Titel:
Arbeitszeit, Bescheid, Arbeitnehmer, Fahrzeug, Unternehmerrisiko, Arbeitgeber, Beitragsforderung, Sozialversicherung, Nachforderung, Beurteilung, Stundenlohn, Beitragszahlung, Auskunft, Vereinbarung, unternehmerisches Risiko, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Schlagworte:
Arbeitszeit, Bescheid, Arbeitnehmer, Fahrzeug, Unternehmerrisiko, Arbeitgeber, Beitragsforderung, Sozialversicherung, Nachforderung, Beurteilung, Stundenlohn, Beitragszahlung, Auskunft, Vereinbarung, unternehmerisches Risiko, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 10.03.2025 – L 7 BA 39/23
BSG, Beschluss vom 21.07.2025 – B 12 BA 16/25 B
Fundstelle:
BeckRS 2023, 57802
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten ist für die Zeit vom 01.04.2014 bis 31.12.2016 eine Nachforderung in Höhe von 23.536,93 € streitig.
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Der Kläger bot im Prüfzeitraum einen Verkauf und Montageservice u. a. für Photovoltaikanlagen an.
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Neben den angestellten Mitarbeitern führten die beigeladenen B, T in der Zeit von Januar bis Juli 2014 und G bis Juni 2015 Montagetätigkeiten für den Kläger aus.
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Es wurden Werkverträge geschlossen, die die Montage der vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Materialien zum Bau einer Photovoltaikanlage zum Gegenstand hatten (§ 1). Der Vertrag wurde unbefristet bis auf Widerruf geschlossen. Eine Beschreibung des Leistungsumfanges sollte ausgehändigt werden (§ 2). Ein Stundenlohn von maximal 17 € wurde vereinbart (§ 3). Eine Betriebshaftpflichtversicherung sowie eine Gewerbeanmeldung waren vorzulegen (§ 9). Die Haftung lag beim Auftragnehmer (§ 10). In der Konkurrenzklausel wurde es dem Auftragnehmer untersagt, Arbeitskräfte von anderen Unternehmen abzuwerben (§ 13). Urlaubsansprüche wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall waren nicht geregelt.
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B und T wurde ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt. Eine Bestätigung über den ordnungsgemäßen Zustand bei Rückgabe ist dokumentiert.
B, T und G stellten in Zeiträumen von ein bis zwei Wochen Rechnungen mit einem Stundenlohn von in der Regel 15 €, unabhängig ob das Projekt abgeschlossen war oder nicht. Hauptsächlich handelte es sich dabei um Montagetätigkeiten bei der Firma Zin I-Stadt.
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In der Zeit vom 27.02.2018 bis 26.10.2018 wurde durch die Beklagte eine Betriebsprüfung durchgeführt.
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Auf Anfrage hat der Kläger mitgeteilt, dass den Subunternehmern ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt wurde, falls größere Lagerbestände zu den Baustellen bzw. größere Mengen zu entsorgen gewesen seien. Es habe sich hierbei um kein Firmenfahrzeug gehandelt. Im Übrigen haben die Subunternehmer die Arbeit selbstständig ausgeführt. Es sei nur ein Fertigstellungstermin vereinbart worden, ansonsten sei die Abwicklung völlig selbstständig erfolgt. Bei Bedarf habe man die Aufträge telefonisch weitergegeben und abgesprochen. Das Material wie Rohre und Kabel etc. habe Z. gestellt. Die Zusammenarbeit mit den eigenen Mitarbeitern sei unabhängig gewesen.
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Ein Zusammentreffen beider Teams habe gelegentlich stattgefunden.
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B, T und G konnten nicht befragt werden, da sie unbekannt verzogen waren.
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Im Anhörungsschreiben vom 19.11.2018 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass bei der Beurteilung der relevanten Tatsachen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung bei B, T und G überwiegen und insbesondere kein Unternehmerrisiko vorliege.
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Mit Schriftsatz vom 13.12.2018 wurde entgegnet, dass es sich um Werkverträge gehandelt habe, die Arbeit nicht weisungsgebunden gewesen sei, B, T und G Arbeitsgeräte selbst stellten, das Unternehmerrisiko habe in der Haftung gelegen und schließlich sei eine Konkurrenzklausel vereinbart worden.
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Am 21.01.2019 erteilte die Beklagte einen der Anhörung entsprechenden Bescheid und stellte eine Nachforderung in Höhe von 23.536,93 € fest.
13
Dagegen wurde Widerspruch eingelegt.
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Die im Schriftsatz vom 13.12.2018 dargelegten Argumente wurden wiederholt.
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Am 11.02.2020 erging ein zurückweisender Widerspruchsbescheid.
16
Am 28.02.2020 ist die Klage beim Sozialgericht Landshut eingegangen.
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Der bisherige Vortrag wurde bekräftigt.
den Bescheid der Beklagten vom 21.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2020 aufzuheben.
19
Die Beklagte beantragt,
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Wegen der weiteren Einzelheiten zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
21
Die zulässige Klage ist unbegründet.
