Inhalt

LArbG München, Urteil v. 28.11.2023 – 7 Sa 206/23
Titel:

Betriebliche Altersversorgung, Betriebsrenten, Erziehungsurlaub, Tarifvertragliche Regelung, Gleichbehandlungsgrundsatz, mittelbare Diskriminierung, Bundesarbeitsgericht, Arbeitsentgelt, Ruhen des Arbeitsverhältnisses, Besitzstandsrente, Arbeitsverhältnis im, Ruhendes Arbeitsverhältnis, tarifliche Regelung, Zusätzliche Leistungen, Tarifverträge zur betrieblichen Altersversorgung, Wartezeit, Entscheidungen des Arbeitsgerichtes, Pflichtversicherung, Erziehungszeiten, Anspruchsminderung

Schlagworte:
Berufung, Erziehungsurlaub, Betriebsrente, Diskriminierung, Arbeitsleistung, Besitzstandswahrung, Vertrauensschutz
Vorinstanz:
ArbG Regensburg, Endurteil vom 13.03.2023 – 4 Ca 1273/22
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt, Urteil vom 06.05.2025 – 3 AZR 65/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 57128

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 13.03.2023 – 4 Ca 1273/22 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Anerkennung von Erziehungszeiten als Wartezeit bei einer tariflich geregelten Besitzstandsrente.
2
Die Klägerin war vom 06.10.1987 bis 05.04.1989 und dann nochmals ab 01.03.1990 bis zum 20.03.1990 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der W, beschäftigt und seit dem 28.06.1990 bestand zwischen der Klägerin und der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis. Für das Arbeitsverhältnis der Klägerin galten kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge für die Arbeiter der W, insbesondere der Versorgungstarifvertrag. Dieser Versorgungstarifvertrag (fortan: VTV) verwies bezüglich der Versicherungsbedingungen auf die Satzung der Versorgungsanstalt der W (VAP-Satzung). In der VAP-Satzung steht u.a.:
§ 24 Aufwendungen für die Pflichtversicherung
(1) Der Arbeitgeber hat eine monatliche Umlage in Höhe des nach § 75 der Satzung der VAP festgesetzten Satzes zu zahlen.
(…)
(6) Das für die Bemessung der Umlage maßgebende Arbeitsentgelt ist, soweit nachstehend nichts anderes bestimmt, der steuerpflichtige Arbeitslohn.
§ 34 Anspruch auf Versorgungsrente und Versicherungsrente
(1) Tritt bei dem Versicherten, der die Wartezeit (§ 35) erfüllt hat, der Versicherungsfall (§ 36 I) ein und ist er in diesem Zeitpunkt a) pflichtversichert, hat er Anspruch auf Versorgungsrente für Versicherte (…)
§ 35 Wartezeit
(1) Die Wartezeit ist nach einer Versicherungszeit von mindestens fünf Jahren erfüllt. Versicherungszeit sind Umlagemonate und die Zeit der freiwilligen Versicherung.
(…)
3
Die Beklagte führte im Rahmen der Pflichtversicherung die entsprechenden Umlagen zum Arbeitsentgelt der Klägerin an die Versorgungsanstalt ab, nicht jedoch für die Zeiten ihres Erziehungsurlaubs in der Zeit vom 26.2.1992 bis zum 26.11.1996.
4
Im Zusammenhang mit der Privatisierung der damaligen W wurde die betriebliche Altersversorgung der Beklagten durch neue Regelungen abgelöst. Mit Tarifvertrag Nr. 5 wurde zum 01.01.1997 der Tarifvertrag über die Betriebliche Altersversorgung der C (Betriebsrente P) eingeführt (fortan: TV BRP) und mit Tarifvertrag Nr.18 vom 28.02.1997 wurde unter Abschnitt III der bisherige Versorgungstarifvertrag der W (VTV) mit Ablauf des 30.4.1997 außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig trat mit Tarifvertrag Nr.18 Abschnitt IV zum 01.05.1997 der Tarifvertrag zur Regelung des Besitzstandes aus der bisherigen VAP-Zusatzversorgung in Kraft (fortan: TV BZV).
