Inhalt

OLG München, Beschluss v. 12.01.2023 – 32 W 1678/22 WEG e
Titel:

Streitwert - Duldung der Aufstockung einer Garage

Normenkette:
GKG § 47, § 63, § 66
Leitsätze:
1. Eine Partei wird durch die Festsetzung eines zu niedrigen Streitwerts regelmäßig nicht beschwert (BGH 20.12.2011 – VIII ZB 59/11, BeckRS 2012, 3303). Eine Partei kann die Streitwertbeschwerde nicht dazu nutzen, durch die Erhöhung des Streitwerts das finanzielle Risiko der Gegenpartei an der Prozessführung zu steigern (BGH 29.10.2009 – III ZB 40/09, BeckRS 2009, 86436). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird gegen eine Entscheidung, mit der ein LG im Berufungsverfahren die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung gem. § 63 III 1 Nr. 2 GKG abgeändert hat, ein Rechtsmittel eingelegt, so handelt es sich hierbei um eine weitere Beschwerde, die entsprechend § 66 IV 1 GKG der Zulassung bedarf. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, § 47 I 1 GKG. Nach § 47 I 2 GKG ist der Wert der Beschwer maßgebend, wenn Anträge nicht oder nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist eingereicht wurden. Der Streitwert ist allerdings durch den Wert des Streitgegenstands der ersten Instanz beschränkt, sofern der Streitgegenstand nicht erweitert wird, § 47 II GKG. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ändert das Landgericht im Berufungsverfahren die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG ab, ist ein Rechtsmittel dagegen nur zulässig, wenn das Landgericht entsprechend § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG die weitere Beschwerde zugelassen hat. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ist die weitere Beschwerde nicht zugelassen worden, ist das Landgericht auf ein Rechtsmittel hin verpflichtet, im Wege der Gegenvorstellung die abgeänderte Wertfestsetzung zu überprüfen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
6. Die Beschwer des Beklagten den Zutritt zur Garage zum Zwecke der Aufstockung zu dulden, ist mit 5.000 € angemessen bemessen. (Rn. 39 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwert, Gegenvorstellung, Abänderung, weitere Beschwerde, Aufstockung
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 18.08.2022 – 36 S 12045/21 WEG
Fundstellen:
LSK 2023, 5742
BeckRS 2023, 5742
NJOZ 2023, 500

Tenor

1. Auf die Beschwerden der Bevollmächtigten der Beklagten wird der Streitwert für die Berufungsinstanz in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts vom 18.08.2022, Az. 36 S 12045/21 WEG, auf € 394.833,35 festgesetzt. Im übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.
2. Die Beschwerden der Beklagten zu 1, 3, 5, 6 und 7 werden verworfen.

Gründe

I.
1
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Festsetzung des Streitwertes durch das Landgericht.
2
Mit der Klage vom 10.10.2020 beantragte der Kläger, die Beklagten zu 1 bis 7 zu verurteilen, dem Kläger jeweils Zutritt zu ihrer Garage zum Zwecke der Aufstockung zu gewähren. Die Klageanträge zu 1 bis 6 betrafen sechs unterschiedliche Garagen. Die Beklagten zu 6 und 7 sind Miteigentümer der in dem Klageantrag zu 6 bezeichneten Garage. Mit dem Klageantrag zu 7 verlangte der Kläger die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von € 23.833,35. Mit dem Klageantrag zu 8 begehrte er die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger den weiteren, ab dem 11.01.2020 entstehenden Schaden zu ersetzen, der durch die Verzögerung der Garagenaufstockung entsteht.
3
Den Streitwert hat die Klageseite in der Klage auf € 333.833,35 beziffert. Das Bauvorhaben habe ein Volumen von rund 2 Mio. €. Das Interesse des Klägers bestehe darin, das Bauvorhaben durchführen zu können. Der Streitwert für die Klageanträge zu 1 bis 6 betrage jeweils mindestens € 50.000,00. Für den Feststellungsantrag werde der Streitwert mit € 10.000,00 angenommen, was an der unteren Grenze liegen dürfte.
