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OLG München, Endurteil v. 19.01.2023 – 24 U 5037/20
Titel:

Kein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Dieselfahrzeug (hier: Audi SQ5 3.0 TDI)

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826, § 831
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Fahrzeugemissionen-VO Art. 5
StGB § 263
ZPO § 148, § 287
Leitsätze:
1. Aus dem Umstand, dass andere Fahrzeugtypen mit einem bestimmten Motor einem Rückruf des KBA unterlagen, kann nicht geschlossen werden, dass auch sämtliche anderen Fahrzeuge, die über einen Motor mit derselben Typbezeichnung verfügen, so anzusehen wären, als erstreckte sich der Rückruf auch auf sie. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Abschalteinrichtung kann die Kriterien des § 826 BGB auch dann erfüllen kann, wenn sie nicht prüfstandsbezogen ist, beispielsweise wenn die Herstellerin in Fahrzeugen eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut und diesen Umstand dem KBA als für die Typgenehmigung zuständiger Behörde verschwiegen hat, um sich die begehrte Typgenehmigung zu erschleichen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt weder im Aufgabenbereich des § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV noch des Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 (anders nachfolgend BGH BeckRS 2025, 31059). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, 3,0 Liter-Dieselmotor, unzulässige Abschalteinrichtung, Sittenwidrigkeit, Täuschungshandlung, ins Blaue hinein, Schadensersatz, KBA, Typgenehmigung
Vorinstanz:
LG Memmingen vom 21.07.2020 – 33 O 1642/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH, Urteil vom 12.11.2025 – VIa ZR 138/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 57706

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 21.07.2020, Az. 33 O 1642/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil ist ebenso wie (bezüglich der Beklagten zu 2)) das in Nr. 1 genannte Urteil des Landgerichts Memmingen ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte zu 2) wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Fahrzeugs mit Dieselmotor.
2
Der Kläger erwarb am 17.02.2015 bei der (am Berufungsverfahren nicht beteiligten) Beklagten zu 1) den streitgegenständlichen Audi SQ5 3.0 TDI mit der FIN … (Zulassungsbescheinigung Teil I Bl. 577 d. A.) zum Preis von 65.070,00 €. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten zu 2) hergestellter Sechszylindermotor der Schadstoffklasse EU 5 verbaut. Nach dem Vortrag des Klägers (Seiten 1 f. des Schriftsatzes vom 19.07.2021, Bl. 556 f. d. A.; Seite 3 des Schriftsatzes vom 27.06.2022, Bl. 613 d. A.) liegt zwar nicht für das streitgegenständliche Fahrzeug, wohl aber für den streitgegenständlichen Motor (für die Fahrzeuge Audi A6, A7, S6 und S7) ein verbindlicher Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (im Folgenden: KBA) vor. Der Kläger macht geltend, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug seien mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut. Insoweit wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (Seiten 2 bis 4, Bl. 455/457 d. A.) sowie auf die Wiedergabe der klägerischen Behauptungen im Beweisbeschluss des Senats vom 12.08.2021 (Bl. 593/595 d. A.) Bezug genommen. Hieraus leitet der Kläger einen Schadensersatzanspruch (aus § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 27 EG-FGV oder § 831 BGB), gerichtet auf Rückabwicklung des Kaufvertrags unter Anrechnung von Nutzungsersatz, ab, wobei er die Gesamtlaufleistung für das streitgegenständliche Auto mit mindestens 350.000 Kilometern angibt (Seite 21 der Berufungsbegründung, Bl. 514 d. A.; Seite 13 des Schriftsatzes vom 19.07.2021, Bl. 568 d. A.).
3
Mit den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22.07.2020 zugestelltem Endurteil vom 21.07.2020 (Bl. 454/475 d. A.), auf das hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts, der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des Inhalts der Entscheidung im Einzelnen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Memmingen die Klage vollumfänglich abgewiesen.
4
Mit seiner am 21.08.2020 eingegangenen und nach mehrfacher Fristverlängerung bis zum 22.01.2021 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Hinsichtlich seines Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 22.01.2021 (Bl. 495/514 d. A.), vom 19.07.2021 (Bl. 556/568 d. A.), vom 27.07.2021 (Bl. 576 f. d. A.), vom 20.12.2021 (Bl. 599/601 d. A.) und vom 27.06.2022 (Bl. 611/617 d. A.) sowie auf die Protokolle der Berufungsverhandlungen vom 23.07.2021 (Bl. 570/575 d. A.) und vom 09.12.2022 (Bl. 621/623 d. A.) Bezug genommen. Am 09.12.2022 hatte das streitgegenständliche Fahrzeug einen Kilometerstand von 25.935.
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Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:
1. Unter Abänderung des am 21.07.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Memmingen, Az: 33 O 1642/19, wird die Berufungsbeklagte verurteilt, an die Klagepartei € 65.070,00 abzüglich einer vom Gericht gem. § 287 ZPO zu schätzenden Nutzungsentschädigung zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 14.10.2019 aus dem ausgeurteilten Betrag zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Audi SQ5 3.0 TDI, Fahrzeugidentifikationsnummer: … .
2. Unter Abänderung des am 21.07.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Memmingen, Az: 33 O 1642/19, wird festgestellt, dass die Berufungsbeklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Berufungsbeklagte das Fahrzeug Audi SQ5 3.0 TDI, Fahrzeugidentifikationsnummer: …, dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.
hilfsweise zu 2.:
2. Unter Abänderung des am 21.07.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Memmingen, Az: 33 O 1642/19, wird festgestellt, dass die Berufungsbeklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu leisten für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei in den Motor, Typ 3.0 l V6 Dieselmotor, des Fahrzeugs Audi SQ5 3.0 TDI, Fahrzeugidentifikationsnummer: …, eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, so dass es zu einem höheren NOx Ausstoß führt.
3. Unter Abänderung des am 21.07.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Memmingen, Az: 33 O 1642/19, wird festgestellt, dass sich die Berufungsbeklagte mit der Rücknahme des PKW Audi SQ5 3.0 TDI, Fahrzeugidentifikationsnummer: …, im Annahmeverzug befindet.
4. Unter Abänderung des am 21.07.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Memmingen, Az: 33 O 1642/19, wird die Berufungsbeklagte verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 3.196,34 EUR zu zahlen.
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Hilfsweise beantragt der Kläger:
1. Das am 21.07.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Memmingen, Az: 33 O 1642/19, wird aufgehoben.
2. Das Verfahren wird an das Landgericht Memmingen zurückverwiesen.
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Die Beklagte zu 2) beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
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Hinsichtlich ihres Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 06.04.2021 (Bl. 523/551 d. A.), vom 11.08.2021 (Bl. 580/591 d. A.) und vom 27.06.2022 (Bl. 607/609 d. A.) sowie auf die Protokolle der Berufungsverhandlungen vom 23.07.2021 (Bl. 570/575 d. A.) und vom 09.12.2022 (Bl. 621/623 d. A.) Bezug genommen.
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Der Senat hat
- am 23.07.2021 mit dem Kläger und den Parteivertretern ohne Beweisaufnahme mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Inhalts der Verhandlung wird auf das Protokoll (Bl. 570/575 d. A.) Bezug genommen;
- mit Beweisbeschluss vom 12.08.2021 (Bl. 593/595 d. A.) eine Auskunft des KBA erholt, welche dieses unter dem 31.05.2022 erteilte (Bl. 604 f. d. A.) und
- am 09.12.2022 mit den Parteivertretern erneut ohne Beweisaufnahme mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Inhalts der Verhandlung wird auf das Protokoll (Bl. 621/623 d. A.) Bezug genommen.
II.
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Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das angefochtene Urteil des Landgerichts Memmingen weist weder entscheidungserhebliche Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers auf noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
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1. Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB besteht nicht.
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a) Ein solcher bestünde, wenn in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung dergestalt zum Einsatz käme, dass aufgrund eines Mechanismus unterschieden würde, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet oder nicht und ausschließlich im erstgenannten Fall eine stärkere Abgasreduzierung stattfände (vgl. für den VW-Motor EA 189 BGH vom 25.05.2020 ‒ VI ZR 252/19 ‒ juris und zahlreiche weitere Entscheidungen). Fehlt es an einer solchen Prüfstandsbezogenheit, weil die fragliche (gegebenenfalls auch unzulässige) Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb im Grundsatz in gleicher Weise arbeitet, kann hingegen nicht schon aus der Funktionsweise der Abschalteinrichtung auf eine als sittenwidrig zu bewertende Täuschungsabsicht der Beklagten geschlossen werden (BGH vom 29.09.2021 ‒ VII ZR 126/21 ‒ juris Rn. 17 bis 19; Beschlüsse vom 21.09.2022 ‒ VII ZR 471/21 und VII ZR 767/21 ‒ jeweils juris Rn. 10).
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b) Eine im Sinne der obigen Unterscheidung prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung wird vom Kläger lediglich ins Blaue hinein behauptet, weshalb kein Anlass zur Einholung eines (vom Kläger angebotenen)
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Sachverständigengutachtens bestand. Dabei verkennt der Senat nicht, dass nach den genannten Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 21.09.2022 (VII ZR 471/21 ‒ juris Rn. 15; vgl. auch VII ZR 767/21 ‒ juris Rn. 15) eine entsprechende beweisbewehrte Behauptung des Klägers nicht als unsubstantiiert angesehen werden darf, wenn der Kläger insoweit vorträgt, ein gewichtiges Indiz dafür, dass in dem Fahrzeug des Klägers eine entsprechende Abschalteinrichtung verbaut sei, ergebe sich aus dem von ihm vorgetragenen Rückruf durch das KBA, den dieses mit einer manipulierten Software begründet habe. So liegt der Fall hier jedoch nicht.
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aa) Zunächst und vor allem fehlt es hier an einem amtlichen Rückruf des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch das KBA und damit an einem gewichtigen Indiz im dargelegten Sinne. Daran ändert auch der (nicht protokollierte, dem Senat aber noch erinnerliche) Hinweis des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2022 nichts, es sei mit Schriftsatz vom 27.06.2022 (Bl. 611/617 d. A.) unwidersprochen vorgetragen worden, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug derselbe Motortyp verbaut sei wie in den Fahrzeugen, auf die sich die in diesem Schriftsatz als Anlage BK 11 vorgelegte KBA-Auskunft bezieht. Aus Sicht des Senats kann aus dem Umstand, dass andere Fahrzeugtypen mit einem bestimmten Motor einem Rückruf des KBA unterlagen, nicht geschlossen werden, dass auch sämtliche anderen Fahrzeuge, die über einen Motor mit derselben Typbezeichnung verfügen, so anzusehen wären, als erstreckte sich der Rückruf auch auf sie. Dagegen spricht schon, dass Motorentypen auch bei gleichbleibender Bezeichnung in technischer Hinsicht weiterentwickelt werden, so dass aus dem Umstand, dass ein bestimmter Fahrzeugtyp mit einem bestimmten Motortyp aus einem bestimmten Produktionszeitraum vom KBA zurückgerufen wurde, nicht geschlossen werden kann, dass auch sämtliche anderen Fahrzeuge anderer Typen aus anderen Produktionszeiträumen, die über einen Motor mit derselben Typbezeichnung verfügen, aus denselben Gründen zurückzurufen gewesen wären.
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bb) Aber selbst wenn man dem Kläger in seiner Auffassung folgte, aufgrund seines Vortrags sei die als BK 11 vorgelegte KBA-Auskunft auch auf das streitgegenständliche Auto zu beziehen, ergibt sich nichts anderes. Denn anders als in den vom Bundesgerichtshof in den oben genannten Entscheidungen beurteilten Fällen ergibt sich aus der als Anlage BK 11 vorgelegten KBA-Auskunft gerade keine im dargelegten Sinne prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung. Vielmehr ergibt sich aus dieser Auskunft unmissverständlich, dass die dort thematisierte Abschalteinrichtung auf dem Prüfstand in derselben Weise arbeitet wie außerhalb desselben. So heißt es dort (Hervorhebung ergänzt): „Unter normalen Straßenbedingungen wird die Strategie häufig abgeschaltet […] Obwohl die Strategie aufgrund der Initialisierungsparameter sicher im NEFZ aktiviert wird, ist es auch möglich, dass die Strategie auch im Straßenbetrieb wirksam werden kann, sofern die Betriebsbedingungen denen des NEFZ entsprechen.“
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c) Der Senat verkennt nicht, dass eine Abschalteinrichtung die Kriterien des § 826 BGB auch dann erfüllen kann, wenn sie nicht prüfstandsbezogen ist (BGH vom 29.09.2021 ‒ VI ZR 126/21 ‒ juris Rn. 19). Voraussetzung für ein sittenwidriges Handeln und damit für einen Anspruch des Klägers aus § 826 BGB wäre aber, dass die Beklagte in Fahrzeugen des vom Kläger erworbenen Typs eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut und diesen Umstand dem KBA als für die Typgenehmigung zuständiger Behörde verschwiegen hat, um sich die begehrte Typgenehmigung zu erschleichen (vgl. BGH vom 19.01.2021 ‒ VI ZR 433/19 ‒ juris Rn. 13 bis 19 sowie vom 09.03.2021 ‒ VI ZR 889/20 ‒ juris Rn. 27 f.). Eine solche Täuschungshandlung hat der Kläger jedoch schon nicht, jedenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Auch spricht die vom Senat erholte Auskunft des KBA (Seite 2, Bl. 605 d. A.) wiederum gegen eine solche Täuschungshandlung, denn das KBA hat ausgeführt, dass „[n]ach den zum Zeitpunkt der hier gegenständlichen Einzelgenehmigung geltenden Genehmigungsvorschriften […] keine Angaben des Herstellers zu den Emissionsstrategien des Fahrzeuges im sogenannten Beschreibungsbogen gefordert [waren]“.
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2. Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil weder eine für den Kaufentschluss ursächliche Täuschung des Klägers durch die Beklagte noch ein entsprechender Vorsatz auf der Seite der Beklagten festgestellt ist.
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3. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 831 BGB sind nicht erfüllt, da eine unerlaubte Handlung eines Verrichtungsgehilfen nicht festgestellt werden kann.
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4. Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EGFGV oder i. V. m. Bestimmungen der VO (EG) 715/2007 besteht nicht.
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a) Wie der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19 ‒ juris Rn. 76), vom 30.07.2020 (VI ZR 5/20 ‒ juris Rn. 12), vom 16.09.2021 (VII ZR 190/20 ‒ juris Rn. 35 ff.) und vom 24.03.2022 (III ZR 270/20 ‒ juris Rn. 27 ff.) ausgeführt hat, liegt das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, weder im Aufgabenbereich des § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV noch des Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007.
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b) Es besteht auch kein Anlass, diese Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) vorzulegen (vgl. die soeben genannten Entscheidungen des BGH vom 25.05.2020 [VI ZR 252/19 ‒ juris Rn. 77], vom 30.07.2020 [VI ZR 5/20 ‒ juris Rn. 16], vom 16.09.2021 [VII ZR 190/20 ‒ juris Rn. 37 bis 39 ‒ besonders ausführlich] und vom 24.03.2022 [III ZR 270/20 ‒ juris Rn. 29]).
23
c) Ebenso wenig besteht Anlass, das Verfahren analog § 148 ZPO mit Blick auf die Schlussanträge des Generalanwalts Rantos vom 02.06.2022 im beim EuGH anhängigen Verfahren C-100/21 auszusetzen.
24
Selbst wenn entsprechend der in den Schlussanträgen (dort Rn. 50 und Rn. 78 Ziff. 1) vertretenen Auffassung davon ausgegangen würde, die Richtlinie 2007/46/EG solle (auch) das Interesse des individuellen Erwerber seines Kraftfahrzeugs schützen, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, handelt es sich bei den zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen §§ 6 und 27 EG-FGV nicht um Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.