5
Der TV BZV regelte eine besondere Besitzstandskomponente, die den Besitzstand gemäß des bis zum 30.04.1997 geltenden Versorgungstarifvertrags abbildete, ergänzt um eine modifizierte Betriebsrente. In dem TV BZV stand u.a. (Bl. 62/ 63 d.A.):
§ 2 Gegenstand der Regelung
(1) Der Tarifvertrag über die Betriebliche Altersversorgung der P (Betriebsrente P) wird unter Berücksichtigung der Modifikationen in § 4 dieses Tarifvertrags angewendet. Die sich daraus ergebende Betriebsrente P wird bei Vorliegen der Voraussetzungen durch eine Besitzstandswahrungskomponente, die den nach dem bis zum 30.4.1997 geltenden VTV erworbenen Besitzstand abbildet, ergänzt.
(…)
(4) Die Besitzstandswahrungskomponente errechnet sich durch Multiplikation von individuellem Besitzstandsfaktor und Bezugsgröße. Sie wird nur gewährt, wenn der Arbeitnehmer am Tag vor Inkrafttreten dieses Tarifvertrags die Wartezeit nach § 35 der VAP-Satzung in der am 30.04.1997 geltenden Fassung erfüllt hat.
§ 4 Modifikationen zur Betriebsrente P
(…)
(2) Als anrechenbarer Beschäftigungsmonat wird für die Zeit vor dem 1.5.1997 jeder Kalendermonat anerkannt, der für den Arbeitnehmer als Umlagemonat nach der VAP-Satzung anerkannt worden ist, sowie Zeiten der Pflichtversicherung (gem. § 95 c VAP-Satzung nach der am 30.4.1997 geltenden Fassung).
(3) Für Arbeitnehmer, die am 1.5.1997 die Wartezeit nach § 35 der VAP-Satzung in der am 30.4.1997 geltenden Fassung nicht erfüllt haben, werden die vor dem 1.5.1997 erworbenen anrechenbaren Beschäftigungsmonate gem. Absatz 2 mit dem Faktor 1,4 gewichtet berücksichtigt.
6
Die Besitzstandswahrungskomponente des TV BZV v. 28.02.1997 wurde später durch Tarifvertrag Nr. 108 mit Wirkung zum 01.01.2002 modifiziert und ist seitdem als sog. Besitzstandsbetrag ausgestaltet. Die hierzugehörigen aktuellen Regelungen des TV BZV (Tarifvertrag Nr. 18) vom 28.02.1997 i.d.F. v. 01.01.2016, zuletzt geändert durch Tarifvertrag Nr. 178, lauteten ausschnittsweise wie folgt (vgl. Bl. 97 und Bl. 100 d.A.):
§ 2 Gegenstand der Regelung
(1) Der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der P (TV bAV P, Nr. 179) wird unter Berücksichtigung der Modifikation in § 6 dieses Tarifvertrages angewendet. Die sich daraus ergebende Leistung wird bei Vorliegen der Voraussetzungen durch einen Besitzstandsbetrag B (31.12.2022 Besitzstand) der den nach dem bis zum 31.12.2001 geltenden Regelungen dieses Tarifvertrages erworbenen Besitzstand abbildet, der mit dem am Ende des Kalendermonats, der dem Eintritt des Leistungsfalls vorangeht, maßgebenden Dynamisierungsfaktor multipliziert wird, ergänzt. Das Wahlrecht nach § 4 TV Nr. 179 bezieht sich nicht auf den Besitzstandsbetrag B (31.12.2022 Besitzstand), dieser kann nur als Rente bezogen werden.
Der Besitzstandsbetrag wird nur gewährt, wenn am 31.12.2001 eine Anwartschaft auf Besitzstandswahrungskomponente bestand.
(…)
§ 6 Modifikation zur betrieblichen Altersversorgung (TV bAV P, Nr. 179)
(1) Abweichend vom Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung der P (TV bAV P, Nr. 179) wird für Arbeitnehmer, die diesem Tarifvertrag unterliegen, für die anrechenbare Beschäftigungszeit auch die Zeit vor dem 10.05.1997 berücksichtigt.