4
Mit Endurteil vom 09.08.2021 hat das Amtsgericht München, Az. 481 C 395/20, ganz überwiegend verurteilt. Zugleich hat das Amtsgericht den Streitwert auf € 495.949,00 festgesetzt. Die Festsetzung beruhe auf den §§ 63 Abs. 2, 71 Abs. 1, 39 Abs. 1, 49a Abs. 1 GKG aF. Für die Klageanträge auf Gestattung des Zutritts sei auf das klägerische Interesse an der Realisierung des Bauvorhabens und der Erzielung von Mieteinnahmen abzustellen. Bei monatlichen Mieteinnahmen von € 11.000,00 sei dieses Interesse auf Grundlage des § 9 ZPO mit € 462.000,00 zu bemessen. Da für das Bauvorhaben aber die Zustimmung der Beklagten nicht erforderlich sei, sei ein Abschlag von 2/3 zu machen. Für die Klageanträge zu 1 bis 6 seien damit € 154.000,00 als klägerisches Interesse anzusetzen. Das jeweilige Interesse der Beklagten an dem Erhalt ihrer Garage sei mit je € 15.000,00, insgesamt also mit € 90.000,00 zu bewerten. Das hälftige Gesamtinteresse betrage € 122.000,00 (€ 154.000,00 + 90.000,00 = € 244.000,00 / 2). Gemäß § 49a Abs. 1 S. 2 GKG aF sei das höhere klägerische Interesse anzusetzen.
5
Der Zahlungsantrag in Höhe von € 23.833,35 sei in dreifacher Höhe anzusetzen, da der Kläger seinen Anspruch auf drei unterschiedliche Lebenssachverhalte gestützt habe und die Verurteilung nur auf dem dritten Hilfsantrag beruhe.
6
Der Feststellungsantrag sei mit € 270.448,95 zu bewerten. Der mögliche Schaden bestehe in dem Mietausfallschaden für 18 Monate und 15 Tagen in Höhe von € 203.500,00 sowie den Preissteigerungen in Höhe von € 150.000,00. Abzuziehen sei hier der in dem Zahlungsbetrag bereits enthaltene Mietausfallschaden in Höhe von € 15.438,86. Von dem Gesamtbetrag € 338.061,19 (€ 203.500,05 + € 150.000,00 – € 15.438,86) sei ein Abschlag von 20% zu machen, so dass der Streitwert für den Klageantrag zu 8 mit € 270.448,95 zu bemessen sei.
7
Gegen das Urteil haben alle Beklagten Berufung eingelegt, der Beklagte zu 3 beschränkt auf die Verurteilung zur Zahlung und die Feststellung der Schadensersatzpflicht.
8
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 18.08.2022 das Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und lediglich den Beklagten zu 3 verurteilt, dem Kläger Zutritt zu seiner Garage zu gewähren. Im übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zugleich hat das Landgericht den Streitwert für das Berufungsverfahren auf € 248.833,35 und für das erstinstanzliche Verfahren auf € 273.833,35 festgesetzt.
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Es gelte die allgemeine Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 1 GKG, so dass gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 GKG die Wertvorschriften der ZPO heranzuziehen seien. Lediglich in Beschlussanfechtungsklagen bleibe § 49a GKG aF auch im Rechtsmittelverfahren anwendbar. Das Interesse der Beklagten an der Abwehr der Anträge auf Gestattung des Zutritts zu den Garagen setze die Kammer auf € 5.000,00 pro Garage fest, insgesamt € 25.000,00. Hinzu komme der Antrag auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von € 23.833,35. Der Antrag auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz des weiteren Schadens sei mit € 200.000,00 anzusetzen. Der Kläger habe eine Preissteigerung von € 250.000,00 angegeben. Dabei sei ein 20%iger Wertabschlag zu berücksichtigen.
10
Mit Schriftsatz vom 30.08.2022, Bl. 550 d.A., hat der Bevollmächtigte des Beklagten zu 5 im eigenen Namen und im Namen des Beklagten zu 5 Streitwertbeschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert im Prozessverhältnis zum Beklagten zu 5 für beide Instanzen auf € 419.882,26 festzusetzen. Das Abwehrinteresse sei wie erstinstanzlich mit € 50.000,00 und nicht nur mit € 25.000,00 zu bemessen. Bei dem Antrag auf Feststellung sei neben dem zu erwartenden Schaden aus der Baukostensteigerung nach den Ausführungen des Klägers auch dessen Mietausfallschaden zu berücksichtigen. Der Kläger behaupte einen Mietausfall in Höhe von € 11.000,00 monatlich. Bei einem Zeitraum von nur 18 Monaten führe dies zu einem Schaden in Höhe von € 198.000,00. Anzusetzen seien zusätzlich € 146.048,91.
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Die Bevollmächtigten zu 2 und 4 legten mit Schriftsatz vom 19.09.2022, Bl. 561 d.A., aus eigenem Recht Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwertes für beide Instanzen ein und schlossen sich den Anträgen und der Begründung im Schriftsatz vom 30.08.2022 an.
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Mit Schriftsatz vom 04.10.2022, Bl. 562 d.A., hat auch der Bevollmächtigte der Beklagten zu 6 und 7 sowohl in eigenem Namen als auch im Auftrag der Beklagten zu 6 und 7 Streitwertbeschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert im Prozessrechtsverhältnis zu den Beklagten zu 6 und 7 für beide Instanzen auf € 419.882,26 festzusetzen.
13
Mit Schriftsatz vom 25.10.2022, Bl. 579 d.A., hat auch die Bevollmächtigte des Beklagten zu 1 im eigenen Namen sowie im Namen des Beklagten zu 1 Streitwertbeschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert für beide Instanzen auf € 419.882,26 festzusetzen.
14
Schließlich hat auch der Bevollmächtigte des Beklagten zu 3 mit Schriftsatz vom 09.11.2022 sowohl in eigenem Namen als auch im Namen des Beklagten zu 3 Streitwertbeschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf € 419.882,26 und für das Verfahren in zweiter Instanz für den Beklagten zu 3 auf € 369.882,26 festzusetzen. Der Beklagte zu 3 habe die Abwehr des Anspruchs auf Gewährung des Zutritts in der Berufung nicht weiterverfolgt.
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Die Klageseite ist den Beschwerden insbesondere im Schriftsatz vom 11.10.2022, Bl. 570 d.A., entgegengetreten.
16
Das Landgericht hat den Beschwerden in den Beschlüssen vom 01.12.2022 nicht abgeholfen.
II.
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Die nur teilweise zulässigen Beschwerden sind teilweise begründet.
18
1. Die Beschwerden sind nur teilweise zulässig.
19
a) Die befristeten Beschwerden der Beklagten zu 1, 3, 5, 6 und 7 sind unzulässig.
20
Es fehlt an der erforderlichen Rechtsmittelbeschwer der Beschwerdeführer. Für eine Beschwerde gegen die endgültige Festsetzung des Kostenstreitwerts ist eine Beschwer erforderlich. Beschwer ist der Unterschied zwischen bisher Beantragtem und bisher Erreichten. Beschwerdegegenstand ist demgegenüber derjenige Teil der Beschwer, dessen Beseitigung man jetzt noch begehrt (Toussaint/Toussaint, 52. Aufl. 2022, GKG § 68 Rn. 8).
21
Eine Partei wird durch die Festsetzung eines zu niedrigen Streitwerts regelmäßig nicht beschwert (BGH Beschluss vom 20.12.2011 – VIII ZB 59/11, BeckRS 2012, 3303 Rn. 6). Eine Partei kann die Streitwertbeschwerde nicht dazu nutzen, durch die Erhöhung des Streitwerts das finanzielle Risiko der Gegenpartei an der Prozessführung zu steigern (BGH Beschluss vom 29.10.2009 – III ZB 40/09, BeckRS 2009, 86436 Rn. 3). Besondere Umstände, die eine Beschwer der Beklagten wegen der ihrer Ansicht nach zu niedrigen Streitwertfestsetzung begründen könnten, sind nicht ersichtlich.
22
b) Die Anträge der Bevollmächtigten auf eine Änderung des vom Landgericht mit Beschluss vom 18.08.2022 abgeänderten Streitwerts für die erste Instanz sind als befristete Beschwerde unzulässig. Sie sind auch als weitere Beschwerde unzulässig, da das Landgericht diese nicht zugelassen hat.
23
Wird gegen eine Entscheidung, mit der ein Landgericht im Berufungsverfahren die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG abgeändert hat, ein Rechtsmittel eingelegt, so handelt es sich hierbei um eine weitere Beschwerde, die entsprechend § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG der Zulassung bedarf. Nach der Systematik der Regelung in § 66 GKG findet eine zweite Überprüfung einer Streitwertfestsetzung nur unter den in Abs. 4 genannten Voraussetzungen statt. Für die Anfechtung einer bereits durch das Landgericht geprüften und dann abgeänderten Entscheidung ist es daher entsprechend § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG erforderlich, dass das Landgericht ein Rechtsmittel dagegen zulässt (Senat Beschluss vom 22.1.2019 – 32 W 1907/18, BeckRS 2019, 57 Rn. 13; Beschluss vom 12.10.2016 – 32 W 1689/16, BeckRS 2016, 113210, WuM 2017, 238; BeckOK KostR/Laube, 39. Ed. 1.10.2022, GKG § 68 Rn. 167; aA BDZ/Dörndorfer, 5. Aufl. 2021, GKG § 63 Rn. 10a; BeckOK KostR/Jäckel, 29. Ed. 1.10.2022, § 63 GKG Rn. 35a jeweils mit einem nicht ergiebigen Verweis auf OLG Karlsruhe Beschluss vom 16.4.2012 – 1 W 10/12, BeckRS 2012, 14151; Schneider in: Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, Verfahrensrecht Rn. 1.304).
24
Das Landgericht hat auf die Anträge hin, die als Gegenvorstellungen ausgelegt werden können, die eigene Entscheidung zu überprüfen. Nach § 63 Abs. 3 Abs. 1 GKG ist dem Gericht kein Ermessensspielraum eingeräumt, wenn es die Unrichtigkeit der vorherigen Wertfestsetzung erkennt; das Gericht ist dann zur Änderung verpflichtet (BGH Beschluss vom 23.7.2019 – I ZB 1/16, BeckRS 2019, 17940 Rn. 9, beck-online).
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c) Die Beschwerden der Bevollmächtigten der Beklagten gegen die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren sind im übrigen statthaft, § 32 Abs. 2 RVG, § 68 Abs. 1 S. 1 GKG, und wurden fristgerecht innerhalb der in § 68 Abs. 1 S. 3 GKG iVm § 63 Abs. 3 S. 2 GKG bestimmten Frist von sechs Monaten ab Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung eingelegt.
26
2. Der Streitwert beträgt für die Berufungsinstanz € 394.833,35 (€ 25.000,00 + € 23.833,35 + € 346.000,00).
27
a) Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass sich die Wertbestimmung gemäß § 71 Abs. 1 GKG, § 48 GKG nach den allgemeinen Wertvorschriften richtet.
28
Mit Inkrafttreten des WEMoG ist § 49a GKG aufgehoben worden. Der Gesetzgeber sah kein Bedürfnis mehr, den Streitwert in Wohnungseigentumssachen abweichend von den allgemeinen Vorschriften zu bestimmen (BT-Drs. 19/18791 S. 92). Eine kostenrechtliche Besonderheit besteht nur noch für Beschlussklagen, vgl. § 49 GKG.
29
Aus der allgemeinen Regelung des Übergangsrechts in § 71 Abs. 1 GKG folgt, dass der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren nach § 49a GKG aF und der Streitwert für das Berufungsverfahren nach den allgemeinen Vorschriften zu bestimmen ist.
30
Nach § 71 Abs. 1 S. 1 GKG werden in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, die Kosten nach bisherigem Recht erhoben. Die Klage ist vor dem 16.01.2020 beim Amtsgericht München anhängig geworden. Das Amtsgericht München hat den Streitwert in dem Beschluss vom 09.08.2021 daher zulässig auf Grundlage des § 49a GKG aF festgesetzt, so dass für die Anträge auf Zutritt und Duldung zunächst sowohl das (hälftige) Klägerinteresse als auch auf das (hälftige) Interesse der Beklagten zu bemessen, entscheidend aber das höhere Interesse des Klägers war, vgl, § 49a Abs. 1 S. 1 und 2 GKG aF.
31
Die Bemessung des Streitwertes für das Berufungsverfahren richtet sich nach den allgemeinen Wertvorschriften. Nach § 71 Abs. 1 S. 2 GKG gilt für Verfahren über ein Rechtsmittel abweichend von § 71 Abs. 1 S. 1 GKG das neue Recht, wenn das Rechtsmittel nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung eingelegt worden ist. Das Amtsgericht hat am 09.08.2021 das mit den Berufungen angegriffene Endurteil erlassen. Sämtliche Berufungen wurden damit nach Inkrafttreten des WEMoG und der damit verbundenen Aufhebung des § 49a GKG aF eingelegt.
32
b) Den Streitwert für die in der Berufung noch anhängigen fünf Anträge jeweils auf Duldung der Ausbaumaßnahmen und der Gewährung des Zutritts zu der jeweiligen Garage hat das Landgericht zutreffend mit insgesamt € 25.000,00 bemessen.
33
Abzustellen ist nach § 47 Abs. 1 GKG allein auf die addierte Beschwer der jeweiligen Beklagten. Diese kann mit jeweils € 5.000,00 bemessen werden. Bei der Festsetzung des Gebührenstreitwerts nach § 63 Abs. 2 GKG sind die einzelnen Anträge nach § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen. Die Anträge der Bevollmächtigten und Beschwerdeführer, den Streitwert für das jeweilige Prozessrechtsverhältnis festzusetzen, sind als Anträge nach § 33 Abs. 1 RVG auszulegen, über die das Landgericht noch zu entscheiden hat.
34
aa) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, § 47 Abs. 1 S. 1 GKG. Nach § 47 Abs. 1 S. 2 GKG ist der Wert der Beschwer maßgebend, wenn Anträge nicht oder nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist eingereicht wurden. Der Streitwert ist allerdings durch den Wert des Streitgegenstands der ersten Instanz beschränkt, sofern der Streitgegenstand nicht erweitert wird, § 47 Abs. 2 GKG.
35
Indem auf die Anträge und nicht auf die Beschwer abzustellen ist, will das Gesetz denjenigen privilegieren, der die ihm vom Gesetz eingeräumte Begründungsfrist ausschöpft und nicht das gesamte erstinstanzliche Urteil angreift. Verfolgt ein Beklagter mit der Berufung einen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter, entspricht der Wert der Anträge dem Wert der Beschwer des Beklagten.
36
Die jetzige Regelung wurde mit dem Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Kostenrechts (KostRÄndG 1952 v. 7.8.1952, BGBl. I 401; vgl. Toussaint, GKG Einführung zum GKG Rn. 15) als § 9 Abs. 2 in das GKG eingefügt. Der Gesetzgeber reagierte damit auf die damalige Rechtsprechung des BGH, nach der sich die frühere Prozessgebühr immer zunächst so berechnete, als ob das gesamte Urteil angefochten worden wäre. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte aber der Rechtsmittelkläger keine Gebührennachteile dadurch erleiden, dass er die ihm vom Gesetz eingeräumte Überlegungsfrist ausnützt. Deshalb sollte sich der Streitwert im Berufungs- und Revisionsverfahren künftig in erster Linie nach den Anträgen des Rechtsmittelklägers bestimmen, und nur dann, wenn nach diesen Anträgen das Urteil in vollem Umfang angefochten werde, oder wenn das Rechtsmittelverfahren ende, ohne dass solche Anträge gestellt worden seien, oder wenn die Berufungs- und Revisionsanträge nicht innerhalb der Begründungsfrist eingereicht werden, sollte die volle Beschwer für den Wert maßgebend sein (BT-Drs. II/2545 S. 157).