22
Der Bescheid vom 21.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2020 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
23
Die Beklagte hat zu Recht nach der durchgeführten Betriebsprüfung eine Beitragsforderung gemäß nach § 28 p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) erlassen und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 23.536,93 € gefordert.
24
B, T und G waren im angegebenen Prüfzeitraum abhängig beschäftigt und unterliegen der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung.
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Die Beurteilung, ob gegen Entgelt tätige Personen versicherungspflichtig beschäftigt sind, richtet sich nach § 7 Abs. 1 SGB IV.
26
Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
27
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
28
Maßgeblich ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Diese bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder einer selbstständigen Tätigkeit erlauben (vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009 – B 12 KR 21/7 R).
29
Zu berücksichtigen ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es sich aus den getroffenen Vereinbarung ergibt oder aus den gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 24. 01. 2007. – B 12 KR 21/07 R).
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Formuliert war hier einen Werkvertrag.
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Die geschlossene Vereinbarung enthält Elemente einer selbstständigen Tätigkeit, wie auch von der Klägerseite geltend gemacht wird.
32
Hervorzuheben ist diesbezüglich, dass keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Urlaubsanspruch und kein Weisungsrecht fixiert wurde. Außerdem sind die Haftungsklausel (§ 10) und die Konkurrenzklausel (§ 13) für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ungewöhnlich.
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Gegen eine selbstständige Beschäftigung spricht jedoch wie der Vertrag tatsächlich gelebt wurde.
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Geschuldet waren Montagearbeiten, insbesondere von Photovoltaikanlagen.
35
Die Werkverträge liefen grundsätzlich unbefristet, konnten aber gekündigt werden. Sie waren nicht auf ein bestimmtes Projekt bezogen. Eine Aushändigung der Beschreibung des Leistungsumfanges ist nicht erfolgt, stattdessen wurden nach Auskunft der Klägerseite telefonische Absprachen zu den Aufträgen getroffen. Eine Abnahme des Gewerkes ist jedenfalls nicht dokumentiert.
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Eine weisungsfreie Arbeit lässt sich hier nicht plausibel darstellen.
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B, T und G trugen auch kein nennenswertes unternehmerisches Risiko, was nach Ansicht der Kammer ein gewichtiges Entscheidungskriterium darstellt.
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Maßgeblich hierfür ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird und der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und sachlichen Mittel ungewiss ist.
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Es wurde ein Stundenlohn von maximal 17 €, in der Regel waren es aber nur 15 €, bezahlt, was nicht dem typischen Lohn eines Selbstständigen entspricht. Unabhängig davon hat nicht der Verlust des eigenen Kapitals oder der Arbeitskraft gedroht.
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B, T und G hatten aber auch umgekehrt im Rahmen ihrer Tätigkeit, keine Möglichkeit den eigenen wirtschaftlichen Erfolg beim Auftraggeber zu beeinflussen Die Rechnungserstellung erfolgte in regelmäßigen ein- bis zweiwöchigen Abstand. Die Rechnungen von B, T und G waren völlig identisch, obwohl sie nicht gleichzeitig im Betrieb beschäftigt waren.
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Sämtliches Material, unabhängig von persönlichen Kleinwerkzeugen, wurde vom Auftraggeber unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Zudem wurde B, T und G ein Fahrzeug, das nur zum Transport größere Materialmengen dienen sollte, aber am Ende der Zusammenarbeit zurückgegeben werden musste, unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
42
Das Fehlen eines vertraglichen Urlaubsanspruches oder eines vertraglichen Anspruchs auf Entgeltfortzahlung können vorliegend nicht als Indiz eines Unternehmerrisikos gewertet werden.
43
Solche Vereinbarungen sind typisch bei Scheinselbstständigkeit, die Arbeitnehmerrechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Ansprüche nach dem Bundesurlaubsgesetz und nicht zuletzt die Beitragszahlung zur Sozialversicherung umgehen sollen. Dem Arbeitnehmer werden dadurch sämtliche Schutzmöglichkeiten genommen, ohne dass dies im Ergebnis durch unternehmerische Rechte oder Gewinne kompensiert werden kann.
44
Letztlich wurden von den „eigenen“ angestellten Mitarbeitern die gleiche Arbeit auf den Baustellen ausgeübt.
45
Eine selbstständige Tätigkeit lässt sich auch nicht dadurch begründen, dass B, T und G eventuell für mehrere „Auftraggeber“ tätig waren. Auch in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis kann man für mehrere Arbeitgeber arbeiten bzw. neben einer selbstständigen Tätigkeit auch in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen.
46
Nach einer umfassenden Gesamtabwägung der getroffenen Vereinbarung und der tatsächlichen Ausgestaltung, kommt das Gericht, wie auch zutreffend die Beklagte, zu der Beurteilung, dass die betroffenen Personen im streitgegenständlichen Zeitraum bei dem Kläger in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis standen. Für das Gericht überwiegen unzweifelhaft die Kriterien einer abhängigen Beschäftigung.
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Für eine falsche Berechnung der Nachforderung durch die Beklagte kann die Kammer keine Anhaltspunkte erkennen. Im Übrigen wurde eine solche auch nicht vorgetragen.
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Die Klage war daher abzuweisen.
49
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG).