Titel:
Handlungen des GmbH-Geschäftsführers mit mündlich erteiltem Einverständnis des Beirats
Normenketten:
GmbHG § 43
BGB § 313, § 242
Leitsätze:
1. Eine Handlung des GmbH-Geschäftsführers im mündlich erteilten Einverständnis des Beirats kann nicht pflichtwidrig sein (Übertragung von BeckRS 2003, 03844). (Rn. 59 und 74) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Geschäftsführer kann das rechtswidrige und/oder schuldhafte Verhalten der ihm nachgeordneten Mitarbeiter der Gesellschaft nicht zugerechnet werden. (Rn. 89) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
GmbH-Geschäftsführer, Haftung, Einverständnis, Beirat, mündlich, Zurechnung, Schuldübernahme
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Endurteil vom 13.06.2024 – 14 U 4352/23 e
BGH, Beschluss vom 30.09.2025 – II ZR 70/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 57573
Tenor
I. Das Versäumnisurteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 15.12.2022 wird teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 484.043,36 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.01.2023 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird Ziffer 1. des Versäumnisurteils des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 15.12.2022 aufrechterhalten.
III. Die Klägerin hat die infolge ihrer Säumnis im Termin vom 15.12.2022 entstandenen Kosten zu tragen. Von den weiteren Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 56 % und der Beklagte 44 % zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
1
Die Klägerin nimmt den Beklagten als ihren ehemaligen Geschäftsführer aufgrund einer behaupteten Geschäftsführerhaftung in Anspruch. Im Übrigen verlangt sie die Rückzahlung eines Darlehens, für welches der Beklagte die persönliche Haftung übernommen haben soll.
I. Zum Komplex „Geschäftsführerhaftung“:
2
1. Die Klägerin ist eine Handelsfirma im Biolebens- und Futtermittelsegment. Der Beklagte war vom 28.12.2012 bis zum 05.01.2021 als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin tätig und bis zu dessen Ausscheiden zum 31.12.2020 mit einem Anteil von 20 % als Gesellschafter an der Klägerin beteiligt. Auf den als Anlage K2 vorgelegten Geschäftsführer-Anstellungsvertrag wird Bezug genommen.
3
Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin mit einem Anteil von 65 % ist die in der Schweiz ansässige … AG, deren Geschäftsführer Herr U… N… ist.
4
Seit April 2018 ist auch Frau N… H… einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der Klägerin. Nach dem Ausscheiden des Beklagten trat sie als alleinige Geschäftsführerin der Klägerin auf.
5
Frau N… H… war zudem bis 31.12.2020 zunächst mit einem Anteil von 15 % als Gesellschafterin an der Klägerin beteiligt. Nach dem Ausscheiden des Beklagten wurde ihr Anteil auf 35 % erhöht.
6
Zugleich ist und war der Beklagte Hauptgesellschafter und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der … srl (im Folgenden: A … ) mit Sitz in Rumänien, welche 2018 gegründet wurde. Neben dem Beklagten war Herr J… H… einzelvertretungsberechtiger Geschäftsführer der A ….
7
Die A… betreibt ein sanierungsbedürftiges Getreidesilo in Rumänien und war u.a. Dienstleisterin für die Klägerin. Die Parteien hatten eine langfristige Zusammenarbeit angestrebt inklusive einer Sanierung der Silo-Anlage in Rumänien.
8
Bereits die Gründung der A... im Jahr 2018 durch den Beklagten beruhte auf einer gemeinsamen Absprache der Parteien. Die schnellstmögliche Fertigstellung und Inbetriebnahme der Siloanlage sollte der Ertragsoptimierung der Klägerin dienen.
9
Die Zusammenarbeit scheiterte letztlich im Jahr 2021.
10
2. Am 09.04.2018 vereinbarten die Gesellschafter der Klägerin zur Urkunde des Notars Dr. … S…, URNr. 889/S/2018, die Einrichtung eines Beirats für die strategische Führung der Klägerin. In der unter Anlage K20 vorgelegten notariellen Gesellschaftervereinbarung wurde unter anderem vereinbart:
„[…] 2) Strategisches Organ:
Für die strategische Führung wurde gemäß Satzung ein Beirat konstituiert. Die Beschlüsse des Beirates sind für die Geschäftsführung der B… GmbH verbindlich. Von den Besprechungen wird ein Protokoll geführt. Die Entscheide werden einstimmig gefällt.
Die Beiratsmitglieder werden sein:
• J… H…, als Vertreter der zukünftigen Gesellschafter N… und J… H…
• U.. N…, als Vertreter des Hauptgesellschafters … AG in S… CH, wird den Vorsitz innehaben.
• Bestimmung der Geschäftsführung
• Genehmigung von Budget und Rechnung
• Kenntnisnahme der Quartalsergebnisse zu Händen der Gesellschafter
• Genehmigung Investitionen außerhalb Budget
• Genehmigung neue Projekte mit substantiellen Auswirkungen auf das Unternehmen
Folgende Themen bedürfen einer Zustimmung des Beirates und sind von den Geschäftsführern in jedem Fall mit dem gesamten Beirat abzustimmen, Genehmigungen bedürfen dabei immer der Schriftform. Bei Dringlichkeit kann und muss dies auch außerhalb der regulären Beirats-Sitzungen erfolgen:
• Genehmigung des Budgets und des Business Plans.
• Investitionen und Ausgaben, inklusive Personalausgaben, außerhalb des genehmigten Budgets größer als 30 T €o, Stückelung von Projekten ist nicht zulässig.
11
3. Die Finanzierung der Instandsetzung des Silos in Rumänien sollte zu einem erheblichen Teil über Subventionen des rumänischen Staates gestemmt werden, welche durch die rumänische Subventionsbehörde AFIR genehmigt werden sollten. So entstand das zunächst gemeinschaftlich seitens der Beteiligten verfolgte sogenannte „AFIR-Projekt“ oder „Silo-Projekt“.
12
Hieran arbeiteten die Beteiligten bis Januar 2019 arbeitsteilig zusammen. Danach kümmerte sich der Beklagte überwiegend nur noch um die Beschaffung weiterer Rohstoffe aus der Ukraine für die Klägerin, wohingegen Herr J… H… die Verantwortung für das Projekt übernahm.
13
Letztlich wurde die AFIR-Subvention am 15.07.2021 genehmigt, jedoch von Seiten der A… nicht abgerufen, wobei die Gründe hierfür im Einzelnen strittig sind.
14
Der Mitarbeiter der Klägerin, Herr J… H…, welchem seit April 2018 die Verantwortung für Finanzen und Buchhaltung bei der Klägerin übertragen worden war, war ab Januar 2019 projektverantwortlich für das sog. „AFIR-/Silo-Projekt“.
15
4. Im Zuge der geplanten Sanierung der Siloanlage der Arbema wurden Maschinen wie Förderbänder, Lüftungsanlagen, etc. für das Silo der A... bei einem Dienstleister namens M… GmbH bestellt.
16
Die jeweiligen Bestellungen erfolgten in Etappen, wobei der erste Teil der Bestellung lediglich einer Minimalversion entsprach, welche dafür dienen sollte, das Silo jedenfalls in Funktion setzen zu können, auch ohne Subvention, und einem weiteren größeren Teil, für welchen die Subvention gedacht war.
17
Diesbezüglich wird auf die Auftragsbestätigungen der M… GmbH, ausgestellt auf die A…, vom 17.08.2018 (Anlagen K5 und K6), welche insgesamt Waren in einem Wert in Höhe von 408.806,33 € ausweisen, Bezug genommen.
18
Des Weiteren wird auf die beiden Anzahlungsrechnungen der M… GmbH vom 27.08.2018, ebenfalls ausgestellt auf die A…, in Höhe von einmal 88.618,00 € und einmal 34.024,00 € Bezug genommen (Anlagen K7 und K8).
19
Mit Email vom 11.09.2018 erbat der Beklagte die bereits durch die Fa. M… gegenüber der A… gestellten zwei Anzahlungsrechnungen zu stornieren und die Rechnungen sodann als Proforma-Rechnung an die Klägerin zu stellen. Auf die Anlage K9 wird insoweit Bezug genommen. Hintergrund war demnach, dass die Rechnungen bereits durch die Klägerin überwiesen wurden, wobei nach Genehmigung des AFIR-Projektes eine weitere Zahlung durch die A… erfolgen sollte, woraufhin die auf die Klägerin ausgestellten Rechnungen storniert und das Geld zurücküberwiesen werden sollte.
20
Die beiden Anzahlungsrechnungen wurden sodann seitens der M… GmbH auf die Klägerin umgeschrieben (vgl. insoweit Email der M… GmbH vom 14.09.2018 nebst Rechnungen, vgl. Anlage K10).
21
Die M… GmbH stellte der Klägerin gegenüber zudem jeweils mit Datum vom 05.08.2020 vier weitere Rechnungen über einen Gesamtbetrag in Höhe von 570.315,98 € aus, welche auch von der Klägerin in Höhe von insgesamt 475.263,32 € beglichen wurden.
22
Für die Einlagerung der Maschinen bei dem Dienstleister L… sind bis zum 15.04.2022 bei der Klägerin Kosten in Höhe von 19.457,50 € angefallen. Zudem sind Finanzierungskosten in Höhe von 28.438,31 € entstanden.
II. Zum Komplex „Darlehen“:
23
Am 25.09.2018 schlossen die Klägerin und die A… einen Darlehensvertrag über ein Volumen von bis zu 800.000,00 € (vgl. Anlage K 24). Die Klägerin brachte seither Zahlungen in Höhe von 484.043,36 € zur Auszahlung. Mit Schreiben vom 24.01.2022 kündigte die Klägerin das Darlehen fristlos (vgl. Anlage K26).
24
Im Zuge des Ausscheidens des Beklagten aus der Klägerin zum 31.12.2020 wurde zwischen dem Beklagten und Frau N… H… sowie Herrn J… H… in der Vereinbarung vom 03.12.2020 (vgl. Anlage K 22) unter Spiegelstrich 4 Folgendes vereinbart:
„[…] Da ab Januar 2021 NH / JH die gesamte Haftung für die BBH übernehmen, übernimmt LK die alleinige Haftung in der A… Services (ff. AS) für Kredite der BBH, RK und Bio-Partner (ff. BP) bis zu einer Höhe von 500 T Euro. Die Haftung für alle Beträge darüber hinaus werden gemäß den Gesellschaftsanteilen zwischen LK und NH / JH im Verhältnis von 70 zu 30 Prozent übernommen. Kredite von BBH, RK und BP an AS haben eine Mindestlaufzeit von 5 Jahren mit der Möglichkeit auf Verlängerung. […]“
Die Abkürzungen NH/JH sowie LK ergeben sich aus den Initialen der beteiligten Personen; die weiteren Abkürzungen stehen für die beteiligten Gesellschaften (BBH = B… B… H…, RK = R… K…, AS = SC A… srl.).
25
Die Klägerin behauptet, dass die Bestellung der Maschinen durch den Beklagten allein zu Gunsten der A…, deren Mehrheitseigner und Geschäftsführer der Beklagte war, erfolgt sei.
26
Motivation des Beklagten sei die formale Umgehung der notwendigen AFIR-Vorschriften gewesen.
27
Die vom Beklagten seinerzeit als Geschäftsführer ergriffenen Maßnahmen hätten dazu geführt, dass die Klägerin die Bezahlung für Maschinen in sechsstelliger Höhe übernommen habe, die für sie ohne jeglichen Wert seien. Der Beklagte habe pflichtwidrig zu Lasten der Klägerin nicht sichergestellt, dass die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen der Klägerin – insbesondere gegenüber der A…. – hinreichend geschützt sind, wie dies von einem ordnungsgemäßen und gewissenhaften Geschäftsführer zu erwarten gewesen wäre. Die Ausführungen des Beklagten in Hinblick auf die Beteiligung anderer Personen seien ohne Belang und könnten das Verhalten des Beklagten nicht entschuldigen.
28
Der Beklagte hätte das risikoreiche Geschäft im wirtschaftlichen Interesse der Klägerin unterlassen müssen oder zumindest eine hinreichende Absicherung für diese schaffen müssen. In diesem Zusammenhang werden seitens der Klägerin u. a. die Vereinbarung einer Rücknahmeverpflichtung der Fa. M… GmbH, eine Einstandsverpflichtung der A… sowie eine hypothekarische Absicherung auf dem rumänischen Grundstück genannt.
29
Eine Weisung der Gesellschafter oder des Verwaltungsbeirates habe gerade nicht vorgelegen. Ohnehin sei das im Rahmen der Gesellschaftervereinbarung vom 09.04.2018 normierte Schriftformerfordernis zu wahren. Eine ohne irgendwelche Sicherheiten zu gewährende Finanzierung des Projekts zu Lasten der Klägerin sei gerade nicht die Intention der Parteien gewesen.
30
Soweit man aufgrund der Gesprächsnotiz vom 29.06.2018, die als Anlage B5 vorgelegt wurde und auf die verwiesen wird, tatsächlich annehmen wollen würde, dass eine Zustimmung zum Vorgehen des Beklagten vorläge, sei zu beachten, dass Frau N… H…, welche einen Mitgesellschafteranteil von 15 % an der Klägerin hielt, nicht im Beirat vertreten war. Frau N… H… sei mit diesem Vorgehen nicht einverstanden gewesen, sondern habe dies als inakzeptabel gerügt.
31
Im Übrigen sei darin keinesfalls ein Freifahrtschein zur Bestellung von Maschinen ohne die notwendige Absicherung der Klägerin unter Verzicht auf jegliche kaufmännische Umsicht zu sehen. Das Protokoll treffe zum einen noch gar keine Aussage darüber, welcher Lieferant zu beauftragen sein sollte. Ferner habe der Beklagte die seinerzeit besprochene Höhe von € 400.000,00 schlussendlich deutlich überschritten.
32
Überdies behauptet die Klägerin, das Verhalten des Beklagten hätte – bei Vollendung – vermutlich einen strafbaren Subventionsbetrug dargestellt. Allein wegen dessen Verhalten sei eine Fortführung des AFIR-Projektes nicht möglich gewesen.
33
Die Kosten für Refinanzierung und Einlagerung seien unmittelbar durch die Pflichtverletzung des Beklagten verursacht worden.
34
Hinsichtlich des Darlehens ergäbe sich der Anspruch aufgrund der von Seiten des Beklagten im Rahmen der Vereinbarung vom 03.12.2020 über dessen Ausscheiden erteilten Haftungszusicherung.
35
Die Einwendungen des Beklagten bezüglich der persönlichen Haftungsübernahme ließ die Klägerin zurückweisen.
36
Die Klage wurde am 13.06.2022 zugestellt.
37
Gegen die Klägerin erging, nachdem für diese niemand im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15.12.2022 erschienen war, antragsgemäß ein Versäumnisurteil. Das Versäumnisurteil vom 15.12.2022 wurde dem Klägervertreter am 20.12.2022 zugestellt. Dieser legte mit Schreiben vom 02.01.2023 Einspruch gegen das Versäumnisurteil ein und erweiterte die Klage. Die Zustellung dieser Klageerweiterung erfolgte am 20.01.2023.
38
Die Klägerin beantragte zunächst:
1. Der Beklagte wird verurteilt zur Zahlung von EUR 475.263,32 nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zugum-Zug gegen Übereignung der Gegenstände aus den Bestellungen gegenüber der M… GmbH gemäß Anlage K10 bis K13.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von jeglichen Forderungen aus den Bestellungen gegenüber der M… GmbH gemäß der Anlagen K8 bis K11 freizustellen, insbesondere von der Restkaufpreisforderung i.H.v. EUR 95.052,66.
3. Der Beklagte wird verurteilt zur Zahlung von weiteren EUR 19.457,50 EUR (Lagerkosten) sowie EUR 28.438,31 (Finanzierungskosten) nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
4. Der Beklagte wird verurteilt zur Zahlung von weiteren EUR 10.371,20 (außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten) nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
39
Die Klägerin beantragte zuletzt:
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 15.12.2022 wird aufgehoben.
Im Übrigen beantragte sie zuletzt:
1. Der Beklagte wird verurteilt zur Zahlung von EUR 475.263,32 nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zugum-Zug gegen Übereignung der Gegenstände aus den Bestellungen gegenüber der M… GmbH gemäß Anlage K10 bis K13.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von jeglichen Forderungen aus den Bestellungen gegenüber der M… GmbH gemäß der Anlagen K8 bis K11 freizustellen, insbesondere von der Restkaufpreisforderung i.H.v. EUR 95.052,66.
3. Der Beklagte wird verurteilt zur Zahlung von weiteren EUR 19.457,50 EUR (Lagerkosten) sowie EUR 28.438,31 (Finanzierungskosten) nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
4. Der Beklagte wird verurteilt zur Zahlung von weiteren EUR 10.371,20 (außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten) nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
5. Der Beklagte wird verurteilt zur Zahlung von weiteren EUR 484.043,36 nebst Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
40
Der Beklagtenvertreter beantragt zuletzt:
das Versäumnisurteil vom 19.12.2022 wird aufrechterhalten.
41
Die Klage wird einschließlich der Klagerweiterung abgewiesen.
42
Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor, dass die Klägerin damit einverstanden gewesen sei, dass die Bestellung der Maschinen durch die Klägerin selbst erfolgen sollte vor dem Hintergrund einer möglichst schnellen Inbetriebnahme des Silos.
43
Der Klägerin seien sämtliche Umstände und Risiken des Projekts bis in alle Einzelheiten bekannt gewesen. Sie habe jeden einzelnen Schritt und jede Maßnahme in zurechenbarer Weise vorher genehmigt. Sämtliche Beteiligten – namentlich Herr U… N…, Herr J… H… und auch Frau N… H… – seien in sämtliche Schritte des Projekts eingeweiht gewesen. Die Klägerin habe selbst jede einzelne Maßnahme bestimmt und die damit verbundenen Aufgaben auf die einzelnen Akteure erteilt.
44
Eine schriftliche Genehmigung sei nicht erforderlich gewesen, da die Schriftform zumindest stillschweigend aufgehoben worden sei bzw. ein Berufen hierauf zumindest treuwidrig sei.
45
Der Beklagte beruft sich hinsichtlich des Vorgenannten auf zahlreiche Protokolle des Verwaltungsbeirats als auch auf umfangreiche Emails und weitere Schriftstücke. Unter anderem wird Bezug genommen auf das von Herrn J… H… unterzeichnete Beiratsprotokoll zur Sitzung vom 29.06.2018 (vgl. Anlage B5).
46
Auch habe der Beklagte selbst lediglich die auf Veranlassung von Herrn J H bereits durch die Klägerin bezahlten beiden Anzahlungsrechnungen (Anlage K5 und Anlage K6) auf die Klägerin umschreiben lassen, wohingegen der weitere viel größere Teil der Bestellung von Herrn J… H… eigenständig vorgenommen worden sei, ohne dass hierüber der Beklagte überhaupt noch in Kenntnis gesetzt worden sei. Herr J… H… selbst habe die zweite Bestellung am 07.10.2019 ausgelöst. Er habe hierbei wie ein Geschäftsführer gehandelt.
47
Der zweite Teil der Bestellung sei zudem noch kostenfrei stornierbar gewesen (vgl. Anlage B 14).
48
Auch behaupte die Klägerin gerade nicht, dass die Zahlungen an die M… GmbH durch den Beklagten freigegeben worden sind; diese seien durch Herrn J… H… veranlasst. Nach Übernahme der Projektverantwortung durch Herrn H… im Januar 2019 hätte die Geschäftsführung der Klägerin bzw. Herr H… den Vertrag und damit die Anzahlung auf die Herstellung der bestellten Maschinenteile stornieren bzw. zurückfordern können; Letztlich sei das AFIR-Projekt nicht aufgrund fehlender Subventionsvoraussetzungen gescheitert, sondern wurde seitens der Klägerin einfach nicht weiter betrieben, nachdem der Schweizer Gesellschafter die weitere Finanzierung des Projekts versagt habe. Mit dieser Entscheidung hätten die bis zu diesem Zeitpunkt werthaltigen Maschinen, die die Klägerin im Hinblick auf das zu genehmigende und dann auch genehmigte AFIR-Projekt erworben hatte, einen Großteil ihres Wertes verloren. Es habe tatsächlich keinen zwingenden Grund gegeben, das AFIR-Projekt abzusagen.