25
Der VO (EG) Nummer 715/2007, die unmittelbar anwendbar ist, misst selbst der Generalanwalt keine Schutzwirkung zugunsten von Vermögensinteressen von Fahrzeugerwerbern zu.
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Bereits das bestehende deutsche Vertrags- und Deliktsrecht hält zahlreiche – abgestufte – Instrumente bereit, die hinreichend wirksam das Interesse eines Erwerbers schützen, nicht ein mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattetes Fahrzeug zu erwerben und zugleich auch einen erheblichen Anreiz für die Hersteller von Motoren bedingen, unionsrechtliche Vorschriften einzuhalten. Vor diesem Hintergrund bedarf es in der deutschen Rechtsordnung über die bestehenden Institute des Vertrags- und Deliktsrechts hinaus nicht der Einordnung der Vorschriften der EG-FGV als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, um das Interesse der Käufer von Fahrzeugen, die mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sind, angemessen zu schützen (im gleichen Sinne OLG Stuttgart, Urteil vom 28.06.2022, 24 U 115/22, Seite 27 ff; dort auch eingehend zu entstehenden nicht hinnehmbaren Wertungswidersprüchen, wollte man den Bestimmungen der §§ 6 und 27 EG-FGV Schutzgesetzcharakter im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB beimessen).
27
Soweit das im Verfahren C-100/21 vorlegende Landgericht Ravensburg hierzu eine abweichende Auffassung (insbes. hinsichtlich des Erfordernisses einer Herstellerhaftung bereits für fahrlässiges Verhalten) vertritt, ist als Beleg für den gegenteiligen Befund darauf zu verweisen, dass in den vergangenen Jahren hunderttausende Käufer von Dieselfahrzeugen erfolgreiche, auf unzulässige Abschalteinrichtungen gestützte Klagen gegen unterschiedliche Hersteller von Pkw und darin eingesetzten Dieselmotoren geführt haben (zur Kritik an der Vorlage des LG Ravensburg siehe auch BGH vom 16.09.2021 ‒ VII ZR 190/20 ‒ juris Rn. 38).
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Im Übrigen erkennt der Senat auch keine unmittelbaren Wirkungen für anhängige Verfahren, soweit es in den Schlussanträgen des Generalanwalts unter Ziffer 57 wörtlich lautet:
„Im Einklang mit dem Effektivitätsgrundsatz ist es Sache dieses Gerichts (gemeint ist das vorlegende Gericht) zu prüfen, ob die in § 826 BGB vorgesehenen Voraussetzungen die Ausübung des Ersatzanspruchs, der dem Erwerber eines Fahrzeugs nach der RL 2007/46 zusteht, praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren können. Wenn ja, wären diese nationalen Verfahrensvorschriften nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.“
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Da die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht infrage steht, dürfte selbst bei – unterstellten – Defiziten zuvörderst der nationale Gesetzgeber gefordert sein, soweit nicht im Auslegungswege abgeholfen werden kann, was hier vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung hinsichtlich der Regelungen der EG-FGV mit Recht verneint wird (siehe auch die vom BGH in seinem Urteil vom 16.09.2021 [VII ZR 190/20 ‒ juris Rn. 29] in Bezug genommene Stellungnahme der Kommission, wonach „nur die nationalen Gerichte in der Lage sind, die betreffenden EU-Vorschriften unter das Konzept einer drittschützenden Norm zu subsumieren“).
III.
30
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Da die Abweisung der gegen die Beklagte zu 1) gerichteten Klage mit der Berufung nicht angegriffen wurde, war der Ausspruch gemäß § 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO nur auf die Beklagte zu 2) zu beziehen.
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3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19.01.2021, Az. VI ZR 433/19, Rn. 16, 17; Urteil vom 13.07.2021, Az. VI ZR 128/20) kommt es bei Diesel-Fällen außerhalb des Motortyps EA 189 darauf an, ob die Klagepartei substantiiert behauptet hatte, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht hatte. Eine einheitliche Entscheidung zu einem bestimmten Motortyp ist demnach nicht geboten und auch gar nicht möglich, da die Entscheidung vom Vorliegen eines substantiierten Vortrags im Einzelfall abhängt.