Inhalt

OLG Bamberg, Urteil v. 29.03.2023 – 8 U 96/22
Titel:

Beitragsrückerstattung wegen pandemiebedingter Schließung eines Fitnessstudios

Normenketten:
BGB § 191, § 275, § 288, § 313
ZPO § 313a Abs. 1 S. 1, § 540 Abs. 2
BRAO § 46c Abs. 2 Nr. 1
EGBGB Art. 240 § 5 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die von einem nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt vorgenommene Prozesshandlung kann jedoch durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten heilend genehmigt werden. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB ist nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Vertragsstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift (zB Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB) geschaffen hat. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eintragung, Arbeitgeber, Berufung, Vertrag, Berechnung, Zinsanspruch, Tatbestand, Syndikusrechtsanwälte, postulationsfähig, Genehmigung, Unmöglichkeit, Störung der Geschäftsgrundlage, Vertragslaufzeit, Abtretung, Vertragsanpassung, Verzugszins
Vorinstanz:
LG Bamberg, Endurteil vom 15.07.2022 – 44/41 O 71/21
Fundstellen:
BRAK-Mitt 2023, 264
BeckRS 2023, 5808
NJOZ 2023, 976
LSK 2023, 5808

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 15.07.2022, Az. 44 / 41 O 71/21, in Ziffer 1 geändert und neu gefasst wie folgt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.455,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.02.2021 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Bamberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.
1
Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
B.
2
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache allein insoweit Erfolg, als das Landgericht Bamberg, gestützt auf § 288 Abs. 2 BGB, einen Zinsanspruch in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Verzugseintritt angenommen hat. Von der Beklagten geschuldet ist ein Zins (auf den Zahlbetrag) nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz; § 288 Abs. 1 BGB.
3
Zunächst kann auf die – mit Ausnahme jener zur Zinshöhe – zutreffenden, durch die Berufungsangriffe nicht entkräfteten Ausführungen des Landgerichts Bamberg im angegriffenen Urteil Bezug genommen werden.
4
Die mit der Berufungsbegründung geltend gemachten Berufungsangriffe geben lediglich zu folgenden ergänzenden Ausführungen Anlass:
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1. Es ist zwar zutreffend, dass Syndikusrechtsanwälte ihren Arbeitgeber in zivilrechtlichen Verfahren vor den Landgerichten, Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof nicht wirksam als Rechtsanwalt vertreten können (§ 46c Abs. 2 Nr. 1 BRAO). Damit könnte, weil es sich bei Rechtsanwalt E. U., der die Klageschrift unterzeichnet und eingereicht hat, um einen bei der Klägerin angestellten Rechtsanwalt handelt, zunächst eine Prozesshandlungsvoraussetzung gefehlt haben. Die von einem nicht postulationsfähigen Rechtsanwalt vorgenommene Prozesshandlung kann jedoch durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten heilend genehmigt werden (Zöller/Althammer, ZPO, 34. Aufl., § 78 Rn. 12; BGH, Beschluss vom 23.07.2020, Az. I ZR 73/20, Rn. 8 m.w.N., juris). Dies ist vorliegend (spätestens) in der öffentlichen Sitzung des Landgerichts Bamberg vom 04.10.2021 geschehen und zwar durch Stellung der Anträge aus der Klageschrift vom 26.02.2021 nun durch den unbestritten postulationsfähigen Rechtsanwalt Dr. G1. (vgl. Sitzungsniederschrift, S. 3).
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2. Der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB ist erfüllt. Während der pandemiebedingten Schließzeiten war es der Beklagten rechtlich unmöglich, ihren Mitgliedern / Kunden die vertragsgemäße Nutzung des jeweils mit diesen vereinbarten Fitnessstudios zu gewähren. Die Beklagte verweist insoweit ohne Erfolg auf die Möglichkeit abweichender Schließzeiten von Studios in anderen Bundesländern und im Ausland. Sie verkennt hierbei ihre Leistungspflicht, die sie selbst durch die Ausgestaltung der schriftlichen Mitgliedsverträge und ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschaffen hat und die sich im Übrigen, wollte man annehmen, nicht in jedem schriftlichen Vertrag sei explizit ein bestimmtes Studio als Ort der Hauptleistungserbringung vereinbart, durch Auslegung ergibt. Im letzteren Fall ist darauf abzustellen, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie die Regelung hätten weiter präzisieren und ausgestalten wollen.
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Gemäß Ziffer 1.2 der vorgelegten und von der Beklagten als vorgelegt und einbezogen nicht in Abrede gestellten >Allgemeinen Geschäftsbeziehungen <…< der RSG G2. GmbH – Deutschland (Stand: April 2019)< kommt der Mitgliedsvertrag >im Studio durch Unterschrift des Mitglieds zustande< oder gemäß Ziffer 1.3 >Online<. In jedem Fall aber, das ergibt sich aus dem vorgelegten Musterformular des Mitgliedsvertrags, einigten sich die Beklagte und die Interessenten an einer Mitgliedschaft auf ein, als erste Eintragung in den schriftlichen Vertrag aufzunehmendes >Studio<. Die Parteien stellten also institutionalisiert einen Bezug des Mitglieds (ausgewiesen durch Mitgliedsnummer und Member-Card<) zu einem ganz bestimmten Studio der Beklagten (oder mehreren, wenn so vereinbart) her. Der >Umfang der Studionutzung< ist in Ziffer 2 näher beschrieben und diese Beschreibung nimmt wiederum Bezug auf die Vereinbarung auf dem Vertragsdeckblatt und der Eintragung zum >Studio<.
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Die Beklagte wollte sich also keinesfalls dahin verpflichten, alle ihrer (mehreren hundert) Sportstudios fortan weiter zu betreiben und sie alle für jedes Mitglied offen zu halten, wie auch das Mitglied / der Kunde nicht sich auf Orte/Studios, die für ihn nicht mit einem für ein Körpertraining angemessenem Aufwand erreichbar sind, verweisen lassen wollte.
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3. Der Vertrag war auch nicht wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit der pandemiebedingten Schließung verlängert, weil bereits die Anwendung des § 313 BGB hier ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 04.05.2022, Az. XII ZR 64/21, mit weiteren Nachweisen). Der Bundesgerichtshof stellt nicht auf die Frage ab, ob der Vertrag gekündigt ist oder nicht, und hierzu besteht auch kein Anlass. Den Kunden über das bereits bekannte oder mangels Kündigungserklärung noch nicht feststehendes Vertragsende hinaus an den Vertrag zu binden, ist nicht interessengerecht. So ist es etwa dem Mietrecht fremd, in Fällen, in denen die vertragsgemäße Nutzung der überlassenen (z.B.) Räume für eine Zeit nicht möglich ist, die Pflicht zur Mietzinszahlung für diese Zeit aufrecht zu erhalten und die Nutzungsmöglichkeit über das durch die ordentliche Kündigung definierte Vertragsende hinaus zu verlängern. Ein Anspruch auf die von der Beklagten solcherart geforderte Vertragsanpassung scheidet zudem deshalb aus, weil mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB ohnehin eine speziellere Vorschrift besteht, die im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die Folgen der Unmöglichkeit modifiziert und im vorliegenden Fall einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht. Eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB ist nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Vertragsstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2022, Az. XII ZR 64/21, mit weiteren Nachweisen).
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4. Zu Unrecht wird vorgebracht, das Landgericht Bamberg habe sich nicht mit den Einwendungen zu Ruhezeitvereinbarungen der Zedenten Nguyen, Singhal und Dossa befasst. Der Angriff nimmt Bezug auf einen Schriftsatz von 16.03.2022, Seite 8. Die behaupteten Ruhezeitvereinbarungen mit Herrn D2. N. und Herrn J. S1. betreffen Zeiträume, die nicht in die Zeit der pandemiebedingten Schließungen fallen. Jene Vereinbarung von Harold Dossa fällt teilweise in diese Zeit und wurde von dem Landgericht (Abzugsposition zugunsten der Beklagten) zutreffend berücksichtigt. Der Senat hat im Termin auf diesen Umstand hingewiesen, ohne dass der Beklagtenvertreter sich hierzu weiter äußern wollte und geäußert hat.
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5. Die konkrete Berechnung der Klageansprüche stößt auf keine rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat § 191 BGB nicht für direkt anwendbar erklärt, vielmehr eine analoge Anwendung in Erwägung gezogen und sodann vorgenommen. Das könnte unbillig sein, wenn das Landgericht, wie die Berufung wohl annimmt, um von einem Monatsbeitrag zu einem Beitrag pro Tag zu gelangen, durchgängig durch 30 teilt und dann mit der tatsächlichen Anzahl der Tage pandemiebedingter Schließung multipliziert. So aber ist das Landgericht nicht vorgegangen, hat vielmehr die Tage der Schließung dahin harmonisiert, dass jeder 31. Tag eines betroffenen Monats bei der Bestimmung der Gesamtanzahl der Tage, für die Rückzahlung zu erfolgen hat, unberücksichtigt blieb. Der Einwand der Beklagten, die Berechnung des Landgerichts befasse sich nicht und berücksichtige nicht die Möglichkeit, dass ein Lockdown auch im Monat Februar erfolgen könnte, geht deshalb fehl, weil eine Schließung in einem Februar (und ev. sich hieraus ergebende Ansprüche) nicht streitgegenständlich sind. Ob für einen auch Tage im Februar umfassenden Zeitraum einer pandemiebedingten Schließung eine Modifizierung der vom Landgericht herangezogenen Berechnungsmethode oder aber eine Einzelberechnung für den Monat Februar erfolgen müsste, muss nicht diskutiert / entschieden werden.
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6. Die Abtretungen sind ausreichend substantiiert dargestellt. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat im Termin dargestellt, weshalb er nur durch Einvernahme jedes einzelnen (vermeintlichen) Zedenten als Zeuge in einem Gerichtstermin für geeignet hält, den Nachweis der Abtretung zu führen. Der Senat hat die Argumente der Beklagten nochmals erwogen, hält diese aber nicht für stichhaltig. Die Klägerseite legt immerhin unterzeichnete Abtretungserklärungen vor. Mittels der Mitgliedsnummern und/oder der IBAN, mittels derer und der Einzugsermächtigung die Beklagte die Mitgliedsbeiträge eingezogen hat, verfügt die Beklagte über genügend Informationen, namentlich auch über Vergleichsunterschriften ihrer Kunden, die es ihnen ermöglichen, sich mit den einzelnen Abtretungsurkunden konkret auseinanderzusetzen. In Ermangelung dessen ist ihr pauschales Bestreiten unerheblich. Ergänzend kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden.
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7. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kauf der Forderungen, die im Rechtsstreit geltend gemacht werden, nichtig sei wegen Wuchers. Folgt man der Rechtsansicht der Beklagten, so hätte die Klägerin >nichts< / nur vermeintliche Forderungen erworben. Das macht den Vortrag der Beklagten in diesem Punkt bereits unschlüssig. Aber selbst wenn man – wie richtig – davon ausgeht, dass die Mitglieder der Beklagten die abgetretenen Ansprüche gegen die Beklagte in der vollen, beanspruchten Höhe haben, waren diese – bezogen auf jedes Mitglied – relativ gering und gerichtlich nur sehr schwer und mit unverhältnismäßigem Aufwand durchsetzbar. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis (= 40% des Nominalbetrags) und der nur mit unverhältnismäßigem Aufwand durchsetzbaren Forderung des einzelnen Mitglieds der Beklagten sieht der Senat nicht.
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8. Die Höhe des Verzugszinses beträgt, anders als das Landgericht Bamberg angenommen hat, (nur) 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Rückgewähransprüche gemäß §§ 346, 357 Abs. 1 BGB sind keine Entgeltforderungen gemäß §§ 286 Abs. 3, 288 Abs. 2 BGB (Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 286 Rn. 27 m.w.N.). Außerdem dürften den streitgegenständlichen Forderungen auch nach deren Abtretung Rechtsgeschäfte zugrunde liegen, an denen (mit den Mitgliedern der Beklagten) >Verbraucher< i.S.d. § 13 BGB beteiligt sind.
15
Dies führt zum Teilerfolg der Berufung der Beklagten.
C.
16
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Teilerfolg der Berufung bezieht sich lediglich auf den nicht den Berufungswert tangierenden Zinsanspruch (§ 4 Abs. 1 ZPO).
17
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.