25075 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1); OLG Bamberg BeckRS 2021, 55750 mit zahlreichen weiteren Nachweisen (auch zur aA) im dortigen Leitsatz 1; anders durch Versäumnisurteil OLG Köln BeckRS 2021, 2388. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen ist nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein aus dem Kaufvertrag resultierender Schaden ist nicht erkennbar, da es für den Motor EA 288 keine Anhaltspunkte gibt, dass die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder –untersagung und damit die Gefahr einer eingeschränkten Nutzbarkeit besteht. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, EA 288, unzulässige Abschalteinrichtung, sittenwidrig, Thermofenster, KBA, Kenntnis, (keine) Betriebsbeschränkung, (kein) Schaden, Schlussanträge des Generalanwaltes
Vorinstanz:
LG Coburg, Endurteil vom 26.10.2022 – 14 O 159/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 5898

Tenor

1. Der Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 26.10.2022, Az. 14 O 159/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
3. Er beabsichtigt weiter, den Wert des Berufungsverfahrens auf 11.928,72 € festzusetzen.
4. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 30.03.2023.

Entscheidungsgründe

1
Der Antrag der Klagepartei auf Aussetzung des Verfahrens ist abzulehnen.
2
Der Kläger hat im Schriftsatz vom 30.01.2023 (S. 63 ff. des Schriftsatzes) beantragt,
das Verfahren analog § 148 Abs. 1 ZPO bis zur Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-100/21 bzw. bis zur Entscheidung des BGH im Verfahren VIa ZR 335/21 auszusetzen.
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Die Voraussetzungen des § 148 ZPO (analog) liegen jedoch nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat den Schutzgesetzcharakter der europäischen Vorschriften im Sinne eines acte clair bereits verneint. Dem schließt sich der Senat an (vgl. auch OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 28.06.2022 – 11 U 78/22).
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Insbesondere geben weder Vorabentscheidungsersuchen einzelner Landgerichte noch die Stellungnahme der Europäischen Kommission Anlass, hieran zu zweifeln.
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Die Stellungnahme der Kommission sowie der Schlussantrag des Generalanwalts besagen für die hier allein interessierende Frage, ob auch der Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts und damit der Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrages erfasst sein soll, nichts. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen (vgl. nur BGH, Beschluss vom 23.03.2022 – ZR 667/21).
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Überdies fehlt es vorliegend an der Vorgreiflichkeit der zu erwartenden Entscheidungen, da – wie weiter unten unter 1 e) dargelegt wird – mangels eines Schadens des Klägers – die Klage auch dann ohne Erfolg bliebe, wenn der drittschützende Charakter der europarechtlichen Vorschriften bejaht würde.
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Der Kläger verlangt Schadensersatz von der Beklagten nach dem Erwerb eines PKW mit Dieselantrieb.
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Der Kläger kaufte am 11.06.2020 den Pkw VW Touran mit der FIN als Gebrauchtwagen zum Preis von 15.300 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Motor des Typs EA 288 der Abgasnorm EU6 mit einem Hubraum von 2,0l TDI und einer Motorleistung von 110 kW ausgestattet. Das Fahrzeug wies beim Kauf laut Vertrag einen Kilometerstand von 100.000 km auf.
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Der Kläger behauptet, der Motor des Fahrzeugs sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen, die dazu führten, dass die NOx-Schadstoffminderung nur im Prüfzyklus (NEFZ), nicht aber im realen Straßenverkehr stattfinde.
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Er hat in erster Instanz die Zahlung von 12.240,00 € abzüglich einer weiter zu berechnenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs begehrt. Er hat weiter beantragt festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet, und hat die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.054,10 € beantragt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, des Verfahrenshergangs und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
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Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageziele weiter und beantragt – unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich fortgeführten Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeuges – nunmehr das Urteil des Landgerichts Coburg vom 26.10.2022 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte zur Zahlung von 11.928,72 € abzüglich einer weiter zu berechnenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verurteilt wird. Darüber hinaus verfolgt der Kläger die erstinstanzlich gestellten Anträge zur Feststellung des Annahmeverzuges und zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten weiter.
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Der Kläger ist unverändert der Auffassung, es bestehe ein Anspruch gemäß § 826 BGB wegen Sittenwidrigkeit.
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Es würden unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne einer Fahrkurvenerkennung und einer Zykluserkennung mit Auswirkung auf das Abgasverhalten verwendet. Das Fahrzeug erkenne den Prüfstand und ändere daraufhin sein Abgasverhalten. Ob die Veränderungen „grenzwertkausal“ seien oder ob ein Rückruf durch das KBA angeordnet wurde, sei demgegenüber nicht maßgeblich. Zudem sei eine Manipulation des Onboard-Diagnose-Systems (OBD) in der Weise erfolgt, dass die Motorkontrollleuchte nicht reagiere, wenn außerhalb des Zyklus das Aufforderungssystem verzögert angesteuert werde.
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Die Verwendung der Abschalteinrichtungen im Kosten- und Gewinninteresse sei objektiv sittenwidrig, es liege eine absichtlich falsche Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe vor. Zudem ergebe sich aus den Applikationsrichtlinien und dem Freigabeverfahren EA 189 und EA 288, dass im Motor EA 288 dieselben unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut wurden wie beim Motor EA 189 und das KBA bewusst getäuscht worden sei. Der Schaden des Klägers bestehe, insoweit verweist der Kläger auf den erstinstanzlichen Vortrag, im Eingehen einer ungewollten Verbindlichkeit, weil er bei Kenntnis der Umstände den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte.
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Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich zudem auch aus der Verletzung drittschützender europarechtlicher Vorschriften.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
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Hinsichtlich des Berufungsvorbringens wird ergänzend auf die Berufung vom 23.11.2022 (Bl. 2 ff. d. A.), die Berufungsbegründung vom 30.01.2023 (Bl. 30 ff. d.A.) sowie den Schriftsatz vom 12.12.2022 (Bl. 13 ff.) sowie die Berufungserwiderung vom 08.02.2023 (Bl. 104 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat nach einstimmiger Auffassung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Die Berufungsangriffe sind nicht geeignet, die Entscheidung des Landgerichts in Frage zu stellen.
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1. Wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, hat der Kläger keinen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte.
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a) Ein vorsätzlich sittenwidriges Verhalten der Beklagten hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urt. v. 30.07.2020 – ZR 5/20, Rn. 29, zitiert nach juris).
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Das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen ist nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dies gilt auch dann, wenn mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt wird. Die Verwendung eines „Thermofensters“ ist nicht per se, sondern nur unter hier nicht dargelegten – weiteren Voraussetzungen sittenwidrig (BGH, Beschluss vom 09.03.2021, ZR 889/20, juris Rn. 25 ff.).
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Überdies ist der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidungsserie vom 16.09.2021 (Urteile des BGH vom 16.09.2021, ZR 190/20, 286/20, 321/20 und 322/20) unabhängig vom konkret verwendeten Typ des Dieselmotors und herstellerübergreifend zu dem Ergebnis gelangt, dass es im Hinblick auf die – bis heute bestehende – unsichere Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters regelmäßig sowohl an einem besonders verwerflichen Verhalten des Herstellers als auch an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz fehlt:
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Danach kann bei einer Abschalteinrichtung wie hier, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der sich die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantworten lässt, bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht. Allein aus der – unterstellten – objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters folgt ferner kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer.
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Legt man diese Maßstäbe zugrunde, ergeben sich aus dem Vortrag der Klägerin sowie den getroffenen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten der Beklagten in diesem Sinne als sittenwidrig zu qualifizieren ist. Hinsichtlich des unstreitig im Fahrzeug der Klägerin verbauten Thermofensters fehlt es bis heute an einer behördlichen Stilllegung oder einem Zwang zu Umrüstungsmaßnahmen. Vor diesem Hintergrund ist nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung der Klägerin hätte aufdrängen müssen. Der Senat schließt sich insoweit der obergerichtlichen Rechtsprechung an, die eine Haftung der Beklagten in Verbindung mit dem von ihr entwickelten Motor Typ EA 288 ablehnt (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss v. 20.04.2020, Az. 1 U 103/19; OLG München, Beschluss v. 10.02.2020, Az. 3 U 7524/19; OLG Koblenz, Urteil v. 20.04.2020, Az. 12 U 1570/19).
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b) Das BMVI hat zudem nach Bekanntwerden des Dieselskandals Untersuchungen auch in Bezug auf die Motoren des Typs EA 288 in Auftrag gegeben und das KBA angewiesen, spezifische Nachprüfungen durch unabhängige Gutachter zu veranlassen. Diese „KBA-Felduntersuchungen“ umfassten insgesamt 56 Messungen an 53 Fahrzeugmodellen, von denen mehrere mit dem Motortyp EA 288 ausgestattet waren. Ziel der Untersuchung war u.a., die Motorvarianten des Typs EA 288 dahingehend zu überprüfen, ob sie unzulässige Abschalteinrichtungen oder unzulässige Systematiken und Randbedingungen von Prüfstands- und Zykluserkennungen wie die in den EA 189-Fahrzeugen verbaute Umschaltlogik enthielten. Bei diesen Untersuchungen sind keine unzulässigen Vorrichtungen bei Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 288 der Emissionsklassen EU 5 und EU 6 festgestellt worden (OLG Dresden, Urteil vom 04. Dezember 2020 – 9a U 2074/19 –, Rn. 30, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 07. Oktober 2020 – 4 U 171/18 –, Rn. 45, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24. September 2020 – 5 U 47/19 –, Rn. 37, juris; Anlage B 1).
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Dies wird auch durch die Stellungnahme des Kraftfahrt-Bundesamtes an das Landgericht Lübeck vom 01.09.2022 (Anlage BE 72) hinsichtlich eines baugleichen Fahrzeuges (VW Touran, 2.0l Diesel, 110 kW, Euro 6) ersichtlich. Dort hat das Kraftfahrt-Bundesamt ausgeführt, dass nach seinem Kenntnisstand das Fahrzeug keine unzulässigen Abschalteinrichtungen oder Konformitätsabweichungen hinsichtlich des Emissionsverhaltens aufweise. Das bloße Verbauen einer Fahrkurvenerkennung werde vom Kraftfahrt-Bundesamt nicht als unzulässig angesehen. Zudem hätten Prüfungen des KBA gezeigt, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten würden, so dass es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele.
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Dem hat der Vortrag der Klagepartei nichts Substantielles entgegenzusetzen.
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c) Soweit der Kläger mit der Berufung rügt, es liege eine Manipulation des Onboard-Diagnose-Systems vor, die den objektiven Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne von § 826 BGB erfüllt, teilt der Senat diese Ansicht nicht.
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Unabhängig davon, ob – wie die Kläger offenbar meint – das OBD-System selbst überhaupt eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 darstellen kann, obwohl es unstreitig die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems selbst weder aktiviert, verändert, verzögert noch deaktiviert (vgl. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007), ist ein auf die Programmierung des OBD gestützter Anspruch ausgeschlossen, soweit dieses im normalen Straßenverkehr sowie im Rahmen der Abgasuntersuchung und der Inspektion keine Fehlfunktion des Abgassystemes anzeigt. Denn wenn – wie hier – die für die Typengenehmigung zuständige Behörde die vorgelegte Software in Kenntnis der darin enthaltenen Abschalteinrichtungen (insbesondere des Thermofensters) auch und gerade im Hinblick auf das dadurch beeinflusste weitere Emissionsverhalten absegnet, muss das OBD dies dergestalt nachvollziehen können, dass die Warnlampe im Realbetrieb gerade nicht schon dann anspringt, wenn die angebliche Grenzwertüberschreitung allein auf nach Ansicht des KBA zulässiges Verhalten zurückzuführen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Oktober 2020 – 17 U 296/19).
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d) In gleicher Weise ergibt sich weder aus der Entscheidungsvorlagen „Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA 189“ noch aus dem Schreiben der V. AG an das KBA vom 29.12.2015 der Einsatz einer der klägerseits behaupteten unzulässigen Abgasmanipulationen. In der o.g. Vorgabe für Freigaben EU 189 EU 3/4/5/6 wird lediglich das „Ausbedaten“ einer sowohl bei EA 189 und EA 288 gleichermaßen vorhandenen „Funktion“ in den Motorsteuerungsgeräten (MSG) angeordnet; dass es sich insoweit um eine unzulässige Abschalteinrichtung zur Abgasmanipulation handelt, ist dieser Anordnung nicht zu entnehmen.
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Vielmehr ergibt sich aus bereits aus der Auskunft des KBA vom 25.01.2021 gegenüber dem OLG München (30 U 2403/20), aus welchem der Kläger zitiert (Schriftsatz des Klägervertreters vom 30.01.2023, S. 24), dass das KBA in der Umschaltung der Betriebsmodi keine unzulässige Abschalteinrichtung erkennt, da auch bei Deaktivierung der Kurvenfunktion als auch unter realen Betriebsbedingungen die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden.
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Die Behauptung, auch in dem Motor der Baureihe EA 288 sei eine Manipulationssoftware zur Prüfstandserkennung eingebaut, wird damit weder durch die oben dargestellte Anordnung zur Ausbedatung noch durch das genannte Schreiben gestützt.
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e) Darüber hinaus ist auch ein aus dem Kaufvertrag resultierender Schaden des Klägers nicht hinreichend dargelegt. Der Schaden des Käufers eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs liegt in der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung, weil er ein Fahrzeug erworben hat, das für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Denn aufgrund des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung besteht die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder – untersagung. Gleichzeitig ist unklar, ob dieser Mangel ohne Nachteile für den Käufer behoben werden kann (vgl. im Einzelnen BGH, Urt. v. 25.05.2020 – ZR 252/19, Rn. 44 ff.). Andererseits ist dann, wenn trotz umfassender Prüfungen durch das KBA bis heute kein Anlass für eine Rückrufanordnung des streitgegenständlichen Fahrzeug-/Motortyps oder für einen Widerruf der EG-Typgenehmigung gesehen wurde, ein kausal verursachter Schaden nicht festzustellen und zwar unabhängig davon, ob diese Haltung des KBA den maßgeblichen Normen nicht gerecht wurde, da es sich um die Auffassung der zuständigen Genehmigungsbehörde handelt, gegen deren Votum abweichende Betriebsuntersagungen durch die Straßenverkehrsbehörden nicht zu erwarten sind (OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 09.03.2022 – 8 U 179/21 = BeckRS 2022, 42953).
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Im vorliegenden Fall gibt es nach den von der Beklagtenseite vorgelegten Stellungnahmen des KBA für den im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motor keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder – untersagung und damit die Gefahr einer eingeschränkten Nutzbarkeit besteht. Vielmehr erfolgte bereits eine Prüfung des streitgegenständlichen Motors durch das KBA, auch im Hinblick auf den Vorwurf einer Fahrkurvenerkennung und einer daraus resultierenden Manipulation des Abgasreinigungsverhaltens. Für die Betriebserlaubnis relevante Beanstandungen ergaben sich hieraus nicht. Entgegenstehende Anhaltspunkte lassen sich auch dem Vortrag der Klägerseite nicht entnehmen.
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2. Auch aus anderen Anspruchsgrundlagen, insbesondere § 831 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, § 31 BGB oder aus der Verletzung drittschützender europarechtlicher Vorschriften besteht – wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat – kein Anspruch.
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Den zutreffenden Erwägungen des Landgericht ist insoweit lediglich hinzuzufügen, dass dem Anspruch bereits entgegensteht, dass, wie oben ausgeführt, kein Schaden entstanden ist.
39
Aus den dargelegten Gründen hat die Berufung daher keine Aussicht auf Erfolg
IV.
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Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.
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Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO. Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
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Es wird daher empfohlen, die Berufung – auch aus Kostengründen – zurückzunehmen. Auf die in Betracht kommende Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. KV Nr. 1220, 1222) wird vorsorglich hingewiesen.