37
Die Beschwer des Beklagten entspricht derjenigen Leistung, zu der er verurteilt worden ist. Sie bemisst sich nach den mit der Erfüllung des Urteils unmittelbar einhergehenden Nachteilen (Kurpat in: Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, Rechtsmittel, Rn. 2_4209). Diese Nachteile können die vom Kläger mit der Verurteilung erstrebten und für die erstinstanzliche Wertfestsetzung maßgeblichen Vorteile ohne weiteres übersteigen oder hinter diesen zurückbleiben. Der Wert des Beschwerdegegenstandes kann auch bei unverändertem Streitgegenstand niedriger, gegebenenfalls aber auch höher sein als der für den Kläger nach seinem Antrag im ersten Rechtszug festgesetzte Wert. Dies gilt bspw. bei Klagen auf Beseitigung, aber auch bei Klagen, mit denen weitergehende Ansprüche nur vorbereitet werden sollen, wie bspw. bei Auskunftsklagen. So ist der Wert eines Auskunftsanspruchs mit einem Bruchteil des Hauptanspruchs festzusetzen, da er seinen wirtschaftlichen Wert typischerweise daraus bezieht, dass mit ihm die Durchsetzung eines Hauptanspruchs vorbereitet werden soll. Gegenstand des Rechtsmittels des im Auskunftsverfahren unterlegenen Beklagten ist das Ziel, keine Auskunft erteilen zu müssen. Für den Beschwerdewert ist maßgebend das Ersparnis an Kosten durch den Aufwand der Auskunftserteilung (BGH, Beschluss vom 24.11.1994 – GSZ 1/94, NJW 1995, 664; vgl. zuletzt BGH Beschluss vom 15.2.2022 – XI ZR 380/20, BeckRS 2022, 3553 Rn. 5).
38
Es bedürfte auch keiner Begrenzung des Streitwertes durch den Wert des Streitgegenstandes des ersten Rechtszuges in § 47 Abs. 2 S. 1 GKG, wenn nicht die Beschwer diesen Wert übersteigen könnte. Nach anderer Meinung soll sich die Beschwer des Beklagten nach dem nach der Bedeutung der Sache für den Kläger bemessenen Streitwert der ersten Instanz richten, weil der Beklagte mit seinem Rechtsmittel vornehmlich ein dem Begehren des Klägers entgegengesetztes, kontradiktorisches Interesse verfolgt (BVerwG Beschluss vom 26.1.2010 – 4 B 43/09, BeckRS 2010, 47275 Rn. 16, beck-online; VGH München Beschluss vom 19.5.2010 – 1 B 10.255, BeckRS 2010, 31328, Rn. 29). Dafür spreche auch gerade der Wortlaut der Vorschrift (Toussaint/Elzer, 52. Aufl. 2022, GKG § 47 Rn. 14). Dabei wird übersehen, dass der Wert der Beschwer den Wert des Streitgegenstandes des ersten Rechtszuges gar nicht übersteigen kann, wenn er mit diesem identisch ist. Die Notwendigkeit der Begrenzung entspringt gerade daraus, dass die Beschwer in bestimmten Fällen auf andere Weise als der Streitgegenstand des ersten Rechtszuges zu berechnen ist.
39
bb) Das Interesse der Beklagten, die Baumaßnahmen an ihrem jeweiligen Sondereigentum nicht dulden zu müssen, hat das Landgericht mit € 5.000,00 ausreichend bemessen.
40
Bei dem von dem Kläger auf die Gemeinschaftsordnung gestützten Anspruch handelt es sich dem Wesen nach um einen auf Duldung gerichteten Anspruch, da den zur Ermöglichung der Besichtigung erforderlichen Leistungshandlungen, etwa der Gewährung des Zutritts, nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Kurpat in: Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, Mietstreitigkeiten, Rn. 2_3160). Diese Leistungshandlungen sind bei der Bemessung des Streitwertes zu vernachlässigen.
41
Soweit das Amtsgericht darauf abstellt, die Beklagten hätten einen völligen Abriss ihres Sondereigentums befürchtet und es sei daher der Wert einer Garage in Höhe von geschätzt € 15.000,00 anzusetzen, überzeugt dies nicht. Weder aus der Gemeinschaftsordnung noch aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass Maßnahmen des Klägers auf eine ersatzlose Beseitigung des Sondereigentums der Beklagten zielten. Dies haben auch die Beklagten nicht vorgetragen. Es drohten jedoch Eingriffe und Veränderungen der Bausubstanz, die möglicherweise zu einer Werteinbuße der Garage führen. Zudem wären die Garagen während der Baumaßnahmen für längere Zeit nicht nutzbar. Dieses wirtschaftliche Interesse der Beklagten kann mit jeweils € 5.000,00 bemessen werden.
42
cc) Die Werte der im Berufungsverfahren anhängigen fünf Anträge auf Duldung sind bei der Festsetzung des Streitwertes nach § 63 Abs. 2 GKG zusammenzurechnen.
43
Nach § 39 Abs. 1 GKG werden in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist. Insbesondere unterbleibt eine Zusammenrechnung, wenn es sich wirtschaftlich identische Gegenstände handelt. Werden aber mehrere Beklagte ohne gesamtschuldnerische Bindung verklagt, sind die Einzelwerte für die Gerichtsgebühren und die außergerichtlichen Gebühren des Klägers zusammenzurechnen und bei den Streitgenossen entsprechend ihrer Beteiligung zu bestimmen (Kurpat in: Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl. 2021, Mehrere Ansprüche (Klagehäufung) Rn. 2.2953).
44
Das wirtschaftliche Interesse der Beklagten gleicht sich, ist aber nicht identisch, da die Anträge unterschiedliche Garagen betreffen.
45
dd) Die Bevollmächtigten haben beantragt, die Streitwerte für die jeweiligen Prozessrechtsverhältnisse festzusetzen. Dabei handelt es sich der Sache nach um Anträge nach § 33 Abs. 1 RVG.
46
Ein Verfahren nach § 33 RVG kommt in Betracht, wenn das gerichtliche Verfahren gerichtsgebührenfrei ist, oder wenn gerichtliche und anwaltliche Tätigkeit nicht deckungsgleich sind. Dies ist bspw. der Fall, wenn der Rechtsanwalt nur einen von mehreren unterschiedlich am Streitgegenstand beteiligten Streitgenossen vertritt (BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, 58. Ed. 1.12.2022, RVG § 33 Rn. 3.2).
47
Über diese Anträge hat das Landgericht noch nicht entschieden. Anzusetzen sind dann im jeweiligen Prozessrechtsverhältnis nur € 5.000,00 bzw. kein Betrag im Prozessrechtsverhältnis zum Beklagten zu 3, da dieser gegen die Verurteilung zur Duldung keine Berufung eingelegt hat.
48
c) Soweit sich die Beklagten mit den Berufungen gegen samtverbindliche Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von € 23.833,35 gewendet haben, entspricht dieser Betrag dem Wert ihres Antrags auf Klageabweisung, § 47 Abs. 1 S. 1 GKG.
49
d) Für den Wert des Feststellungsantrags sind insgesamt € 346.000,00 (€ 2000.000,00 Baukostensteigerung und € 146.000,00 Mietausfallschaden) anzusetzen.
50
Bei der Bemessung des Antrags auf Feststellung der Pflicht zur Leistung von Schadensersatz ist sowohl der Mietausfallschaden als auch der dem Kläger aus der Steigerung der Baukosten erwachsende Schaden zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer zu 3 hat in seiner Beschwerdeschrift, auf die die übrigen Beschwerdeführer überwiegend Bezug genommen haben, die Werte nachvollziehbar und überzeugend dargestellt. Die Beklagten waren durch den Feststellungsausspruch mit € 346.000,00 beschwert. Dabei hat der Beschwerdeführer den vorzunehmenden Feststellungsabschlag von 20% (vgl. BGH NJW-RR 2012, 1107 Rn. 5) und den bereits im Leistungsausspruch enthaltenen Mietausfallschaden berücksichtigt.
51
Nach § 40 GKG ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend, der den Rechtszug einleitet. Es ist für das Berufungsverfahren damit unerheblich, von welchem Schaden der Kläger bei Klageerhebung zunächst ausgegangen ist. Bei Einlegung der Berufungen waren beide Schäden Gegenstände der Auseinandersetzungen der Parteien.
52
3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Das Beschwerdeverfahren ist nach § 68 Abs. 3 GKG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.