49
Ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Darlehenssumme gegen den Beklagten ergebe sich nicht aus der Vereinbarung vom 03.12.2020, in welcher das Ausscheiden des Beklagten geregelt wurde. Mit der dort unter Spiegelstrich 4 getroffenen Vereinbarung hinsichtlich etwaiger Kredite hätten die Parteien lediglich die künftige Entwicklung regeln wollen. Nicht davon berührt werden sollte das Silo-Projekt. Die klägerische Auslegung des Textes fände keinen Anhaltspunkt in der Formulierung.
50
Tatsächlich sprächen der Wortlaut, insbesondere der Hinweis auf die Konkretisierung der Darlehen auf solche mit einer Mindestlaufzeit und Verlängerungsmöglichkeit, aber auch der Kontext, in dem diese Vereinbarung getroffen wurde, dafür, dass der Beklagte allenfalls für bedingte, noch nicht bestehende künftige Verbindlichkeiten mit den vereinbarten Eigenschaften haften wollte.
51
Dies ergebe sich auch daraus, dass die weiteren in der Vereinbarung genannten Gläubiger seinerzeit keinerlei Darlehen an die Klägerin gewährt hatten.
52
Überdies würden die Darlehen, welche die Klägerin vom Beklagten verlangt, zu 270.000,00 € bereits aus dem Vermögen des Beklagten stammen.
53
Geschäftsgrundlage der Vereinbarung sei das „Gelingen des Silo-Projektes“ gewesen, was letztlich auf Veranlassung der Klägerin gescheitert sei. Zudem stehe der Einwand von Treu und Glauben entgegen.
54
Das Gericht hat am 15.12.2022 und am 17.08.2023 mündlich zur Sache verhandelt. Beweis wurde nicht erhoben. Auf die jeweiligen Sitzungsprotokolle wird Bezug genommen.
55
Im Übrigen wird zur Vervollständigung des Tatbestandes Bezug genommen auf sämtliche gewechselte Schriftsätze und Anlagen.
Entscheidungsgründe
56
Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 15.12.2022 war zulässig.
57
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
58
Eine Haftung gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 1 Abs. 1 und 3 des Geschäftsführeranstellungsvertrages scheidet aus Sicht des Gerichts aus. Die Klägerin kann weder eine Zahlung in Höhe von 475.263,32 € verlangen noch Freistellung gegenüber der M. GmbH in Höhe von 95.052,66 € noch Erstattung von Lagerkosten in Höhe von 19.457,50 € und von Finanzierungskosten in Höhe von 28.438,31 €.
59
Eine Haftung des Beklagten besteht im Ergebnis nicht, da das diesem vorgeworfene Handeln mit dem ausdrücklichen oder zumindest stillschweigenden Einverständnis des Verwaltungsbeirats der Klägerin erfolgte.
60
Die Befolgung von Weisungen durch das zuständige Organ schließt die Verletzung einer Sorgfaltspflichtverletzung aus. Zuständiges Organ war zum hier fraglichen Zeitpunkt der Verwaltungsbeirat, errichtet durch die Gesellschafter der Klägerin, bestehend aus dem Beklagten, J… H… als Vertreter für die späteren Gesellschafter J… und N… H… und U… N… als Vorsitzendem (Anlage K20).
61
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt ein Handeln oder Unterlassen des Geschäftsführers im – auch stillschweigenden – Einverständnis mit sämtlichen Gesellschaftern daher grundsätzlich keine (haftungsbegründende) Pflichtverletzung i.S.v. § 43 Abs. 2 GmbHG dar (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 193/02; BGH, Urteil vom 15.11.1999 – II ZR 122/98).
62
Vorliegend liegt bereits ein ausdrückliches, zumindest jedoch ein stillschweigendes Einverständnis vor.
63
Der statuarische Beirat hatte vorliegend in der Sitzung vom 29.06.2018 ausdrücklich sein Einverständnis zu einer Auftragsvergabe hinsichtlich der Maschinen durch die Klägerin erteilt. Der Beklagte musste aufgrund dieses ausdrücklich erteilten Einverständnisses davon ausgehen, dass ein entsprechendes Vorgehen seitens der Klägerin gewünscht war.
64
In dem Protokoll vom 29.06.2018 (Anlage B5) heißt es ausdrücklich unter Ziffer 1) „Stand der Projekte Instantsetzung (sic!) Silos und Inbetriebnahme einer Sojapresse“:
„Um eine professionelle Inbetriebnahme der Anlage für BBH zu gewährleisten ist es notwendig diese von einem Silobauer auf den neuesten Stand der Technik bringen zu lassen. Diesbezüglich liegen zwei Angebote vor. Eines von der rumänischen Niederlassung eines deutschen Unternehmens und ein weiteres Angebot einer Firma die in Österreich ansässig ist. Die Auftragsvergabe durch die Geschäftsführung der BBH soll bis spätestens Mitte/Ende Juli erfolgen. Es wird mit Gesamt-Kosten von bis zu 400 T Euro gerechnet. Alle Teilnehmer erteilen dem Vorhaben ihre Zustimmung“
65
Die Bestellung der Maschinen durch die Klägerin erfolgte demnach nicht nur in Kenntnis, sondern mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder des statuarischen Beirats.
66
Nicht verfangen kann in diesem Zusammenhang der Einwand der Klägerin, wonach Frau N… H… als Mitgesellschafterin der Klägerin und Mitglied des Beirates in der Sitzung vom 29.06.2018 – entgegen des Vermerks auf der ersten Seite des Protokolls (Anlage B5) – nicht anwesend war. Ausweislich der notariellen Gesellschaftervereinbarung vom 09.04.2018 (Anlage K20) trat Herr J… H… im Beirat als Vertreter seiner Ehefrau auf. Dessen Zustimmung muss ihr daher zuzurechnen sein.
67
Soweit die Klägerin einwendet, dass darin keine Billigung des Vorgehens des Beklagten zu sehen sei, da noch nicht sämtliche Details geklärt worden seien, verfängt dieser Einwand nicht. Nach den vereinbarten Zielvorgaben sollte die Auftragsvergabe durch die Geschäftsführung der Klägerin spätestens innerhalb eines halben oder höchstens eines ganzen Monates erfolgen. Der Beklagte konnte dies so verstehen, dass die Bestellung durch die Klägerin erfolgen sollte.
68
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus dem zuletzt seitens der Klägerin im Schriftsatz vom 18.09.2023 erhobenen Einwand, wonach mit der genannten Formulierung aus dem Beiratsprotokoll allein die Zustimmung zur Finanzierung beschlossen werden sollte. Dies findet im Wortlaut des Protokolls keine Stütze. Auch der von der Klägerin in Bezug genommene Satz des Beklagten diesbezüglich (vgl. S. 2 des nachgelassenen Schriftsatzes vom 18.09.2023) vermag nicht die von der Klagepartei behauptete These zu stützen. Bekanntermaßen hat die Klägerin auch Darlehen an die A… vergeben; dies ist bereits aus diesem Rechtsstreit bekannt.
69
Auch dass die Bestellung/Umschreibung erst im September erfolgte, ist aus Sicht der Kammer irrelevant, da zwischenzeitlich keine anderslautenden Weisungen erteilt wurden.
70
Nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten handelte dieser zudem in vollständiger Kenntnis aller maßgeblichen Organe der Klägerin. Dass eine Rüge hinsichtlich seiner Vorgehensweise seitens der Verwaltungsbeiratsmitglieder erfolgt ist, wurde nicht nachgewiesen. Nach der strittigen, nicht unter Beweis gestellten Behauptung der Klägerin habe Frau N… H… das Vorgehen der Umschreibung gerügt. Gegenüber wem diesbezüglich was gesagt worden sein soll, wurde nicht vorgetragen. Jedenfalls wurde eine Stornierung der Bestellung und entsprechende Rückforderung der bezahlten Beträge durch die Klägerin unterlassen.
71
Eine zumindest stillschweigende Übereinkunft der Gesellschafter über eine Maßnahme wird anzunehmen sein, wenn der Geschäftsführer in Anbetracht des Sach- und Kenntnisstands der Gesellschafter bis zu einer gegenteiligen Weisung berechtigterweise davon ausgehen durfte, mit ihrem Einverständnis zu handeln. Dies ist vorliegend der Fall.
72
Tatsächlich wurde die Entscheidung des Beklagten jedenfalls bis zum „Scheitern“ des AFIR-Projektes im September 2021 – also drei Jahre lang – mitgetragen. Der Beklagte konnte davon ausgehen, dass er im Einverständnis mit den Verwaltungsbeiratsmitgliedern handelte.
73
Soweit sich die Klägerin darauf zurückzieht, dass entgegen der Ziffer 4 der Gesellschaftervereinbarung eine schriftliche Genehmigung des Verwaltungsbeirates einzuholen war, kann sie sich aus Sicht der Kammer aus mehreren Gründen nicht auf diesen Formmangel berufen.
74
Zunächst spricht bereits die zitierte Rechtsprechung des BGH gegen die von der Klagepartei vertretene Auffassung. Handelt der Geschäftsführer mit stillschweigendem Einverständnis aller Gesellschafter, soll dies nach Ansicht des BGH die gleichen Wirkungen wie ein förmlicher Weisungsbeschluss entfalten (BGH, Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 193/02; BGH, Urteil vom 15.11.1999 – II ZR 122/98; BeckOK GmbHG/Pöschke, 55. Ed. 1.11.2022, GmbHG, § 43, Rn. 278). Dies entspricht auch dem Normzweck. Der Geschäftsführer ist der Gesellschaft gegenüber verpflichtet. Soweit nun aber das die Gesellschaft repräsentierende Organ auch stillschweigend bzw. konkludent das Einverständnis zu einem Vorgehen erklärt, handelt der Geschäftsführer mit dem Willen der Gesellschaft selbst, sodass kein Raum für eine Haftung bleibt.
75
Überdies wurde nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten während der Projektbearbeitung nur eine einzige förmliche Genehmigung erteilt, wohingegen sämtliche weiteren Beschlüsse formwidrig waren. Es erscheint demnach treuwidrig, wenn die Klägerin sämtliche weiteren Beschlüsse gelten lassen möchte, jedoch den ihr unliebsamen in Textform fixierten Beschluss vom 29.06.2018 aber an dem Formerfordernis scheitern lassen möchte.
76
Des Weiteren muss berücksichtigt werden, dass die Klägerin, das Vorgehen des Beklagten vorliegend über ihren statuarischen Beirat bis zu dem Zeitpunkt billigte, als das AFIR-Projekt – aus welchem Grund und aufgrund wessen Schuld auch immer – als gescheitert galt. Wenn sie nun aber über einen Zeitraum von 3 Jahren untätig bleibt in Kenntnis des Fehlens eines förmlichen Beschlusses und sich nunmehr Jahre später im Klageverfahren plötzlich auf Formwidrigkeit beruft, muss dieses Verhalten als rechtsmissbräuchlich und unbillig angesehen werden. Dies gilt auch, da die Klägerin über den gesamten Zeitraum der Zusammenarbeit den Eindruck erweckt hatte, sie sehe das Handeln des Beklagten als seitens der Klägerin legitimiert an.
77
Es ergibt sich aus Sicht der Kammer auch keine Haftung gemäß § 2 Abs. 4 des Geschäftsführeranstellungsvertrages vom 11.12.2012 (Anlage K2), da zuständiges Organ für Genehmigungen hinsichtlich operativer Geschäfte der Geschäftsführung mit Errichtung der notariellen „Gesellschaftervereinbarung und Nachtrag“ vom 22.03.2018 der eigens dafür eingerichtete Verwaltungsbeirat war. Es ist insoweit gerade nicht davon auszugehen, dass der Geschäftsführer einen (weiteren) Beschluss der Gesellschafter der Klägerin einholen musste, wenn bereits das Einverständnis seitens des Verwaltungsbeirates bestand.
78
Im Übrigen bestehen weitere Bedenken in Hinblick auf die Haftung des Beklagten.
79
Die Klägerin stützt ihren behaupteten Anspruch in der Klageschrift auf die von Seiten des Beklagten veranlasste Umschreibung der zunächst an die A… gerichteten ersten beiden Anzahlungsrechnungen (vgl. Email des Beklagten vom 11.09.2018, Anlage K9).
80
Auf der Grundlage der Email des Beklagten vom 11.09.2018 ergibt sich zwar ein Sachverhalt, welcher hinsichtlich dieser beiden sodann wohl mit Datum vom 15.09.2018 (Anlage K10) auf die Klägerin umgeschriebenen Anzahlungsrechnungen vom 17.08.2018 (Anlagen K7 und K8) den Tatbestand der Geschäftsführerhaftung – bei Außerachtlassung der Billigung dieses Vorgehens durch den Verwaltungsbeirat – wohl grundsätzlich rechtfertigen könnte
81
Diejenigen Zahlungen der Klägerin, welche auf der Grundlage dieser beiden Anzahlungsrechnungen getätigt wurden, sind aber ausweislich des Vortrags in der Klageschrift gar nicht Teil der Klageforderderung. Überdies wurden die Zahlungen auf die beiden Anzahlungsrechnungen vom 17.08.2018 – durch wen und auf wessen Geheiß auch immer – bereits vor der benannten Bitte um Umschreibung durch die Klägerin angewiesen.
82
Mit der Klage wird jedoch Schadensersatz allein hinsichtlich derjenigen – wohl durch Herrn J… H… veranlassten Zahlungen – verlangt, welche auf der Grundlage der etwa zwei Jahre später seitens der M… GmbH gegenüber der Klägerin gestellten vier Rechnungen jeweils vom 05.08.2020 (Anlage K 11 – K 14) erfolgten. Der infolge dieser weiteren Rechnungen ausgelöste Gesamtbetrag in Höhe von 570.315,98 €, wovon 475.263,32 € durch die Klägerin bezahlt wurden, ist ausweislich S. 4 der Klageschrift Gegenstand des seitens der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruchs.
83
Tatsächlich bezieht sich aber die Aufforderung des Beklagten aus der Email vom 11.09.2018 ihrem Wortlaut nach allein auf die bereits ausgestellten und bezahlten Anzahlungsrechnungen. Dass eine Bitte bzw. Anweisung des Beklagten dahingehend erfolgte, auch alle weiteren Rechnungen an die Klägerin zu adressieren, ergibt sich aus der Email nicht. Dies wurde auch nicht behauptet.
84
Die Klägerin gibt zudem an, dass die Bestellungen durch den Beklagten veranlasst wurden.
85
Unstrittig hat der Beklagte den ersten Teil der Bestellung bei M… ausgelöst und die Umschreibung der Rechnungen veranlasst (vgl. Anlage K 9).
86
Im Übrigen ist der Beklagte dieser Behauptung der Klägerin bereits in der Klageschrift auf S. 18 entgegen getreten. Insoweit wurde vom Beklagten unter Bezug auf den Ablauf des Bestellvorganges in zwei Teilen ausgeführt, dass der weitaus größere zweite Teil der Bestellung, für welche die eigentliche Subvention gedacht war, durch Herrn J… H… am 07.10.2019 ausgelöst wurde.
87
Inwieweit die Bestellung des gesamten Maschinenparks auf Veranlassung des Beklagten erfolgt sein soll, wird seitens der Klägerin nicht weiter erläutert. Auch wurde seitens der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin kein Beweis dafür angetreten, dass auch die weiteren Bestellungen durch den Beklagten – in welcher Form auch immer – veranlasst wurden.
88
Es findet sich zudem kein Vortrag zu einem pflichtwidrigen Unterlassen des Beklagten.
89
Die Organhaftung des Geschäftsführers ist eine individuelle Verantwortlichkeit für eigenes pflicht- und sorgfaltswidriges Verhalten. Der Geschäftsführer muss daher durch positives Tun oder Unterlassen eine organschaftliche Pflicht, die ihm persönlich gegenüber der Gesellschaft obliegt, schuldhaft verletzt haben (BeckOK GmbHG/Pöschke, GmbHG, § 43, Rn. 248). Dem Geschäftsführer kann daher das rechtswidrige und/oder schuldhafte Verhalten der ihm nachgeordneten Mitarbeiter der Gesellschaft nicht zugerechnet werden (BeckOK GmbHG/Pöschke, GmbHG, § 43, Rn. 249).
90
Im Ergebnis kommt es auf Vorstehendes jedoch bereits nicht an, da die Haftung des Beklagten letztlich schon aufgrund des Einverständnisses des Verwaltungsbeirats ausgeschlossen ist.
91
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 484.043,36 € aufgrund der Haftungsübernahmevereinbarung vom 03.12.2020 (Spiegelstrich 4 der Anlage K22).
92
Aus dem Wortlaut der Haftungsübernahmevereinbarung (Spiegelstrich 4 der Anlage K22) ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dahingehend, dass nur künftige Verbindlichkeiten umfasst werden sollten. Eine Begrenzung auf „künftige“ Darlehen erfolgte gerade nicht. Tatsächlich spricht der Wortlaut eher dafür, dass sowohl künftige als auch bestehende Darlehensverbindlichkeiten umfasst werden sollten, da davon auszugehen ist, dass die Parteien, sofern eine Begrenzung in zeitlicher Hinsicht gewollt war, dies auch kenntlich gemacht hätten.
93
Auch der Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB verfängt nicht, da vom Beklagten schon nicht substantiiert dargelegt wurde, dass Geschäftsgrundlage für die Vereinbarung die gemeinschaftliche Fortführung des Silo-Projektes sein sollte. Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebildet durch die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 11.12.2019 – VIII ZR 234/18). Bloß einseitige, nicht erkennbare Motive oder Vorstellungen sind im Rahmen des § 313 BGB unerheblich (vgl. MüKoBGB/Finkenauer, BGB, § 313, Rn. 8).
94
Die beiderseitige Zugrundlegung der gemeinsamen Fortführung des AFIR-Projektes ergibt sich nicht aus dem Wortlaut der Vereinbarung vom 03.12.2020. Auch drängt sich dies gerade nicht auf. Anlass der Vereinbarung war das Ausscheiden des Beklagten aus der Klägerin zum Ende des Jahres 2020. Das Silo-Projekt wird in der Urkunde nur an einer Stelle erwähnt, wobei festgehalten wird, dass das Projekt weiterhin unter der Leitung von Herrn J… H… verbleiben soll. Eine Verknüpfung einzelner Vereinbarungen mit dem Projekt ist gerade nicht erkennbar.
95
Inwieweit ein Betrag in Höhe von 270.000,00 € tatsächlich seitens des Beklagten als Verzicht eingebracht worden sein soll und einen Teil des Darlehensbetrages darstellen sollte, erschließt sich der Kammer bis zuletzt nicht. Der Beklagte erwähnt diesen Betrag wiederholt. Es ergibt sich jedoch bis zuletzt nicht, auf welchen Anspruch bzw. welche Zahlung in dieser Höhe der Beklagte verzichtet haben will und weswegen dieser Betrag als Teil der ausgezahlten Darlehenssumme zu bewerten sein soll.
96
Auch kann der Beklagte der Inanspruchnahme auf der Grundlage der Übernahme der persönlichen Haftung für das an die A… ausbezahlte Darlehen nicht den Einwand von Treu und Glauben entgegenhalten. Es ist kein missbräuchliches Verhalten der Klägerin dargetan worden, durch welches sie die Haftungsübernahme für das bestehende Darlehen durch den Beklagten – von deren Existenz der Beklagte ja schon gar nicht ausgeht – erworben haben will.
97
Wie bereits erläutert, kann nicht von der vom Beklagten angenommenen Geschäftsgrundlage der gemeinschaftlichen Weiterverfolgung des Silo-Projektes ausgegangen werden. Dementsprechend kommt auch kein als treuwidrig zu bewertendes „Kippen“ einer solchen „Grundlage“ in Betracht. Zudem ist unklar, inwieweit zweckgebundene investierte Mittel in Höhe von 270.000,00 € bei der Klägerin verblieben sein sollen und was dies mit dem Darlehen zu tun hat.
98
Aus welchen Gründen die Zusammenarbeit zwischen den Parteien letztlich scheiterte, ist dem Gericht nicht bekannt. Letztlich hat es im Ergebnis jedoch auch keine Relevanz, ob die gemeinsame Fortführung des Projektes auf Grund des Verhaltens des Beklagten oder der Organe der Klägerin scheiterte, da keinerlei Anhaltspunkte für ein treu- oder sittenwidriges Verhalten der Klägerin vorliegen.
99
Ein Anspruch auf Verzinsung in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz besteht nur hinsichtlich der begründeten Hauptsacheforderung in Höhe von 484.043,36 € ab Zustellung der Klageerweiterung gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB.
100
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1, 344 ZPO.
101
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, 2 ZPO.