(…)
(2) Als anrechenbarer Beschäftigungsmonat wird für die Zeit vor dem 01.05.1997 jeder Kalendermonat anerkannt, der für den Arbeitnehmer als Umlagemonat nach der VAP-Satzung anerkannt worden ist, sowie Zeiten der Pflichtversicherung (gem.§ 95 c VAP-Satzung nach der am 30.04.1997 geltenden Fassung).
(…)
(3) Für Arbeitnehmer, die am 01.05.1997 die Wartezeit nach § 35 der VAP-Satzung in der am 30.04.1997 geltenden Fassung nicht erfüllt haben, werden die vor dem 01.05.1997 erworbenen anrechenbaren Beschäftigungsmonate gem. Absatz 2 mit dem Faktor 1,4 gewichtet berücksichtigt.
(…)
7
Vor dem Arbeitsgericht hat sich die Klägerin darauf berufen, dass die Erziehungszeiten bei der Wartezeit i.S.d. § 35 VAP-Satzung für den Anspruch auf eine Besitzstandsrente anzuerkennen seien, mit der Folge, dass ihr eine Besitzstandsrente im Falle der P-Beschäftigungsunfähigkeit zustünde, die bei einem Eintritt des Versorgungsfalls ca. 80,00 € pro Monat betragen würde. Sie hat gemeint, dass nach § 2 TV Nr.18 der Besitzstandsbetrag nur gezahlt werde, wenn am 31.12.2001 eine Anwartschaft auf eine Besitzstandskomponente nach der VAP-Satzung bestanden hat, sei nicht rechtens, denn die Nichtberücksichtigung von Erziehungszeiten sei eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, da hauptsächlich Frauen diese Erziehungszeiten in Anspruch nähmen und eine Rechtfertigung für die Nichtberücksichtigung sei nicht gegeben. Auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei gegeben. Die Klägerin hat auch darauf verwiesen, dass man sich bewusst sei, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Elternzeiten bei der Anwartschaftssteigerung ausgeklammert werden dürften, jedoch sei es nicht zulässig, wenn wie vorliegend der Ausschluss der Elternzeiten zur Vernichtung des Anspruchs führe.
8
Vor dem Arbeitsgericht hat die Klägerin beantragt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Erziehungszeiten der Klägerin vom 26.02.1992 bis zum 26.11.1996 als Wartezeit bei der Berechnung der Besitzstandsrente nach TV Nr. 18, zuletzt geändert durch TV Nr. 178, anzuerkennen.
9
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.
10
Die Beklagte hat gemeint, die vorliegende Rechtsfrage sei bereits durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.4.2010 – 3 AZR 370/08 zu ihren Gunsten geklärt worden. Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts würden keine Auslegung dahingehend zulassen, dass in Bezug auf die Berücksichtigung der Elternzeiten eine Differenzierung vor und nach Erfüllung der Wartezeit erforderlich wäre. Zudem habe sich die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung zum 01.05.1997 bei der Klägerin nicht wie von ihr behauptet „anspruchsvernichtend“ ausgewirkt, denn die Versicherungszeiten in der damaligen VAP-Versorgung seien in die neue Altersversorgung mit einem Faktor 1,4 überführt worden.
11
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung der Erziehungszeiten im Rahmen der Wartezeit gemäß § 35 I VAP-Satzung habe. Es hat darauf verwiesen, dass ausweislich des Wortlauts dieser Regelung zur Versicherungszeit und damit zur Wartezeit lediglich sog. Umlagemonate zählten und Umlagen seien zu Recht für die Erziehungszeiten nicht gezahlt worden, da in diesem Zeitraum die Hauptleistungspflichten suspendiert waren mit der Folge, dass die Monate der Erziehungszeiten keine Umlagemonate i.S.d. § 35 I VAP-Satzung darstellten. Auch aus dem Gesichtspunkt der mittelbaren Geschlechterdiskriminierung habe sich kein entsprechender Anspruch ergeben, denn selbst wenn zu Gunsten der Klägerin angenommen würde, dass hauptsächlich Frauen die Erziehungszeiten in Anspruch genommen haben, habe sich hieraus keine verbotene, mittelbare Diskriminierung von Frauen ergeben. Das Arbeitsgericht hat dazu ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine unzulässige mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts nicht gegeben sei, wenn die streitige Maßnahme durch objektive Faktoren gerechtfertigt sei, die nichts mit der Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben, und der vom Arbeitgeber für die Ungleichbehandlung angeführte Grund einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entspreche und für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich seien und diese Bedingungen würden Regelungen wie die streitgegenständlichen erfüllen, die an die tatsächliche Arbeitsleistung anknüpfen. Das Arbeitsgericht hat darauf verwiesen, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und auch des EuGH gerechtfertigt sei, dass das beim Erziehungsurlaub kraft Gesetzes eintretende Ruhen des Arbeitsverhältnisses zu einer Anspruchsminderung führen könne, denn wenn der Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Zahlung des Arbeitsentgelts befreit sei, weil das Arbeitsverhältnis ruhe, sei er auch nicht gehalten, direkt oder indirekt zusätzliche Leistungen zu erbringen. Der Unterschied zwischen einem ruhenden und einem nicht ruhenden Arbeitsverhältnis sei so gewichtig, dass er eine unterschiedliche Behandlung nicht nur beim eigentlichen Arbeitsentgelt, sondern auch bei der Gewährung zusätzlicher Leistungen zum Arbeitsentgelt rechtfertigen würde und gleichermaßen sei es nicht unzulässig, Teilzeitkräfte, welche in der Praxis häufig weiblichen Geschlechts seien, nur entsprechend dem Umfang ihrer Arbeitszeit zu vergüten. Insoweit habe auch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorgelegen. Diesem Ergebnis habe auch nicht entgegengestanden, dass es sich vorliegend im Gegensatz zu dem vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 20.04.2010 entschiedenen Sachverhalt um eine Konstellation handle, bei der es zu einem vollständigen Ausschluss einer Anwartschaft komme. In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall sei es zwar um die Frage der Berechnung und damit um die Höhe des Besitzstandsbetrags gegangen, doch in beiden Fällen würde die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts gleichermaßen greifen, wonach das Ruhen des Arbeitsverhältnisses einen derart großen Unterschied im Vergleich zu einem nicht suspendierten Arbeitsverhältnis ausmache, welcher unterschiedliche Behandlungen nicht nur beim Arbeitsentgelt, sondern auch bei zusätzlichen Leistungen rechtfertige. Nach der Auffassung des Arbeitsgerichts sei nicht einzusehen gewesen, warum ein Arbeitgeber in Einklang mit der BAG-Rechtsprechung Erziehungszeiten zulässigerweise im Rahmen von Anwartschaftssteigerungen nicht berücksichtigen müsse, bei der Frage der Erreichung der Wartezeit hingegen schon.
12
Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 8 – 11 (Bl. 135 -138 d.A.) des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
13
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil vom 13.03.2023, das ihr am 20.03.2023 zugestellt wurde, mit einem am 20.04.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 12.05.2023 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
14
Die Klägerin hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts im Ergebnis für falsch und in der Begründung für nicht überzeugend. Die Klägerin hält ihren erstinstanzlichen Sachvortrag für die Anerkennung der Erziehungszeiten aufrecht und meint insbesondere, dass die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.04.2010 – 3 AZR 370/08 für den vorliegenden Rechtsstreit nicht einschlägig sei, denn sie wolle gerade nicht erreichen, dass ihre Erziehungsurlaubszeiten sich auf die Berechnung und somit auf die Höhe des tariflichen Besitzstandsbetrages auswirken. Vielmehr gehe es ihr darum, dass mangels Anerkennung der Erziehungszeiten überhaupt kein Besitzstandsbetrag gewährt werde. Von ausschlaggebender Bedeutung sei, dass der Ausschluss der gesetzlich gewährten Elternzeit anspruchsvernichtend sei und eine Ausklammerung der gesetzlich gewährten Erziehungszeiten bei der Berechnung der Wartezeit verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 GG. Schließlich verweist sie auch darauf, dass die VAP-Versorgung bei der Beklagten später abgelöst worden sei durch den Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der P (Betriebsrente P – Tarifvertrag Nr. 15 vom 29. Oktober 1996) wonach die betriebliche Altersversorgung bei der Beklagten mit Wirkung zum 1. Januar 1997 umgestellt und die sogenannte Betriebsrente P eingeführt wurde, in der unter § 4 Abs. 1 S. 3 TV Betriebsrente P geregelt ist: „Zur Erfüllung der Wartezeit werden Zeiten der gesetzlichen Elternzeit bis zu einer Dauer von drei Jahren berücksichtigt.“ Es sei daher kein Grund ersichtlich, weshalb die Beklagte eine Differenzierung bei der Wartezeit im Rahmen der VAP-Versorgung und bei der späteren Betriebsrente P vornehme, wenn im Rahmen der Betriebsrente P die gesetzliche Elternzeit explizit bei der Erfüllung der Wartezeit anerkannt werde. Gerade dies spreche dafür, dass eine Anerkennung des Erziehungsurlaubs der Klägerin auch im Rahmen einer VAP-Betriebsrente geboten sei und die Nichtberücksichtigung der Elternzeit als Wartezeit sei nach der Ansicht der Klägerin sehr wohl eine mittelbare Diskriminierung nach §§ 7 Abs. 1, 1, 3 Abs. 2 AGG.
15
Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 20.03.2023, Az: 4 Ca 1273/22, wird abgeändert und es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Erziehungsurlaub der Klägerin vom 26.02.1993 bis zum 26.11.1996 als Wartezeit bei der Berechnung der Besitzstandsrente nach TV Nr. 18, zuletzt geändert durch Tarifvertrag Nr. 178, anzuerkennen.
16
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
17
Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Sie verweist darauf, dass eine Berücksichtigung des Erziehungsurlaubs der Klägerin bei der Berechnung der Besitzstandsrente sich weder aus den tarifvertraglichen Regelungen noch aus dem Vorgaben des AGG noch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe. Eine von der Klägerin behauptete Vernichtung des Anspruchs kann sie nicht erkennen, denn die zum 01.05. 1997 neu eingeführten Regelungen in den TV BZV sahen u.a. eine modifizierte Betriebsrente P und eine Besitzwahrungskomponente für Arbeitnehmer der Beklagten vor. Die Besitzwahrungskomponente komme aber nur für solche Mitarbeiter zur Anwendung, die am 30.04.1997 die fünfjährige Wartezeit gemäß § 35 VAP-Satzung erfüllt hatten (§ 2 Abs. 4 TV Nr. 18). Für Mitarbeiter, die diese Voraussetzung nicht erfüllen, sehe aber § 4 Abs. 3 TV Nr. 18 vor, dass die vor dem 01.05.1997 erworbenen anrechenbaren Beschäftigungskalendermonate mit dem Faktor 1,4 berücksichtigt werden, was bei der Klägerin zur Anwendung gekommen sei, denn diese hatte zum Zeitpunkt der Anpassung der tarifvertraglichen Regelungen nur 53 berücksichtigungsfähige Monate vorzuweisen (vgl. Beklagtenschriftsatz vom 26.07.2023, Seite 3 mittig = Bl. 197 d.A.) und da die Klägerin während der Geltungsdauer des VTV die Wartezeit unstreitig nicht erreicht hatte seien die 53 Monate mit dem Faktor 1,4 multipliziert und infolgedessen insgesamt 74 Monate berücksichtigt worden. Unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.02.1994 – 3 AZR 708/93 verneint die Beklagte auch eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, denn ein Arbeitgeber müsse dann keine Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung leisten, wenn das Arbeitsverhältnis wie im Falle des Erziehungsurlaubs im Ganzen ruhe. Aber selbst bei der Annahme einer mittelbaren Diskriminierung sei diese jedenfalls gerechtfertigt, da sie auf einem wirklichen und anerkannten Bedürfnis des Arbeitgebers beruhe. Einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz kann die Beklagte ebenfalls nicht erkennen und sie verneint auch einen Vertrauensschutz in Zusammenhang mit der Ablösung tarifvertraglicher Regelungen. Dass nunmehr im Rahmen neuerer tarifvertraglicher Regelungen die Elternzeit berücksichtigt werde sei irrelevant und unabhängig davon verkenne aber die Klägerin auch, dass für diese Neuregelung in TV-Betriebsrente P der persönliche Geltungsbereich der Klägerin nicht eröffnet sei, denn nach den Vorgaben im § 1 Abs. 2 lit.e) TV Betriebsrente P ist ausdrücklich festgelegt, dass dieser Tarifvertrag nicht für Arbeitnehmer gilt, die bei der Versorgungsanstalt der W angemeldet oder anzumelden sind, was bei der Klägerin der Fall ist. Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV Betriebsrente P (01.01.1997) in der Versorgungsanstalt der W angemeldet mit der Folge, dass sich hier Ansprüche auf die betriebliche Altersversorgung ausschließlich nach dem ablösenden TV Nr. 18 vom 18.02.1997 und gerade nicht nach dem TV Betriebsrente P richten und zudem sei auch der zeitliche Geltungsbereich des TV Betriebsrente P nicht eröffnet.
18
Zum weiteren Sachvortrag der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 12.05.2023 (Bl. 182 ff. d.A.) und vom 26.07.2023 (Bl. 195 ff. d.A.) verwiesen. Des Weiteren wird insbesondere auch zur Prozessgeschichte auf den Inhalt der Gerichtsakte und insbesondere auf die Sitzungsniederschriften vom 17.11. 2023 (Bl. 234-235 d.A.) und vom 28.11.2023 (Bl. 236-238 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
19
Die Berufung ist zulässig und ist nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
20
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch besteht nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst wird auf die gründlichen und zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen. Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist das Folgende veranlasst:
21
Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen tariflichen Regelung war die Beklage berechtigt für den Zeitraum, in dem sich die Klägerin in Erziehungsurlaub befand, die Zahlung einer Umlage an das Versorgungswerk einzustellen. Letztlich zweifelt auch die Klägerin die Vorgabe in der tariflichen Regelung als solche nicht an. Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt diese auch nicht geltendes oder höherrangiges Recht.
22
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat sie keinen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Erziehungsurlaubszeiten bei der Berechnung des Besitzstandsbetrags auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts. Der Ausschluss von Erziehungsurlaubszeiten von der Anwartschaftssteigerung stellt weder nach primärem europäischem Gemeinschaftsrecht noch nach deutschem Verfassungsrecht eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts dar. Er verstößt weder gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit nach Art. 141 EG (vormals Art. 119 EWG-Vertrag, nunmehr Art. 157 AEUV) noch gegen das – ebenfalls absolute – Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG (vgl. BAG, 20.04.2010 – 3 AZR 370/08).
23
2. Sowohl Art. 141 EG als auch Art. 3 Abs. 2 und 3 GG erstrecken sich auch auf mittelbare Diskriminierungen. Das sind Regelungen, die – wie die vorliegende – geschlechtsneutral formuliert und deshalb auf Frauen und Männer gleichermaßen anzuwenden sind, jedoch tatsächlich erheblich mehr Frauen als Männer nachteilig betreffen. Auch sind Betriebsrenten als ein auf dem Arbeitsverhältnis beruhendes Entgelt i.S.d. Art. 141 EG anzusehen (vgl. EuGH, 13. Mai 1986 – 170/84 – [Bilka] Slg. 1986, 1607; BAG 15. Februar 1994 – 3 AZR 708/93 – zu III 2 b (3) der Gründe). Ebenso ist das gemeinschaftsrechtliche Verbot der diskriminierenden Ungleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern nicht nur für staatliche Stellen – wie den nationalen Gesetzgeber, aber auch Anstalten des öffentlichen Rechts (vgl. BGH, 14. November 2007 – IV ZR 74/06 – Rn. 33,) – verbindlich, sondern erstreckt sich auch auf Tarifverträge, die abhängige Erwerbstätigkeit kollektiv regeln (vgl. EuGH, 8. April 1976 – 43/75 – [Defrenne] Slg. 1976, 455; 21. Oktober 1999 – C-333/97 – [Lewen] Slg. 1999, I-7243; BAG 21. Mai 2008 – 5 AZR 187/07 – Rn. 24; vgl. zur Berücksichtigung der Tarifautonomie in diesem Zusammenhang BAG, 14. Januar 2009 – 3 AZR 20/07; vgl. zum Ganzen: BAG, 20.04.2010 – 3 AZR 370/08).
24
3. Eine unzulässige mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist jedoch sowohl nach Art. 141 EG als auch dem nicht weitergehenden Art. 3 Abs. 2 und 3 GG (vgl. BFH, 5. Dezember 2000 – VII R 18/00 – zu II 3 der Gründe) nicht gegeben, wenn die streitige Maßnahme durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, und der vom Arbeitgeber für die Ungleichbehandlung angeführte Grund einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entspricht und für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich ist (vgl. EuGH, 26. Juni 2001 – C-381/99 – [Brunnhofer] Slg. 2001, I-4961). Diese Bedingungen erfüllen Regelungen, die – wie die vorliegende – an die tatsächliche Arbeitsleistung anknüpfen.
25
a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und auch des Europäischen Gerichtshofs, dass das beim Erziehungsurlaub kraft Gesetzes eintretende Ruhen des Arbeitsverhältnisses objektiv eine Anspruchsminderung rechtfertigt (vgl. EuGH, 21. Oktober 1999 – C-333/97 – [Lewen] Slg. 1999, I-7243 [Weihnachtsgratifikation]; BAG,10. November 1994 – 6 AZR 486/94 – zu II 3 der Gründe; 24. Mai 1995 – 10 AZR 619/94 – zu II 4 der Gründe]; 18. Juni 1997 – 4 AZR 647/95 – zu II 2 d der Gründe; 12. Januar 2000 – 10 AZR 840/98 – zu II 2 der Gründe]; 4. Dezember 2002 – 10 AZR 138/02; 15. April 2003 – 9 AZR 137/02 – zu I 4 der Gründe; 21. Mai 2008 – 5 AZR 187/07 – Rn. 21 ff.). Ist der Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Zahlung des Arbeitsentgelts befreit, weil das Arbeitsverhältnis ruht, ist er auch nicht gehalten, direkt oder indirekt zusätzliche Leistungen zu erbringen (vgl. BAG, 18. Juni 1997 – 4 AZR 647/95 – zu II 2 d der Gründe). Der Unterschied zwischen einem ruhenden und einem nicht ruhenden Arbeitsverhältnis ist so gewichtig, dass er eine unterschiedliche Behandlung nicht nur beim eigentlichen Arbeitsentgelt, sondern auch bei der Gewährung zusätzlicher Leistungen zum Arbeitsentgelt rechtfertigt (vgl. BAG, 10. November 1994 – 6 AZR 486/94 – zu II 3 c der Gründe; vgl. zum Ganzen: BAG, 20. April 2010 – 3 AZR 370/08).
26
b) Für die Betriebsrente hat das Bundesarbeitsgericht dementsprechend bereits mit Urteil vom 15. Februar 1994 (- 3 AZR 708/93 – zu III der Gründe) ausgeführt, der Arbeitgeber, der Zeiten des Erziehungsurlaubs nicht als leistungssteigernd anerkenne, könne sich zur Rechtfertigung seiner Leistungsgestaltung auf ein wirkliches Bedürfnis berufen. Der Arbeitgeber dürfe die Höhe seiner Zuwendungen davon abhängig machen, dass der Arbeitnehmer ihm die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung erbringe, also tatsächlich arbeite. So, wie das Arbeitsverhältnis im Ganzen ruhe, dürfe der Arbeitgeber seine Aufwendungen für zusätzliche Entgeltleistungen ebenfalls „ruhen“ lassen. Dies belege auch ein Vergleich mit der Teilzeitarbeit. Auch ein Arbeitnehmer, der Teilzeitarbeit leiste, könne nicht die gleiche Vergütung verlangen wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Würden Zeiten des Erziehungsurlaubs in vollem Umfang für die betriebliche Altersversorgung leistungssteigernd berücksichtigt, so wären solche Arbeitnehmer gleichheitswidrig benachteiligt, die zwar nur Teilzeitarbeit leisten, diese aber tatsächlich erbringen. Anderenfalls würde das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung für tatsächlich erbrachte Dienste in unerträglicher Weise erschüttert (vgl. zum Ganzen: BAG, 20. April 2010 – 3 AZR 370/08).
27
c) Entgegen der Ansicht der Klägerin sind diese Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar, denn es ist weder in sich stimmig noch geboten, die grundsätzliche Möglichkeit der Nichtberücksichtigung von Anwartschaften für Zeiten, in denen wie beim Erziehungsurlaub keine Arbeitsleistung erbracht wird, zu durchbrechen. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass das Anknüpfen an die Erbringung einer Arbeitsleistung als objektiver Faktor gerechtfertigt ist, der nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hat, und der vom Arbeitgeber für die Ungleichbehandlung angeführte Grund einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entspricht und für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich ist (vgl. EuGH, 26. Juni 2001 – C-381/99 – [Brunnhofer] Slg. 2001, I-4961; vgl. zum Ganzen: BAG, 20. April 2010 – 3 AZR 370/08). Zudem ist das von der Klägerin vorgebrachte Argument für die Nichtanwendbarkeit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.04.2010 wegen einer Anspruchsvernichtung auch nicht stimmig und unzutreffend, denn die Klägerin lässt außer Acht, dass die tarifliche Regelung im Rahmen einer sog. Besitzwahrungsrente vorsieht, dass bei Nichterreichung der 5-Jährigen Wartezeit die vor dem 01.05.1997 erworbenen anrechenbaren Beschäftigungs(kalender)monate mit einem Faktor von 1,4 berücksichtigt werden mit der Folge, dass sich bei der Klägerin aus vormals 53 Monaten 74 Monaten ergeben und dies stellt jedenfalls auch eine hinreichende Kompensation dar.
28
4. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass die betriebliche Altersversorgung bei der Beklagten mit Wirkung zum 1. Januar 1997 umgestellt wurde und die sogenannte Betriebsrente P eingeführt wurde, in der unter § 4 Abs. 1 S. 3 TV Betriebsrente P geregelt ist: „Zur Erfüllung der Wartezeit werden Zeiten der gesetzlichen Elternzeit bis zu einer Dauer von drei Jahren berücksichtigt.“, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass nach den unstreitigen und substantiierten Ausführungen der Beklagten sie gerade nicht unter den Anwendungsbereich dieses Tarifvertrags fällt, da sie die persönlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt. Diesen Vortrag der Beklagten hat die Klägerin auch nicht entkräftet bzw. keinen entsprechenden gegenteiligen Vortrag vorgenommen, obwohl sie darlegungspflichtig ist, dass ein bestimmter Tarifvertag auf sie anwendbar ist.
29
5. Schließlich geht auch der Einwand eines Vertrauensschutzes im Hinblick auf den Bestand tariflicher Regelungen ins Leere, denn grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer damit rechnen, dass tarifliche Regelung geändert werden können. Lediglich ein besonders geschützter verdienter Besitzstand wie unverfallbare Versorgungsanwartschaften sind schützenswert und vorliegend liegt wie bereits ausgeführt ein solcher Eingriff nicht vor, da die Umlagemonate im Rahmen der nachfolgenden Versorgungsordnung berücksichtigt wurden und dabei mit einem Erhöhungsfaktor von 1,4 überführt wurden.
III.
30
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
31
Die Revision wird zugelassen. Auf die folgende Rechtsmittelbelehrung wird verwiesen: